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Der Schwarze Wal des Generals Ganmor Yrne
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eBook243 Seiten3 Stunden

Der Schwarze Wal des Generals Ganmor Yrne

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Über dieses E-Book

Die Vierte Energie ist eine abenteuerliche Weltraum-Legende über leidenschaftliche, junge Individuen, die um ihr Überleben und die Freiheit ihrer gesamten Zivilisation kämpfen.

400 Jahre nach den Maschinenkriegen, die beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht haben, steht das zivilisierte Universum vor einer weiteren Katastrophe. Die zwei dominierenden Organisationen, die Bewaffneten Weltraumdienste und das Wirtschaftskonsortium stehen kurz vor einem Krieg, der das Leben jedes Individuums im Universum erschüttern wird.

Der Schwarze Wal des Generals Ganmor Yrne erzählt die spannende und düstere Geschichte von Ewilde Even. Die junge Praktikantin im Wirtschaftskonsortium verlässt nur Tage vor den Ereignissen in Der Blutende Planet das Gasa System, um zu ihrem Verlobten zu reisen. Doch ihre Reise wird jäh unterbrochen und sie trifft auf die gefährlichsten Individuen im zivilisierten Universum: Piraten, Dunkelenergieritter und Nachtklubsängerinnen.

DieVierteEnergie.com

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum18. Feb. 2016
ISBN9783952447932
Der Schwarze Wal des Generals Ganmor Yrne
Autor

Markus L. Stettler

Markus L. Stettler ist 1975 in Basel, Schweiz als Schweiz-Kanadischer Doppelbürger auf die Welt gekommen. Er hat deutsche und englische Literatur studiert und einen Master of Law. Er lebt zusammen mit seiner Frau, seinen beiden Kindern und den Katzen Grace und Steinbeck in seinem Geburtsort. Mehr über Markus L. Stettler ist zu finden unter MarkusLStettler.com und DieVierteEnergie.com.

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    Buchvorschau

    Der Schwarze Wal des Generals Ganmor Yrne - Markus L. Stettler

    1. Ein gewöhnlicher Tod

    Ewilde Even blickte kurz auf die Zeitangabe. Eine Stunde bis ihr Personentransporter die Raumstation verlassen würde. Das musste reichen. Sie ließ ihren Verstand los und ihr Gesäß auf den Hygienestuhl des öffentlichen Wiederverwertungraums fallen. Ihr Kommunikationsgerät in der einen Hand, die andere forschte nach dem Öffnungsmechanismus ihres Funktionsanzuges. Ihre Finger zitterten leicht, als sie seine Kontaktdaten wählte und gleichzeitig die Haut ihres Schoßes berührte.

    „Vize Administrator Narmon Caword, wie kann ich Ihnen helfen?"

    „Ich will dich, Narmon, jetzt!"

    Ewilde Even konnte nicht glauben, dass die Worte gerade aus ihrem Mund gestolpert waren. Sie hatte sich nicht bewusst dazu entschieden. Eine fremde Macht musste von ihr Besitz ergriffen haben. Vielleicht war ein rasmanischer Gedankenfresser in ihr Ohr geschlüpft, hatte ihr Trommelfell durchbohrt und sich in ihrem Innenohr eingenistet, wo er sich mittels des Hörnervs Zugriff zu ihrem Verstand verschafft hatte. Ja, so musste es passiert sein. So hatte der Parasit sie dazu gebracht, diese Unanständigkeit zu verbalisieren. Denn so sehr sich Ewilde nach dem Körper ihres Verlobten verzehrte, es auszusprechen wäre undenkbar gewesen.

    Oder waren die Worte von einer Fehlfunktion des Kommunikationsgerätes des Hygieneraums auf der Raumstation 87b aus ihrem Geist gesogen worden, weitergeleitet durch die Leere des Weltraums bis zum nächsten Transit, wo ein kaum kopfgroßer Würfel, ein Komrelais sie in die intergalaktischen Großen Wege katapultierte? Sie jagten durch das halbe zivilisierte Universum, um am richtigen Transitpunkt die Großen Wege zu verlassen und im Netzwerk des Gjerk-Systems zwei Tagesreisen entfernt ihren Narmon zu finden. Ja, so musste es gewesen sein. Denn sie hätte so etwas nie gesagt.

