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JURASSIC DEAD: Horror-Thriller
JURASSIC DEAD: Horror-Thriller
JURASSIC DEAD: Horror-Thriller
eBook339 Seiten4 Stunden

JURASSIC DEAD: Horror-Thriller

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Über dieses E-Book

In einem unterirdischen See in der Antarktis hoffen Forscher bisher unbekannte mikrobielle Organismen studieren zu können, doch was sie entdecken, ist weitaus erstaunlicher: vollständig erhaltene Dinosaurier-Leichen.
Nachdem einer der Leichname auftaut und mit Heißhunger erwacht, wird deutlich, dass der Tod nicht zwangsläufig das Ende ist und das Leben immer einen Weg findet.

Umweltaktivist Alex Ramirez, Sohn des Expeditions-Paläontologen, kam in die Antarktis, um die Organismen vor dem Aussterben zu bewahren. Nun muss er schnell lernen, dass es die menschliche Rasse ist, die Schutz benötigt.

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"Ein abgedrehter Dinosaurier-Zombie-Roman" [Lesermeinung]

"Für Leser, die auch Freude an B-Movies haben, ist das Buch zu empfehlen." [Lesermeinung]
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum25. Mai 2021
ISBN9783958351004
JURASSIC DEAD: Horror-Thriller

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    Buchvorschau

    JURASSIC DEAD - Rick Chesler

    Autor

    Kapitel 1

    Südlicher Polarkreis, russische Bohranlage Theta-1, fünf Meilen südlich von Vostok

    Alex Ramirez wünschte sich, an der Oberfläche geblieben zu sein. Auf halbem Weg hinab in das gerade erst gebohrte Loch war die Temperatur tatsächlich auf milde -29 Grad Celsius gestiegen, und zumindest peitschten momentan keine brutalen Windböen mehr auf sie ein, doch er hätte die Kälte dieser Umgebung jederzeit vorgezogen. Genau genommen wünschte er sich mehr und mehr, daheim in San Diego geblieben zu sein.

    Wie hatte er sich nur von Tony zu diesem Wahnsinn breitschlagen lassen können – zu dieser verrückten und todesmutigen Aktion, im Herzen zweier herzloser Nationen zu bohren und zu versuchen, sich auf Kosten der Natur zu bereichern?

    Ach ja, richtig, dachte Alex, weil mein Vater einer dieser herzlosen Säcke ist.

    In einem Szenario, das an ein Aufleben des Kalten Krieges im Jetzt erinnerte, hatten Russland und die USA an gegenüberliegenden Seiten eines riesigen Untergrundsees Lager aufgeschlagen, und kämpften um eine Entdeckung, welche die gesamte Welt der Wissenschaft in Atem hielt. Durch den hohen Druck von zwei Meilen dickem Eis war im Laufe von Jahrmillionen ein Hohlraum entstanden, der den Gletscher verdrängt, erhitzt und geschmolzen hatte, wodurch es schließlich zu diesem enormen unterirdischen Becken gekommen war.

    Erste Untersuchungen hatten ergeben, dass es darin nur so vor mikroskopisch kleinen Bioorganismen wimmelte, die zum Teil Hunderte Millionen Jahre alt sein könnten.

    In der Annahme, Wettbewerb fördere Innovationen und führe zum Erfolg, richteten die Vereinten Nationen ein Rennen aus, um zu erfahren, welches Land am schnellsten dort sein würde. Am Ergebnis hing viel mehr, als nur Stolz, denn die Forschungsergebnisse und die biologischen und mineralischen Funde dort unten konnten erheblich sein und – wie Alex und Tony befürchteten – dazu führen, dass der letzte unberührte Kontinent der Erde weiter ausgebeutet wurde. Die Antarktis war der einzige Ort auf dieser Welt, den die Großkonzerne in ihrer Gier noch nicht geschröpft hatten. Falls niemand einlenkte und diese winzigen Lebensformen schützte – die bestimmt nicht vor modernen Schadstoffen gefeit waren, geschweige denn weiteren Abtragungen, der Erosion und völligen Zerstörung ihres natürlichen Lebensraumes –, musste er sich dieser Aufgabe selbst annehmen.

    Alex stellte nun die Kamera ein, die er auf einem Stativ um seinen Hals montiert hatte. Die Simultanaufnahme war aktiviert, sodass sie nicht nur das filmte, worauf er sie richtete, sondern auch die Umgebung seines Gesichts, während er sich abseilte.

