Günther G. Bauer, ein "Ewigspielender“: Schauspieler, Rektor, Spiel- und Mozartforscher
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Über dieses E-Book
Günther Bauer war auch ein durchaus erfolgreicher Verfasser von Hörspielen, Kindertheaterstücken und Erzählungen. Darüber hinaus schrieb er kulturwissenschaftliche Aufsätze über Zwerge, über Salzburg und vor allem über Mozart.
Die einmalige Chance dieses Buches bestand darin, dass Günther Bauer sein Privatarchiv zur Verfügung gestellt hat. Von den rund 120 Bildern ist der größte Teil aus dieser Sammlung. Außerdem wird hier eine Erzählung erstmals veröffentlicht. Das vorliegende Buch wurde von Günther Bauer persönlich durchgesehen und für den Druck freigegeben.
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Buchvorschau
Günther G. Bauer, ein "Ewigspielender“ - Hollitzer Wissenschaftsverlag
Veröffentlichungen zur Geschichte
der Universität Mozarteum Salzburg
Band 5
Günther G. Bauer,
ein „Ewigspielender"
Schauspieler, Rektor,
Spiel- und Mozartforscher
Ein Sammelband mit Originalbeiträgen,
bisher unveröffentlichten Bildern aus dem Privatarchiv,
Textproben und den Erstveröffentlichungen einer Rede
und einer Erzählung
herausgegeben von
Rainer Buland und Bernadette Edtmaier
Dieses Buch entstand am Institut für Spielforschung der Universität Mozarteum.
Möglich wurde diese Publikation durch die großzügige finanzielle Unterstützung
von Senator DDr. Herbert Batliner, Vaduz.
Vielen herzlichen Dank!
Gedruckt aus Budgetmitteln des Instituts für Spielforschung
und der Universität Mozarteum Salzburg.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autorinnen bzw. Autoren verantwortlich.
Die Abbildungen stammen überwiegend aus dem Privatarchiv Günther G. Bauer
und aus dem Bildarchiv des Instituts für Spielforschung.
Einige wenige Abbildungen sind älteren Programmen der Hochschule Mozarteum
und des Kinder- und Jugendtheaters entnommen, die Abbildungsrechte konnten
nicht mehr eruiert werden. Im Falle noch offener, berechtigter Ansprüche wird
um Mitteilung des Rechteinhabers ersucht.
Auf dem Umschlag: Pastellkreiden-Zeichnung von Erni Beutel, 1990. Copyright:
Günther G. Bauer. Foto: Rainer Buland.
Layout und Satz: Johann Lehner, Wien
Druck und Bindung: Interpress, Budapest
ISBN 978-3-99012-136-8 hbk
ISBN 978-3-99012-137-5 pdf
ISBN 978-3-99012-138-2 epub
Alle Rechte vorbehalten
© Hollitzer Wissenschaftsverlag, Wien 2014
www.hollitzer.at
Inhalt
Vorwort von Rektor Univ.Prof. Reinhart von Gutzeit
Rainer Buland: Facetten eines Kultur-Spielers. Oder: Wie bringe ich einen Ewigspielenden in Buchform?
Festrede Prof. Prinz Rudolf zur Lippe
Eine schöne Kindheit – eine lebensgefährliche Jugend
Rainer Buland: Die Bilder und das Interview mit Günther Bauer seine Kindheit und Jugend betreffend
Eine schöne Kindheit – eine lebensgefährliche Jugend. Günther Bauer erzählt aus seiner Kindheit und Jugend
Student am Mozarteum: 1949–51
Bernadette Edtmaier: Der Student für Schauspiel und Regie: 1949–51
Schauspieler am Theater und im Film
Rainer Buland: Günther Bauer, der Theater- und Filmschauspieler – Einführung
Die Noblesse des Homo ludens. Günther Bauer im Gespräch mit Achim Benning und Christina Kaindl-Hönig
Rainer Buland: Der Filmschauspieler in der Generationenkluft
Professor für Schauspiel am Mozarteum
Bernadette Edtmaier: Einleitung
Bernadette Edtmaier: Günther Bauer, der Professor für Schauspiel am Mozarteum: 1971–83
Günther Bauer: Über die Aufführung des „Urfaust" von Goethe im Salzburger Traklhof
Verfasser von Hörspielen, Theaterstücken und Erzählungen
Rainer Buland: Der Schriftsteller Günther Bauer – Verfasser von Hörspielen, Theaterstücken und Erzählungen
