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Die Selbstmörder
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eBook224 Seiten2 Stunden

Die Selbstmörder

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Über dieses E-Book

Mit Hilfe des Computers und seiner physikalischen Kenntnisse hatte er ausgerechnet, wie lange es dauern würde bis er aufschlug... Ein leitender Angestellter einer Computerfirma bringt sich um, weil er erpresst wird. Auf Schulungen in den USA wurde im Einführungsgespräch kräftig auf den Konzern geschimpft, die Tonbandaufzeichnungen davon hat der Personalchef erhalten. Ein glänzendes Geschäft, weil jeder zahlt und schweigt.
SpracheDeutsch
Herausgeber110th
Erscheinungsdatum15. Sept. 2014
ISBN9783958650572
Die Selbstmörder

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    Buchvorschau

    Die Selbstmörder - Jürgen Alberts

    werden.

    Kurzinhalt

    Mit Hilfe des Computers und seiner physikalischen Kenntnisse hatte er ausgerechnet, wie lange es dauern würde bis er aufschlug…

    Ein leitender Angestellter einer Computerfirma bringt sich um, weil er erpresst wird. Auf Schulungen in den USA wurde im Einführungsgespräch kräftig auf den Konzern geschimpft, die Tonbandaufzeichnungen davon hat der Personalchef erhalten. Ein glänzendes Geschäft, weil jeder zahlt und schweigt.

    »Je weiter sich die fortgeschrittenen Produktionskräfte entwickeln, desto mehr sinken die früheren, überlieferten Vorstellungen zu bloß idealisierenden Phrasen, zur bewussten Illusion, zu absichtlicher Heuchelei herab.«

    Karl Marx, Deutsche Ideologie; 1845

    1

    Der letzte Schritt kam überraschend, obwohl er sorgfältig geplant war.

    Ein warmer Septemberabend, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, eine leichte Böe brachte die erste Kühlung.

    Er war in seine eigene Wohnung eingebrochen, hatte mit Hammer und Meißel die Tür beschädigt, das Schloss zeigte deutliche Spuren. Die Wohnungstür in weißem Schleiflack blieb angelehnt. Auf dem Tisch standen zwei Gläser, die Flasche Wodka bis auf einen trüben Rest geleert. Er warf die Sessel um, randalierte in den eigenen vier Wänden.

    Niemand hörte ihn. Keiner kam, zu ihm herauf. Der letzte Schritt, um endlich frei zu sein. Nach Wochen des Versteckspielens, nach Monaten der Qual.

    Im Badezimmer zertrümmerte er den Spiegel, der ihm rotunterlaufene, verquollene Augen zeigte, ein mutwillig zerkratztes Gesicht, eine Platzwunde an der Schläfe. Die hatte er sich selbst zugefügt.

    Der Wodka hatte die Schmerzen gelindert.

    Wenn wenigstens Sonja bei ihm geblieben wäre. Nur dieses eine Mal hätte er sie wirklich gebraucht. Sie hätte ihn abbringen können von seiner Raserei.

    Mit Hilfe des Computers und seiner physikalischen Kenntnisse hatte er ausgerechnet, wie lange es dauern würde, bis er aufschlug. Die Sekunden zählen. Einfach laut zählen.

    Schulten hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten. Längs. Darüber munkelte man, obwohl keiner es erwähnen durfte.

    Strengstes Geheimnis.

    Den Schlüssel platzierte er gut sichtbar neben dem Telefon.

    Es hatte ein Kampf stattgefunden. Über Wochen, Monate, ein Kampf, den er jetzt aufgab. Keine Lösung in Sicht.

    Nicht mal mit Sonja hatte er sprechen können. Die Kollegen wussten nichts.

    Die Überraschung würde perfekt sein. Er wollte, dass sie wenigstens ein paar Minuten erschraken.

    Nur ein paar Minuten innehalten, aufmerken. Mehr nicht. An ihn denken.

    Lange hatte er gezögert, ob er sich eine Binde um die Augen legen sollte. Damit er nicht zurückschreckte, den letzten Schritt zu tun. Doch es störte seinen Plan.

    Sonja, Sonja, warum bist du nicht hier? Ich bräuchte deine Wärme, nur für, einen Augenblick.