    »Wie weit noch?«, rief er unter seiner Kapuze ins Mikrofon.

    Durch die vielen Schichten verstand er Tonys Antwort kaum. Aufgrund der anhaltenden Dunkelheit oberhalb und den noch dunkleren Verhältnissen hier unten nahm sein Nachtsichtgerät die leuchtenden Umrisse zwanzig Yards unter ihm nur schemenhaft wahr.

    »Was?« Komm schon, Mann, lass mich nicht hängen – im wahrsten Sinn des Wortes.

    Die Eisdecke verjüngte sich an dieser Stelle zu einem steilen Gefälle, wo der russische Bohrer umgelenkt worden war, und fiel dann schräg ab, je näher man der Öffnung zum See kam. Dieser lag laut seines GPS anderthalb Meilen voraus. Im Gegensatz zu der amerikanischen Grabungsstätte bot diese hier den Vorteil verschiedener Vorstoßarten, unter anderem über diesen Hang, doch dabei das Festgestein und andere Hindernisse zu meiden, war vermutlich schwieriger als ein geradlinig senkrechter Abstieg.

    Alex schaute auf den Monitor der Kamera und vergewisserte sich noch einmal seiner Entfernung zu Tony, wobei er ihre beiden Icons dicht nebeneinander sah.

    »… bringe die Ladungen an«, kam Tonys Stimme knisternd durch seine Hörmuschel. »Bin fast da.«

    »Hör auf, Däumchen zu drehen! Kannst du mir mal sagen, warum du mich hier unten brauchst? Ich hätte doch auch an der Oberfläche bleiben können, um die Steigausrüstung im Auge zu behalten und aufzupassen, dass du nicht abstürzt und mit dem Arsch in den See plumpst.«

    »Zur Sicherheit!«, rief Tony zurück. »Diese Mission ist wichtig und darf einfach nicht fehlschlagen. Wir haben nur einen Versuch, also wie gesagt: sicherheitshalber … und wegen unserer Wärmesignatur.«

    »Was?«

    »Die russische Basis befand sich genau hier, Mann. Jetzt mal ehrlich, obwohl es dort oben fast stockfinster ist und es extrem zieht, kannst du deine Hand darauf verwetten, dass sie Infrarotkameras und Sensoren haben. Wir können uns glücklich schätzen, wenn sie uns bisher nicht entdeckt haben.«

    »Das hat nichts mit Glück zu tun«, erwiderte Alex. Er grunzte, nachdem er ungünstig mit dem Fuß aufgekommen war, und stieß sich dann weiter halb laufend, halb hüpfend nach unten vor, bis er endlich die Seilklemmen zu fassen bekam, um sich zu bremsen. Er hatte Tony fast erreicht, sah aber immer noch sehr wenig.

    »Wir haben hart hierfür trainiert«, fügte er hinzu, nachdem er endlich festen Tritt gefasst hatte. »Und den ganzen Zuschuss verpulvert, den wir über Kickstarter zusammentragen konnten, um diese schicken Apparate, Grafiken und Schaubilder der Basen sowie Informationen über deren Sicherheitsvorkehrungen zu besorgen, nicht zu vergessen das Charterflugzeug von Chile aus.«

    »Ich hätte das Geld besser in ein paar zusätzliche Flugstunden für dich investieren sollen.«

    »Ich habe meine Prüfung bestanden!«

    »Schon, aber mit eindeutig zu wenigen Stunden.«

    »Du kennst doch den Spruch: Jede Landung, nach der man allein aussteigen kann …«

    »Konnten wir, aber nur mit Mühe und Not, zumal die Maschine jetzt im Arsch ist. Hoffentlich hast du keine allzu hohe Kaution hinterlegt.«

    »Alles nur Versicherungsbestimmungen, und überhaupt, wir kehren wahrscheinlich sowieso nicht zurück, jedenfalls nicht aus freien Stücken beziehungsweise ohne festgenommen zu werden. So lautete schließlich der Plan.«

    »Ein Gefängnisschiff, was anderes bleibt uns nicht übrig.« Tony fuhr mit der Verdrahtung fort, klopfte noch mehr Eis rings um den C-4 fest und rieb sich anschließend die Hände. »Wie dem auch sei, wir brauchen uns keinen abzureißen. Die Bewachung dort oben ist ein Witz.« Er hob eine Hand, als sein Freund näherkam. Dann trat er zur Seite, woraufhin Alex die Augen wegen seiner Taschenlampe zukniff. Damit leuchtete er auf die Sprengstoffladung, für die er mit einem kleinen Pickel in seiner linken Hand einen Riss in das Eis geschlagen hatte.