Günther Bauer: Die letzte Lesung
Günther Bauer: Der „Salzburger Bauer" Hans Wurst. Sein Ursprung und Werdegang
Günther Bauer: Hans Wursts Abschied
Der Schulspiel-Pädagoge
Rainer Buland: Günther Bauer als Schulspiel- und Theater-Pädagoge – Einführung
Birgit Karoh: Vom Erhalt des Humanen. Über Günther Bauers Dissertation „Das freie Spiel in der Schule. Von Interaktionsspielen zum Schultheater"
Gründer des Salzburger Kinder- und Jugendtheaters
Bernadette Edtmaier: Günther Bauer, der Gründer und Leiter des Salzburger Kinder- und Jugendtheaters – Einführung
Günther Bauer: 18 Jahre Salzburger Kinder- und Jugendtheater
Günther Bauer: „Die lustigen Streiche des Salzburger Hans Wurst"
Walter Riss: Erinnerungen an einige Episoden aus meiner Arbeit am Salzburger Kinder- und Jugendtheater
Rektor des Mozarteums
Rainer Buland: Der Rektor O.H.Prof. Dr. Günther Bauer und seine Amtszeit – Einführung
Günther Bauer: Bericht über meine Amtsperiode als Rektor des Mozarteums
Geehrter Redner und Netzwerker
Rainer Buland: Günther Bauer als Redner und Netzwerker samt seinen Ehrungen und Ehrenmitgliedschaften
Günther Bauer: Frei von Arbeit – frei fürs Spiel
Private Seiten
Bernadette Edtmaier: Günther Bauers private Seiten – Einführung
Hans Jörg Bauer: Günther Georg Bauer – der Bergsteiger
Nurjehan Gottschild: Der spielende Mensch Günther Bauer aus salutogenetischer Sicht
Spielforscher
Rainer Buland: Gründer und Leiter des Instituts für Spielforschung. Eine Geschichte voller Erfolge
Kulturforscher und Sammler mit Schwerpunkten Mozart, Zwerge und Salzburg
Rainer Buland: Der Kultur-Forscher und Sammler Günther Bauer – die Dramaturgie einer Leidenschaft
Lieselotte Eltz-Hoffmann: Der Kulturgeschichtler und Mozart-Forscher
Heidi Knoblich: Stifter des Grundstocks zur „Constanze-Mozart-Bibliothek" in Zell im Wiesental
Anhang
Rainer Buland: Einleitung zu Bibliographie und Biographie
Clara Plainer und Bernadette Edtmaier: Bibliographie der spielhistorischen und kulturgeschichtlichen Texte von Günther Bauer
Eine Sammlung von Biographien. Zusammengestellt von Bernadette Edtmaier
Franz Mayrhofer: Günther G. Bauer zum 80. Geburtstag. Rede anlässlich der Lesung und Geburtstagsfeier im Salzburger P.E.N.-Club
„Ja, ich habe eigentlich immer gearbeitet und immer gespielt". Peter Csobádi im Gespräch mit Günther Bauer vor dessen 70. Geburtstag
Faksimiles einiger bemerkenswerter Eintragungen ins Gästebuch des Instituts für Spielforschung
Farbtafeln
Vorwort von Rektor
Univ.Prof. Reinhart von Gutzeit
Drei große Rollen hat Günther G. Bauer in vier Jahrzehnten an „seiner Hochschule – später Universität – Mozarteum gespielt. In historischer Reihenfolge waren es: die des Professors für Schauspiel, des Rektors in den 1980er Jahren und des Gründers und Leiters des Instituts für Spielforschung und Spielpädagogik nach seinem Übertritt in den Status eines Altrektors im Jahre 1991. Darüber hinaus gab es noch eine Reihe von Nebenrollen, wie in diesem Buch nachzulesen ist. Dabei stellt sich die Frage: Ist das Stichwort „Spiel
die Klammer zwischen all diesen Rollen?
Seine Biografie vor der Mozarteums-Zeit weist aus, dass er ein großartiger Darsteller gewesen sein muss. Dennoch hat man den Eindruck, er habe das Schauspieler-Dasein mit gewisser Leichtigkeit – eben spielerisch – hinter sich gelassen, als das Mozarteum ihm eine andere Rolle und die Verantwortung für die ganze Schule übertrug. Mit großer Leidenschaft wandte er sich seinen neuen Aufgaben und dann auch der Auseinandersetzung mit jener Persönlichkeit zu, die dieser Stadt und dieser Hochschule überhaupt erst zu ihrer Bedeutung verholfen hat.
