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Räderleute
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eBook98 Seiten1 Stunde

Räderleute

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Über dieses E-Book

3 Kurzgeschichten über fast alltägliche Menschen
Was diese gemeinsam haben?
Eigentlich nicht viel. Es geht um Menschen, deren Leben nicht so ganz gradlinig verläuft. Die kleinen Leute eben, die nicht die Kraft haben, das System aus den Angeln zu heben. Wenn man aber geduldig genug an den Schrauben wackelt, wer weiß, was da passiert?

Die Klinik
oder
Die Geschichte vom Krankenhaus der Zukunft
Die 27. Reform der Reform der reformierten Kostenreform ist noch nicht rechtskräftig, da fällt schon wieder jemandem ein, wo sich noch ein paar Cent einsparen lassen. Vielleicht lässt sich ja die Strahlung, die jemand beim Röntgen aufnimmt, noch Gewinn bringend verkaufen.

Die Traumfrau
oder
Die Geschichte von der Traumfrau mit dem winzigen Makel
Als er aufwacht, liegt sie neben ihm. Dass sein Leben nie wieder so sein wird, wie es bis heute war, das weiß er bis jetzt noch nicht.

Das Kräuterweib
oder
Die Geschichte von der allein erziehenden Mutter
Einer allein erziehenden Mutter von drei Kindern wird nie langweilig. Als freiberufliche Heilpraktikerin kann sie auch nicht über einen Mangel an Beschäftigung klagen. Zum Glück kennt man zur Zeit der Inquisition das Wort Stress noch nicht.

Ach ja, alle Protagonisten haben noch ein kleines Handicap. Welches? Finden Sie es heraus.
SpracheDeutsch
Herausgeber110th
Erscheinungsdatum12. Nov. 2014
ISBN9783958651937
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    Buchvorschau

    Räderleute - Roberto Sastre

    heraus.

    Die Klinik - nach der Gesundheitsreform

    Oder: Vom krank sein durch krank sein.

    Eine Kurzgeschichte aus nicht allzu ferner Zukunft

    Wie jeden Mittwoch, traf ich mich auch gestern Abend mit meinem Freund Heinrich zu unserer allwöchentlichen Schachpartie. Kennen Sie Rollstuhlfahrerschach? Ist ganz einfach. Man baut an einem nicht zu niedrigen Tisch ein Schachbrett auf, mit Schachuhr, Block, Stift, etc.

    Dazu kommen pro Person drei Gläser auf den Tisch. Nachdem die unbeteiligten den Raum verlassen haben, bittet man die Schiedsrichter herein. Gestern hießen sie: Cabernet Sauvignon, Dornfelder Weißherbst, unterstützt von einem sensationellen Merlot von der Halbinsel Tihany. In einem unverfänglichen Gespräch versucht man, die Gedanken des Gegners nachzuvollziehen und dabei das Schachbrett zu ignorieren. Gewonnen hat, wer den Gegner dazu bringt, für mindestens 15 Sekunden die Augen zu schließen, ohne selbst das Schachbrett zu berühren. Meinem Kopf nach zu urteilen, hat Heinrich gewonnen. Die Südamerikaner können es einfach nicht lassen, ihre Cabernets mit einer gehörigen Portion Schwefel auf die Ozeanreise vorzubereiten.

    Es ist mal wieder an der Zeit für meinen alljährlichen Check-up. Als querschnittgelähmter Rollstuhlfahrer sollte man diese Termine ernst nehmen, speziell, wenn ein Teil des Körpers unsensibel ist. Das angeblich so schwache Geschlecht wirft uns ja von Haus aus vor, rücksichtslos zu sein. Bis heute habe ich vergeblich versucht, herauszubekommen, worauf diese Annahme basiert. Ich für meinen Teil spüre ungefähr die Hälfte meines Körpers nicht. Schmerz ist ein Warnsignal, kein Schmerz ist normalerweise ein gutes Zeichen, wenn der ganze Körper zu fühlen ist.

    Ich bat den untersuchenden Arzt, den Lendenbereich röntgen zu lassen. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass meine Rumpfstabilität nicht mehr stimmt. Das Ergebnis war verblüffend. Zwei meiner Lendenwirbel haben sich buchstäblich verkrümelt. Ich musste schnellstmöglich operiert werden. Der nächste freie Termin wäre nächste Woche. Ich sollte nach Hause fahren, ein paar Sachen packen und in zwei Tagen wieder da sein, damit alle Voruntersuchungen gemacht werden können.

    Gut, das mit den Voruntersuchungen habe ich in die Ansprache des Arztes hineininterpretiert, wozu sollte ich sonst früher kommen? An die Auswirkungen der Gesundheitsreform habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht.

    Zum vereinbarten Zeitpunkt lasse ich mich von einem Bekannten zur Klinik bringen. Natürlich hätte ich auch selbst fahren können, aber der unbewachte Parkplatz für Patienten kostet fünf Euro am Tag. Direkt an der Pforte werde ich aufgehalten. Wie lange mein stationärer Aufenthalt wohl dauern würde? Weiß ich doch nicht. Name, Sozialversicherungsnummer oder Geburtsdatum? Die weiß ich natürlich auswendig. Schon bin ich im Computer gefunden.

    Gut, dann buche ich Ihre Zuzahlung von 50 Euro pro Tag erstmal für 4 Wochen ab. Sollte es länger gehen, dann erfolgt eine Nachbelastung. Übrigens, ich sehe gerade, ihre Miete und die Nebenkosten sollen heute ebenfalls abgebucht werden. Ihr Konto weist aber nicht mehr genügend Deckung auf. Tja, das wird wohl zurückgehen.

    Hören Sie mal, Sie können doch nicht ohne meine Erlaubnis an mein Konto ...