    Die Wohnung lag im Dunkeln; die Terrassentür geöffnet, einen Vorhang hatte er heruntergerissen.

    Der Lichtstrahl, der durch die Zimmertür fiel, kam vom Flur. Ein weißer, schmaler Streifen.

    Bei Schulten soll es wüst ausgesehen haben. Es ging das Gerücht, dass seine Toilette mit Scheiße beschmiert war, Berge fleckiger Wäsche im Schlafzimmer aufgetürmt.

    Die Teller hatte er abgespült, die Essensreste weggeworfen, morgen würde die Putzfrau gründlich saubermachen.

    Er legte Wert auf Ordnung, auf Übersicht, auf rechteckiges Denken.

    Auch sein Büro in der Firma hatte er vor zwei Tagen verlassen, als habe er dort nie gearbeitet. Die Vorgänge geordnet, die Unterlagen verfügungsbereit, die Berechnungen zugänglich.

    Er hatte sogar eine kleine Anweisung im Programm des Computers hinterlassen, aus der ersichtlich war, welche Zugänge man benutzen musste, um• an seine Aufzeichnungen heranzukommen. Passwörter. Urlaubsantrag.

    Man sollte ihn nicht gleich vermissen.

    Nicht wie bei Schulten, da wusste es am nächsten Tag schon die ganze Abteilung.

    Ein kleiner Fehler in der Planung.

    Menschliches Versagen. Mal wieder.

    Ich bin kein Versager, Sonja, bestimmt nicht, ich bin kein Versager, auch wenn du das immer behauptet hast.

    Er nahm den letzten Rest Wodka, trank die Flasche leer und warf sie gegen das Sideboard.

    Dann wieder Stille.

    Sie hätten ihn hören müssen.

    Zwei Tage nichts gegessen. Wie ein Wahnsinniger in der Wohnung herumgelaufen. Fünf Meter zwischen Terrassentür und der gegenüberliegenden Wand. Fünftausend Meter in zwei Tagen.

    Er brauchte die Entscheidung.

    Schulten war im schwarzen Anzug gestorben. Er hatte getrunken. Billigen Korn. Sparsam, wie immer. Eigentlich kannte er Schulten nicht. Geordnetes Besäufnis. Die Haut versaufen, bevor es andere tun.

    Von seiner Penthouse-Wohnung konnte er über die Häuser sehen, langsam wurden die Lichter ausgeknipst, nach und nach die Fenster dunkel, wie ein tausendäugiger Drachen, ein letztes Aufbäumen.

    Ertrug den blauen Monteuranzug der Firma, den er in den ersten Jahren täglich benutzt hatte.

    Bügelfalte, polierte Knöpfe, frisch aus der Reinigung, ein wenig steif an den Schultern.

    Er würde auf dem betonierten Spielplatz aufschlagen. Die leichte Böe würde ihn nicht bis zu dem schmalen Rasenstück tragen.

    Auch darüber hatte er Berechnungen angestellt. Nicht auszudenken, wenn er mit schweren Verletzungen davonkommen würde.'

    Er konnte sich Sonjas Gesicht vorstellen, wenn sie ihn im Krankenhaus besuchte. Dieses abschätzige Lächeln. Spezifisches Gewicht der menschlichen Hirnknochen. Zertrümmerungsfaktor.

    Sollbruchstellen.

    In diesem Augenblick, kurz nach dem letzten Schritt, fiel ihm dieser Witz ein, von dem Versuchsflugzeug, dessen Tragflächen immer abrissen, bis ein Lehrling auf die Idee kam, man solle sie perforieren, denn beim Klopapier würde an diesen Stellen nie etwas reißen.

    Er lachte, als er stürzte.

    Aus dem dreizehnten Stock.

    Ein paarmal bläulich grässliche Schimmer, Fernsehbilder, rauschende Tänze. Was sollte schon geschehen. Niemand würde die Arbeit unterbrechen.

    Ein Nichts. Gelöscht. Die Nummer aus dem Verkehr gezogen. Den Platz schnell besetzt.

    Aufprall.

    Zweimal flackerten wüste Traumgebirge auf, dann ruhiges Weiß.

    Fast leicht.

