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Die vergessene Trauer der Väter
Die vergessene Trauer der Väter
Die vergessene Trauer der Väter
eBook298 Seiten3 Stunden

Die vergessene Trauer der Väter

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Über dieses E-Book

Wie sieht es im Inneren eines Mannes, eines Vaters aus, der sein Kind verloren hat? Wie fühlt ein Vater der sein Kind während der Schwangerschaft oder kurz danach hergeben musste? Oder trauern Väter, wie weit verbreitet angenommen wirklich nicht oder nur minimal?

20 Väter erzählen in diesem Buch in persönlichen Texten von ihren verstorbenen Kindern, ihren Gefühlen und Gedanken, die sie in Erfahrungsberichten, Gedichten und Briefen niedergeschrieben haben. Sie schreiben auch über ihre Erfahrungen in ihrer Beziehung nach dem Verlust ihres Kindes und formulieren Wünsche an Außenstehende und Betreuende. Ein Trauerbegleiter und ein Seelsorger bieten den Betroffenen eine Hilfestellung durch ihre jahrelange Erfahrung mit trauernden Eltern.

Dieses Buch möchte ein Licht auf eines der letzen Tabu-Themen unserer Tage werfen und versucht dadurch mehr Verständnis den Vätern gegenüber und deren Trauer zu wecken. Überdies hinaus möchte es eine Hilfe sein für alle betroffenen Väter, deren Partnerinnen und nahestehenden Personen mit diesem großen Verlust umzugehen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Sept. 2013
ISBN9783848228263
Die vergessene Trauer der Väter
Autor

Melanie Rihm

Dominik Rihm, Operationstechnischer Assistent (geb. 1982) und seine Frau Melanie Rihm, Hebamme (geb. 1981) verloren 2006 ihr erstes Kind, Runa in der zwölften Schwangerschaftswoche. Melanie half es sehr, Bücher zu lesen nach diesem einschneidenden Erlebnis. Als sie ihrem Mann jedoch ein ähnliches Buch für Väter schenken wollte, konnte sie keines in dieser Form finden und das Ehepaar begann Erfahrungsberichte zu sammeln. Das Ergebnis dieser Sammlung halten Sie nun in Ihren Händen.

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    Buchvorschau

    Die vergessene Trauer der Väter - Melanie Rihm

    Über die Autoren

    Dominik Rihm, Operationstechnischer Assistent (geb. 1982) und seine Frau Melanie Rihm, Hebamme (geb. 1981) verloren 2006 ihr erstes Kind, Runa in der zwölften Schwangerschaftswoche. Melanie half es sehr, Bücher zu lesen nach diesem einschneidenden Erlebnis. Als sie ihrem Mann jedoch ein ähnliches Buch für Väter schenken wollte, konnte sie keines in dieser Form finden und das Ehepaar begann Erfahrungsberichte zu sammeln. Das Ergebnis dieser Sammlung halten Sie nun in Ihren Händen.

    Liebe Runa,

    du bist eine halbe Welt entfernt.

    Wir können jetzt wenig sagen,

    außer dass wir dich lieben

    und dass wir dich vermissen

    und dass du hier immer willkommen bist!