    »Es scheint so, als hätten sie alle eine Pause gemacht, um sich Wodka hinter die Binde zu kippen. Hoffentlich stellt uns die amerikanische Seite vor eine größere Herausforderung.«

    Alex zuckte mit den Achseln. »Warum sind wir nicht einfach dankbar dafür?«

    Die Leichtigkeit, mit der sie so weit gekommen waren, brachte ihn allerdings ins Grübeln. Das hätte er nie erwartet; eigentlich hatte er fest damit gerechnet, zu diesem Zeitpunkt mit Tony bereits in russischer Haft zu sitzen, und wäre ihm ein Anruf gestattet worden, hätte er sich aus dem Eis bei seinem Vater gemeldet, um ihm die frohe Kunde zu übermitteln, dass sein nichtsnutziger Spross es geschafft hatte, jemandem so richtig dumm zu kommen.

    Dann hätte ihm sein werter alter Herr wenigstens mal ein bisschen Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen. Sein Vater hatte die ganze Welt bereist, wobei er während Alex’ Kindheit stets fort gewesen war, um Fossilien und Zähne aus grauer Vorzeit zu suchen, und sich mehr um Tote als um noch Lebende geschert. Zu Letzteren hatte auch seine kranke Frau gezählt, die Mutter des Jungen. Mittlerweile wünschte sich Alex nichts lieber, als dass der alte Mann Leid erfuhr, egal in welcher Form – auch die Schmach eines irren, freisinnigen Sohnes, der aberwitzig gefährliche Wagnisse einging, um die Umwelt zu schützen und die kleinsten und schutzlosesten Geschöpfe auf der Erde zu retten.

    »Bring die Zünder an«, trug ihm Alex im ernsten Tonfall auf, »dann statten wir dem anderen Team einen Besuch ab und hinterlegen ein ähnlich großzügiges Geschenk für sie.«

    »Ein Doppelknall«, entgegnete Tony heiter, und Alex konnte sich ungefähr vorstellen, wie sich unter dem Visier seines Gefährten ein Grinsen ausbreitete.

    »Hier ist alles fertig. Lass uns runtergehen, das Tauchboot stehlen – das hoffentlich noch dort liegt – und dann rüber zu unseren Landsleuten fahren, um deren Feuerwerk vorzubereiten. Danach lehnen wir uns zurück und genießen die … warte, was ist das?«

    Alex’ Blick folgte dem Strahl der Taschenlampe nach unten.

    Die Helligkeit störte die Bildqualität in seinem Visier, weil sie Eis und Nebel verstärkte. Er fuhr mit einer Hand darüber und schloss die Augen fast komplett.

    »Oh scheiße, die Russen.«

    Sie kamen aus dem Schatten der Tiefe, mindestens ein Dutzend Männer.

    »Wo sind ihre Leinen?«, fragte Tony fassungslos.

    Alex strengte die Augen an, um mehr erkennen zu können. Die Lufttemperatur fiel, während sich jene dunklen Gestalten – sie sprangen, hüpften und stiegen schneller herauf, als es Mensch und Tier hätten tun können – wie in stiller Übereinkunft bewegten, als verfolgten sie ein gemeinsames Ziel. »Ich sehe keine, sie … klettern einfach so.«

    Und zwar unglaublich schnell.

    Eine Woge umfassender, animalischer Furcht vor den nahenden Gestalten packte Alex, der sich mit einem Mal sicher war, dass es sich bei ihnen – egal was sie waren, da sie unmenschlich schnell mit schwindelerregenden und ruckartigen Bewegungen herankamen – nicht um die Russen handeln konnte. Jetzt nicht mehr.

    »Wir müssen ganz schnell von hier verschwinden!«

    Sie drehten sich um und traten den Rückweg an, obwohl sie wussten, es würde zwecklos sein, und dann stellten fest, dass die Flucht auch in diese Richtung unmöglich war.

