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Napoleon und Bayern: Eine Königskrone und ihr Preis
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eBook377 Seiten4 Stunden

Napoleon und Bayern: Eine Königskrone und ihr Preis

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Über dieses E-Book

"Am Anfang war Napoleon" - auch in Bayern. "Das Königreich Bayern war die logischste und dauerhafteste Schöpfung, die vom napoleonischen Deutschland geblieben ist. Nirgendwo ist der Einfluss des neuen aus Frankreich wehenden Geistes … auf so … bereit-willige Zusammenarbeit gestoßen" (M. Dunan).

In der Tat hatte Napoleon ein besonderes Interesse an Bayern. Von seinen Gnaden wurde es Königreich. Das moderne Bayern entstand in fast allen Bereichen von Staat und Gesellschaft. Auch erhielt es ein vergrößertes Territorium, das bis heute Bestand hat.

Der Autor, hervorragender Kenner der bayerischen Landesgeschichte und Napoleonzeit, schildert eindrucksvoll ein dramatisches Kapitel europäischer Geschichte sowie Höhen und Tiefen der bayerischen Diplomatie. Zeitgenössische Bilder und Karten veranschaulichen die Darstellung. Mit einem Vorwort von Hans Michael Körner.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Sept. 2014
ISBN9783791760438
Napoleon und Bayern: Eine Königskrone und ihr Preis

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    Buchvorschau

    Napoleon und Bayern - Marcus Junkelmann

    Zum Buch

    Von 1799–1815 bestimmte Napoleon die Geschicke Europas – auch Bayerns. Weder vorher noch nachher hat die Entwicklung des Landes einen so stürmischen Verlauf genommen und solche Veränderungen erfahren.

    Napoleon hatte besonderes Interesse an Bayern. Von seinen Gnaden wurde es Königreich. Das moderne Bayern entstand in fast allen Bereichen von Staat und Gesellschaft. Auch vergrößerte sich sein Territorium auf den heutigen Stand.

    Die Erinnerung an Glanz und Größe, aber auch die Schattenseiten der napoleonischen Zeit hat sich Bayern bis heute bewahrt.

    Zum Autor

    Marcus Junkelmann,

    Dr. phil., geb. 1949, ist Militärhistoriker, freischaffender Experimentalarchäologe und (Landes-)historiker.

    Marcus Junkelmann

    Napoleon

    und

    Bayern

    Verlag Friedrich Pustet

    Regensburg

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    eISBN 978-3-7917-6043-8 (epub)

    © 2014 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

    eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

    Umschlaggestaltung: Heike Jörss, Regensburg

    Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

    ISBN 978-3-7917-2631-1

    Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de

    Kontakt und Bestellungen unter verlag@pustet.de

    Vorwort zur Neuausgabe „Napoleon und Bayern"

    Es ist mehr als reizvoll, anlässlich des Erscheinens einer neu bearbeiteten Ausgabe von Marcus Junkelmanns „Napoleon und Bayern in den darauf bezogenen Rezensionen aus der Mitte der 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts zu blättern und sich über das nicht nur mehrheitliche, sondern einheitliche Lob zu freuen, das dieser Publikationen damals zuteil wurde. Dieses war dabei durchaus unterschiedlich motiviert: Das fachwissenschaftliche Urteil der universitären Neuzeithistoriker wie das der akademischen Landeshistoriker stand neben dem Votum der Heimat- und Lokalhistoriker; die Anerkennung der historiographischen Standards verband sich mit der Bewunderung für die Eingängigkeit der Darstellung, die ein breites Interesse an der bayerischen Geschichte seriös zu bedienen vermochte; Karl Otmar von Aretin sprach in der „Süddeutschen Zeitung gar davon, dass dem Autor „ein Volksbuch zur Montgelaszeit gelungen" sei.

    Wissenschaftliche Sauberkeit und populäre Akzeptanz beim Publikum war und ist in keiner der Publikationen des Autors Junkelmann je ein Gegensatz gewesen, und schon gar nicht bei seinem Erstlingswerk, bei seinem „Napoleon und Bayern".

