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Margaretha: Die Tochter der Hexe von Rodenbach
Margaretha: Die Tochter der Hexe von Rodenbach
Margaretha: Die Tochter der Hexe von Rodenbach
eBook329 Seiten4 Stunden

Margaretha: Die Tochter der Hexe von Rodenbach

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Über dieses E-Book

Ein Mörder geht um in Rodenbach in den Jahren 1630-1650. Der schwarze Reiter tötet offenbar wahllos Menschen in Rodenbach. Grausame, bestialische Morde. Irgendwann werden die Zusammenhänge klar. Der Mörder ist aber nicht zu fassen. Wer ist der schwarze Reiter?

Das Buch erzählt die Lebensgeschichte von Margaretha, der Tochter von Agnes Bast, die 1627 als Hexe verbrannt wurde. Margaretha lebt mit dem Tod ihrer Mutter als Hexe und hat blutige Rache geschworen. Wird sie die Mörder finden? Was wird sie tun? Wird sie überleben? Wird Rodenbach, der geschundene Ort, überleben?

Lassen Sie sich von den Geschehnissen fesseln. Leiden Sie mit Margaretha, der Tochter der Hexe. Tauchen Sie ein in Rodenbachs echte Vergangenheit. Sie werden das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Nehmen sie teil an Margarethas spannendem Leben als Tochter der Hexe von Rodenbach.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum5. Nov. 2015
ISBN9783739299174
Margaretha: Die Tochter der Hexe von Rodenbach
Autor

Ignatz Basile

Ignatz Basile, geb. 1951, beschäftigte sich schon früh mit der Fotografie. Er veröffentlichte zwei Bildbände über die Schildkröten der Welt, die europaweit verkauft wurden. Weiterhin war er in den Jahren 2003 und 2004 zusammen mit seinem Sohn Herausgeber des ersten deutschen Schildkröten-Fachmagazins. Zwei Kalender mit seinen Fotos erschienen in verschiedenen Verlagen. Im Jahre 1996 erschien dann sein erstes Kinderbuch „Testudo und Fennek“. Das zweite folgte 2007 „Testudo und Funny“. Im Jahre 2013 erschien sein drittes Kinderbuch „Celina und Alessa“ mit Bezug zu seinem Heimatort Rodenbach. 2014 erschien sein erster Roman „Die Hexe von Rodenbach“. Nach dessen großem Erfolg liegt nun die Fortsetzung vor: „Margaratha (die Tochter der Hexe) und der schwarze Reiter“.

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    Buchvorschau

    Margaretha - Ignatz Basile

    Autor

    Kapitel 1

    Rodenbach im Kinzigtal im Jahre 1630

    Margaretha war zwölf Jahre alt. Sie war die Enkelin des Schusters Conradt Bast und seiner Frau Elisabeth. Ihre Mutter Agnes war vor zwei Jahren verstorben. Margaretha lebte fortan bei ihrer Großmutter und ihrem Onkel Paul. Paul hatte zusammen mit seinem Freund Hans Rießel den niedergebrannten Hof der Basts wieder aufgebaut, auch mit Hilfe weiterer Nachbarn aus den Höfen in der Hauptstraße. Das Fachwerkhaus war fast so schön und groß wie der ehemalige Hof der Basts. Eine kleine Hütte stand neben dem Haus. In dieser Hütte lebte Margaretha mit Großmutter und Onkel die letzten zwei Jahre, bis das neue Haus fertig gestellt war. Den alten Hof hatten bei Kriegsbeginn spanische Soldaten angezündet, nachdem sie den Schuster in seiner Werkstatt ermordet hatten. Alle drei Basts trauerten heute noch um den Verlust.