    Deine Eltern

    Inhalt

    Vorwort

    1. Erfahrungsberichte

    Ein Schmerz, den man(n) nicht in Worte fassen kann: Dominik Rihm

    Verwaiste Väter. Männer trauern anders – oder gar nicht?: Kai Lüftner

    Kleine Besucher, die uns im vorbeigehen freundlich zuwinken: Kai

    Mein kleines Töchterchen: Franz

    So klein er war, so groß ist sein Platz in unseren Herzen: Ralf

    Geweint, gezweifelt und uns gegenseitig getröstet: Ludger

    Weißt du, wie viel Sternlein stehen?: Sven

    Manche Tränen trocknen nie...: Engelbert

    Felix – geliebter kleiner Sonnenschein: Steffen

    Frühchen

    Die Beerdigung

    Die Trauer an sich: Martin Hencke

    Ich würde gern einen Baum pflanzen: Oliver Gellenbeck

    Sie wollte kämpfen…

    Schweigen hilft niemandem: Gerd

    Traueransprache für Melanie: Martin Jordan, Pastor

    2. Gedichte

    Die Begegnung: Wolfgang Todtenhausen

    Mein Herz, es könnte zerspringen: Simon

    Sterne: Ralf Korrek

    Warum?: Martin Hencke

    Alexander

    Vier Wochen

    Alexander, lieber Sohn

    Noch einunddreißig Tage: Ralf Korrek

    Zweimal: Martin Hencke

    Sternenkind

    Leben ohne Kind

    Warum?

    Träume

    In manchen Nächten

    An unsere Wegbegleiter

    Heute fühle ich mich leer

    Ich denke an dich, mein Kind

    Wolkenboote: Ralf Korrek

    Ich vermisse dich Dominik Rihm

    3. Briefe

    Brief an niemanden: Martin Hencke

    An Melli: Gerd

    An unseren Alexander: Ralf

    Ich werde für dich kämpfen: Michael

    An meinen süßen Engel: Stefan

    4. Wohin mit dem Schmerz, verdrängen oder fühlen?

    Die Trauer der Väter

    Schock und Schmerz

    Angst und Hoffnung

    Trauer und Leere

    Der trauernde Vater

    Trauern Väter anders?

    Hilfreiches und Hinderliches

    Was kann diese verletzte Seele heilen?

    Väter - Ängste und die Väter - Wünsche

    Meine Bitte an die Väter: Dieter Steuer, Trauerbegleiter

    „ Wenn meine Seele schreit, dann fliehe nicht!".

    Gedenkgottesdienst: Den Kindern nahe sein.: Hartwig von Papen, Seelsorger

    5. Paartrauer

    Trauern Väter anders?: Deutsches Ärzteblatt

    Die Unterschiedlichkeit der Trauer: Martin Hencke

    Zuhören und mit trauern: Ralf

    Die Natur führt die Regie: Ralf Korrek

    Interview zum Thema Paartrauer

    Antworten von Stephan Raschdorf

    Antworten von Martin Hencke

    Antworten von Gerd

    Antworten von Dominik Rihm

    Was wünsche ich mir von meinem Mann?

    6. Außenstehende und Betreuende

    Nachvollziehen ? Vielleicht…aber nachfühlen?: Kai

    Ich werde erst gar nicht gefragt, wie es mir geht.: Martin T.

    Ruhe und Verständnis: Gerd

    Das nicht existierende Kind: Martin Hencke

    Ich werde noch in 30 Jahren über meine Tochter reden, egal was andere sagen: Hans Peter mit Annabell im Herzen

    Ein Tabuthema ?!

    Liebe Mitmenschen: Ralf

    Wünsche der Sterneneltern

    Versucht uns einfach zu verstehen: Ralf Korrek

    Ole, Kerstin und ich: Heiko Eggert

    Danksagung

    Anhang

    Angegebene Literatur

    Literaturübersicht

    Vätertrauer

    Trauer Allgemein

    Hilfreiche Adressen und Homepages

    Psychologische Hilfen

    Spendenliste

    Vorwort

    Lieber Leser!

    Sie fragen sich vielleicht, wie wir auf die Idee kamen ein solches Buch zu schreiben und was unsere Beweggründe sind und waren.

    Leider haben wir im April 2006 unsere Tochter Runa in der zwölften Schwangerschaftswoche verloren. Obwohl ich als Hebamme weiß, wie oft das leider vorkommt, war es ein Schock für uns. Wir hatten uns so sehr auf dieses Kind gefreut. Vor Trauer und Schmerz war ich damals nicht in der Lage, an irgendetwas anderes zu denken.

    Derjenige, der mich auffing, war mein Mann.

    Er war derjenige,

    der mich in den Arm nahm wenn ich weinte.