    Wie auch immer, der junge Mann, Anfang zwanzig, auf dem Monitor ihres Kommunikationsgerätes starrte sie nun überrumpelt an. Als seien nicht nur ihre skandalösen Worte in sein Büro eingedrungen, sondern Ewilde Even selbst, zumindest eine besessene Version von ihr.

    Stopp!, rief ihre innere Stimme. Das bist nicht du. Du bist ein gutes Mädchen.

    Doch was machte ihre rechte Hand in dem Fall in ihrem Schoß begraben? Und obwohl Narmon auf dem Videokanal nur ihr Gesicht sehen konnte, musste er sich wohl dieselbe Frage stellen.

    „Ewilde, bist du krank?"

    War sie? Ewilde saß in diesem Wiederverwertungsraum auf einem Hygienestuhl und verspürte dieses Verlangen, das wieder und wieder ihren Verstand auszuknipsen schien. Ja, vielleicht war sie krank. Vielleicht hatte sie sich auf dem Personentransport etwas eingefangen.

    Nur Ausflüchte. Nimm dich einfach zusammen.

    Ewilde gehorchte und zog ihre Hand aus dem textilen Wirrwarr ihres Funktionsanzugs und ihrer Robe.

    „Ich weiß nicht. Ich fühle mich nicht wie ich selbst. Als würde mich jemand …"

    Sie vergrub ihr Gesicht in ihrer nun freien rechten Hand. Allerdings nahm dabei der Geruch ihres Verlangens ihre Wahrnehmung so ein, dass ein heißer Schwall ihr Gesicht erfasste.

    Ja, schäm dich!

    „Ewilde, es ist sicher nur die Anstrengung der Reise."

    Oh, Narmon, dachte sie, du bist mein Fels. Sie atmete tief durch und fühlte die Beständigkeit des drei Jahre älteren Mannes. Obwohl er ein halbes Universum entfernt war, konnten seine warmen braunen Augen sie auf die Metallplatten ihrer Realität zurückziehen. Der Anblick seines schmalen langen Oberkörpers gab ihr das Gefühl eines Zuhauses. Sie erinnerte sich, wie warm und sanft sich die Haut auf seiner Brust anfühlte, wie sein Hals roch. Die süßliche Männlichkeit. Sie starrte Narmon an, als sei er nur ein Bild. Erneut wurde ihr Verstand ausgeknipst. Ihre Hand verkroch sich in ihrem Innersten.

    Hör auf! Du tust es schon wieder.

    Die Stimme erklang von ihrer Rechten. Mit einem kurzen Seitenblick erfasste sie deren Quelle. Darauf schloss sie ihre Augen. Doch sie war nach wie vor da. Ewilde gab dem Drängen nach. Ein Seitenblick, viel zu vorsichtig, zu schüchtern. Das große Augenpaar starrte sie dunkel an. Die zerbrechlichen Züge in dem blassen Gesicht formten eine Maske der Verständnislosigkeit. Die dunklen Locken in ihrem ständigen Chaos wirkten auf Ewilde wie eine Herausforderung, so als wollte ihr Spiegelbild sie zwingen, auf die unausgesprochene Frage zu antworten.

    Und abermals erklang die Stimme.

    Was für eine dumme Aktion! Was machst du da?

    Ihr Oberkörper schreckte auf, so dass er sich kerzengerade aufrichtete. Die Robe fiel über ihren Schoß.

    „Aber ich habe es mir verdient, sagte Ewilde laut zu ihrem Spiegelbild. „Ich habe so lange gewartet. Wir waren so lange unterwegs.

    Und das bedeutet, dass du hier in aller Öffentlichkeit an dir herumspielen musst?