    Denn eine zweite Gruppe von Umrissen kauerte über ihnen und wartete geduldig, still und … hungrig auf sie.

    Kapitel 2

    »Letzte Chance«, schrie Tony. »Mir nach!«

    Als ausgewiesener Draufgänger wusste Alex, dass dies nichts Gutes verhieß, doch sie hatten keine andere Wahl. Sein Nachtsichtgerät zeigte ihm die Russen als grün-schwarze Kleckse an, und ihnen voraus ging ein eisiger Hauch des Schreckens, der ihn auf der Stelle erstarren ließ. Er spürte die Wirkung der Schwerkraft – den Zug der Schwärze dort unten – und glaubte plötzlich, Flüsterstimmen in seinem Kopf zu hören, die ihn lockten, in die Tiefe vorzustoßen und sie zu erkunden …

    Vielleicht hörte Tony sie auch, denn einen Moment später, gerade als sich das Getrappel und Scharren der vielen Stiefel mit einer Art unmenschlichem, fast reptilienhaften Zischen vereinte und von den glatten Eiswänden in der Grube widerhallte, nabelte er sich buchstäblich ab.

    »Warte …«, rief Alex, als er erst die Schwingung an seinem Gurtzeug und schließlich einen Ruck spürte, doch dann … war Tony fort. Ein Knall wie ein Peitschenhieb ertönte, dann sauste er hinunter, mit eingezogenem Kopf wie ein Zirkusartist, der aus einer Kanone geschossen wird. Er verwandelte sich in einen kullernden Fleck und raste zwischen den heraufkommenden Soldaten hindurch, die sich umdrehten und ihn festhalten wollen, aber nur ins Leere griffen.

    »Tony!« Alex kämpfte mit seinem Gleichgewicht, als er in der Luft hing und mit dem Armen ruderte, um sich anzupassen, nun da er plötzlich leichter war, nachdem sich sein Partner ausgeklinkt hatte. Er fasste sich an den Gürtel und nestelte daran herum …

    Wo ist …

    Da! Das Messer! Der Verschluss war jedoch zugefroren. Er zog und ruckelte daran. Oh Gott, ich habe keine Zeit mehr …

    Sie hatten ihn schon fast erreicht, und mit einem kurzen Blick, den er sofort bereute, schaute er in ihre Augen: glühend und fremdartig, aggressiv und mehr als nur hungrig – richtiggehend ausgehungert. So sahen Raubtiere aus, die wochenlang in Käfigen eingesperrt worden waren und dann ein blutiges Stück Fleisch zugeworfen bekamen.

    Es bedurfte also keiner weiteren Anreize, um Alex’ Muskeln wieder zu lockern, abgesehen von Tonys Stöhnen und Schreien, als würde er beim Rollen gegen etwas stoßen.

    Alex konnte sich nicht vorstellen, was gerade mit seinem Freund passierte. Ihm blieb nichts weiter übrig, als den gleichen Weg zu nehmen, denn gleich würden sie sich auf ihn stürzen. Er schaffte es, die Klinge springenzulassen, drehte sich dann um und wetzte damit hektisch über die Leine – doch sie ging nicht entzwei, sondern riss nur halb.

    »Shit!« Er schrie auf, ging in die Knie und schlug erneut auf das Seil ein, während er in die Höhe schnellte. Gerade noch rechtzeitig schoss er nach hinten und schnellte durch eine Menge von Leibern. Arme wurden ausgestreckt und Hände griffen nach ihm, fanden an seiner Gore-Tex-Jacke aber keinen Halt. Er befand sich im freien Fall, wobei er zur Seite gerissen wurde, und er wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis er wieder auf den Hang traf, dann aber schlug er erschütternd heftig gegen die Eisfläche und prellte seine Schulter. Sofort rollte er sich wieder ab und stieg abermals in die Luft auf. Die Kamera ging zu Bruch, fiel aber nicht ab und verdrehte sich an seinem Hals. Das Visier des Sichtgerätes bekam Risse, sodass er nur noch wirre rotierende Dunkelheit mit grünen Flecken sah, in der vereinzelt helle Wände aufblitzten, und von dort, wo er glaubte, hergekommen zu sein, flatterte nun eine Vielzahl von Umrissen wie kleine Fledermäuse hinter ihm her.