    Er war derjenige,

    der alle Anrufe entgegen nahm und die schlimme

    Nachricht überbringen musste.

    Er war derjenige,

    der die ganze Zeit für mich da war.

    Er war derjenige,

    der in der Klinik alles für mich organisierte.

    Er war derjenige,

    der noch Auto fahren konnte.

    Er war derjenige,

    der das Grab für unsere kleine Runa aushob.

    Erst durch diese Erfahrung wurde mir klar, was für eine wahnsinnige Aufgabe das für die Väter sein muss.

    Sie haben genauso ein Kind verloren. Es wird wie selbstverständlich erwartet, dass ein Mann das einfach so wegsteckt.

    Natürlich soll er auch noch stark genug sein um alles Organisatorische zu regeln. Er muss gleich wieder arbeiten gehen und soll sofort wieder voll im Alltag stehen.

    Dann ist da noch die Frau, die möglicherweise von ihrem Mann erwartet, dass er genauso viel weint, dass er genauso viel redet, dass er für sie Ehemann, beste Freundin und Mutter zugleich ist.

    Kurz und gut. Mir wurde das alles klar und ich wollte für meinen Mann da sein, jetzt wo ich wieder mehr Kraft dazu hatte. Mir hat es sehr geholfen alles aufzuschreiben und Bücher mit Erfahrungsberichten zu lesen. Meine Idee war, Dominik auch ein solches Buch zu schenken. Sie können sich vorstellen, wie erstaunt ich war, als ich entdeckte, dass es eine Menge Bücher für Mütter, jedoch kein Buch für Väter gab.

    Vereinzelt fand ich Erfahrungsberichte von Vätern oder ein paar Seiten über die Trauer der Väter, jedoch kein Buch wie ich es mir für Dominik wünschte.

    Am gleichen Abend kam er nach Hause und beschwerte sich darüber, dass beim Arbeiten alle nur nach mir gefragt hätten und es niemanden interessiert hätte, wie es ihm geht. In diesem Moment war die Idee da, selbst so ein Buch zu schreiben bzw. Berichte zu sammeln.

    Fast zwei Jahre, über 300 E-Mails, etliche Stunden hinter dem Laptop und viele emotionale Momente später halten Sie jetzt dieses Buch in Ihren Händen.

    Hätten wir gewusst wie viel Arbeit das sein würde, hätten wir nie damit angefangen. Ein Glück, dass wir es nicht wussten! Denn es war und ist so wichtig, dass die Väter mehr Beachtung finden.

    Auch wenn es im ersten Moment nicht so wirkt, hatten auch wir einen großen Nutzen. Das Sammeln, Lesen und Korrigieren der Beiträge und die vielen Kontakte mit den Vätern halfen uns sehr bei der Verarbeitung unseres Schmerzes. Dadurch fühlten wir uns mit unseren Gefühlen nicht alleine gelassen.

    Da dieses Buch im Grunde ein Gemeinschaftswerk ist, ist es uns wichtig, dass es einen gemeinnützigen Zweck hat. So beschlossen wir, 80 Prozent des Erlöses an Organisationen zu spenden, die trauernde Eltern unterstützen. Im Anhang finden Sie die Organisationen, an die wir spenden. Es ist eine Homepage in Planung, auf der wir einen Nachweis der Spenden und Infos zum Buch veröffentlichen werden: www.vaeter-trauer.de.

    Für die vertretene Meinung ist der jeweilige Autor selbst verantwortlich. Wir distanzieren uns somit von allen Stellungnahmen, außer denen in unseren eigenen Texten. Die Gesamtheit der Gefühle und Gedanken spricht unserer Meinung nach für sich und spiegelt die Gemeinsamkeiten und auch die Individualität der Väter wieder.

    Wir wünschen uns, dass dieses Buch eine Hilfestellung für trauernde Väter, deren Frauen, Angehörige, Freunde und Betreuende sein wird. Möge es auch Sie in ihrem Inneren berühren und verändern, egal aus welchem Grund auch immer Sie es lesen.