    „Ich weiß, die Reise ist lange, antworte ihr Narmon zur gleichen Zeit, „aber bald bist du wieder bei mir.

    Erschrocken realisierte Ewilde, dass sie sich neben dem Zwiegespräch mit sich selbst inmitten eines zweiten Gespräches befand. Mit einem tiefen Atemzug sammelte sie ihre Wahrnehmung und versuchte sich auf den jungen Mann zu konzentrieren.

    „Nein, ich meine ja, Narmon", stotterte Ewilde und richtete ihren Blick auf den Monitor ihres Kommunikationsgerätes.

    „Und dann werden wir unseren Partnerschaftsvertrag unterschreiben. Danach wird alles gut und du musst dich um nichts mehr sorgen."

    Wie stets umschlossen seine Worte Ewilde in eine warme Decke und erstickten jeglichen Zweifel. So nickte sie nur langsam. Doch sein Blick war nicht auf den Videokanal ausgerichtet. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit eingefangen.

    „Ja", sagte Ewilde darum etwas zu laut. Er blickte schnell auf.

    „Entschuldige, Ewilde, aber ich muss hier ein paar Versorgungsprobleme lösen. Seit die Situation mit den Bewaffneten Diensten eskaliert ist, wird es zunehmend schwerer, diese Kolonie mit den nötigen Waren zu versorgen. Und ich weiß nicht, ob die Verhandlungen im Gasa-System viel nützen werden. Mein Vorgesetzter, der Administrator hat mir anvertraut …"

    Ewilde nickte übertrieben zustimmend, da sie bemerkte, wie ihr Fokus langsam von Narmons Worten zum blassen Rot seiner Lippen kroch.

    „Ich bin jedenfalls froh, dass du nicht mehr dort bist. Seit dem dritten Konzil der großen Org…"

    Diese Lippen mit der feinen heißen Haut. Ewilde wollte sie auf ihren spüren. Oder auf ihrem Hals. Oder auf ihren nackten Schultern. Immer tiefer sank die Vorstellung und löste erneut dieses Verlangen in ihrem Schoß aus.

    Dabei wäre dies genau der richtige Zeitpunkt gewesen, das Gespräch zu beenden, sich zurechtzumachen und zum Steg des Personentransporters zu gehen, der in einer Stunde ablegen würde. Dennoch wollte sie das Bild von diesen Lippen auf dem Kommunikationsgerät nicht loslassen.

    Obwohl der Personentransporter die einzige Verbindung für die nächsten drei Standardtage nach Gjerk war, zu ihrem Narmon.

    Ihr Verlangen auszublenden war Ewilde jedoch seit jeher schwergefallen. Es kam ihr vor, als seien die gesamten achtzehn Jahre ihres bisherigen Lebens ein ständiger Kampf gegen diese einfachen Bedürfnisse gewesen. Ein ständiges Widerstehen der Versuchungen. Die bunt verzierten Kekse, die ihre Mutter ihr immer in die Administratorenschule geschickt hatte, mussten gegen die ausgeglichenen Nahrungseinheiten der Schule antreten und hatten ihr so viel Beherrschung abverlangt. Die Freude am Spiel mit den anderen Kindern, die sie von ihren Studien abhielten, hatten sich immer wieder heimtückisch angeschlichen. Als Jugendliche waren es die Schlachten der Liebesgeschichten gegen die wissenschaftlichen Abhandlungen auf ihrem Datenmonitor gewesen. Ständig wurde Ewilde herausgefordert – meist hatte sie gewonnen. So war sie eine gute Schülerin geworden, eine der besten. Ohne die ständigen Angriffe und die gelegentlichen Niederlagen hätte es vielleicht sogar für die Spitze gereicht.