    Verdammt, dachte er. Sie hatten die Verfolgung aufgenommen.

    Was zur Hölle sind sie?

    Er bekam nicht viel Zeit, um weiter darüber nachzudenken, denn eine Sekunde später schlug er auf den Rücken auf und rutschte anschließend wie ein olympischer Bobfahrer mit den Füßen voran. Als er an seinen Stiefeln vorbeischaute, erkannte er zunächst gar nichts, aber dann erschienen winzige, flackernde Lichtpunkte, die nur kleine Leuchtfackeln sein konnten. Während er sich dem Ufer des Sees immer mehr näherte, spürte er, dass das Gefälle leicht abflachte, da sein Körper mit den Unebenheiten auf- und niederging. Er drückte seine Hacken in den Boden, soweit er meinte, es tun zu können, ohne sich zu überschlagen, und streckte dann seinen rechten Arm aus, in dessen Hand er immer noch das Messer hielt; wundersamerweise hatte er sich bis jetzt nicht selbst damit gestochen. Nun rammte er die Klinge fest ins Eis, woraufhin er sich umdrehte und das Heft festhielt.

    Der Griff entglitt ihm beinahe, doch er hielt sich fest und zog so eine lange Furche durch den komprimierten Schnee und das Eis, während seine Rutschpartie immer langsamer wurde.

    Als er zurückschaute, sah er die Fackeln schwelen und die Umgebung in schwaches, aber dennoch schmerzhaftes Licht getaucht. Ihm fielen neben gestapelten Lattenkisten auch Maschinen auf, kleinere Kräne sowie ein Generator, und nicht weit vom Ufer entfernt schwamm etwas, das wie ein Zweipersonentauchboot aussah.

    Zuletzt wagte er einen Blick zurück nach oben, und zwischen den Eisscherben, die seinen Absturz nachzeichneten, sah er seine schlimmste Befürchtung bewahrheitet: Seine Verfolger hatten nicht von ihm abgelassen.

    Sie schlossen auf, und zwar schnell.

    Sobald er konnte, ließ Alex das Messer los und stieß sich mit seinen nunmehr zerrissenen Handschuhen ab. Als er in die Höhe schoss, ruderte er zurück, um zum Stehen zu kommen. Kurz hatte er Angst, er könne stolpern und rückwärts in den See stürzen, doch kurz bevor er ins Taumeln geriet, packte eine nasse Hand seine Schulter.

    »Lauf«, rief Tony und klang dabei, als seien seine Lungenflügel mit Eiswasser gefüllt. Er schob Alex überraschend kraftvoll und grob nach links, wo das Boot lag und eine der Fackeln brannte.

    Alex schwankte und schlingerte, ehe er auf einer Eisschicht ausrutschte, dann riss er sich das Nachtsichtgerät von seinem Kopf und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Hier unten war es viel wärmer, fast tropisch. In seiner Jacke bekam er keine Luft mehr. Er schaute zurück.

    Tony wurde vom roten Licht einer erlöschenden Fackel am Ufer des formlosen, weiten Sees umrahmt. Er streckte seine Arme weit von sich, während er sich dem Tunnel zuwandte, der zur Oberfläche führte.

    Die Russen stürzten aus dem Schatten hervor.

    Als sich Alex’ Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, bemerkte er etwas in Tonys rechter Hand. Sein Freund drehte sich um und zeigte sein Gesicht, das im unsteten Schein fast geschuppt aussah. Das Fleisch an seinen Wangen war gelb und spröde, die Augen standen schräg, beinahe wie bei Echsen, und die Pupillen vermittelten nur noch einen winzigen Eindruck von Menschlichkeit – eine Spur, die aufleuchtete, als würde Tony ihm zuzwinkern, kurz bevor die Horde Russen ihn umschwärmte – kurz bevor er …

    … den Zündknopf drückte.

    Kapitel 3

    Alex hörte die gedämpfte Explosion kaum, weil er ganz gebannt war von den Schreien und Geräuschen, die sie verursachten, während sie an Tony zerrten, ihn bissen und zerfleischten. Man könnte glauben, eine Rotte tollwütiger Hunde falle gerade über einen aus ihren eigenen Reihen her. Alex erschauderte und zögerte, doch gerade, als er sich zum Tauchboot umdrehen wollte, geschah es, dass der Mob einfach innehielt.