    Auch der Hof des befreundeten Bauern Rießel war am selben Tag niedergebrannt worden. Der Sohn Hans baute ihn in den letzten Jahren wieder auf. Auch hier half sein Freund Paul Bast tatkräftig mit. Hans Rießel betrieb noch zusammen mit seiner Frau Maria, der schönen Müllerin, eine Lohmühle mit einer Gerberei am Rodenbach vor dem Dorf. Hans und Maria hatten einen Sohn, Jacob, der nur wenig jünger als Margaretha war. Als Agnes, die Mutter von Margartha, noch lebte, war sie mit den Rießels sehr eng befreundet und die Kinder Margaretha und Jacob spielten oft miteinander. Jetzt gingen die beiden zusammen in die kleine Schule in der Kirchstraße. Die erste Schule war früher in der Gemeindeherberge. Später wurde das Haus in der Kirchstraße von der Kirchengemeinde erworben und die Schule darin eingerichtet. Im oberen Stockwerk wohnte der Schulmeister Lorenz Köppels. Auch einen Lehrer aus Hanau gab es. Conrad Gerhard.

    Margaretha ging sehr gerne zur Schule. Sie war äußerst intelligent und das Lernen fiel ihr leicht, sehr im Gegensatz zu Jacob, dem sie oft helfen musste. Margaretha vermisste ihren Großvater sehr, noch mehr aber ihre geliebte Mutter, an die sie sich noch gerne und gut erinnern konnte. Ihr Fehlen machte sie traurig, aber auch zornig und wütend. So sehr sie auch fragte, bekam sie aber bisher keine genauen Angaben über die Umstände des Todes von Agnes. Vielleicht war dies der Grund, dass sie oft wütend war. Dabei wusste sie, dass mit ihrer Mutter etwas Schreckliches geschehen war. In ihren Alpträumen hatte sie Agnes immer in einem Feuer brennen sehen. War ihre Mutter im Feuer verbrannt? Warum erzählte man ihr nichts? Margaretha hatte tatsächlich einige Geschehnisse „vorhergesehen, die dann auch eintrafen, das wusste sie aber nicht, da sie damals noch viel jünger war. Seit dem Verlust ihrer Mutter hatte sie aber keine „Vorhersehungen mehr gehabt. Dabei tobte in ihr ein Gefühlssturm, den sie oft nicht unter Kontrolle hatte.

    Margaretha wusste, dass Baron Martin von Dragus vom Gut Dragus hinter Oberrodenbach ihr Vater war. Aus irgendeinem Grund lebte ihre Mutter aber nicht mit ihm zusammen. Vielmehr lebten Margaretha und Agnes eine Zeit lang auf dem kleinen Hof von Eva und Peter Adam in Oberrodenbach. Eva war wie eine zweite Mutter für Margaretha. Zu ihr würde sie heute gehen!

    „Hallo Eva, ich wollte dich und Peter mal wieder besuchen."

    „Hallo Margaretha, wie geht es dir?"

    „Och, es geht so."

    „Möchtest du einen Tee mit mir trinken? Peter ist ohnehin nicht da und so können wir es uns gemütlich machen."

    „Ja, ein Tee wäre schön, Eva."

    „Wie geht es zu Hause? Und in der Schule?"

    „Alles ist gut. Die Schule macht Spaß und in unserem neuen Haus ist es auch schön. Ich darf manchmal sogar in der kleinen Hütte nebenan alleine wohnen. Das ist schön. Dort sind auch die Kräuter und Medikamente von meiner Mutter und ihre vielen Bücher. Ich habe sogar schon begonnen, darin zu lesen. Das ist sehr interessant. Vielleicht werde ich ja auch eine Heilerin wie meine Mutter."

    „Das ist doch schön. Aber auch schwierig und… und gefährlich!"

    „Gefährlich? Wieso?"

    „Na ja, nur so, man kann ja nicht jeden heilen und wenn jemand stirbt, dann sind die Leute sauer und geben manchmal der Heilerin die Schuld."

    „Oh!"

    Die beiden schwiegen eine Weile.

    „Ich möchte dich etwas fragen, Eva."

    „Ja Kleines?"

    „Wie und warum ist meine Mutter gestorben?"

    „Oh, das kann ich dir nicht sagen."