    Und deswegen ist dem Regensburger Pustet-Verlag großer Dank geschuldet. weil er sich zur Neuausgabe dieses wichtigen Buches verstand, das nicht in ereignis- oder militärgeschichtlicher Engführung verharrt, das die konkurrierenden Perspektiven des Zeitalters ausleuchtet, das Bayern und seine Politik in ihrem europäischen Kontext platziert, das in kluger Balance personen- und strukturgeschichtliche Akzente miteinander verbindet, das – in summa – weit mehr bietet als der Titel verspricht, nämlich eine Geschichte Bayerns im Umbruch vom 18. auf das 19. Jahrhundert, eine Geschichte der Begründung des Neuen Bayern am Beginn des 19. Jahrhunderts.

    Die Tektonik der Neuausgabe schließt sich an die Fassung von 1985 an, was partielle Kürzungen wie diverse neue Vertiefungen einschließt; gründlich überarbeitet erscheinen die Kapitel über den Rheinbund und die bayerische Reformpolitik; neu ist der Abschnitt über die Würzburger und Regensburger Sonderwege; und ganz neu ist ein detaillierter Anmerkungsapparat, der 1985 fehlte.

    Ein besonders wertvoller Aspekt der Bücher Junkelmanns ist stets die sorgfältig ausgewählte und präzis kommentierte Bebilderung. Die Napoleonische Ära hat gerade in Bayern ein bedeutendes Erbe an Schlachten- und anderen Ereignisdarstellungen bayerischer wie französischer Provenienz, aber auch an volkstümlicher Graphik, Karikaturen, Votiv- und Totentafeln hinterlassen. Zwar mußte gegenüber der Erstausgabe der Umfang der Bebilderung reduziert werden, doch bilden die Illustrationen wieder eine nicht nur optisch reizvolle, sondern auch aussagekräftige Ergänzung des Texts. Für den Bayerischen Feldzug im April 1809, zu dem eine besonders reiche Überlieferung vorliegt, sei als Zusatzlektüre auf den schön bebilderten Band Junkelmanns »Der kühnste Feldzug« aufmerksam gemacht, in dem es ihm nicht zuletzt in exemplarischer Weise gelingt, die Spuren der Ereignisse von 1809 in der heutigen Landschaft zu dokumentieren und die Verflechtung von Vergangenheit und Gegenwart sinnfällig vor Augen zu führen, wie das auch im bayerischen Itinerar Napoleons, das dem vorliegenden Buch als Anhang beigegeben ist, erfolgreich versucht wird.

    Überhaupt ist es einer gesonderten Erwähnung wert, daß Marcus Junkelmann nicht achtlos an den Dimensionen der Rezeptionsgeschichte vorbeigeht, im Gegenteil: Er spürt konkret der Frage nach, wie das Napoleonische Zeitalter – in durchaus kontroversen Wahrnehmungen – im bayerischen Geschichtsbewusstsein verankert war und ist. Dass Junkelmann dabei auch nicht vor einer Polemik gegen die borussozentrierte Interpretation der Napoleonischen Zeit zurückschreckt, mag manchen Zeitgenossen irritieren, ist andererseits aber gerade Ausweis der Originalität des Zugriffs, der Lebendigkeit der Gestaltung und letzten Endes sogar der Aktualität einer Epoche der bayerischen Geschichte, angesichts deren Darstellung bei Junkelmann man sich wünschen möchte, dass auch noch viele andere Epochen der bayerischen Geschichte in dieser Weise dem geneigten Publikum zugänglich gemacht werden könnten.

    Weißling, im Juni 2014

    Professor Dr. Hans-Michael Körner

    Einleitung¹

    Im Jahr 2015 jährt sich mit den Hundert Tagen, der Schlacht von Waterloo und dem Wiener Kongreß das Ende der napoleonischen Epoche zum 200. Mal. Aus diesem Anlaß veranstaltet das Haus der Bayerischen Geschichte in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt eine Landesausstellung zum Thema »Napoleon und Bayern«.

    Schon im dritten Teil der Ausstellungstrilogie »Wittelsbach und Bayern« im Jahr 1980 hatte die Ära Napoleons und des ersten bayerischen Königs Max I. Joseph im Mittelpunkt gestanden, 2006 war das zweihundertjährige Jubiläum der Erhebung Bayerns zum Königreich Anlaß für eine weitere Großausstellung in der Residenz München.²

    Kein Zweifel, von offizieller Seite ist man sich mittlerweile der Bedeutung eines Zeitalters bewußt, in dem die Fundamente für das moderne Bayern gelegt wurden. Das Publikum scheint aber gewisse Berührungsängste zu haben mit einer Epoche, in der die barocke Welt des alten Bayern und die territoriale und kulturelle Vielfalt der zahlreichen neubayerischen Gebiete einem rationalistisch geführten zentralisierten Verwaltungsstaat weichen mußten.