    2

    Kriminalhauptkommissar Wolfgang Lindow lallte erheblich. Und er hatte allen Grund dazu.

    Die Wohnung seines, Freundes Pinneberger war in einem Zustand wüster Fröhlichkeit, auf dem Boden standen leere Flaschen, die zum Slalomgehen benutzt wurden.

    Nur Assistent Schlink saß senkrecht am Tisch, um seinen fortgeschrittenen Suff zu verbergen.

    Eine private Feier, nachdem der offizielle Teil am Nachmittag so unerträglich war.

    Lindow war zurückversetzt worden, endlich, nach Jahren der Pein im Wirtschaftsdezernat, endlich wieder zu den kalten Leichen, die er nicht liebte, aber für ganz handfest hielt, im Gegensatz zu den windigen Ausflüchten der Wirtschaftsverbrecher, die ihre Strafen meist aus der Portokasse zahlen konnten.

    Am Nachmittag hatte Kriminaldirektor Lang von sich gegeben, dass jüngere Kräfte in der Wirtschaft gebraucht würden, spezielle Ausbildung vonnöten sei, dass man an ein »Revirement« dieser ganzen Abteilung, denken müsse. Sein grauer Anzug war faltenlos, die grünliche Fliege unter dem runden, rötlichen Gesicht zeichnete ihren Träger aus.

    Warum Lindow wieder zur Mordkommission versetzt wurde, darüber hätte Lang nichts verlauten lassen, wenn dieser nicht unumwunden danach gefragt hätte: »Soll ich also mein Gnadenbrot in meinen alten Gefilden fristen?«

    »Wie meinen. Sie das?« Lang konterte meist mit einer Gegenfrage, weil ihm das Antworten nie leicht fiel.

    »Ich hab noch sechs Jahre bis zur Pensionsgrenze.« Lindow setzte ein böses Lächeln auf. »Da schickt man sogar teure Pferde auf die Weide.«

    »Dienst nach Vorschrift«, zischte Lang, »das möchte ich mir ausbedingen.«

    »Vorschrift nach Dienst«, erwiderte Lindow, der diesen Fliegenträger nicht ausstehen konnte. Kriminalistisch ein Versager auf der ganzen Linie, aber Weltmeister auf dem Personenkarussell.

    Sie verabschiedeten sich ohne Händedruck.

    Dafür war ihr Skatabend umso heftiger geworden. Schlink hatte so viel aufgeladen, dass er die Karten nicht mehr festhalten konnte. Und das bei einem Null-Ouvert-Hand, den er ohne Probleme gewonnen hätte.

    Fritz Pinneberger war froh, dass Marianne auf Streife war, sonst wären seine trunkenen Freude längst nach Hause geschickt worden. Marianne kannte da seit einiger Zeit kein Pardon.

    Der Oberkommissar hatte sich nichts mehr gewünscht, als dass Lindow wieder zur Truppe gehörte. Endlich war Gras über die Sache gewachsen, und Lang hatte ein Einsehen. Die damalige Strafversetzung ins Wirtschaftsdezernat war verjährt. Ganz gleich, warum der Kriminaldirektor sich zu diesem Schritt entschlossen hatte, seine Gründe waren niemals wirklich nachvollziehbar gewesen.

    »Ich muss jetzt gehen!« Schlink stand plötzlich ganz gerade, als sei er an eine Bohnenstange festgebunden.

    »Nichts da, hier wird gefeiert bis zum letzten Schluck!« Lindow lag schon auf dem Sofa, ausgestreckt, die Schuhe weggeschleudert. »Ich bestimme, wann wir aufbrechen.«

    »Der letzte Schluck ist längst getrunken«, gab Pinneberger von sich, als sei ihm die Aufgabe des Getränkestatistikers zugefallen.

    »Dann hol Nachschub, irgendeine Kneipe hat doch bestimmt noch offen«, insistierte Lindow.

    In dem Viertel, in dem Pinneberger wohnte, hatten alle Kneipen offen, weil es dort keine Polizeistunde gab. Da waren sogar Kneipen, die erst kurz vor Mitternacht öffneten und die Zecher bis zum frühen Morgen bedienten. Einmal hatte Pinneberger jemand beobachtet, als er zum Dienst fuhr, der auf allen vieren aus einem Kellerlokal herauskroch und laut ausrief: »Mein Gott, ist das hell hier!« Dann drehte er wieder um und verschwand in der Kneipe. Der Taxifahrer fuhr erleichtert davon.