    „Doch! Ich glaube, du weißt es, bitte sage es mir."

    „Margaretha. Das musst du deine Großmutter fragen. Sie kann es dir sagen."

    „Also weiß sie es!"

    „Ja, aber du warst bisher noch zu klein. Vielleicht kann sie dir jetzt alles erzählen. Frag sie einfach."

    „Gut Eva. Das werde ich tun."

    Bald ging Margaretha. Ein ungutes Gefühl trieb sie schnell nach Hause.

    „Ich bin jetzt alt genug, Großmutter! Erzähle mir endlich, was mit meiner Mutter geschehen ist!"

    „Ja, Margaretha. Ich glaube, du sollst jetzt alles erfahren. Ich rufe noch Paul herein, er soll dabei sein."

    Als Paul hereingekommen war, begann Elisabeth stockend zu erzählen: „Du weißt, dass deine Mutter eine gute Heilerin war. Die Beste. Sie hat viele Kranke geheilt. Vor allem während die Pest im Dorf wütete. Sie war berühmt bis in viele Dörfer und bis nach Hanau, wo sie auch im Hospital Menschen geheilt hat. Wir waren alle so stolz auf sie!"

    „Das weiß ich doch alles, Großmutter."

    „Eines Tages war Katharina von Dragus an der Pest erkrankt, du weißt, die Mutter von Martin, deinem Vater."

    „Ich weiß."

    „Agnes hatte schon so viele Menschen geheilt, aber Katharina konnte sie nicht mehr helfen. Man hatte sie zu spät gerufen. Die Baronin starb qualvoll."

    „Oh! Aber was hat das mit Mutters Tod zu tun?"

    „Das will ich dir sagen. Man gab deiner Mutter die Schuld an dem Tod von Katharina."

    „Aber wieso?"

    Paul mischte sich jetzt ein: „Deine Mutter und Martin wollten heiraten, aber Katharina war dagegen und hat dies all die Jahre verhindert. Man warf Agnes vor, sie hätte deshalb Katharina sterben lassen, damit sie endlich mit Martin zusammen kommen könnte."

    „Oh, ich verstehe."

    Paul fuhr fort: „Jemand hat dann deine Mutter beim Kirchenrat angezeigt und es gab in Crotzenburg einen Prozess. Ich will es kurz machen, es tut heute noch weh! Agnes wurde bezichtigt, eine Hexe zu sein, und zum Tode verurteilt. Sie… sie… wurde gefoltert… und verbrannt!"

    „Oh mein Gott, genau wie ich es immer geträumt habe!" In Margaretha tobte ein Orkan.

    „Verbrannt! Meine arme Mutter, diese Schweine!"

    Margaretha stürmte aus dem Zimmer. Einige Hühner liefen ihr vor die Füße. Margaretha schnappte sich eines nach dem anderen, drehte ihnen den Hals um und warf sie gegen die Scheunenwand. Sie tobte vor Wut und war völlig außer sich! Dann stürmte sie in die kleine Hütte, knallte die Tür hinter sich zu und warf sich auf das Bett. Ihre geliebte Mutter, als Hexe verbrannt, und sie hatte es gesehen! In ihrem Innern baute sich ein großes schwarzes Monster aus Wut und Verzweiflung auf. Es wollte raus und Margaretha konnte sich nicht von dem Monster befreien. Es wütete in ihr noch lange Zeit…

    Die Schule war für Margaretha heute wieder ziemlich langweilig. Da Kinder unterschiedlichen Alters zusammen in eine Klasse gingen, musste das Tempo an die jüngeren Schülern angepasst werden. Zum Ende des Unterrichts hin wurde es aber dann doch interessant. Da es Schüler zwischen zwölf und vierzehn Jahren gab, war es für einige das letzte Schuljahr. Der Lehrer Conrad Gerhard befragte deshalb die Schüler nach ihren Plänen für ihr Leben: „Also, nun erzählt mir einmal, wie geht es nach der Schule für euch weiter?"