    Für Rückmeldung, Anregungen und auch Kritik sind wir sehr offen und freuen uns über jede Zuschrift.

    Kontakt: buch@vaeter-trauer.de

    Melanie und Dominik Rihm

    Dezember 2007

    1. Erfahrungsberichte

    Ein Schmerz, den man(n) nicht in Worte fassen kann

    Ich saß im Wohnzimmer vor meinem Computer auf dem Boden und machte etwas im Internet. Meine Freundin, die mittlerweile meine Frau ist, kam aus der Toilette und setzte sich grinsend zu mir auf den Boden. Sie sah mich an und sagte ganz locker: „Du, Dominik, ich bin schwanger und zeigte mir gleichzeitig den positiven Schwangerschaftstest. Ich war erstmal völlig baff und hielt das ganze für einen Scherz, aber schnell merkte ich, dass sie es ernst meinte und sich sehr darüber freute. Auch ich freute mich darüber, nur erst etwas später. Natürlich wollte ich auch Kinder haben, aber jeder Monat mehr (ohne Kinder) machte mich nicht traurig. Sie war natürlich sehr glücklich über diese Nachricht und freute sich ungemein darüber, allein schon weil sie sich insgeheim schon lange ein Kind von mir wünschte. Endlich war es also so weit. Nach ein paar Minuten realisierte ich immer mehr, dass ich Vater werden würde und freute mich auch jede Minute mehr darüber. Noch am gleichen Tag redeten wir viel über die bevorstehende Elternschaft, obwohl „wir erst in der vierten Woche waren. Für den Abend hatten wir bereits unabhängig von der Schwangerschaft ein Essen in einem thailändischen Restaurant geplant und nutzten das zu einem „Freudenfest. Wir waren so glücklich und aufgeregt, dass wir es irgendjemandem erzählen wollten. Kurzerhand entschlossen wir uns, noch am selben Abend meine Eltern zu besuchen, denen wir mittels einer kleinen Überraschung von der Schwangerschaft erzählten. Uns war von Anfang an wichtig, nur unseren Eltern davon zu erzählen. Geschwister, Verwandte und Freunde wollten wir erst einweihen, wenn die Schwangerschaft „sicher war, also etwa ab dem dritten Monat.

    Wir freuten uns sehr darauf, Eltern zu werden und planten schon alles Nötige: Wo das Bett und die Wickelkommode stehen würde, welcher Kindersitz der Sicherste sein würde, welcher Kinderwagen geeignet wäre und wie wir uns die Arbeit teilen würden, da Melanie wieder ein bisschen arbeiten gehen wollte, wenn unser Kind ein Jahr alt sein würde.

    Als der dritte Monat erreicht war, vielleicht auch schon ein bisschen davor, erzählten wir allen Verwandten und Bekannten und jedem, den es interessierte, oder auch nicht von unserem Glück. Wir waren sehr glücklich darüber, keinerlei missbilligende Worte zu hören. Alle freuten sich sehr mit uns!

    Dann kam Karfreitag 2006. Ich weiß nicht mehr genau in welcher Schwangerschaftswoche es war, die zwölfte oder dreizehnte. Praktisch alle die wir kannten, wussten es. Ich hatte im Geschäft schon nach Sonderurlaub für die Zeit nach der Geburt gefragt. Wir verbrachten den ganzen Tag faul zuhause. Abends waren wir mit Melanies Tante und deren Freundin zu einem Flamenco-Gottesdienst in der Heidelberger Altstadt verabredet. Da wir spät dran waren, bekamen wir schlechte Plätze und außerdem war es in der Kirche ziemlich kalt. Um besser sehen zu können, stand Melanie fast den ganzen Gottesdienst, etwa zweieinhalb Stunden, etwas weiter vorne. Nach dem Gottesdienst gingen wir noch eine Kleinigkeit trinken. Zuhause angekommen fielen wir erstmal müde aufs Sofa und unterhielten uns über die gesammelten Eindrücke vom Gottesdienst und dem Abend.