Da Günther Bauer selbst ein großer Musikliebhaber, aber kein Musiker ist, war er nie versucht, über Mozarts Werke oder deren Interpretation zu arbeiten, aber umso mehr, sich mit seinen Lebensumständen, seiner unendlich vielfältigen Persönlichkeit und eben auch mit seiner Leidenschaft zum Spiel zu beschäftigen. Er förderte immer wieder Erstaunliches zu Tage, und wenn Günther Bauer mit spürbarer Begeisterung über seine Funde und Erkenntnisse erzählt, dann hat man nicht den Eindruck, einem Forscher zuzuhören, der bedachtsam seine Quellen zusammenfügt, sondern einem Zeitgenossen Mozarts, der zur erweiterten Familie gehörte und alles miterlebt hat. Dieses Einfühlungsvermögen und die Darstellungskunst weisen dann doch wieder deutlich auf den Schauspieler zurück.
Wer Günther Bauer in seiner präsidialen Statur erstmalig begegnet, kann sich zunächst schwer vorstellen, dass dieser Mann dem Phänomen des Spiels so große Aufmerksamkeit gewidmet hat und weiterhin entgegenbringt. Aber es ist das Spiel eben auch eine ernste Sache – nicht nur für Kinder, sondern beispielsweise auch für Musikerinnen und Musiker. Wer sich das Spiel eines Instruments ausschließlich auf spielerischem Weg aneignen wollte, hat ja bald ausgespielt! Darum war es ein kluger Gedanke, ein Institut, das sich mit dem Thema des Spiels in allen möglichen Spielarten beschäftigt, an einer Musikuniversität anzusiedeln. Günther Bauer hat dieses Institut konzipiert, gegründet und aufgebaut und – nicht zuletzt mit viel privater Hilfe – eine umfangreiche und wertvolle Bibliothek des Spielens und der Spiele aufgebaut. Wer sich darin umtut, gewinnt einen guten Eindruck davon, wie stark die Freude am Spiel mit unserer kulturellen Entwicklung verwoben ist.
Was an Günther Bauer besonders fasziniert, ist seine unbedingte Ausrichtung in die Zukunft. Auch jetzt, wo er das 85. Lebensjahr beschließt, ist seine Neigung, über Zukunftspläne zu sprechen, viel größer als das Bedürfnis, verklärte Blicke in die Vergangenheit zu richten. Und dass es nicht bei Plänen bleibt, dafür sorgen seine Disziplin und der unverminderte Antrieb, so oft wie möglich ein Archiv, eine Bibliothek, ein Antiquariat zu besuchen oder eben mit den Fundstücken am Schreibtisch zu sitzen und immer weiter an seinen Themen zu arbeiten. Die Mitglieder der Universität Mozarteum verdanken ihrem Altrektor Günter G. Bauer viel und freuen sich, dass noch einiges von ihm zu erwarten sein wird.
Facetten eines Kultur-Spielers.
Oder: Wie bringe ich einen Ewigspielenden in Buchform?
Rainer Buland
Dieses Buch ist keine abschließende Gesamtdarstellung eines Lebenswerkes, sondern stellt eine aufschließende Materialsammlung dar, die einen guten Einblick in Günther Bauers Leben und Werk gibt.
Es ist auch nicht biographisch geschrieben, vielmehr versuchten wir als Herausgeber die vielen Facetten in Günther Bauers Leben und Werk zu systematisieren und in einer überschaubaren Anzahl von Kapiteln darzustellen. Naturgemäß kann dabei nicht alles eine Hauptüberschrift bekommen, nicht einmal alles Wichtige. Wir hoffen dennoch, zumindest einen repräsentativen Teil der Grundzüge dieses vielschichtigen Mannes abgebildet zu haben.
Der äußere Anlass zur Entstehung dieses Buches
Vize-Rektor Prof. Dr. Wolfgang Gratzer hat es sich verdienstvollerweise zur Aufgabe gemacht, die Geschichte des Mozarteums als Institution aufzuarbeiten und die aktuelle Geschichte zu schreiben und zu bewahren. Im Zuge dessen hat das Mozarteum – endlich – ein richtiges Archiv erhalten, die gedruckten Almanache bewahren die wichtigsten Veranstaltungen und Erfolge des jeweiligen Studienjahres und daneben gibt es nun auch eine Buchreihe, die besonders verdienstvolle Persönlichkeiten in der Geschichte des Mozarteums vorstellt. Nach dem ersten derartigen Band über Eberhard Preußner¹ sollte nun rund um Günther Bauers 85. Geburtstag auch über ihn ein Buch herausgebracht werden. Dieser äußere Anlass hat jedoch weiter keine Bedeutung, es war längst überfällig, das seit Jahren von mir gesammelte Material zusammenzufassen und in einem Buch zu veröffentlichen.
