Bibel kompakt
Von Dorothee Boss
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Buchvorschau
Bibel kompakt - Dorothee Boss
[Entstehung der Bibel]
[Auslöser]
Die Bibel, wie sie heute vorliegt, ist das Ergebnis eines jahrhundertelangen Austausch- und Entwicklungsprozesses. Sie fiel nicht fertig vom Himmel, sondern hat eine enorme historische Bearbeitung erfahren. Ihre zentralen Bestandteile, die biblischen Bücher, sind in unterschiedlichen Epochen verfasst worden, sodass die Bibel keineswegs eine geschlossene Einheit darstellt: Sie ist eine Sammlung von heiligen Schriften der Christen, die wiederum die heiligen Schriften ihrer jüdischen Mutterreligion übernommen haben. Bei alledem muss bedacht werden, dass die einzelnen Autoren keinesfalls vorhatten, eine Bibel zu schreiben. Die Bibel in ihre Gesamtform ist das Ergebnis eines Auswahlprozesses, der Kanonbildung. Dieser Kanon steht am Ende der Entwicklungsgeschichte.
Die christliche Bibel besteht aus zwei großen Teilen, dem Alten und dem Neuen Testament. Es gibt Annäherungen und Hypothesen, die für beide Teile relativ gesicherte Aussagen darüber machen können, in welchem Zeitraum die einzelnen biblischen Bücher und Textstellen entstanden sind. Es ist aber darüber hinaus kaum möglich, die exakten Umstände, die zur Entstehung der einzelnen Werke führten, zu bestimmen. Über Jahrhunderte wurde an den bestehenden Büchern weitergeschrieben und neue kamen hinzu, die wiederum in schon bestehende Sammlungen heiliger Schriften eingepasst wurden.
Viele Teile in der Bibel sind schriftliche Darstellungen, Überarbeitungen und Anpassungen von mündlichen Geschichten, die schon lange vor ihrer schriftlichen Niederlegung in der Bevölkerung kursierten. Bei Menschen, bei der nur ein minimaler Prozentsatz lesen und schreiben konnte, ist dies sicherlich nichts Ungewöhnliches. Erst nach der sogenannten Kanonbildung, bei dem sich die religiösen Autoritäten entschieden, welche Schriften zum Bestand der heiligen Schriften letzten Endes gehören sollten, wurden die Überlieferungen kaum noch verändert. Die Bibel ist demnach ein Buch, das vor ca. 1800 Jahren fertiggestellt worden ist und seitdem zwar vielfach übersetzt und an moderne Sprachen angepasst, aber nicht mehr grundsätzlich verändert wurde. Ihre Entwicklungsgeschichte reicht in ihren ältesten Überlieferungen sicher in das 2. Jahrtausend vor Christus zurück. An manchen Stellen blinken noch ältere Erzählungen durch, wie z. B. bei der Sintfluterzählung.
Der hebräische Teil der heutigen Bibel entstand in einem sehr lebendigen Prozess von etwa tausend Jahren zwischen 1000 v. Chr. und 100 n. Chr. Heutige Bibelwissenschaftler (Exegeten) vermuten z. B., dass erste Teile des späteren Alten Testaments in der Zeit der Könige Israels nach 1000 v. Chr. verfasst worden sind. Die israelitischen Herrscher hatten damals endlich einen eigenen Hof in Jerusalem, sie wollten ihre Macht stabilisieren und ließen deshalb eine Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel vermutlich von Hofschreibern aufschreiben. Mündliche Traditionen gab es sicher schon lange vorher, sie fanden Eingang in die heiligen Schriften. Außerdem wurden Gesetzestexte gesammelt und erhielten eigene ‚Ausführungsbestimmungen‘. Da seit König David ein eigener Tempelkult in Jerusalem existierte, musste man Gottesdienstordnungen und Opferregeln festlegen. Für die großen Feste brauchte man außerdem gemeinsame Gebete mit einem verpflichtenden Wortlaut.
Seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. spielten die Propheten eine wachsende Rolle als politische Kraft in Israel. Zwar hatten sie bereits bei der Landnahme Kanaans das Volk angeführt, militärische Aktionen befehligt und Recht gesprochen, nun aber wurden sie zu Gestalten, die massiven Einfluss nahmen. Die politische Situation hatte sich gewandelt: Das autonome Königreich Israel war nach König Salomo in zwei Teile zerfallen. Nun gab es ein Nordreich Israel und ein Südreich Juda. Die politischen Wirren forderten eine neue religiöse Deutung heraus: War Gott nicht mehr bei seinem Volk? Hatte er sich von ihm abgewandt? Bedeutende Prophetengestalten, die namentlich bekannt sind, hielten Königen wie Volk Gottes Wort vor, korrigierten oder kritisierten falsches religiöses Handeln, welches im Widerspruch zum Glauben an den einen Gott stand. Ihr Einfluss war sehr groß und wuchs durch die Verbreitung ihrer Worte. Sie selbst oder ihre Schüler hielten die zuerst mündlich verbreiteten Worte schriftlich fest. Man sammelte dazu Geschichten, Fabeln, Lieder und gläubige Lebensregeln.
Als zuerst das Nordreich Israel (ca. 722 v. Chr.) von den Assyrern und später das Südreich Juda (598 v. Chr.) von den Babyloniern erobert wurde, war dies der Anlass für eine umfassende Revision der