    Der eine oder andere der Älteren meldete sich zu Wort. Bei den Jungen war die Antwort meist dieselbe. Sie arbeiteten auf dem elterlichen Hof und würden diesen später einmal übernehmen. Der Sohn des Bäckers würde natürlich Bäcker werden. Dasselbe galt für den Sohn des Metzgers. Einige Jungen, die mehrere Geschwister hatten, wollten eventuell einen anderen Hof erwerben und Großbauer werden. Es gab ja in Rodenbach genug leer stehende Höfe, nach den vielen Toten während der Pest. Man konnte bei der Gemeinde einen solchen Hof für wenig Geld erwerben. Es gab jemanden, der Künstler werden wollte, aber sonst gab es keine Überraschungen. Bei den Mädchen sah es etwas anders aus. Die meisten sahen sich in der Rolle ihrer Mutter, also als Ehefrau und Bäuerin. Als Margaretha gefragt wurde, gab sie zunächst keine Antwort. Sie hatte darüber noch nicht nachgedacht. „Vielleicht werde ich eine große Heilerin. Wie meine Mutter."

    Plötzlich hatte sie die Aufmerksamkeit aller Schüler. Der starke Fritz, einer der größeren und älteren Schüler lachte dann laut: „Ha, ha. Eine große Heilerin. Wie deine Mutter. Mein Vater erzählte mir, dass sie eine Hexe war und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde."

    Margaretha wurde blass. Ein Ungeheuer aus brennendem Zorn und unbändiger Wut erwachte zum Leben.

    „Was sagst du da?"

    Das Monster war nun aufgewacht und beherrschte Margaretha.

    „Eine Hexe war sie", wiederholte Fritz.

    Margaretha sprang auf und stürzte sich auf Fritz. Bevor dieser sich versah, hatte ihn Margaretha mit beiden Händen am Hals gepackt und drückte zu. Das schwarze Monster in ihr drohte sie zu sprengen. Ihre Augen feuerten Blitze gegen den Jungen, der schon blau anlief. Bevor der Lehrer eingreifen konnte, warf sich Jacob dazwischen und bewahrte seine Freundin vor Schlimmerem. Fritz sank röchelnd zu Boden. Margaretha stand keifend vor ihm und war nur mühsam von Jacob festzuhalten. Sie keuchte schwer und ihre Augen schleuderten weiterhin Blitze gegen Fritz. Schaum stand ihr vor dem Mund.

    Endlich war Lehrer Gerhard bei Margaretha. Er packte das bebende Mädchen bei den Schultern und führte es aus dem Raum. Er schickte Margaretha nach Hause und verbot ihr, wieder in die Schule zu kommen!

    Wie in Trance ging Margaretha die wenigen Meter nach Hause. Sie ging direkt in ihre Hütte. Das schwarze Monster gab noch keine Ruhe. Aufgewühlt setzte sie sich auf ihr Bett.

    Der Schulmeister Köppels war bei Elisabeth und besprach den Vorfall in der Schule mit der Großmutter. Elisabeth und auch Paul erschraken über das Gehörte. Allerdings waren sie nicht sehr überrascht. Die Gewaltausbrüche von Margaretha nahmen offenbar zu. Der Vorfall mit den Hühnern war beiden noch deutlich in Erinnerung. Der Schulmeister verlangte, dass Margaretha zunächst der Schule fernbleiben musste. Er wollte die Angelegenheit noch mit dem Lehrer besprechen. Elisabeth und Paul blieben nachdenklich zurück. Ihre geliebte Marga entwickelte sich zu einem ernsten Problemfall.