    Den Rammbock, mit dem das Tor zur ungeliebten Moderne aufgestoßen wurde, bildeten die Armeen der französischen Republik und Napoleons. Höchst treffend läßt ab hier Thomas Nipperdey seine Geschichte Deutschlands in der Zeit von 1800 bis 1866 mit der vielzitierten, leicht blasphemischen Feststellung beginnen:

    »Im Anfang war Napoleon.«³

    »Obgleich wir am folgenden Tage [20. April] um 2 Uhr [morgens] wieder unter Waffen standen, so blieb es dennoch bis gegen 9 Uhr hin ziemlich ruhig. Um diese Zeit trat der merkwürdigste Augenblick meines Lebens ein. Ein allgemeines Freudengeschrei kündigte die Ankunft Sr. Majestät des Kaisers von Frankreich an, und wie von einem elektrischen Schlage berührt, war plötzlich die ganze Armee mit Freude und Hoffnung erfüllt. Aus dem Auge eines jeden leuchtete die reinste, die unverkennbarste Freude, die Gewissheit eines nahen Sieges hervor. Noch nie war es meinem Auge gegönnt gewesen, diesen seltenen Sterblichen zu sehen, und dennoch erkannte ich Ihn – nicht sowohl aus der Aehnlickeit mit den Büsten, die ich von Ihm gesehen habe, als vielmehr an der Einfachheit Seines Anzuges auf den ersten Blick, den ich der ankommenden Generalität, in deren Mitte Er sich befand, entgegen warf. (Er trug einen hellgrauen bis am Halse zugeknöpften Ueberrock, weißlederne Beinkleider und einen ganz dekorationslosen Huth von noch weniger als mittlerer Größe. Eine Reitgerte diente Ihm in seiner Rechten, die Lebhaftigkeit Seines Geistes zu versinnbildlichen.) Ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren, wurden die Staabs- und Oberofficiers vorgerufen, an welche Se. Majestät zu Pferd, mit aller jener Erhabenheit, die Ihm eigen ist, in französischer Sprache eine lange Anrede hielt, die von Sr. königlichen Hoheit, unserem geliebten Kronprinzen, sogleich von Satz zu Satz ins Deutsche übersetzt wurde. Noch nie habe ich einer so feierlichen Handlung beigewohnt, noch nie war ich Zeuge von einem so allgemeinen Enthusiasmus, der hier alle Anwesenden beseelte. Unter anhaltendem Jubelgeschrei, das den Luftkreis durchdrang und den uns beobachtenden Feind erschreckte: Es lebe der Kaiser! – gieng Jeder wieder auf seinen Posten zurück.«

    Christian Schaller, bayerischer Artillerieleutnant, »Fragmente aus dem Feldzuge gegen Oestreich im Jahr 1809«, 1810

    »Das Wetter war etwas trüb, als alle Offiziere sich versammeln mußten. Napoleon war angekommen und hielt eine Anrede, welche uns die Offiziere wieder vortrugen. Ich weiß davon nur so viel, daß dieser große Mann uns versichern ließ, er habe das nämliche Vertrauen zu uns, als wie zu seinen Franzosen weßhalb wir auch die Ehre des heutigen Tages allein ernten sollten. Hierauf erhielt jeder Mann 2 Maaß Bier, welches wir aus Kesseln und Kasserollen tranken, und dann erwarteten wir den Ruf unserer Feldherren.«

    Nikolaus Reichold, bayerischer Artillerist und Veteran von 1809, »Der Soldatensohn und das Kriegsleben von 1805–1815«, 1851

    Abb. 1:  Ansprache Napoleons vor Beginn der Schlacht bei Abensberg am 20. April 1809. Das monumentale Bild geht auf vor Ort entstandene Zeichnungen zurück und soll Napoleon als Schirmherrn des Rheinbundes feiern. Neben dem Kaiser übersetzt (barhäuptig) der bayerische Kronprinz Ludwig mit vermittelnder Geste die Worte des Kaisers, eine ironische Situation, da Ludwig strikt antifranzösischer Gesinnung war, sich in diesem Moment aber nach eigenem Eingeständnis für Napoleon begeisterte. Rechts im Vordergrund stehen die bayerischen Generäle Wrede und Deroy. Die Szene spielt sich auf einer seit diesem Ereignis als »Napoleonshöhe« bekannten Erhebung östlich von Abensberg ab⁴ (s. S. 4 o.).