Zu danken ist an dieser Stelle auch Rektor Prof. Reinhart von Gutzeit, der dieses Buchprojekt in jeder Phase wohlwollend unterstützte und ein Vorwort beisteuerte.
Dank dem Sponsor und Freund Senator DDr. Herbert Batliner
Dieses Buch wäre nicht möglich gewesen ohne die großzügige finanzielle Unterstützung durch Senator DDr. Herbert Batliner. Danke! Einfach: Danke!
Über das Kennenlernen erzählt Günther Bauer folgende launige Geschichte. Als neuer Rektor, es muss also Jahresende 1983 gewesen sein, musste er nach Innsbruck zur Rektorenkonferenz. In den weitläufigen Gängen hatte er sich verlaufen und lief geradewegs Herbert Batliner in die Arme, der auf dem Weg war, seinen Titel als Ehrensenator zu erhalten. Dieser fragte, wohin er wolle. „Zur Rektorenkonferenz, war die Antwort. „Da muss ich auch hin, kommen Sie mit mir
, war des angehenden Senators Aufforderung.
Das also war das Kennenlernen und in der Folge entwickelte sich ein reger Austausch. DDr. Batliner war speziell dem Institut für Spielforschung in großzügigster Weise zugetan. Ohne ihn gäbe es keine Bibliographie der Spielbücher bis 1700 und die Sammlung historischer Spielbücher wäre um einige Zimelien ärmer. Für seine kontinuierliche Sponsortätigkeit bekam Senator Herbert Batliner in einer schönen Feier am Institut für Spielforschung die „Goldene Eule auf drei Würfeln" überreicht. Eine unvergessene Feierstunde.
Als es Jahre später an die Herausgabe des vorliegenden Buches ging, fragte ich – ohne große Hoffnung, überhaupt eine Antwort zu erhalten – um eine Beihilfe zur Finanzierung an. Umso überraschter war ich, dass Herbert Batliner sofort nicht nur einen namhaften Betrag zusagte, sondern auch sehr freundliche Zeilen schrieb. Darunter berührte mich der Halbsatz am meisten, er verdanke Günther sehr viel.
Soweit ich Einblick habe, verbindet die beiden Männer bis heute eine erfreuliche Freundschaft.
Die Festrede von Prof. Prinz Rudolf zur Lippe
Zu Günther Bauers 80. Geburtstag im Oktober 2008 habe ich mit freundlicher Unterstützung des Rektors Reinhart von Gutzeit eine Feierstunde im Solitär des Mozarteums organisiert. Ich habe damals den Philosophen Prof. Prinz Rudolf zur Lippe eingeladen, die Festrede zu halten. Rudolf zur Lippe ist dem Institut für Spielforschung seit langer Zeit inhaltlich verbunden, hat er doch schon am 1. Oktober 1992 das erste Symposion für Spielforschung eröffnet. Seine damalige Rede stand unter dem Titel „Der Ernst des Unernsten".²
Der Förderer der Spielforschung und dieses Buches: Senator Herbert Batliner 1994 beim Studium des neuen Bandes „Homo ludens".
Die Festrede von 2008 ist in vielerlei Hinsicht eine Weiterführung des Themas, das 16 Jahre zuvor begonnen worden ist. Die Rede aus 2008 ist von mir damals digital aufgezeichnet und transkribiert worden. Die Transkription wurde von Rudolf zur Lippe redigiert und für den Druck in diesem Buch freigegeben.
Zum Buchtitel: Günther G. Bauer, ein „Ewigspielender"
Die Frage des Buchtitels hat uns als Herausgeber lange beschäftigt. Er sollte doch anschlussfähig an das vorhergehende Buch, „Eberhard Preußner (1899–1964), Musikhistoriker, Musikpädagoge, Präsident, formuliert sein. Der Beginn des Titels stellte somit keine Frage dar: „Günther G. Bauer
. Die Jahreszahlen würden wir naturgemäß weglassen, aber wie geht es weiter? Eine erste Idee war: Schauspieler, Rektor, Institutsleiter, Spielforscher. Wo bleiben jedoch der Schriftsteller und der Mozartforscher? Um nur die wichtigsten Positionen zu nennen, wären noch der Professor für Schauspiel und der Gründer und Leiter des Kinder- und Jugendtheaters zu nennen. Wo aber sollte die Grenze gezogen werden? Ist seine Zwergenforschung weniger bedeutsam als seine Mozartforschung? Können wir den Sammler, der in kurzer Zeit eine einmalige Sammlung von Spielgraphiken und historischen Spielbüchern zusammenholte, geflissentlich übergehen? Wie steht es mit dem Netzwerker, dem Redner? Und können wir wirklich die weniger offiziellen Seiten unbeachtet lassen, den Wanderer, den Maler, den Atemlehrer?