    Margaretha durfte zunächst nicht mehr zur Schule gehen, was ihre Wut noch vergrößerte. Sie vertrieb sich anfangs die Zeit mit dem Lesen von Agnes’ Büchern, bis sie das langweilte. Ihre innere Unruhe verhinderte ein konzentriertes Lesen. Sie bot dann Elisabeth ihre Hilfe bei der Feldarbeit an, was auch gerne angenommen wurde. Zusammen mit Paul arbeitete sie bis zur körperlichen Erschöpfung. Keine Arbeit war ihr zu schwer. Sie schuftete wie ein Mann und ließ sich nicht bremsen. Paul bewunderte ihre Kraft und ihre Ausdauer, die sich nicht stoppen ließ. Gleichzeitig machte er sich Sorgen. Margaretha sprach nicht. Sie arbeitete, sie wütete, sie verausgabte sich… das Monster in ihr schlief.

    Um Martin war es sehr still geworden. Seine Mutter war tot, was ihn nicht gerade belastete. Sein Vater war über seinen Kummer depressiv und alt geworden. Er war ihm kein aufmerksamer Gesprächspartner. Sein Bruder Ludger war vom Vater des Gutes verwiesen worden und lebte bei Verwandten im Frankenland.

    Martin von Dragus fühlte sich einsam und allein. Allein unter den vielen Menschen auf seinem Gut. Agnes fehlte ihm. Er hatte sein Leben vergeudet. Hätte er rechtzeitig zu Agnes gestanden, sie wäre gewiss heute noch am Leben. Hin und wieder vergaß er seinen Kummer, dafür wuchs aber sein Hass. Sein Hass auf all diejenigen, die an Agnes’ Tod Schuld waren. Immer wieder führte er sich die Geschehnisse von vor zwei Jahren vor Augen. Wer waren die Täter? Gegen wen konnte er seine Wut richten? Natürlich stand an erster Stelle sein Bruder Ludger. Dieses Schwein hatte Agnes beim Kirchenrat in Crotzenburg angezeigt. Das war der Anfang. Alles Folgende hatte er damit ausgelöst.

    Schon der Dorfknecht von Oberrodenbach, Hans Wendel, war der erste Mittäter. Dieser Untertane des Mainzer Petersstiftes sollte in Oberrodenbach für Ruhe und Ordnung sorgen. Er hatte die Schergen des Kirchenrates von Crotzenburg zu Agnes geführt und die Gefangennahme erst ermöglicht. Dann natürlich der gesamte Kirchenrat von Crotzenburg. Diese angeblich so frommen Katholiken hatten Agnes unschuldig verurteilt. Agnes. Die Gute. Sie hatte so viele Menschen vor dem Tod gerettet. Martins Hass auf diese fünf Kirchenräte wuchs und wuchs. Ja, er hasste sie, sie alle, alle Katholiken, ja alle Crotzenburger, alle, die sich am Sterben seiner Geliebten ergötzt hatten. Und natürlich…

    Die beiden Folterknechte, die ihre Freude am Quälen von Agnes hatten. Martin hatte sich erkundigt beim Pfarrer von Crotzenburg und bei den einfachen Menschen im Ort. So hatte er in den letzten beiden Jahren alle schrecklichen Einzelheiten von Agnes’ Verhandlung, Folterung und Tod erfahren. Leider half ihm dieses Wissen nicht. Im Gegenteil. Je mehr er erfuhr, umso stärker wurde sein Zorn auf alle am Tod von Agnes Beteiligten. Keiner hatte ihr geholfen. Kein Mitglied des Kirchenrates, nicht einmal der oberste Kirchenrat, Maximilian Müller, der mit Martins Vater sogar befreundet war. Auch der Pfarrer von Crotzenburg war keine Hilfe.