    »Bayerische Krieger! Ich stehe vor euch nicht als Kaiser der Franzosen, sondern als Beschützer eures Vaterlandes und des Rheinbundes. Bayern! Ihr kämpft heute allein gegen die Österreicher. Nicht ein einziger Franzose ist in der ersten Linie, […]. Ich setze volles Vertrauen in eure Tapferkeit. Ich habe bereits die Grenzen eures Landes hinausgerückt; ich sehe jetzt, daß ich es noch nicht weit genug getan habe. Ich werde euch so groß machen, daß ihr künftig in einem Krieg gegen Österreich meines Schutzes nicht mehr bedürft. Seit zwei Jahrhunderten haben die bayerischen Fahnen, unterstützt von Frankreich, heldenmütig gegen Österreich gekämpft. Wir werden nach Wien marschieren, wo wir es für alle Übel, die es eurem Vaterlande zugefügt hat, bestrafen werden. Sie wollten euer Land aufteilen und euch in die österreichischen Regimenter einreihen! Bayern! Dieser Krieg soll der letzte sein, den ihr gegen eure Feinde führt. Greift sie mit dem Bajonett an und vernichtet sie!«

    »…da sprengte er her in seinem grauen Überkleid, ein Pferd meines Vaters reitend… streckte die Hand aus gegen mich… Selbst ihn bannend und hassend, vermag auf Augenblicke Napoleon selbst in mir für ihn Enthusiasmus zu bewirken… Ich gestehe, daß ich, Todfeind Napoleons, in diesem Augenblick für ihn ergriffen war, möchte, daß es nicht geschehen wäre. Enthusiastisch rief ich vive l’Empereur.«

    Kronprinz Ludwig in seinen autobiographischen Aufzeichnungen

    Erinnern und Verdrängen – Napoleon im bayerischen Geschichtsbewußtsein

    Beim niederbayerischen Kelheim thront über der Donau die sogenannte Befreiungshalle, von der Lage her betrachtet eines der imposantesten Denkmäler Europas, in der Diskrepanz zwischen propagandistischem Anspruch und historischer Substanz jedoch eines der lächerlichsten. Durch einen Akt architektonischer Kraftmeierei versuchte König Ludwig I. von Bayern hier im Nachhinein gleichzuziehen mit Preußen und Österreich als Befreier Deutschlands vom napoleonischen Joch. Um dieser historischen Falschmünzerei die Krone aufzusetzen, wählte man 2009 gerade diesen Ort, um den abschließenden Feierakt zum 200. Gedenkjahr des Feldzugs von 1809 in Szene zu setzen, zudem noch an einem 18. Oktober, einem der Gedenktage der viertägigen Leipziger »Völkerschlacht«. In seiner Festrede zeigte der oberste Denkmalschützer des Landes, Prof. Dr. Egon Johannes Greipl, mehr Sensibilität für den genius loci als die Veranstalter. »Die Befreiungshalle in Kelheim«, sagte er damals, »stellt sich wie ein mächtiger Block zwischen die Geschichte Bayerns vor 1813 und nach 1813. Sie will vergessen machen, daß Bayern an der Seite Napoleons 1806 zum Königreich erhoben wurde, daß die Familien Bonaparte und Wittelsbach Ehen schlossen, daß Bayern dem Bund mit Frankreich einen gewaltigen Zugewinn an Land und Bevölkerung verdankte, daß sich Bayern in jenen Jahren, 1808, eine der ersten Verfassungen in ganz Deutschland gab, daß die Jahre mit Napoleon auch Jahre weit in die Zukunft reichender innerer Reformen waren… Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, wies das – zwar von Napoleon dominierte – von großen inneren Reformen geprägte europäische Bündnissystem vor 1813… mehr in die Zukunft als der nationalistische, antifranzösische Befreiungsrausch nach 1813.«