Wir stellten als Herausgeber bald fest, dass es keine Aufzählung geben wird, die zu einem befriedigenden Ende kommen würde. Wir mussten uns nach einem Überbegriff umsehen. Günther Bauer hat für sich selbst schon immer die Metapher des Spielers verwendet, daher überlegten wir in diese Richtung weiter. Er selbst brachte schließlich die Idee ein, die uns alle sofort überzeugte, ein Zitat von Hugo von Hofmannsthal:
Lebst du noch immer, Ewigspielender?
Der Ewigspielende und das richtige Verständnis des Spielbegriffes
Womit wir bei einer wichtigen Frage, vielleicht sogar bei Günther Bauers Lebensthema angelangt sind, bei dem Thema Spiel und seiner umfassenden Bedeutung. Ein richtiges Verständnis vom Wert des Spiels zu erhalten, ist nicht einfach, selbst die Sprache, sonst häufig ein Garant für die Bewahrung tieferer Weisheit, lässt uns im Stich und führt uns sogar in die Irre. Ein Orchester spielt eine Bruckner-Symphonie, obwohl die Musiker genau genommen arbeiten, doch wenn Bruckner nach Arbeit klingt, dann ist etwas falsch in der Musik, und das trotz böser Kritiker, die den neun Symphonien absprechen, Musik zu sein, sie aber dennoch nicht als Arbeit bezeichnen, sondern als Lärm, welcher gerne produziert wird, um den Arbeitscharakter einer Tätigkeit zu unterstreichen, was jeder Rasenmäher und jeder Staubsauger ideal erfüllt, die wie fast alle Maschinen keinerlei Lärm produzieren müssten, aber Lärm produzieren wollen.
Wir trauen der etwas peripheren Erscheinung Spiel nicht wirklich über den Weg. Es ist eine zu flüchtige Erscheinung in einer Welt, die die Materie wegen ihrer Beständigkeit liebt. Das steht als eigentliche Enttäuschung hinter dem, was 2008 als Finanzkrise bezeichnet wurde: Die Banken, die schon von ihrer architektonischen Erscheinung in der Tradition mittelalterlicher Kathedralen vorgaben, ein Hort der Beständigkeit zu sein, waren leer. Das Geld hat sich als Spielgeld einiger weniger verflüchtigt. Auch hier wieder das Spiel! Solange ich arbeiten muss, um mein Leben zu finanzieren, gehöre ich zu den Verlierern. Der Reichtum beginnt dort, wo ein Teil des Geldes als Spielgeld im internationalen Finanzkasino – oder zumindest in dessen Randbereich – aufs Spiel gesetzt werden kann.
Der deutsche Begriff ‚Spiel‘ changiert auf merkwürdige Weise zwischen fanatischer Verteufelung und einer eigentümlichen Projektion von Heilsversprechungen. Wir müssen dem etwas genauer auf den Grund gehen, um uns der Persönlichkeit Günther Bauer, in deren Zentrum das Spiel steht respektive lebt, überhaupt nähern zu können.
Das Zitat von Hofmannsthal, das diesem Buch den Titel gibt, ist, aus dem Zusammenhang gerissen und in diesen neuen Zusammenhang gestellt, durchaus positiv zu verstehen – oder wir bemühen uns zumindest, es wohlwollend positiv zu verstehen: Eine mit Ehrungen überhäufte Persönlichkeit im Alter der Weisheit darf von sich als einem „Ewigspielenden sprechen, das hat was. Jeder weiß, wie viel er in seinem Leben gearbeitet hat, und ein gewisses Understatement kommt immer gut an, zumal sich kein erfolgreicher Mann als „Ewigarbeitender
bezeichnen würde.
In ähnlicher Weise macht sich ein Zitat von Hofmannsthal immer gut. Eine genauere Betrachtung des Zitates zeigt jedoch die gefährliche Klippe des Spielbegriffes, es ist nämlich negativ gemeint.
In dem lyrischen Drama „Der Tor und der Tod" von 1893 wird der Edel- und Lebemann Claudio vom Tod geholt. In seiner letzten Stunde erscheinen ihm einige Verstorbene, an deren Unglück er mitschuldig ist.
