30 Minuten Sich durchsetzen
Von René Borbonus
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Buchvorschau
30 Minuten Sich durchsetzen - René Borbonus
1. Die Lizenz zum Durchsetzen
Der Wunsch, sich durchsetzen zu können, entsteht meist in Härtefallsituationen. Durchsetzungsfähigkeit beruht jedoch auf einer selbstbewussten und konstruktiven Gesprächshaltung. Sie ist deshalb eher eine rhetorische Kernkompetenz als ein Werkzeug aus dem Notfallkoffer. In beruflichen genauso wie in privaten Beziehungen steht unser Durchsetzungsvermögen permanent auf dem Prüfstein. Gleichzeitig wachsen im Netzwerk-Zeitalter die Anforderungen an unsere sozialen Kompetenzen. Wer sich nicht behaupten kann, geht unter – wer über Leichen geht, jedoch auch. Sich durchsetzen heißt heute, die eigene Position selbstbewusst zu vertreten, ohne Brücken einzureißen.
Viele sind nicht mit der „Lizenz zum Durchsetzen" aufgewachsen. Instinkte wie Flucht und Aggression, aber auch alte Glaubenssätze aus der Erziehung stehen einem gesunden Selbstwert und dem Aussprechen eigener Interessen im Weg. Um durchsetzungsfähiger zu werden, müssen wir zunächst instinktive Reaktionen und alte Prägungen identifizieren und überwinden.
1.1 Das Recht auf den eigenen Standpunkt
Wir haben ein natürliches Recht auf unseren eigenen Standpunkt. Schon das deutsche Grundgesetz gesteht uns in Artikel 5 das Recht auf freie Meinungsäußerung zu – wie in jeder echten Demokratie. Dieses Recht gilt nicht nur für Journalisten, Politiker und Ihren Chef, sondern für jeden von uns, jederzeit.
Es gibt also keinen vernünftigen Grund dafür, den eigenen Standpunkt dem eines anderen hintanzustellen.
Die Lizenz zum Durchsetzen besteht jedoch nicht in dem Recht, unsere Bedürfnisse ohne Rücksicht auf Verluste gegen andere durchzusetzen. Sondern darin, dass wir immer die Wahl haben: In jeder Situation können wir bewusst entscheiden, wie wir uns verhalten – ob wir nach vorn gehen oder uns zurückhalten. Welche von beiden Varianten uns leichter fällt, ist vor allem eine Frage der persönlichen Prägung.
Passives Verhalten
Viele Menschen haben als Kinder gelernt, dass Zurückhaltung ein Gebot der Höflichkeit sei. Ihnen wurde beigebracht, dass man in Konflikten passiv bleiben sollte. Leitsätze wie „Man haut nicht zurück, wenn man provoziert wird und „Das musst du aushalten!
sind aus dem christlichen Gebot abgeleitet, auch die andere Wange hinzuhalten, wenn man angegriffen wird. Ein Beispiel:
Mutter: „Geh jetzt endlich raus und hilf deinem Vater, die Garage aufzuräumen!"
Sohn: „Wieso muss ich helfen, wenn meine Schwester fernsehen darf?"
Mutter: „Deine Schwester hat mir vorhin schon beim Abwaschen geholfen. Mädchen helfen im Haushalt und Jungs helfen bei der Männerarbeit. So gehört sich das nun mal!"
Das Argument der Mutter ist manipulativ: Sie suggeriert ihrem Sohn, dass es ein höheres Regelwerk gibt, an das man sich zu halten habe – ob man das nun richtig findet oder nicht. Sie redet ihrem Sohn ein, dass das gewünschte Verhalten alternativlos sei, wenn er als guter Sohn gelten wolle.
Die Mutter hätte sich auch auf positive Weise durchsetzen können, indem sie verständnisvoll, aber beharrlich nach dem Prinzip „kaputte Schallplatte" argumentiert, ihre Forderung also in ähnlicher Form wiederholt:
Sohn: „Wieso muss ich helfen, wenn meine Schwester fernsehen darf?"
Mutter: „Ich verstehe, dass du das unfair findest. Ich möchte trotzdem, dass du jetzt deinem Vater in der Garage hilfst."
Aufgrund ihrer Prägung durch Glaubenssätze fällt es vielen „wohlerzogenen Kindern" später schwer, ihre Bedürfnisse gegen die anderer zur Geltung zu bringen. Insbesondere in einer neuen Umgebung, zum Beispiel einem neuen Team oder einem neuen Unternehmen, werden diese Hemmungen schnell zu einer Bürde: Im Zweifel behalten passive Menschen lieber die eigene Meinung für sich oder gehen einem Konflikt aus dem Weg – aus dem Bedürfnis heraus, sich gut zu integrieren. Ihr Wunsch nach Harmonie kann ein selbstbewusstes Auftreten mit allerlei Anfechtungen hemmen:
• Sich durchzusetzen, ist egoistisch.
• Wer sich durchsetzt, macht sich unbeliebt.
• Es ist unhöflich, zu widersprechen.
• Ich muss alles tun, worum ich gebeten werde.
Menschen, die sich in der Kommunikation vorrangig passiv verhalten, neigen dazu, sich selbst und anderen gegenüber ihre Wünsche und Ziele zu zaghaft zu vertreten oder sogar ganz zurückzuhalten. In Konflikten stecken sie um des lieben Friedens willen schon mal zurück und räumen einer ungetrübten Beziehung den Vorrang ein.
Aggressives Verhalten
Wer bei der Kommunikation automatisch in die dominante Rolle geht, hat es scheinbar leichter, sich durchzusetzen. Viele aggressive Kommunikatoren haben früh gelernt, dass man sich den Erfolg nehmen muss. Sie warten in Gesprächen nicht ab, wohin die Reise gehen wird, sondern wollen die Richtung selbst bestimmen und erwarten von anderen, dass diese sich unterordnen. Seine innere Stimme flüstert dem aggressiven Typ keine Anfechtungen ein, sondern treibt ihn zum Handeln an.
Es gibt viele Gründe, warum Menschen eine Tendenz zu aggressivem Verhalten entwickeln:
• aggressive Vorbilder (z. B. Eltern);
• geringes Selbstbewusstsein, das auf jedes Problem mit Ängsten reagiert;
• Erfolgserlebnisse durch aggressives