    Der Wendepunkt 1813 beendete nicht nur vorübergehend in der aktuellen politischen Realität, sondern auch dauerhaft im anhaltenden Geschichtsbewußtsein des Landes die kurze, aber höchst ereignisreiche und folgenschwere Phase des napoleonisch-bayerischen Bündnisses. Indem das junge Königreich im Herbst 1813, kurz vor der Entscheidungsschlacht bei Leipzig, nach dem Motto »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff« ins antifranzösische Lager überwechselte, gelang es, einen großen Teil der Gewinne der Vorjahre aus der Katastrophe des napoleonischen Systems zu retten. Der weitere Gang der Geschichte, vor allem der Krieg von 1870/1871, die Gründung des Deutschen Reiches und schließlich die beiden Weltkriege, sah Bayern, wie den Rest Deutschlands, in steter Frontstellung gegen das zum »Erbfeind« stilisierte Frankreich. Wie in allen ehemaligen Rheinbundstaaten war man im Zeitalter des reichsgermanischen Nationalismus geneigt, die »undeutsche« Waffenbrüderschaft mit Frankreich während der Jahre 1805 bis 1813 zu verdrängen, und schämte sich ordentlich, wenn man ein »Königreich von Napoleons Gnaden« genannt wurde.⁵ 1906 wagte man es nicht, des hundertjährigen Bestehens des Königreiches Bayern zu gedenken, um nicht den Unwillen der preußisch-deutschen Reichsregierung zu erregen, handelte es sich doch um eine Rangerhöhung, die man im Bündnis mit Napoleon erreicht hatte und die nur »in der Haltung der Rechtfertigung« thematisiert und schon gar nicht gefeiert werden durfte.⁶ So hat auch der Staatsminister Montgelas, die dominierende Figur der bayerischen Politik in den Jahren 1799 bis 1817 und der fraglos bedeutendste Staatsmann, der je die Geschichte des Landes geleitet hat, als prominentester Vertreter des »napoleonhörigen« Rheinbunddeutschland erst 2005 ein Denkmal erhalten.⁷ Man kompensierte diesen nationalen Minderwertigkeitskomplex, indem die Erinnerung an die nach dem Bündniswechsel von 1813 begangenen Heldentaten ganz unverhältnismäßig monumentalisiert wurde. Alles, was vor dem Oktober 1813 geschehen war, degenerierte zum bloßen Vorspiel für den großen Befreiungskampf. »Auch sie starben für des Vaterlandes Befreiung«, ließ Ludwig I. auf den Sockel des Obelisken schreiben, der auf dem Münchner Karolinenplatz dem Andenken der 30.000 im Dienste Napoleons in Rußland umgekommenen oder verschollenen bayerischen Soldaten errichtet wurde, und man weihte das Denkmal an einem Jahrestag der »Völkerschlacht« von Leipzig ein, an der kein einziger Bayer teilgenommen hat.⁸ Auch der Grundstein für die uns schon vertraute Befreiungshalle über Kelheim, das kriegsverherrlichendste Monument auf bayerischem Boden, wurde am 19. Oktober (1842), einem der Leipzigtage, gelegt. Daß diese Tradition noch keineswegs erloschen ist, zeigt die Tatsache, daß, wie schon erwähnt, am 18. Oktober 2009, gleichfalls einem Leipzigtag, ausgerechnet in der Befreiungshalle und ausgerechnet an diesem Datum der bewußte fehlplazierte und fehldatierte Festakt stattfand, mit dem die Gedenkveranstaltungen für den Feldzug im April 1809, den letzten und größten gemeinsam errungenen Sieg Frankreichs, Bayerns und der anderen Rheinbundstaaten, ihren Abschluß fanden.