    Dann jedoch hatte sie Narmon kennengelernt und in ihm die größte aller Versuchungen gefunden. Drei Jahre älter als sie, mit sechzehn, gerade im Alter seines Abschlusses von der Administratorenschule, war er in der Bibliothek mit ihr kollidiert, die Aufmerksamkeit auf seinem Datenmonitor. Sein knochiger Brustkorb war gegen ihre Nase geprallt. Im Moment des Schmerzes war indes der Geruch seines Körpers in ihr Bewusstsein eingedrungen und hatte sie in eine wohlig warme Decke eingehüllt.

    „Oh, tut mir leid, Fräulein."

    „Ist nicht schlimm."

    „Ich glaube schon. Ihre Nase blutet."

    Er hatte sie auf die Medistation der Schule gebracht und ihre Hand gehalten, als ihr das Medipack injiziert worden war. Sie hatte es kaum gespürt. Er redete die ganze Zeit mit ihr, die Worte schienen dennoch immer weiter weg zu driften. Seine Augen nahmen ihre gesamte Wahrnehmung ein, diese großen braunen Augen, die wilde Sprünge machten, wenn er davon erzählte, wie er das Wirtschaftskonsortium verändern würde. Mehr als dieses Braun nahm Ewilde jedoch nicht wahr. Da wusste sie, dass Narmon eine Versuchung war, der sie nicht widerstehen konnte, nicht wollte. Die erste Nacht nach ihrem ersten Aufeinandertreffen war erfüllt gewesen vom roten Synthohol, den eine Freundin in die Schule geschmuggelt hatte, und Traumbildern von wilden Bewegungen, gesehen durch feines Tuch mit dem Fokus auf die zarten Muskeln des älteren Jungen. In der zweiten Nacht hatte ihre Hand das erste Mal den Weg in ihren Schoß gefunden und sie hat sich selbst ihre trügerische Unschuld genommen. Und in der dritten Nacht hatte sie ihn in der Bibliothek wiedergetroffen. Sie hatte sich als Beute eines Raubzugs präsentiert. Er hingegen hatte sich nicht als ihr Gegner herausgestellt, sondern als ein Alliierter, der ihre Liebe erwiderte, sie jedoch nicht verletzen wollte.

    So hatte er für sie den verlorenen Kampf geführt und ihre Unschuld für sie zurückerobert. Für einmal musste sie nicht mehr selbst kämpfen. Er übernahm das für sie. Dabei eignete er sich nicht nur die Rolle ihres Soldaten an. Nach seinem Abschluss ging der junge Absolvent für ein Praktikum nach Gjerk und seine Nachrichten durch die Weiten des Weltraums waren die nötige Versorgung ihres eigenen Widerstands gegen die einfachen Lustattacken, so dass sie sich auf ihre Studien konzentrieren konnte.

    Als ihr eigener Abschluss näher rückte, hatte er als General die Taktik ihrer Karriere in die Hand genommen. Durch seine neuen Verbindungen hatte er ihr ein Praktikum in der bedeutenden Administration auf dem Planeten Gasa verschafft.

    Nochmals waren sie zwei Jahre getrennt. Doch sie beide hatten die Zeit gut genutzt. Narmon machte schnell Karriere auf Gjerk und wurde letzten Monat zum jüngsten Vize Administrator in der Geschichte des Wirschaftskonsortiums von Planetenkolonien und Raumstationen ernannt. Auch Ewilde hatte sich gemacht. Die Leitung einer Administration hatte sie hingegen nie interessiert. Die technische Realisierung von Erkenntnissen der Wissenschaftsreligion faszinierte Ewilde. Und da das Konsortium auf Gasa viele neue Geräte des Konsortiums testete, hatte sie genügend Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Lange hatte sie gedacht, dass sie irgendwann selbst eine wichtige wissenschaftliche Erkenntnis von den Mönchen kaufen und eine Tochtergesellschaft des Konsortiums gründen würde. Doch vor einem Monat hatte sie die Nachricht von Narmon bekommen. Die Nachricht mit der wichtigen Frage oder besser dem wichtigen Dokument: Der Entwurf für einen Partnerschaftsvertrag.

    Nun war Ewilde auf dem Weg zu ihrem Narmon, ihrem Soldaten, ihrem General, ihrem zukünftigen Ehemann.