Es tritt ein Jugendfreund auf, dessen Name nicht genannt wird, der jedoch sehr deutliche Kennzeichen trägt, denn „in seiner linken Brust steckt mit herausragendem Holzgriff ein Messer" und ohne Begrüßung wirft er Claudio den Satz an den Kopf:
Lebst du noch immer, Ewigspielender?³
Und was meint er damit? Claudio sei ein schlechter Freund gewesen, weil er leichtfertig und unachtsam mit den Gefühlen anderer Menschen umgehe. In der poetischen Sprache Hofmannsthals liest sich dies so:
Halbfertige Gefühle, meiner Seele
Schmerzlich geborne Perlen, nahmst du mir
Und warfst sie als dein Spielzeug in die Luft.
Das Spiel wird hier als Metapher einer unverantwortlichen Lebenshaltung verwendet. „Ewigspielender ist ein Synonym für einen Menschen, der nicht erwachsen werden will, immer nur nach seiner Lust strebt, der keine Verantwortung übernehmen will. Das „Ewig-
betont den Verlust jeder Hoffnung, dass er sich je ändern würde.
Im Gesamten also genau das Gegenteil dessen, was Günther Bauer gelebt hat.
Bevor wir darauf eingehen, machen wir noch kurz Hofmannsthals Szene fertig. Beim nächsten, noch härteren Vorwurf wird wieder die Spielmetapher bemüht.
Claudio hat ihm nämlich die Frau weggeschnappt, und warum? Weil er sie ebenfalls liebte? Nein. Bloß weil es ihn reizte, diese Frau zu verführen, wie er selbst zugab.
Schnell war der Reiz verflogen und Claudio hat sie fallen gelassen, was in dem lyrischen Drama so klingt:
Und sattgespielt warfst du die Puppe mir, mir zu, […]
An noch einer Stelle wird Claudios achtloser Charakter mit einer Spielmetapher umschrieben:
O ja, ein feines Saitenspiel im Wind
Warst du, und der verliebte Wind dafür
Stets eines andern ausgenützter Atem.
Genau dies ist im Falle Günther Bauers nicht gemeint!
Er hat in seinem Lebenswerk und vor allem in seinen Schriften zum Schulspiel einen anderen Spielbegriff formuliert und – „vorgespielt" kann ich schlecht schreiben – vorgelebt. Da er selbst diesen Spielbegriff an keiner Stelle stringent formuliert hat, sei dies hier zumindest im Ansatz versucht.
Günther Bauers Spiel lässt sich vielleicht am treffendsten als Kultur-Spiel bezeichnen. Damit sind wir nämlich sofort beim Gegenteil von Hofmannsthals Metapher. Kultur beinhaltet nämlich immer, Verantwortung für das Kultivierte zu übernehmen. Auch in der Bodenkultur, woher der Begriff wohl stammt, wächst nichts, wenn ich mich nicht um die Pflanzen kümmere, und zwar beständig. Nur um ein Beispiel anzuführen: Eine Gesprächskultur ist nichts, was in einem Gespräch schnell einmal gemacht werden könnte.
Alle Kulturschaffenden sind geradezu Zwangsneurotiker der Verantwortlichkeit, anders könnte ein Theater oder eine Oper gar nicht funktionieren. Diese Einrichtungen leben davon, dass jede und jeder zu einer ganz bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort ist und eine ganz bestimmte Leistung erbringt, die wiederum notwendig ist, damit die anderen auch in ihrer Leistung gesehen werden können. Damit ist noch nicht einmal die künstlerische Leistung angesprochen. In einem kleinen Theater kann bereits das Fehlen des Beleuchters dazu führen, dass die Schauspieler gar nicht gesehen werden.
Kultur-Spieler beinhaltet also, das bestimmte Kultur-Spiel, für das man sich entschieden hat, mit Verantwortung zu betreiben.
Das Spiel, das hier gemeint ist, beinhaltet aber auch – und darauf weist Rudolf zur Lippe immer wieder, auch in der hier abgedruckten Rede hin –, dass der Mensch sich selbst aufs Spiel setzt. Das eben ist der Unterschied zur negativen Spielmetapher, wie sie Hofmannsthal verwendet hat: Claudio, den wir mit dem Toren des Stücktitels „Der Tor und der Tod" in Verbindung bringen dürfen, setzt sich selbst nicht aufs Spiel, begibt sich selbst nicht in das Spiel einer Liebesbeziehung hinein, sondern er spielt mit den Menschen lediglich wie mit Puppen und lässt sie fallen, wenn er ihrer überdrüssig ist.