    Eine der Gestalten trat zurück, hielt etwas hoch, das wie ein zerfetztes Glied aussah, und betrachtete es. Dann schnupperte es daran und ließ es einfach fallen. Die anderen wichen im Halbkreis vor dem Körper auf dem blutüberströmten Eis zurück. Tony war kaum noch zu erkennen, seine Jacke war genauso zerfleddert wie sein Fleisch, und seine Rippen ragten an den Stellen heraus, an denen große Fetzen herausgerissen worden waren, doch aus den Schnittwunden in seinem Gesicht und am Hals quoll eine zähe, dunkle Masse.

    All das konnte Alex nur einen Augenblick lang verinnerlichen, bevor ihn eine lähmende Furcht ergriff. Der Haufen Russen fuhr geschlossen zu ihm herum und spannte sich an, um auf ihn loszugehen, als plötzlich eine Wand aus Eis und Schnee über sie hinwegrollte. Eine massive Lawine brachte den Tunnel mit Hunderten Tonnen Gletschermasse und Erde zum Einsturz. Eine Welle der Zerstörung wälzte sich über die Soldaten, vernichtete alles und riss sie in den See.

    Dies war genau der Ansporn, den Alex benötigte, um sich abzuwenden und loszurennen. Der Tunnel war verschlossen, das Licht der Fackeln erloschen – nur eine brannte noch –, und im Dunkeln hinter ihm wurden immer mehr Geräusche laut. Ein Scharren und ein Knurren, Schritte im Nassen …

    Als Alex das Ufer erreichte, öffnete er die Klappe des Tauchbootes. Ein Zweisitzer – perfekt. Während er die Nase des Fahrzeugs in die Richtung drehte, von der er hoffte, dass dort die Amerikaner lagern würden, stieß er es vom Rand des Gewässers ab und sprang hinein. Dann zog er die Klappe wieder herunter, sodass sie einrastete, und startete das Steuersystem. Da er keine Zeit mit dem Versuch vergeuden wollte, die russische Beschriftung zu erraten, bediente er das Boot einfach nach Gefühl, zumal er wusste, dass es nicht erheblich anders sein konnte als das Fliegen einer Cessna oder Beechcraft. Die Baupläne eines dieser Modelle hatte er zu Hause über Wochen hinweg studiert.

    Folglich würde er es bestimmt hinbekommen.

    Zuerst … wie schalte ich die Scheinwerfer an?

    Er fand den entsprechenden Knopf und verspürte tiefe Genugtuung, als die zwei Halogenleuchten in die Dunkelheit hinein strahlten. Gleich darauf fiel ihm der Tiefenmesser ins Auge. Das Tauchboot sank, und das nicht gerade langsam, also suchte er den Antrieb und zog den Steuerhebel zurück, um wieder aufzusteigen.

    Der Kompass? Dort. Jetzt komm, mit Gefühl … Beschleunigen.

    Alex musste sich sehr zusammenreißen, um nicht zurückzublicken, während er sich vorstellte, wie ihm eine kleine Armee von Schwimmern erbarmungslos unter Wasser nachstellte.

    Tut mir leid, Tony.

    Er hielt seinen Kurs, wobei sich der Strand (beziehungsweise das, von dem er annahm, es sei ein Gestade) zu seiner Linken erstreckte, erlangte nun eine Tiefe von zwanzig Metern und bewegte sich weiter geradeaus. Fünfzig Meter, dann hundert. Nachdem er sich aus seiner Jacke geschält hatte, legte er sie auf den leeren Sitz des Co-Piloten und seufzte erleichtert. Dann nahm er sich einen Moment Zeit, um die Umgebung draußen ins Auge zu fassen.

    Das Wasser und auch die Geschöpfe darin. Treibende Partikel, die sich zum Teil nicht willkürlich zu bewegen schienen. Alex konnte nur spekulieren, was er nicht sah: bakterielle Mikroorganismen, jene Fülle von massenhaften und urzeitlichen Lebensformen, zu deren Erhaltung und Schutz er sich mit Tony aufgemacht hatte.

    Er schluckte mühsam. Dann dachte er wieder über den See nach; über Tony und die Russen. Er war hineingefallen und hatte sich bestimmt Schnitte zugezogen. Waren sie in seine Blutbahn gelangt und hatten sie ihn infiziert? War es den Russen zuvor genauso ergangen?