    Das Bild ihres nackten Zukünftigen in ihrem Spiel löste sich abrupt auf, als eine freundliche, aber bestimmte Frauenstimme im Lautsprechersystem der Raumstation erklang.

    „Letzter Aufruf für Ewilde Even, bitte melden Sie sich am Dock 7."

    „Ewilde? Du solltest jetzt wohl los."

    Sogleich erschien auch der angezogene Narmon auf ihrem Kommunikationsgerät wieder in ihrer Wahrnehmung.

    Erschrocken hielten ihre Fingerspitzen auf ihrer Klitoris inne und ihr Blick suchte die Zeitangabe.

    Da hast du es, dummes Mädchen. Du hast nur noch zwanzig Minuten, bis das Raumschiff abfliegt.

    Schnell verabschiedete sie sich von Narmon und anstelle seines wunderschönen Gesichts erschien ein zorniges Blinken auf dem Monitor. Ihre Haushälterin Frau Betrand, die mit Ewilde reiste, hatte ihr ein Dutzend Nachrichten hinterlassen.

    Ewilde glättete kurz ihre Robe und riss daraufhin die Luke des Wiederverwertungsraums auf. Sie wollte in Richtung der Schiffsdocks rennen. Doch vor dem Wiederverwertungsraum bäumte sich die Schlange wartender Frauen auf. Ein Dutzend Individuen, die sie mit abschätzigem Blick ansahen. Ewilde durchfuhr ein nasskalter Schreck. Sie hatte nicht daran gedacht, dass die kleine Raumstation vielleicht mit nicht sehr vielen Wiederverwertungsräumen ausgestattet war und sie den Prozess der Hygiene mit ihrer Aktion aufgehalten hatte. Mit gesenktem Kopf ging sie an der Schlange vorbei. Ihr zierlicher Körper schrumpfte dabei zu dem eines Kindes. Dennoch ließ sie selbst das gelegentliche Zischen nicht die wahre Gefahr vergessen. Sie würde ihren Flug verpassen. Ihre Verbindung zu Narmon. Sobald sie die Frauen hinter sich gelassen hatte, begann sie zu rennen.

    In den verwinkelten Gängen der veralteten Raumstation war es jedoch schwierig, das Tempo hochzuhalten. Immer wieder musste sie an den Navkonsolen den Weg zum Dock 7 aufrufen. Und wenn sie ihren Weg gefunden hatte, formten die vielen Reisenden auf der Raumstation 87b Hindernisse, die sie an die Trainingseinheiten auf der Administratorenschule denken ließ.

    Ein Piepston aus ihrer Tasche warnte sie vor einer weiteren Nachricht von Frau Betrand.

    Mist, dachte Ewilde, nur noch 15 Minuten, bis ihr Schiff ablegen würde. Da bemerkte sie, dass sie zu allem Dummen und Überflüssigen bei der letzten Gabelung von Gängen den falschen Weg eingeschlagen hatte. Ewilde bremste, kurz bevor sie mit einer Luke kollidierte. Auf dem graubraunen Metall stand nur schwer entzifferbar das Wort Schiffstech.

    Sie wollte sich umdrehen, um wieder in Richtung ihres Personentransporters zu eilen, als ein Geräusch durch die Luke des Maschinenraums hindurch nach ihr griff. Ewilde stockte. Es war ein hoher Ton, der sich durch ihre Ohren in ihr Herz bohrte. Menschlich definitiv, eine Art Schrei vielleicht. Oder ein Ruf.

    Ein Hilferuf?

    Ein Blick auf ihr Kommunikationsgerät verriet ihr, dass sie nur zehn Minuten hatte bis zum Abflug des Personentransporters.

    Mist.

    Worauf ein zweiter Schrei folgte, der wie eine Mahnung klang. Denn sie bemerkte, dass sich ihr Körper schon von der Luke zum Schiffstech entfernt hatte.

    Klingt wie ein Kind. Ein Kind in Not.

