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Die Geiselnehmer
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eBook192 Seiten2 Stunden

Die Geiselnehmer

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Über dieses E-Book

Mitten im Sommerloch des Jahres 1988 kommt es zu einer spektakulären Geiselnahme: In der Hansestadt Bremen wird ein ganzer Linienbus gekapert. Die drei Verbrecher halten die Fernsehnation in Atem, geben Interviews in Live-Sendungen, posieren für Fotografen mit gezückter Waffe. Im Verlauf der mehrstündigen Irrfahrt wird ein italienischer Junge erschossen. 12 Stunden in Bremen, die ein Schlaglicht auf Pannen und Fehlentscheidungen in der Polizeiarbeit und vor allem auf die Rolle der Medien werfen.
SpracheDeutsch
Herausgeber110th
Erscheinungsdatum15. Sept. 2014
ISBN9783958650558
Die Geiselnehmer

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    Buchvorschau

    Die Geiselnehmer - Jürgen Alberts

    Kurzinhalt

    Kurzinhalt

    Mitten im Sommerloch des Jahres 1988 kommt es zu einer spektakulären Geiselnahme: In der Hansestadt Bremen wird ein ganzer Linienbus gekapert. Die drei Verbrecher halten die Fernsehnation in Atem, geben Interviews in Live-Sendungen, posieren für Fotografen mit gezückter Waffe.

    Im Verlauf der mehrstündigen Irrfahrt wird ein italienischer Junge erschossen.

    12 Stunden in Bremen, die ein Schlaglicht auf Pannen und Fehlentscheidungen in der Polizeiarbeit und vor allem auf die Rolle der Medien werfen.

    23:20:28 h: »Ist das konkret, dass eine Geisel erschossen worden ist?«

    23: 21:01 h: »Ja, das ist konkret.«

    23: 21:06 h: »Herzlichen Glückwunsch.«

    Aus dem Funkprotokoll vorn I7. August 1988

    »Falsche Entscheidungen hat es nicht gegeben, aber einen Mangel an richtigen. « Polizeipräsident Ernst Dieckmann.

    1

    11:10 Uhr: Erste fernmündliche Mitteilung aus Nordrhein-Westfalen, dass Bremen als möglicher Zielort der Gladbecker Geiselnehmer in Betracht kommen kann. Der Anruf wird von Polizeioberkommissar Günther im Lagezentrum entgegengenommen.

    »Frühstückspause«, sagte Rapka und lenkte den weißen Audi an die nächste Imbissbude. Er wollte polnisch essen, die gute Krakauer.

    »Von mir aus«, erwiderte Kuhlebert missmutig. Jeden Morgen das gleiche Ritual. Wenigstens einmal könnten sie zu McDonald's fahren. Aber Hermann Rapka war am Steuer. Das ließ er sich nicht nehmen.

    »Mit viel Senf, wie immer, Herr Präsident!« Die Frau am Wurststand kannte ihre Stammkunden. Sie wusste, wen sie freundlich bedienen musste und wem sie lustlos die pappigen Pommes auf die Theke knallen konnte.

    Bernd Kuhlebert bestellte eine doppelte Cola, er bekam die stark gesalzene Wurst sonst nicht hinunter.

    Frau Soltan versah ihren Dienst an dieser Würstchenbude seit mehr als fünfundzwanzig Jahren. Eine Stunde vor Arbeitsbeginn stellte sie den blankpolierten Grill an, scheuerte die Glastheke mir scharfem Chlorreiniger, die Kunden liebten Sauberkeit. Punkt 10 Uhr ging die Klappe auf. Dann standen dort der Käptain, sein versoffener Freund Ayatollah und die rotäugige Hilde und warteten auf ihr Frühstück. Sie hatten den Stand schon wieder verlassen, wenn Rapka und Kuhlebert in Erscheinung traten.

    Seit die beiden Polizisten zum Mobilen Einsatzkommando versetzt worden waren, hatte sich ihr Dienst wesentlich verändert. Sie trugen Zivil. Auf dem Lehrgang war Rapka auferlegt worden, mindestens fünfzehn Kilo abzuspecken. Das war ihm gelungen. Er hatte es seinem Beifahrer Kuhlebert zu verdanken, dass man ihn beim MEK überhaupt akzeptierte. Schon seit dreizehn Jahren saßen sie zusammen auf dem Bock. Kuhlebert wollte nur mit seinem wesentlich älteren Kollegen die Beobachtungsaufgaben übernehmen, weil er sich an dessen Macken gewöhnt hatte.

    In Rapkas Personalakte stand, dass er in seiner Ausbildung versehentlich einen Schäferhund erschossen hatte. Das war zwar lange verjährt, doch der Vermerk haftete. Gelegentlich gab Rapka seinem Beifahrer Kuhlebert einen heftigen Schlag auf die Schulter. »Das haste gut gemacht, mein Junge.«

    Von den drei Aufgaben des Mobilen Einsatzkommandos: Aufklärung und Überwachen möglicher Tatorte, Observation und Fahndung auf dem Gebiet der Schwerstkriminalität mit hohem Gefährdungsgrad, Vorfeldbeobachtung, traute man den beiden Polizisten nur die letzte zu. Auf dem Dienstweg und im persönlichen Gespräch war ihnen mitgeteilt worden, dass sie sich trotz Lehrgang und Versetzung zum MEK erst zu bewähren hätten. Kuhlebert nahm das gelassen, Rapka ärgerte sich darüber maßlos. »Nun bin ich bald dreißig Jahre bei der Truppe, und dann soll ich mich noch mal bewähren. Die spinnen da oben!«

    »Extra viel Ketchup«, sagte Frau Soltan und wischte sich den Schweiß vom Handrücken. »So mögen Sie doch die Pommes, nicht?« Sie kniepte Kuhlebert zu.

    Der Fünfunddreißigjährige hatte es ihr angetan. Sie wusste, dass er ledig war. Es gefiel ihr, wenn er mal seinen mürrischen Kollegen zurechtwies. Rapka hatte meist schlechte Laune und ließ es seine Umwelt auch wissen Einmal waren die beiden Polizisten angezeigt worden. Wegen Körperverletzung im Dienst. Sie hatten einen Mann vertrimmt, den Hauptkommissar Lindow einvernehmen wollte. Es gab nicht nur ein Dienstaufsichtsverfahren, sondern auch eine Verhandlung. Damals erschienen sie beide in Zivil vor Gericht, Rapka im Sonntagsanzug, Kuhlebert mit weißem. Rollkragenpullover und dunkelblauem Jackett. Das Verfahren endete mit einem Freispruch. Sie erhielten Beifall im Gerichtssaal. Von ihren Kollegen.

    »Ich glaube, es piept«, sagte Kuhlebert und ging zum Wagen.

    »Lass es piepen, Junge, wir haben Pause. Die können doch nicht mitten in meine Wurst piepen.« Rapka lachte laut. Frau Soltan schloss sich an. Sie hätte es lieber gesehen, wenn sie mal einen Augenblick mit Kuhlebert allein gewesen wäre. Schon lange hätte sie vor, ihn zu einem deftigen Spießbraten nach Hause einzuladen.

    11:19 Uhr: Telefonische Mitteilung an das Lagezentrum, dass sich die Geiselnehmer mit zwei Geiseln auf dem Parkplatz Dammer Berge befinden.

    »Hast du eine Ahnung, was eine Meerkatze ist?« fragte Piet Mews. Er legte den vierten Gang ein und beschleunigte den Mercedes auf 120 km/h.

    »Eine Katze, die schwimmen kann«, antwortete Hanne, »oder eine besonders leckere Fischart. Was weiß ich.«

    »Würdest du bitte, mal nachsehen? Ich melde mich wieder.«

    Der Fotograf legte den Hörer des Autotelefons auf die Halterung. Einer von den Aufträgen, die ihm Spaß machten. Für die bunte Seite. »Mach uns ein schönes Bild von der Meerkatze, die ist entlaufen. Wollen wir groß mit aufmachen!« Bevor man ein Bild von einer entlaufenen Katze machen konnte, musste man sie finden Die Anhaltspunkte waren mehr als vage. Piet Mews Hatte gerade sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Ein Kunststück, als freier Fotograf zehn Jahre gut über die Runden zu kommen, zehn Jahre den Trick zu beherrschen, Auftraggeber zufrieden zu stellen, immer bereit zu sein, Kompromisse in Kauf zu nehmen, zehn Jahre Politikerporträts zu knipsen, immer die gleichen, langweiligen Gesichter. Zehn Jahre Industriefotografie und aktuelle Bildberichterstattung. Die Feier zum Jubiläum verlief sehr feucht. Vor zehn Jahren hatte ihm ein Kollege geraten, sich einen an ständigen Beruf zu suchen, der Markt biete keine Chance, als freier Fotograf zu überleben. Piet Mews hatte es geschafft. Der Kollege nicht.

    Das Telefon summte. Es war Hanne.

    »Meerkatze, Cercopithecus, Gattung aus der Familie der Schmalnasen und der Unterfamilie der Hundsaffen, schlank gebaute Tiere von zierlicher Körpergestalt mit schlanken Gliedmaßen, feinen kurzen Händen, mit langen Daumen, langem Schwanz ohne Endquaste, weiten Backentaschen und großen Gesäßschwielen Reicht das? Hab ich im alten Meyers Konversationslexikon gefunden.«

    »Toll, danke Was wurde ich ohne dich sein? Küsschen.« Piet Mews spitzte die Lippen In diesem Augenblick überholte ihn ein blauer Mercedes.

    »Hast du das possierliche Tierchen denn schön vor der Linse?« fragte Hanne. Sie kannte Piet erst seit wenigen Monaten. Er war mit ein paar Fotos in die Werbeagentur gekommen, in der sie arbeitete. Sie hatte ihm Torte angeboten.

    »Keine Sorge. Einen Affen finde ich immer!« Mews gab einen weiteren fernmündlichen Liebesbeweis ab und legte auf. Gut, dass er dem Redakteur nicht zu verstehen gegeben hatte, dass seine zoologischen Kenntnisse gleich Null waren.

    Wenige Minuten später verließ er die Autobahn und fuhr nach Lesum, einem nördlichen Stadtteil von Bremen.

    Seit er das Autotelefon hatte einbauen lassen, war er besser zu erreichen, konnte unterwegs Aufträge entgegennehmen, war noch mehr verfügbar als zuvor. Die Anschaffung hatte sich längst bezahlt gemacht. Piet Mews wusste, dass er sich den Neid seiner Kollegen zuzog. Erst zehn Jahre auf der Piste und schon erfolgreich. Das störte einige Konkurrenten.

    Er erkannte die Meerkatze an den Gesäßschwielen. Rot aufgequollene Fleischklöpse.

    Piet Mews stoppte den Wagen. Drehte die Seitenscheibe herunter und nahm die Kamera in die Hand. Schon die ersten Bilder gefielen ihm gut. Das Äffchen saß auf einem gelben Kasten der Deutschen Bundespost und flohte sich. Wie auf dem Präsentierteller.

    Die Seitenstraße war leer. Kein Bürger auf dem Steig. Piet Mews verließ den Wagen, um mit dem Normalobjektiv näher heranzukommen.

    Er schoss vier Bilder. Dann wurde die Meerkatze aufgeregt. Hob das Köpfchen und sah in die Richtung des Fotografen. Wunderbar. Das war die Einstellung, die er gesucht hatte. Ein waches Gesicht. Mews legte die Kamera in den Wagen und versuchte die Meerkatze zu fangen. Aber mit einem Sprung erreichte das Äffchen einen Apfelbaum.

    Mews hatte zwar seine Fotos, aber das genügte ihm nicht. An der Straßenecke war ein Obstladen, in dem er drei Bananen kaufte. Eine aß er hastig auf. Die zweite schälte er und kehrte zu dem Affen zurück.

    Die Meerkatze hatte sich noch etwas höher in den Baum zurückgezogen, konnte aber der Banane nicht widerstehen. Vergeblich versuchte der Fotograf, das Äffchen von hinten zu fangen. Mit der dritten Banane lockte er das Tier in seinen Wagen. Nun hatte er Foto und Objekt. Das Telefon summte.

    Es war ein Redakteur der Weser-Nachrichten: »Hast du gehört, dass die Gladbecker Geiselgangster auf dem Weg nach Bremen sind?«

    Mews sah auf seine Beute, die gerade dabei war, die Telefonschnur anzuknabbern. Hoffentlich fahren sie vorbei, dachte er und sagte: »Bleib dran.« Der Kollege hatte ausgezeichnete Verbindungen zur Polizei. Mews hielt mehr auf Distanz.

    Im Tierladen wurde die entlaufene Meerkatze mit großer Freude begrüßt. Wie eine alte Bekannte. Mews fragte den Besitzer, ob er ein paar schöne Fotos von dem Tier haben wolle. Bevor der alte Zoohändler antworten konnte, war die Meerkatze wieder entlaufen. Sie hatten in der Aufregung vergessen, die Ladentür zu schließen.

    Mews fuhr zurück in sein Labor. Die Redaktion wollte ein Schmuckfoto für den Aufmacher, da konnte er schlecht erneut auf Affenjagd gehen.

    11:22 Uhr: Die Polizeiführung in Gladbeck ersucht die bremische Polizei, die Tankstellen Langwedel an der Bundesautobahn A27 und Grundbergsee an der Bundesautobahn A1 durch Sondereinsatzkräfte (SEK) abzudecken. In zwei weiteren Telefonaten um 11:30 Uhr und 11:44 Uhr übermittelt die Polizeiführung zwei mögliche Anlaufadressen der Täter in Bremen-Nord, in der Rekumer Straße und Am Fillerkamp, später eine Adresse im Lämmerweg.

    An diesem Morgen war Hauptkommissar Lindow voll guter Absichten ins Präsidium gefahren. Am Wochenende sollte sein kleines Büchlein mit Polizeiwitzen erscheinen. Ein Empfang wurde vorbereitet, den der Pressesprecher zum wichtigsten Ereignis des Jahres erklärte. Es sei ja nicht nur so, dass Polizisten interessante Hobbys hätten, sondern an diesem Büchlein könne man sehen, dass die Polizei durchaus in der Lage sei, über sich selbst zu lachen. Es sollte eine wunderbare Public-Relations-Aktion werden. Der Pressesprecher hatte die regionalen Zeitungen beliefert, mit Sperrvermerk, damit niemand vorpreschte. Und jeder Zeitung, gleich ob es sich um die Weser-Nachrichten, die tageszeitung oder ein Anzeigenblatt handelte, hatte er exklusiv einen Polizeiwitz zugeteilt. »Nur Sie werden diesen Witz in Ihrer Zeitung drucken«, fügte er handschriftlich hinzu.

    Lindow war noch aus einem anderen Grund so gut gelaunt. Er stellte bei der morgendlichen Kalenderdurchsicht fest, dass er weniger als fünfzehn Monate den täglichen Weg in die Mordkommission antreten musste. Was für eine Aussicht! Wenn er die unüberschaubare Menge an Überstunden abrechnete, konnte es vielleicht sogar nur noch ein Jahr sein. Die Skatfreunde hatten schon vorsichtig angefragt, ob dann ihr gemeinsamer Termin gefährdet sei. Lindow versicherte ihnen, dass Skat zu heilig sei, als dass seine Pensionierung etwas an ihren Treffen ändern könnte. »Im Gegenteil, ihr müsst mir dann aus dem Tollhaus berichten. Ich will ja nicht wie der Franz jeden zweiten Tag auf der Matte stehen und betteln, ob es eine schöne Leiche für mich gibt.« Fritz Pinneberger, Marianne Kohlhase, seine Freundin und der Kollege Karl Schlink waren beruhigt. Wolfgang Lindow war ein guter Verlierer. Nicht nur im Skat. Der Hauptkommissar nahm den langsamen Beamtenaufzug in den ersten Stock. Er hatte an diesem Vormittag versucht, etwas über den Mordfall Sammer herauszubekommen. Eine verwickelte Geschichte. Ein Mann war tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Mit einem großen Loch im Kopf. Es gab keine Tatwaffe. Nur wenige Blutspuren. Keine Fingerabdrücke. Alle Türen und Fenster waren verschlossen und nicht durch äußere Gewalt beschädigt. Es hatte kein Kampf stattgefunden. Seit Wochen rätselten sie an diesem Verbrechen herum. Lindow bekam diese Fälle auf den Tisch. Der Einzelgänger ins der Mordkommission. Er liebte die verzwickten Fälle. Bisher stand nur eines fest: Der Mann war nicht beraubt worden, in der Wohnung lagen mehr als fünfzigtausend Mark, in verschiedenen Währungen.

    Als Lindow sein Büro betrat rochen die Akten. Niemand hielt es für nötig, die Fenster zu öffnen. Nicht mal im August.

    Er ging zu seinem Schreibtisch, studierte die eingegangene Post. Seit bekannt war, dass er seine Sammlung von Polizeibriefmarken aus aller Welt auf einer Auktion versteigern lassen wollte, bekam er Briefe von eifrigen Sammlern. Der eine war an dieser, der andere an jener

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