    Immer wenn Martin an diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen war, musste er sich abreagieren. Oft schwang er sich auf sein Pferd und ritt wie von Furien gehetzt über die Wiesen und Felder von Gut Dragus. Manchmal ging er auch in seinen „Übungsraum". Dort trainierte er seit frühester Jugend den Waffenkampf, teilweise sogar mit einem Lehrer. Übungen mit dem großen Schwert, dem Kurzschwert. Zielwürfe mit dem Dolch und der Doppelaxt waren ein schweißtreibendes Abreagieren seiner Aggressionen. In seiner Vorstellung hatte er am Ende seiner Übungen alle Gegner getötet. Sein Hass aber blieb…

    Mutter Elisabeth ertränkte ihren Schmerz im Gebet. Wann immer ihre Zeit es zuließ, ging sie die wenigen Schritte zur kleinen Kirche. Sie betete für die Seele ihrer Tochter Agnes… und auch für das Seelenheil von Margaretha, um das sie sich sehr sorgte. Die Gewalt, die in ihrer Enkelin steckte, ängstigte sie. Pfarrer Seipel half ihr in langen Gesprächen, den Glauben an Gott nicht zu verlieren.

    Als Elisabeth wieder einmal von der Kirche nach Hause kam, wartete Martin von Dragus im Hof. Zwei gequälte Geschöpfe fanden sich in einer Umarmung.

    „Martin, wie schön!"

    „Ich freue mich auch, euch zu sehen, Mutter Elisabeth. Wie geht es euch?"

    „Mir? Wie soll es mir gehen? Ich kann nicht vergessen, Martin."

    „Oh, das kenne ich. Ich will aber auch nicht vergessen. Ich erinnere mich an jede kostbare Minute mit Agnes und ich hasse alle, die ihren Tod verschuldet haben und… und ich hasse mich! Mich, wegen meiner Unentschlossenheit. Ich habe mein Leben und meine Liebe verloren."

    Beide schwiegen im gemeinsamen Schmerz versunken. Martin sprach dann weiter: „Ich möchte Margaretha besuchen. Wenigstens an ihr will ich etwas gutmachen. Sie sollte einen Vater haben."

    Elisabeth überlegte lange. „Lass uns ins Haus gehen, Martin."

    Als beide in der großen Stube am Tisch saßen, begann Elisabeth: „Du kommst gerade recht, Martin. Wir haben ein Problem. Margaretha darf nicht mehr zur Schule."

    „Wieso?"

    „Das ist eine lange Geschichte. Margaretha ist voller Zorn und… und Gewalt. Sie hat einen Mitschüler angegriffen und fast erwürgt."

    „Aber warum?" Martin war fassungslos.

    „Er hat gesagt, dass ihre Mutter eine Hexe war."

    „Oh mein Gott. Da kann ich sie verstehen."

    „Du schon. Aber sie ist erst zwölf Jahre. Und sie ist stark. Und… und gewaltbereit! Wir haben das anfangs gar nicht ernst genommen. Sie hat Hühnern den Hals umgedreht. Sie kann große Hammel an den Hörnern in die Knie zwingen. Und sie tut es auch. Und es macht ihr Freude. Ich bin in großer Sorge. Wir müssen etwas tun. Ich liebe sie, sie ist so ein liebes Mädchen. Aber wehe, wenn sie zornig wird!"

    Nach einer Weile sagte Martin: „Ich hätte da einen Vorschlag zu machen. Margaretha kann zu mir auf das Gut kommen. Für eine Weile wenigstens. Solange sie will. Solange ihr es wollt. Ich besorge ihr einen Privatlehrer und wir erziehen sie. Sie kann bei uns im Herrenhaus leben, solange ihr wollt. Bitte Elisabeth, fragt sie, denn sie muss es auch wollen. Ohne ihre Zustimmung geht das sicher nicht. Wollt ihr es versuchen?"

    „Gut. Ich wäre einverstanden. Paul sicher auch. Ich werde mit Marga reden. Wenn sie einverstanden ist, kann sie für eine Zeit zu dir auf den Hof kommen."

    „So soll es sein, Elisabeth. Versucht euer Glück. Ich würde mich freuen, meine Tochter um mich zu haben, wenigstens für eine bestimmte Zeit."

    Nach einer Umarmung der zwei verwandten Seelen ritt Martin davon. Er hoffte, dass seine Tochter zu ihm kommen würde.

    Margaretha besuchte Jacob in der Lohmühle. Jacobs Eltern, Maria und Hans, standen ihr sehr nahe und sie besuchte die drei sehr gerne. Mit Maria konnte sie reden, fast so wie mit ihrer Großmutter oder gar ihrer verstorbenen Mutter. Jacob war ihr ein guter Freund.

    „Und du willst wirklich auf das Gut ziehen?", fragte Jacob. Die beiden saßen am Bach direkt bei der Mühle. Der Geruch der zum Gerben eingelegten Häute und Felle lastete über dem Bach und der Wiese. Die zwei bemerkten es nicht. Nicht mehr. Jacob war es gewöhnt und Margaretha konnte nichts abschrecken. Im Gegenteil. Die blutigen Häute und auch die Kopfhäute, teilweise mit Augen und Hörnern, fanden ihr Interesse.

    „Es ist doch nur für eine kurze Zeit. In die blöde Schule darf ich sowieso nicht mehr. Will ich auch nicht mehr. Jetzt, wo jeder weiß, was meine Mutter war… was sie gewesen sein soll… was mit ihr geschehen ist… Ich hätte sicher keine Ruhe mehr und ich kann ja nicht jeden verprügeln."

    „Wie war deine Mutter wirklich?"

    „Sie war toll, so lieb und so schlau, sie heilte die Kranken und zum Dank… zum Dank wurde sie… ach, es ist so schrecklich. Ich vermisse sie. Und ich könnte alle töten, die ihr das angetan haben."

    Jetzt blitzte es gefährlich in Margarethas Augen.

    „Ich werde dich auch vermissen, wenn du auf dem Schloss wohnst."

    „Ach Unsinn, ich werde dich wie immer besuchen."

    „Wie willst du das denn machen?"

    „Als Erstes werde ich reiten lernen und mein Vater muss mir ein Pferd geben."

    „Ach, muss er?"

    „Ja, muss er! Sonst werde ich nicht bei ihm wohnen. Er muss noch viel mehr, wenn ich länger bei ihm wohnen soll. Er wird schon sehen, was er an mir hat."

    „Mutter sagt, du sollst einen eigenen Lehrer bekommen und musst viel lernen."

    „Na, wir werden sehen. Lernen muss ich ja noch viel. Ich möchte auch noch einiges lernen. Aber jetzt komm, ich muss los. Ich will noch zu deiner Mutter."

    Sie fanden Maria in der großen Scheune, wo die Häute zum Gerben in großen Behältern lagen. Zusammen gingen sie in die kleine Mühle.

    „So, jetzt soll es also losgehen. Zum Baron, kleine Prinzessin."

    „Nix kleine Prinzessin, die werden schon sehen, was sie sich da geholt haben. Ich will mich nur verabschieden. Aber ich komme euch oft besuchen. Versprochen."

    „Schön Margaretha. Du bist bei uns immer gern gesehen."

    „Maria?"

    „Ja?"

    „Erzähle mir von meiner Mutter. Wie war sie? Ich kenne sie ja nur von zuhause."

    „Also. Agnes war ein liebes Mädchen… eine liebe Frau. Sie hatte Mitgefühl und war hilfsbereit. Sie war eine gute Heilerin. Aber das weißt du doch sicher alles."

    „Ja. Aber ich möchte alles wissen."

    „Da gibt es nicht viel. Du weißt, dass sie viele Rodenbacher von der Pest geheilt hat. Sie war ein ganz besonderer Mensch, eine sehr gute Heilerin. Du weißt, dass sie Peter das Leben gerettet hat. Peter Adam, wo du mit ihr gewohnt hast."

    „Ja, natürlich weiß ich das. Aber wie war sie sonst noch?"

    „Na ja. Sie war eigentlich immer die Gute. Sie liebte Martin, deinen Vater, und er liebte sie. Leider ist aus ihnen kein Paar geworden."

    „Aber warum nicht?"

    „Das kannst du jetzt ja bald von Martin erfahren, wenn du auf Gut Dragus wohnst."