Der Kultur-Spieler begibt sich in das Spiel hinein, stellt sich z. B. auf eine Bühne und stellt damit seine Überzeugungskraft zur Diskussion. Damit sollte auch klar sein, dass dies grundsätzlich verschieden ist vom Glücks-Spieler. Der Glücks-Spieler setzt einen Einsatz auf eine Wette. Verliert er, so tangiert ihn dies nicht, gewinnt er, so schätzt er sich und die anderen ihn glücklich. Verliert er über seine Verhältnisse, so ist es mit dem Spiel vorbei und er wird zum Getriebenen, zum Süchtigen, zum Verbissenen, was das Gegenteil ist vom heiteren Spieler, der sein Spiel aus Freiheit und zur Freude betreibt.
Wir haben also im ersten Schritt das Kultur-Spiel vom Glücks-Spiel und vom verantwortungslosen Umgang mit Dingen und Menschen abgegrenzt.
Kultur-Spiel beinhaltet darüber hinaus den von Johan Huizinga aufgezeigten Sachverhalt, dass die Kultur im Spiel entsteht. Mit den kulturellen Erscheinungsformen zu spielen heißt also auch immer, die Kultur am Leben zu erhalten und weiterzuentwickeln. Im Bereich des Schauspiels heißt dies: Alle Theatertexte existieren bloß als ziemlich schwer zu lesende Dialoge samt einigen Regieanweisungen, die umso spannender sind, je weniger die Regisseure glauben, sich daran halten zu müssen. Sie bekommen den Reiz des Unbekannten und das Lesen der Regieanweisungen bekommt etwas Nostalgisches, doch das nur nebenbei.
Die Schauspieler spielen entlang des Textes und in ihrem Spiel gewinnen die Kulturobjekte ihr Leben. Das Gleiche gilt für die Musik. Die großen Meisterwerke bekommen ihr klingendes Leben erst, wenn sich Menschen die Partituren, die eigentlich Spielanweisungen sind, zu eigen machen und auf ihren Instrumenten zu spielen beginnen, was auch für den Fall gilt, dass sich jemand durch das Studium der Partitur den Klang der Musik vorstellen kann, denn Bedingung für diese Vorstellungsfähigkeit ist, dass ähnliche Klänge bereits gehört worden sind. Auch das größte Musikgenie könnte sich den Klang eines Orchesters nur aufgrund einer Partitur nicht vorstellen. Das unmittelbare Kultur-Erlebnis ist nicht ersetzbar.
Eben deswegen ist für weiter denkende Kultur- – ich wage hier schon statt Kultur-Schaffende Kultur-Spieler zu schreiben – ist also für Kultur-Spieler wichtig, an die nächste Generation zu denken und daran, welche Erfahrung sie mit der Kultur machen und machen sollten. Der Schritt vom Kultur-Spieler zum Pädagogen ist also für verantwortliche und denkende Menschen ein logischer und zwingender Schritt.
So wird Günther Bauers Übergang vom Schau-Spieler zum Schauspiel-Pädagogen und dann zum Gründer und Leiter des Kinder- und Jugendtheaters verständlich. Speziell für die Jugend gilt: Ein Heranführen an die Theaterkultur ist nur im konkreten Spielen möglich.
Aber Kultur-Spieler beinhaltet noch etwas, nämlich Kreativität. Dieser Begriff wird so inflationär gebraucht, dass wir uns kaum noch Gedanken darüber machen. Meist wird er verwendet, um absolut phantasielosen Stumpfsinn zu kaschieren. Wirkliche Kreativität ist nämlich eine gefährliche Sache. Um dies kurz zu beschreiben, erlaube ich mir, ins Volle zu greifen: Kreativ zu sein heißt, Schöpfergott spielen. Gott kreierte alles, das Weltall, die Welt, die Tiere, die Menschen nicht aus Notwendigkeit – Gott ist frei –, sondern aus einer übergroßen Schöpfungslaune heraus, aus Freude am Werden – und wohl auch aus Freude am Vergehen.
Wenn wir Menschen kreativ sein wollen, das heißt eben etwas Neues, noch nie Dagewesenes in die Welt bringen wollen, dann müssen wir spielen wie der Schöpfergott. Wenn wir uns nur in den etablierten Denkbahnen bewegen, wenn wir noch so viel arbeiten, wenn wir uns noch so anstrengen, uns wird nichts Neues einfallen. Ein ganz vorzügliches Verb, „einfallen". Aus dem Nirgendwo des schöpfergöttlichen Weltalls fällt uns eine Idee zu. Aber, und das ist eben das Entscheidende, wir müssen uns dafür bereit machen. Wir müssen uns eben in ein Spiel mit dem Material und den kulturellen Versatzstücken hineinbegeben, in ein Spielfeld treten, wo der Einfall die Chance bekommt mitzuspielen.