    Erst der dritte Schrei, lauter und verzweifelter als die vorherigen, bewegte sie schließlich dazu, die Luke zum Maschinenraum zu öffnen. Mit einem feinen Zischen und gleichzeitigem Knattern schob sich die Luke auf. Der verwesende Geruch von Graumaterie, getragen von einem überraschend eisigen Wind, traf Ewilde.

    „Hallo?", rief sie in die Dunkelheit. Die Antwort eines verhaltenen Echos ließ Ewilde auf einen großen schmutzigen Raum schließen.

    Kalt, groß und schmutzig und du hast keine Ahnung, was dich hier erwartet. Dreh um!

    Da hörte sie nochmals einen Schrei, deutlich schwächer, der sich zu allem Überfluss auch noch in ein leises Husten auflöste. Ewilde packte sich kurzerhand eine der schwebenden Leuchtkugeln aus dem Gang und schob sie in den Maschinenraum. Die Kugel schien sich dagegen zu wehren. Die Aggregatoren wollten nicht in den Maschinenraum, mussten sich jedoch von Ewildes energischer Hand führen lassen.

    Sie machte den ersten Schritt in den Raum, der nur schwach von der einzelnen Leuchtkugel erhellt wurde. Ewilde konnte die Umrisse von Geräten erkennen. Große Röhren. Und im Zentrum des Raumes, in dem ihr Appartement auf Gasa sicherlich zweimal Platz gefunden hätte, ein zwei Standardmann hoher zylinderförmiger Behälter. An dessen Füßen befanden sich freche farbige Lichter und ein dunkler Monitor.

    Dies schien die Klimakontrolle der Raumstation zu sein, wo Wärme, Wind und Wasser produziert wurden, um das Leben im kalten Nichts des Weltraums zu ermöglichen.

    Ewilde betrachtete den Zylinder und erkannte in den unanständigen Lichtern die Statusanzeige der Energiezufuhr für die Klimakontrolle oder besser deren Stabilisation. Graumaterie, das im ganzen zivilisierten Universum als Energielieferant benutzt wurde, war eine unstabile Substanz, unstabil und potent. Die Menge in diesem Klimakontrollgerät würde ohne Weiteres ausreichen, die ganze Station zu zerstören.

    Du solltest jetzt wirklich gehen. Melde es einfach dem Sicherheitspersonal.

    Dennoch fuhr Ewilde mit den Fingern sanft über die Lichter am Fuß des Gerätes. Worauf sie sich an den Grund ihres Aufenthalts an diesem unfreundlichen Ort erinnerte.

    „Hallo? Ist hier jemand?"

    Als Antwort hörte sie ein leises hohes Seufzen, definitiv menschlich, ganz klar nahe, sicherlich klagend, trotzdem konnte sie weiterhin keine Quelle erkennen.

    Irgendwie hinter dem Zylinder.

    Sie umrundete das Gerät. Sie musste über die Luftröhren, die aus dem Klimagerät führten, steigen und darunter und dazwischen. Wieder und wieder rief sie nach dem Kind. Jedes Mal dieses klägliche Seufzen, das offensichtlich von ihr davonlief. Denn wann immer sie seine letzte vermutete Position erreicht hatte, erklang es von der anderen Seite des Zylinders.

    Nachdem sie das Spiel zweimal mitgemacht hatte, schüttelte sie den Kopf. Das war doch Schwachsinn. Jemand machte sich einen Spaß mit ihr.

    „Gut, ich gehe jetzt. Ich hab keine Zeit für so was", rief sie in den Raum und wandte sich dem Ausgang zu.

    In diesem Moment zitterte der Zylinder leicht, während erneut ein weiterer Seufzer zu hören war.

    Das war nicht möglich. Mit beiden Händen berührte sie den Zylinder und da war es tatsächlich. Mit demselben Zittern wie auch dem Seufzen bewegte sich die Anlage.

    „Ist da jemand drin?"

    Definitiv eine schmerzverzerrte

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