    Es war etwa halb eins als Melanie aus der Toilette kam, und mir mit sorgenvollem Gesicht sagte das sie eine leichte Blutung hätte.

    Ich erschrak sehr, doch sie beruhigte mich sofort damit, dass es ihr gut ginge und dass sie fühlte dass es auch dem Baby gut ginge. Melanie hatte die ganze Schwangerschaft über eine große Bindung zu ihrem Bauch und dem Baby darin. Obwohl Sie fast keinerlei Beschwerden wie Übelkeit und so weiter hatte, fühlte sie sich sehr schwanger. Trotzdem wollte Sie nur zur „Sicherheit" in die Klinik fahren und alles abchecken lassen. Wir hatten ein anstrengendes Wochenende vor uns. Am nächsten Tag war die Taufe meines Cousins, bei der wir zum ersten Mal auf alle Verwandten treffen sollten, die wir bis dahin nur telefonisch informiert hatten und Tags darauf wollten wir zu Melanies Opa fahren, der als Letzter noch nichts wusste.

    Also machten wir uns auf den Weg in die Universitäts-Klinik Mannheim. Wir wollten nur ruhig schlafen können, einmal kurz das Kind im Ultraschall sehen, sehen, wie das kleine Herz klopft und danach schnell wieder nach Hause.

    Als wir dort ankamen, mussten wir erstmal eine ganze Weile warten, bis ein Arzt kam. In dieser Zeit stieg die Anspannung. Während ich das Ganze noch recht gelassen sah, stieg in Melanie die Angst, dass wirklich etwas nicht stimmen könnte. Ich merkte erstens, wie sehr sie mich jetzt brauchte und zweitens, dass auch meine eigene Angst zunehmend größer wurde. Wir fingen schon an zu diskutieren was wäre wenn, wem müsste man bescheid geben, wieso es passiert sein könnte und so weiter und so weiter.

    Nach einer ganzen Weile sorgenvoller Diskussion kam eine junge Assistenzärztin, die uns in ein Behandlungszimmer führte. Nach den Formalitäten und den ersten Fragen zur Schwangerschaft war die Ultraschalluntersuchung dran.

    Ich merkte, wie meine Hände kaltschweißig und ich immer nervöser wurde.

    Aber immer noch vertraute ich auf Melanies Gefühl, dass alles in Ordnung sei. Ich stand am Kopfende, hielt ihre Hand und wartete darauf, dass die Ärztin sagte:

    „Da sind die Füße, da die Hände und da das schlagende Herz. Alles in Ordnung. Bettruhe. Auf Wiedersehen und gute Nacht."

    Aber mit jeder Sekunde, die verstrich stieg meine Anspannung und Angst. Ich weiß nicht, wie lange die Untersuchung ging, aber für mich dauerte es eine Ewigkeit, während ich immer panischer wurde. Als die Ärztin dann erneut den Ultraschallkopf ansetzte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte und dass sie verzweifelt nach dem Baby suchte.

    Kurz darauf gab sie auf und teilte uns mit, dass sie keine Schwangerschaft mehr feststellen könne, noch nicht einmal ein vollständiges Baby finden könne.

    Obwohl ich es nach der langen Untersuchung schon ahnte, trafen mich ihre Worte wie ein Hammer.

    Melanie drückte meine Hand und ich hatte das Gefühl das etwas in meinem Kopf zusammen stürzte.

    Mir wurde schwarz vor Augen und ich konnte nicht mehr hören, was die Ärztin zu uns sagte.

    Ich umklammerte Melanies Hand und stand einfach nur da ohne die Umwelt wahr zu nehmen.

    Kurz darauf erschien ein verschlafener und mies gelaunter Oberarzt, der die Diagnose der Assistenzärztin bestätigte und meiner Freundin gleichzeitig irgendwelche dummen Vorwürfe machte. Was danach geschah, weiß ich nicht mehr so genau. