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Zeiten der Trennung: Eine Kindheit nach dem Krieg
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Zeiten der Trennung: Eine Kindheit nach dem Krieg
eBook102 Seiten1 Stunde

Zeiten der Trennung: Eine Kindheit nach dem Krieg

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Über dieses E-Book

Vor dem Hintergrund der Teilung Deutschlands schildert Elke Cohnen ihre ganz persönliche Geschichte von Trennung und Verlust. Zusammen mit ihren Geschwistern wächst sie nach dem Krieg in Görlitz auf, erlebt die unglückliche Ehe ihrer Eltern, die Alkoholsucht des Vaters, aber auch Momente des kleinen Glücks bis schließlich der Bruder in den Westen flieht und die Familie traumatisiert zurücklässt. Ein ergreifendes Buch über eine Kindheit in der noch jungen DDR und darüber, wie sehr privates Schicksal und Weltgeschehen miteinander verwoben sind.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Aug. 2013
ISBN9783897984073
Zeiten der Trennung: Eine Kindheit nach dem Krieg

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    Buchvorschau

    Zeiten der Trennung - Elke Cohnen

    Danksagung

    Verlust und Hoffnung

    Ich wurde als viertes und letztes Kind geboren, und meine Mutter hat mir nie verschwiegen, dass ich eigentlich nicht mehr erwünscht war. Aber es hat mich nicht gekränkt, das zu hören, denn ich spürte ihre Liebe und war trotz allem ihr Nesthäkchen. Auch von den älteren Geschwistern wurde ich mit viel Liebe bedacht.

    Ich wuchs nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in einer kleinen Stadt an der Oder-Neiße-Grenze ganz im Osten Deutschlands auf: in Görlitz. Görlitz wurde nach dem Krieg geteilt, so dass eine Hälfte fortan zu Polen gehörte. Wir bewohnten ein kleines Reihenhaus am Rande der Stadt und lebten darin sehr beengt. Vielen Familien erging es ähnlich, die finanzielle Situation ließ keine andere Möglichkeit zu.

    Bevor ich geboren wurde, machte meine Mutter schwere Zeiten durch. Mein Großvater, dem das Reihenhäuschen gehört hatte, war nicht aus dem Krieg zurückgekehrt, sondern im Lazarett an einer Herzerkrankung gestorben. Da nun meine Großmutter auf sich allein gestellt war, hatte sie ihre Tochter Annemarie, meine Mutter, gebeten, bei ihr einzuziehen. Doch auch meine Mutter trauerte: Sie musste den Tod ihres ersten Mannes, der im Krieg von einem Bauchschuss getroffen worden war, verschmerzen. Aus der jungen Ehe war mein Halbbruder Michael hervorgegangen, den sie nun allein versorgte.

    Kurz nach dem Krieg wurde meiner Mutter von Bekannten ein Mann vorgestellt, Hans, der ebenfalls schwere Verluste zu verwinden hatte: Seine junge Frau und sein kleiner Sohn waren durch eine damals herrschende Tuberkuloseepidemie gestorben. Nur seine kleine Tochter Heidi war ihm geblieben, um die er sich sehr sorgte.

    Meine Mutter und er heirateten, aber es war, wie sie mir später erzählte, keine Liebesheirat gewesen. Weil man jedoch als Frau damals kaum einen Partner fand (die Männer waren im Krieg gefallen oder in Gefangenschaft), wähnte sie sich glücklich, in diesen schwierigen Zeiten wieder einen Versorger für die Familie zu haben. Beide wollten zusammen ihr Glück versuchen, gemeinsam noch einmal von vorne anfangen und eine Familie gründen. Aber die Großmutter, die als Hausbesitzerin bei allen wichtigeren Entscheidungen das Sagen hatte, erschwerte die Situation und stärkte nicht gerade die Position von Hans in diesem Frauenhaushalt.

    Meiner Mutter fiel es offensichtlich nicht leicht, seine Tochter Heidi so zu lieben wie ein eigenes Kind und sie keine Eifersucht spüren zu lassen. Hans jedoch liebte seine kleine Tochter sehr, erinnerte sie ihn doch stark an seine jung verstorbene Frau. Er wiederum konnte dem kleinen Michael nicht die Liebe geben, die man von einem Vater erwartete. Es begann eine Zeit voller Missverständnisse, in der meine Mutter versuchte, mit dem nicht geliebten Mann trotz allem eine Beziehung zu führen, während er allmählich spürte, dass sie ihn nicht wirklich liebte und ihm auch nicht seine verstorbene Frau ersetzen konnte. Er begann, stark zu rauchen und gab sich immer häufiger dem Alkohol hin – vielleicht, weil er dadurch vergessen konnte, dass ihn diese zweite Ehe nicht glücklich machte.

    Meine Mutter dagegen sehnte sich nach einer ganz anderen Art von Mann, wie sie mir einmal erst viel später erzählen sollte. Ihr gefielen große, selbstbewusste Männer, die eine Anziehungskraft besaßen, der sie nicht hätte widerstehen können. Mein Vater jedoch wirkte neben ihr eher klein und zierlich; sie konnte nicht zu ihm aufblicken, im wahrsten Sinne des Wortes. So wies sie ihn auch öfter zurück, und er fand im Trinken mit Gleichgesinnten Trost. Sie verbrachte die meisten Abende mit der Großmutter, beide Frauen verbündeten sich und verurteilten das Verhalten meines Vaters.

    Doch dann stand 1949 ein freudiges Ereignis ins Haus: Meine Mutter erwartete das erste gemeinsame Kind. Das machte beide sehr glücklich, sie schöpften wieder neuen Mut für die Zukunft und ihre Ehe. Auch Michael und Heidi freuten sich auf das Geschwisterchen. An einem kalten Februartag war es dann soweit, und die kleine Carola erblickte das Licht der Welt. Nun wohnten in dem kleinen Reihenhaus schon fünf Personen mit einem Baby, und es war für meine Großmutter und meine Mutter nicht leicht, die viele Hausarbeit, das Auskochen der Stoffwindeln, das Füttern des Babys, das Versorgen der beiden größeren Kinder sowie die Gartenarbeit zu erledigen. Aber die beiden Frauen bewältigten alles gemeinsam und berieten sich dabei über die familiären Probleme.

    Mein Vater war für die damaligen Verhältnisse beruflich sehr erfolgreich, er ging in seiner Aufgabe als Direktor der Städtischen Verkehrsbetriebe völlig auf, und nun sollte sich mit Carola auch privat alles zum Guten wenden. Die Familie hatte trotz seiner guten beruflichen Position zwar nicht viel zum Leben, aber es reichte doch gerade so, um alle zu ernähren.

    Als Carola jedoch ein halbes Jahr alt war, wurde sie sehr krank, sie behielt keine Nahrung mehr bei sich. Viele Kinder waren in diesen noch harten Zeiten krank, aber das konnte meine Eltern nicht trösten. Sie waren schier verzweifelt, denn auch die Ärzte wussten, nachdem im Krankenhaus mit damaligen Mitteln alles versucht worden war, keinen Rat mehr. Alle mussten hilflos mit ansehen, wie dem Kind nicht geholfen werden konnte und es schließlich starb. Diesen Schicksalsschlag haben meine Mutter und mein Vater nicht verwunden, auch die größeren Geschwister trauerten um ihr kleines Schwesterchen. In dieser schweren Zeit versprach die kleine, damals neunjährige Heidi ihrer Stiefmutter, dass sie ihr erstes eigenes Kind ihr zum Troste schenken wolle. Alle waren gerührt über solche lieben Worte.

    Im Jahr darauf gebar meine Mutter erneut ein Mädchen, das sie Iris nannten. Iris gab meiner Mutter und meinem Vater wieder mehr Lebensfreude, sie war ihr ganzes Glück. Sie hatte blonde Löckchen und sah sehr niedlich aus. Alles konzentrierte sich auf dieses neue Menschenleben. Iris war der strahlende Mittelpunkt der Familie und zog die Fürsorge aller auf sich.

    Keine anderthalb Jahre später erblickte ich das Licht der Welt. Die Eltern waren nicht mehr ganz jung, meine Mutter 36 Jahre und mein Vater 44 Jahre alt. Ich erhielt den Namen Elke und wurde wie Iris von allen verwöhnt, vielleicht noch ein bisschen mehr, war ich doch das Nesthäkchen und letztgeborene Kind. Ich wurde aber auch von meinen Eltern ein wenig überbehütet, wohl weil sie Schweres durchgemacht und noch immer den unerwarteten Tod von Carola vor Augen hatten. Die Angst blieb, es könnte auch mir wieder etwas passieren. Aber ich wuchs und gedieh, war eigentlich immer gesund – und hing von Beginn an sehr an meiner großen Schwester Iris.

    Meine früheste Erinnerung ist die an unseren gemeinsamen Urlaub in Koserow an der Ostseeküste; ich war damals fast drei Jahre alt, und Mutter, Vater und ich hatten diese Reise gemeinsam angetreten. Ich weiß noch, wie glücklich ich dort war, mit meinem Eimerchen und der Schaufel im herrlich weißen und weichen Seesand spielen zu dürfen. Ab und zu wurde ich von den Eltern an der Hand ein kleines Stück ins Wasser geführt. Ich erinnere mich auch, dass ich einmal für kurze Zeit verzweifelt war, als ich sie zwischen all den Strandkörben aus den Augen verloren hatte. Um mich herum sah alles so gleich aus, aber nur fremde Menschen schauten mich an. Ich rief ängstlich: „Mama! Papa!"

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