    Hat uns das, zu dessen Rettung wir eigentlich hergekommen sind, als Wirte angesehen und angegriffen?

    Was war mit den Russen geschehen, und was ging gerade mit Tony vor sich?

    Alex schaute sich die Innenanlage des Tauchbootes an. Er bekam schlecht Luft; seine Lippen waren ausgetrocknet, und er hatte den Motor gedrosselt, weil er befürchtete, plötzlich gegen einen Felsen oder eine Wand zu stoßen, die Plexiglasscheibe zu beschädigen und damit diese … Dinger hereinzulassen.

    Er bremste ab, da das Tauchboot nun in einen Bereich gelangte, der künstlich erhellt wurde. Stärkere Lichter gingen im Wasser auf und ab, während Strahler von oben in die Tiefe leuchteten.

    Willkommen in Amerika, dachte Alex, als er langsamer wurde und sich auf einen erneuten Tauchgang vorbereitete, der ihn hoffentlich unsichtbar machte, bevor irgendjemand ihn bemerkte. Er würde vorsichtig bis zur hinteren Wand fahren und dann dort aufsteigen, wo sich den Karten der Amerikaner gemäß eine Anlegestelle mit einer Leiter zum Hinaufklettern befand.

    Zuerst aber wendete er behutsam und blieb stehen, bevor er anfing, Schub zu geben. Etwas Riesiges stand ihm plötzlich im Weg.

    Es steckte offenbar im Schlamm fest und war laut Messanzeige mindestens fünfzig Fuß hoch. Alex hatte keine Ahnung, was es sein konnte.

    Vielleicht eine Felsformation oder eine gewaltige Gletscherablagerung?

    Alex steuerte, um rechter Hand vorbeizufahren. Als er näherkam, bündelten sich die hellen Strahlen der Scheinwerfer und wurden von ungleichmäßigen, grünen Flecken zurückgeworfen, die wie Wasserflechten oder biolumineszente Schwämme aussahen. Hier und dort klafften tiefe Löcher in der Oberfläche dieser Formation – was auch immer sie war –, doch die Art und Weise, wie die Masse dort abgetragen worden war, fand Alex alles andere als natürlich. Er war zwar kein Geologe, doch diese Form von Erosion, falls es sich überhaupt darum handelte, wirkte gewaltsam erzwungen und …

    Nachdem das Boot von einer unmerklichen Strömung angezogen worden war, kam es ruckartig zum Stehen, als Alex den Knüppel zurückzog und den Rückstoß aktivierte.

    Das ist unmöglich …

    Indem er die Nase des Fahrzeugs neigte, richtete er die Scheinwerfer genau auf den Scheitelpunkt des Gebildes. Dorthin, wo es seiner Einschätzung nach abschrägte und schmaler wurde: ein Beweis dafür, dass es wie eine Kristallstruktur gewachsen war. Allerdings war der Formation etwas zu eigen, das nicht sein konnte … fast zugefroren, klaglos erhalten hier unten im Eis, bis Druck und Masse einen See aus Schmelzwasser geschaffen hatten, in dem es irgendwie konserviert worden war …

    Alex konnte nicht fassen, was er da sah. Ganz oben über weiteren Löchern, zerschlissenen Schuppen und Fleisch, saß ein einzelnes, riesengroßes Auge.

    Er traute sich nicht, Luft zu holen, und konnte nur vor sich hinstarren, während das Boot langsam zurücksetzte – seine Hände lagen auf dem Steuer –, bis das Auge auf einmal blinzelte.

    Es versuchte anscheinend, einen klaren Blick zu fassen, dann verengte sich die Pupille und wurde fast gelblich-weiß. Die Helligkeit wurde umso intensiver, als sich sein Maul öffnete und zwei weiße Zahnreihen aufblitzten, wobei Moos und krautartige Ablagerungen aufgeschwemmt wurden.

    Das Boot verlor in einem Strudel aus Eis und Blasen die Kontrolle über seine Ruder, vollzog eine Hundertachtzig-Grad-Drehung und rammte die Kreatur von der Seite. Die Fensterkuppel bekam einen Riss und Wasser spritzte ins Cockpit. Alex schlug mit dem Kopf gegen die Luke und plötzlich wurde alles um ihn herum schwarz.

    Kapitel 4

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