    Noch unverblümter griff auf die antinapoleonische Tradition der Verfasser einer Inschrift zurück, die am 23. April 2009, dem Jahrestag der Erstürmung von Regensburg und der weitgehenden Zerstörung von Stadtamhof, vom Regensburger Kulturreferenten enthüllt worden ist.⁹ Man hielt die Sache offensichtlich für so wichtig und so brisant, daß man unter Umgehung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens den Text in einer Nacht- und Nebelaktion in das unter Denkmalschutz stehende Stadtamhofer Pylonentor meißeln ließ. Ebenso fragwürdig wie das procedere der Anbringung sind der Wortlaut und der Inhalt der Inschrift zu beurteilen: »1809 – Schreckenstage durch Napoleon. Zum Gedenken an die Opfer – 2009.« Damit werden schlicht und ergreifend die Tatsachen auf den Kopf gestellt, denn Stadtamhof wurde keineswegs von französischen Geschützen in Schutt und Asche gelegt, sondern von den auf dem Dreifaltigkeitsberg positionierten österreichischen Batterien, die eine Feuerwand schaffen wollten, um die Verfolgung durch die über die Steinerne Brücke nachdrängenden siegreichen Rheinbundtruppen aufzuhalten. Und dies alles im Rahmen eines Krieges, der klar und eindeutig Österreich in der Rolle des Angreifers sah und nicht Napoleon, der den erneuten Waffengang mit dem Habsburgerstaat unbedingt hatte vermeiden wollen. Eine offizielle Stellungnahme der Stadt zu der Inschrift, die von deutschen und ausländischen Historikern scharf kritisiert worden ist, liegt bis heute nicht vor. Ein angekündigtes wissenschaftliches Symposium zu dieser Frage verschwand sang- und klanglos von der Tagesordnung, und schon gar nicht macht man irgendwelche Anstalten, die eindeutig falsche und unnötig provozierende Inschrift zu korrigieren. Keineswegs sollte sie in ihr Gegenteil verkehrt werden mit einer vergleichbar pauschalen Beschuldigung der österreichischen Armee, denn beide Seiten handelten hier unter militärischen Sachzwängen. Bei der Würdigung von regulären Kampfhandlungen und der von ihnen verursachten Kollateralschäden sind einseitige Schuldzuweisungen grundsätzlich abzulehnen.

    Was den nach wie vor nicht ausgestandenen Zank um die Stadtamhofer Inschrift so bemerkenswert macht, ist vor allem die Tatsache, daß die starke Emotionalisierung der Diskussion weniger von den angeblichen oder wirklichen Kriegsgreueln herrührt, sondern von der Person Napoleons. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Konstellation, die zu den Regensburg-Stadtamhofer Ereignissen von 1809 führte, nicht erst von Napoleon herbeigeführt worden ist, sondern in einer langen historischen Tradition stand, die in der geographischen Zentrallage Bayerns zwischen den konkurrierenden Großmächten Frankreich und Österreich begründet war.

    Verschärft wurde diese Situation durch den immer wieder frustrierten Ehrgeiz des Hauses Wittelsbach, machtpolitisch und rangmäßig mit den Habsburgern gleichzuziehen und zu königlichen, wenn nicht kaiserlichen Würden aufzusteigen. Dem standen die österreichischen Ambitionen gegenüber, sich durch Tausch oder Gewalt in den Besitz Bayerns zu bringen und auf diese Weise die habsburgische Hausmacht im Zentrum des Reiches entscheidend zu stärken.

    Die offensiven wie die defensiven Zielsetzungen Bayerns in der Auseinandersetzung mit seinem größeren Nachbarn machten das Land zum natürlichen Bundesgenossen Frankreichs. Die bayerisch-französischen Beziehungen und der bayerisch-österreichische Gegensatz müssen also immer zusammen gesehen werden. Bezeichnenderweise beendete das Jahr 1813 nicht nur das Bündnis zwischen Bayern und Frankreich, sondern auch die Gegnerschaft zu Österreich, die im späten Mittelalter wurzelte und sich im 18. Jahrhundert zu einer der Konstanten der europäischen Politik entwickelt hatte.