Kreativität erfordert also die spielende Haltung, die Bereitschaft, sich in einen schöpferischen Spielraum hineinzubegeben, ohne zu wissen, was am Ende dabei herauskommen wird. Im zweiten Schritt – meist wird einer dieser beiden Schritte übersehen – folgt die handwerkliche Ausarbeitung. Der Schöpfergott konnte eben die Welt erschaffen. Wenn wir manchmal in allzu technikgläubiger Überheblichkeit meinen, eine zweite Welt erschaffen zu können, dann irren wir uns und werden letztlich für diesen Irrtum bezahlen müssen.
Kunst kommt eben von Können, wie auch der Schauspiel-Professor Bauer immer wieder betonte, aber nur etwas zu können, ist für Kunst auch zu wenig.
Das sind eben die beiden Schritte der Kreativität, die zu Kunst und Kultur führen: frei zu spielen und gleichzeitig das notwendige Handwerk zu beherrschen, um das kreativ-schöpferische Spiel in eine Form bringen zu können. Darum geht es in der Kunst.
Die Verbindung „Kultur-Spieler" soll eben auch diese Seite des kreativen Spiels enthalten.
Wenn wir diesen Spielbegriff im Auge haben, dann ist die Bezeichnung „Ewigspielender tatsächlich eine brauchbare Metapher, um Günther Bauers Arbeitsleben – um hier einmal die Arbeit zu nennen, weil „Spielerleben
trotz meines umfangreichen Versuchs der Umdeutung falsch verstanden werden könnte – zu beschreiben.
Wobei die Kanalisierung der Kreativität eines Ewigspielenden auch ein immerwährendes Problem darstellt – weniger für ihn selbst als für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Es kam durchaus vor, dass er an einem Tag die Geschicke einer Abteilung für Schauspiel oder einer ganzen Hochschule lenkte und am nächsten Tag als Schauspieler in einem Film mitwirkte. Nur eines war und ist nicht vorstellbar, nämlich dass er in seinem „Urlaub" untätig wäre. Entweder schmiedete er Pläne, die sein Team in der Folge ein Jahr lang auf Trab hielten, oder er schrieb kreative Reden, die später Begeisterungsstürme hervorgerufen haben. Dabei habe ich noch gar nicht all die anderen kreativen Tätigkeiten erwähnt, wie das Verfassen von Hörspielen und Erzählungen, das Malen und das Fotografieren.
Günther Bauer ist eben ein mit der Kultur und in der Kultur Spielender, und ob dabei ein Ölbild, eine Zeichnung, ein Hörspiel, ein Theaterstück, eine Erzählung, ein wissenschaftlicher Aufsatz oder ein Mozart-Buch entsteht, ist nebensächlich und überrascht ihn wohl auch selbst immer wieder.
Im vorliegenden Buch wollen wir als Herausgeber versuchen, diese vielen verschiedenen Erscheinungsformen einer Quelle deutlich zu machen. Deswegen haben wir möglichst viele verschiedene Facetten in guten Beispielen versammelt, auch wenn zunächst nicht ganz klar ersichtlich ist, wie sie untereinander zusammenhängen.
Nehmen wir als Beispiel die Federzeichnungen. Günther Bauer hat sich immer wieder in seinem Leben mehr oder weniger intensiv in Malerei und Zeichnung versucht. Im Jahre 1949 hat er viele Federzeichnungen angefertigt. Einige davon sind als Abbildungen hier im Buch enthalten. Wir haben sie bewusst in das Kapitel gesetzt, das sich mit seiner Studienzeit am Schauspiel-Seminar beschäftigt. Die Zeichnungen sollen weniger als selbständige Kunstwerke wahrgenommen werden als vielmehr dazu dienen, diese Facette von Bauers Kreativität nicht zu vergessen. Es ist nämlich so: Künstler und Kulturschaffende müssen spielen, müssen kreativ tätig sein, damit sich zeigen kann, welches Potenzial wirklich in ihnen steckt. Bevor jemand nicht probiert hat, ein Instrument zu spielen oder zu malen, kann er nicht wissen, ob er dafür Talent hat. Und wenn er dafür ein gewisses Talent zeigt, dann stellt sich erst im Tun heraus, wie weit das Talent tatsächlich trägt. Wie hätte der Student Günther Bauer wissen sollen, ob er mehr Talent zum