    Fritz Pinneberger suchte eine Decke, um seinem Freund auf dem Sofa 'ein Bett zu bereiten. Der schwergewichtige Lindow würde am besten gleich dort einschlafen, auch wenn Marianne bestimmt nicht damit einverstanden war.

    Schlink stand immer noch gerade und blickte gleichzeitig in drei verschiedene Richtungen.

    »Du kannst gehen, Karl«, sagte Pinneberger leise, »die Tat ist aufgeklärt, und die Tatverdächtigen müssen jetzt schlafen.«

    »Ich will aber noch nicht schlafen«, rief Lindow matt. Zehn Sekunden später schnarchte er.

    Karl Schlink half seinem Vorgesetzten, die leeren Flaschen einzusammeln. Dabei geriet seine Magenfüllung dermaßen in Bewegung, dass er nur mühsam, mit zusammengepressten Lippen die Brühe bei sich behalten konnte.

    »Am besten, du gehst am Flaschencontainer vorbei.« Pinneberger holte eine große Plastiktüte und stopfte die Flaschen mit lautem Getöse hinein. »Was is?« kam es vom Sofa, »hier wird nicht gerülpst.«

    Pinneberger beachtete den Hauptkommissar nicht, er war mit Spurenverwischung beschäftigt. Wenn Schlink die leeren Flaschen gleich aus dem Haus schaffte ... So weit konnte er noch denken.

    Es dauerte mehr als eine viertel Stunde, bis das Schlachtfeld einigermaßen vorzeigbar war.

    Schlink hatte sich ausgekotzt und machte einen fröhlichen Eindruck.

    »Wir sehen uns morgen in alter Schwäche.« Er grinste.

    »Aber nur, wenn es unbedingt nötig is«, erwiderte Pinneberger, der nicht wissen konnte, wie schnell sie wieder zusammentreffen würden.

    Bepackt mit drei gefüllten Plastiktaschen, verließ Schlink die Wohnung in der Feldstraße.

    Pinneberger ging zum Eisschrank, öffnete eine Milchtüte und goss einen halben Liter der weißen Lauge in sich hinein. Wozu Journalisten doch gut sein können!, dachte er, denn das Rezept, am Ende eines Besäufnisses mit Milch die überschüssige Magensäure zu neutralisieren, stammte von Klaus Grünenberg. Der war Lokalchef bei den »Weser-Nachrichten.«

    Kaum hatte sich der Oberkommissar hingelegt, hörte er, wie der heftig gefeierte Lindow im Wohnzimmer rumorte.

    »Keine Umstände«, rief er so laut, dass auch die beiden Nachbarwohnungen von seinem Zustand erfuhren, »ich mach mich nach Hause. Auf so einem modernen Sofa kann ja kein Hund schlafen.«

    Dann hau ab!, dachte Pinneberger und schlief ein.

    Der festliche Abend der Firma ABP im Parkhotel schien ein voller Erfolg zu werden.

    Die Smoking-Direktoren hatten die üblichen Drei-Minuten-Witz-Reden vom Stapel gelassen. Zur dezenten Musik einer englischen Tanzcombo bewegten sich linksgestrickte Kid-Mohair-Pullis mit nicht alltäglichen Kombinationen aus Sakkos und mutigem Karomuster und Streifenhosen aus festem, männlich-rustikalem Stoff.

    Die Firma ABP mochte es nicht, wenn die Mitarbeiter in die formelle Kleiderordnung deutscher Festlichkeit eingezwängt wurden.

    Es galt: amerikanisches Management, amerikanische Offenheit, amerikanisches Lets-have-some-fun.

    So waren nur die Führungsspitzen als deutsche Kleiderständer erschienen, allerdings in weißen Smokingjacken.

    Beim flotten Foxtrott kamen, sich das wuschelweiche Abendkleid und der schnittige Fischgrätanzug näher, und auch das kurze Jersey-Kleid, für Sexy-girls auch ohne Hose zu tragen, verschwand mal kurz mit dem Chikago-Sakko hinter den gewaltigen Stoffvorhängen.

    Die Firma ABP liebte es an ihren Mitarbeitern, dass sie wussten, wie viel Offenheit ein jeder vertrug.

    Fred F. Neusser hatte in seiner launigen Ansprache gesagt: »Wir von American Business Products haben immer nur ein Ziel vor Augen, wir wollen die Besten sein. Zweite Plätze gibt es nicht. Nur die Spitze ist für uns gerade gut genug. Und ich kenne viele unter Ihnen, die sich nicht mit weniger zufriedengeben.«

    Der Beifall der Sakkos in Stratoblau und der witzigen Wuschelrollies war überwältigend. Selbst für diesen weißen Smoking, der seit zwei Jahren die Personalabteilung leitete.

    »Wir von American Business Products haben uns nie gescheut, den anderen ein Schnippchen zu schlagen, wie man in Deutschland sagt; sie vom Markt zu verdrängen, wenn wir die Spitze erreichen wollten. Wir haben nie vor- nehme Zurückhaltung gewahrt, weil wir überzeugt waren, es gebe so etwas wie freie Marktwirtschaft.«

    Neusser machte eine Pause und sah in die Runde. Die Firma ABP liebte es, ihre Mitarbeiter zu schockieren. THINK BIG war einer der Wahlsprüche, TH1NK FAST ein anderer.

    »Wir sind die Haie, im Hechtteich, und wir bleiben bissig, wenn es darum geht, unsere Spitzenposition zu verteidigen. Wir sind die einsamen Berglöwen, die um jedes Stück Beute kämpfen, wir sind die Klapperschlangen, wenn es um die Werbung geht: giftig, verschlagen, gerissen. Aber nun genug der Tierwelt - ich weiß, der letzte Satz meiner Rede ist immer am beliebtesten: Das Buffet ist eröffnet!«

    Neusser nahm die Ovation stehend entgegen. Sogar die drei Smoking-Direktoren waren für diesen Beifall aufgestanden.

    Aber erst als Neusser die letzten Sätze in den Sprachen der ausländischen Business-Partner wiederholt hatte, stürzten die Mitarbeiter zum Buffet.

    Die Auswahl, die das Parkhotel für diesen Abend anbot, war überwältigend: isländischer Lachs, afrikanisches Reh, argentinisches Steak. Die ganze Dritte Welt stand dieser Firma zur Verfügung. Nicht nur, wenn es ans Buffet ging.

    Die Harris-Tweed-Jacke gab artig dem quergestreiften Stehkragenpullover eine Portion von dem russischen Beluga-Kaviar. Ein lindgrüner Taillenrock probierte die köstlichen Feigen und verwöhnte seinen Kollegen; der einen Anzug von Mr. Carefree trug.'

    Es wurde gelöffelt, ausgelöffelt, eingelöffelt, leise geschlürft, gesüffelt, genippt.

    Die Firma ABP verstand sich als Familie; nicht im deutschen Sinne der alten Generationen-Hierarchie, sondern als friendship family, offen, jeder konnte jeden ansprechen, alle Türen, auch die der Vorgesetzten, stets geöffnet, auch für die Beschwerden der untersten Mitarbeiter.

    Es wurde niemals von Betriebsklima gesprochen, sondern stets von good vibrations. Jeder sollte sich wohlfühlen, denn jeder wurde nicht nur acht Stunden am Tag gebraucht. Das waren die alten Klassenkampf-Parolen. Jeder war stolz, ein Mitglied der ABP-Family zu sein.

    Die Feier im Parkhotel bewies das. Andere Firmen veranstalteten Kohl-und-Pinkel-Fahrten in den >Blauen Heinrich< oder Betriebsfeste auf der Kegelbahn im >Kuhhirten< oder sogar gemeinsames Radfahren in den Wümmewiesen mit anschließendem kalten Getränk und Schnittchen an der >Schleuse<.

    ABP, feierte im Nobelhotel und ließ sogar die ausländischen Freunde dort übernachten. Zum special prize.

    Der hellblaue Glencheck-Anzug tanzte mit dem Seidenblazer in Schwarz und Orange den einzigen Rock'n'Roll, den die Combo am Abend spielte.

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