    Natürlich kann ich! Nach der letzten Kostenreform kann ich mir sogar die 60.000 Dollar Schwarzgeld, die Sie auf den Kaiman Islands gebunkert haben, holen. Was ich im Übrigen gerade getan habe. Die nehme ich als Sicherheit, falls Ihre Kasse die Kosten für die Operation verweigert. Die gesetzlichen Kassen haben seit der Reform die merkwürdigsten Ideen. Unser System hat diese Transaktion selbstverständlich den Finanzbehörden gemeldet, nicht dass Sie glauben, wir würden hier irgendwelche illegalen Dinge tun. Warum bestellt übrigens Ihre Frau gerade über Ihre Kreditkartennummer bei der fliegenden Kondomerie eine solche Ladung Material? Da sollten Sie sich mal Gedanken machen. Nicht über die paar Euro, die Sie sowieso hätten zahlen müssen. So, bitteschön, hier ist Ihre Anmeldebestätigung, damit melden Sie sich auf Station. Einen schönen Tag noch.

    Und schon bin ich wieder draußen auf dem Flur. Mit dem Aufzug fahre ich hinauf in den 22. Stock. Die Schwester, die mich aufnimmt, macht einen etwas überarbeiteten aber ziemlich netten Eindruck.

    Sie können Ihre Sachen auf das Bett gleich hier drüben legen.

    Auf dem Gang stehen mehrere Betten, eines davon ist nicht belegt. Die Matratze hat zwar schon bessere Tage gesehen, dafür hat sich aber ein unbekannter Künstler Mühe gegeben, sie mit konzentrischen Figuren zu verschönern. Es sieht ein bisschen aus, wie eine Hundertwasser-Konstruktion. Die ineinander fließenden Braun- und Gelb-Töne treffen die Tristesse eines Krankenhausaufenthalts auf den Punkt. Es tut mir schon fast weh, dieses gefühlvolle Kunstwerk mit einem Laken zu bedecken, aber die Hausverwaltung beweist Kunstsinn. In Höhe der Ornamente weist das Laken Strukturschwächen und Aussparungen auf, die das Gesamtkunstwerk erst abrunden. Wenn einem Kassenpatienten schon solch ein Luxus geboten wird, dann kann ich verstehen, warum die Kostenreform ins Leere lief.

    In welches Zimmer komme ich denn? Dann könnte ich zu Hause schon mal Bescheid sagen.

    Zimmer? Die Schwester sieht mich an, als wäre ich ein Erstklässler, der verkündet hat, er wolle sich auf Teilchenphysik spezialisieren. Das hat Zeit. Jetzt werden Sie erstmal eingewiesen. GEEERTRUUUD!

    WAS?

    ICH HAB HIER NE EINWEISUNG!

    GRAD 'N MOMENT!

    Dieser in höchster Lautstärke geführte Wortwechsel ist für ein Krankenhaus doch ein wenig unüblich. Schließlich liegen hier doch auch mit Sicherheit Patienten, die Ruhe brauchen.

    Die Rufanlage ist schon lange kaputt, erfahre ich. Deswegen liegt in den Zimmern auch auf jedem Nachttisch eine Trillerpfeife. Die Patienten, die auf dem Gang auf einen Zimmerplatz warten, können ja jederzeit eine Schwester oder einen Pfleger anhalten. Das ist Innovation! Statt in eine Strom fressende Technik noch Geld hinein zu stopfen, besinnt man sich auf traditionelle und genauso wirksame Kommunikationsformen. In Tirol wird bestimmt gejodelt.

    Warum mich Schwester Gertrud, so stark an den Hauptfeldwebel meiner Ausbildungskompanie erinnert, mag daran liegen, wie zartfühlend sie mit den neu eingetroffenen Patienten umgeht. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht hat man auch den Zivildienst beendet. Der wäre auch unnötig gewesen, denn nach der Kostenreform konnte sich ja sowieso keine Klinik mehr Zivildienstleistende leisten. Und die Nachfolger vom Bundesfreiwilligendienst, die waren ja noch teurer. Deren Aufgaben werden jetzt von Patienten übernommen. Nicht jeder kann sich die Eigenanteile der Krankenhauskosten leisten und so bietet sich die Möglichkeit, diese abzuarbeiten. Eine Win-win-Situation nennen Betriebswirtschaftler so etwas. Als Erstes bekommt jeder einen Auffrischungslehrgang in erster Hilfe verpasst. Kostenpflichtig, versteht sich. Stabile Seitenlage, Beatmen, Herzdruckmassage, Schocklagerung, die ganze Palette eben. Nachdem ich das dritte Mal beim Ansetzen der Herzdruckmassage aus dem Rollstuhl gerutscht und neben dem Übungspatienten gelandet bin, jedes Mal mit erfrischenden Kommentaren von Schwester Gertrud, darf ich diese Übung überspringen.

    Dafür darf ich als erster die Reanimation mit dem Defibrillator ausprobieren, zunächst an mir selbst. Aber selbst in solchen Situationen ist man vor Neidern nicht gefeit. Gerade, als ich mich über das lustige Britzeln freue, haut mir jemand ein Brett oder so etwas voll vor die Brust. Schlagartig wird es dunkel. Als ich wieder zu mir komme, ist es immer noch dunkel. Ganz langsam kann ich im Dämmerlicht Einzelheiten erkennen. Eine mitleidige Seele hat meinen Rollstuhl an das Bett geschoben, auf dem meine Sachen liegen. Weit und breit ist niemand zu sehen. Glücklicherweise habe ich mir den Pflegebedarf für ein paar Tage mitgenommen. Also hieve ich mich ins Bett und mache mich fertig, soweit ich komme. Die Kompressionsstrümpfe kann ich ruhig mal eine Nacht

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