    Schatten der Vergangenheit

    Die Regierung Kaiser Ludwigs des Bayern ausgenommen (reg. 1314/1318–1347), konnten sich die Wittelsbacher auf Reichsebene nie gegen die Beherrscher des erst 1156 von Bayern abgetrennten Österreich durchsetzen. Es verfestigte sich so das Gefühl, Land und Dynastie würden um den ihnen nach Alter und Rang zustehenden Platz im europäischen Mächtesystem betrogen. Im ausgehenden Mittelalter waren es aber vor allem die Wittelsbacher selbst, die sich in inneren Konflikten aufrieben und sich damit als ernsthafte Gegenspieler ausschalteten, bis im 16. Jahrhundert die Habsburger im Zenit ihrer Macht standen und den bayerischen Herzögen kaum anderes blieb als murrende, gelegentlich von versteckter Opposition begleitete Gefolgschaft. Gerade in den Wirren von Reformation und Gegenreformation waren die beiden vielfach miteinander verschwägerten Dynastien als einzige schlagkräftige katholische Protagonisten, die es im Reich noch gab, auf gegenseitige Unterstützung angewiesen. Der konfessionspolitische Sachzwang war auch ausschlaggebend dafür, daß Herzog Maximilian I. (reg. 1597/1598–1651) bei Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges dem ums Überleben kämpfenden habsburgischen Konkurrenten zum Sieg über die ständisch-protestantische Opposition verhalf. Der dem Herzog und seinem kaiserlichen Vetter gemeinsame gegenreformatorische Eifer lenkte die bayerische Stoßrichtung gegen die protestantischen Pfälzischen Wittelsbacher, denen Maximilian die Kurwürde und die Oberpfalz entriß. Trotz der engen Zusammenarbeit mit Habsburg ging die Annäherung an die aufstrebende französische Monarchie gerade auf die Regierungszeit Maximilians I. zurück. Wenn dieser auch bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges der wichtigste Verbündete des Kaisers blieb, war er doch zu allererst Landesfürst und als solcher ein entschiedener Gegner jeder Ausdehnung der kaiserlichen Machtstellung. Richelieu und Mazarin, die nach bewährtem französischen Rezept bestrebt waren, die deutschen Territorialfürsten gegen den Kaiser auszuspielen, erkannten das Dilemma des Kurfürsten und versuchten, ihn von seinem Verbündeten zu lösen. Zwar blieb ihnen der letzte Erfolg versagt, aber immerhin kam es im Lauf des langen Krieges zu verschiedenen Sonderabmachungen, und es war vor allem Maximilian, der in den letzten Jahren darauf drängte, die französischen Gebietsansprüche an der Westgrenze des Reiches anzukennen, um endlich Frieden zu erhalten.

    Unter Maximilians Nachfolger Ferdinand Maria wurden die französisch-bayerischen Kontakte dahingehend ausgebaut, daß Kurbayern bis 1680 eine Frankreich begünstigende Neutralitätspolitik betrieb, für die es kräftig Subsidien kassierte. Versuchen Ludwigs XIV., den Kurfürsten zur Kandidatur für die Kaiserkrone zu bewegen, versagte sich jedoch der vorsichtige und friedliebende Ferdinand Maria.

    Ganz anderer Gemütsart war da sein Sohn Maximilian II. Emanuel (reg. 1679/1680–1726), der sich vom Schicksal ausersehen fühlte, sein Land, oder richtiger, sein Haus, koste es, was es wolle, unter die Großmächte Europas zu bringen und zum Königreich zu erheben. Zunächst sah der junge Kurfürst den meistversprechenden Weg in der Wiederannäherung an den Kaiser, was unweigerlich die Entfremdung von Frankreich in sich schloß. 1683, im Jahr des großen Türkensturms, hatte er mit seiner reorganisierten Armee erheblichen Anteil am Entsatz Wiens, in den folgenden Jahren betätigte er sich als erfolgreicher Feldherr des Kaisers auf dem ungarischen Kriegsschauplatz. Die Wiener Regierung blieb ihm zwar die enormen Kosten für seine Feldzüge schuldig, doch errang der Kurfürst 1685 die Hand der Kaisertochter Maria Antonia, wodurch sein Haus in den Kreis der nächsten Anwärter auf das Erbe der Spanischen Habsburger rückte. Tatsächlich wurde der Sohn aus dieser Ehe 1698 als Alleinerbe des spanischen Weltreiches eingesetzt. Max Emanuel sah sich bereits am Ziel seiner Wünsche, da starb der junge Kurprinz, kurz bevor der Erbfall eintrat. Damit spitzte sich die Konkurrenz um das spanische Erbe auf eine erneute Auseinandersetzung der Häuser Bourbon und Habsburg zu. Der bayerische Kurfürst konnte nur mehr versuchen, durch eine skrupellose Schaukelpolitik einen möglichst hohen Preis für ein Bündnis mit der einen oder anderen Seite auszuhandeln. Die Trümpfe, über die er bei diesem Spiel verfügte, waren die strategisch bedeutungsvolle, wenn auch für das Land selbst höchst gefährliche, geographische Lage Bayerns und die Schlagkraft seiner bewährten, unverhältnismäßig starken Armee. Max Emanuels hochfliegende Ziele vorausgesetzt, brachte ihn die beiderseitige Interessenlage geradezu unausweichlich an die Seite Ludwigs XIV., denn dieser konnte ihm weit leichter verlockende Gewinne in Aussicht stellen als sein Gegenspieler, da Bayern territoriale Ausdehnung und Rangerhöhung

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