    „Und… und warum haben sie sie verurteilt, wenn sie doch so gut war? Und… und wer hat sie angezeigt?"

    „Auch das soll dir dein Vater sagen. Frag ihn. Es ist nicht recht, wenn ich dir das erzähle. Frag ihn!"

    Alle schwiegen dann. Margaretha war in Gedanken versunken.

    „Nun, das werde ich. Das werde ich ganz bestimmt!"

    Danach verabschiedete sie sich von Maria und Jacob und ging über die Wiesen zurück zum Dorf durch das Obertor, die Hauptstraße entlang bis zum neuen Bast-Hof. Morgen… morgen würde Martin sie holen. Sie würde lernen… und mehr erfahren über ihre Mutter. Über Agnes, die Hexe. Und sie würde sich rächen. Rächen an ihren Mördern. Sie sollten es büßen. Sie sollten genauso leiden wie ihre arme Mutter. Das schwarze Monster in ihr wuchs wieder mächtig…

    Martin war mit Pferd und Wagen gekommen und holte Margaretha ab. Mutter Elisabeth und Paul verabschiedeten sie und nahmen ihr das Versprechen ab, sie regelmäßig zu besuchen. Auch Martin versprach es. Das wenige Gepäck war schnell verladen, da wandte sich Margaretha nochmals an ihre Großmutter: „Ich darf doch meine kleine Wohnung in dem Häuschen behalten mit der Apotheke von Mutter?"

    „Aber natürlich, Marga. Hier ist immer dein Zuhause. Wir freuen uns immer, wenn du kommst. Das Häuschen und die Apotheke gehören dir."

    „Danke Großmutter, danke Paul. Bis bald."

    Ohne sich umzusehen stieg sie zu Martin auf den Wagen. Dann fuhren sie in Richtung Oberrodenbach und danach den schmalen Weg die Anhöhe hinauf, wo bald das Gut in Sicht kam. Sie hatten bisher nicht gesprochen. Kurz vor dem Herrenhaus hielt Martin das Gespann an: „Also Margaretha. Ich freue mich darüber, dass du bei uns wohnen wirst. Ich werde alles tun, damit du es nicht bereust. Du hast ein eigenes Zimmer im Haus. Ich werde mich selbst um dich kümmern. Mein Vater freut sich auch schon auf ein neues frisches Leben bei uns. Da ist dann noch meine Schwester Johanna. Sie ist still und verschlossen, hat aber nichts gegen dein Kommen. Weiterhin habe ich einen Lehrer gefunden, der dir alles Schulische beibringen wird. Was du sonst noch lernen musst, kannst du von mir und meiner Schwester erfahren. Du kannst dich immer frei auf dem Gut bewegen."

    Margaretha schwieg.

    „Hast du irgendwelche Fragen?"

    „Die werden schon noch kommen. Kann ich dich weiter Martin nennen oder muss ich dich Vater nennen?"

    „Nein, Martin ist schon gut. So sind wir es gewöhnt.

    Darf ich dich Marga nennen?"

    „Nein! Das durfte nur Mutter und Großmutter!"

    „Gut, gut. So bleibt es bei Margaretha."

    Sie fuhren durch die Einfahrt zum Haupthaus.

    Kapitel 2

    Für Margaretha hatte ein neues Leben begonnen. Es vergingen die Jahre. Schreckliche Jahre für Rodenbach. Es war immer noch Krieg. Rodenbach war ein geschundenes Dorf. Die Pest hatte die halbe Bevölkerung vernichtet. Durchziehende Soldaten hatten geplündert und weitere Todesopfer gefordert. Die Bevölkerung verarmte. Immer wieder kam es zu neuen Plünderungen. Auch wurden Soldaten im Dorf stationiert, die sich von den Bewohnern ernähren ließen. Oberrodenbach war hiervon weniger betroffen. Noch weniger das Gut Dragus, obwohl auch hier räuberische Banden versuchten, das Gut zu plündern. Einige Überfälle konnten aber abgewehrt werden. So

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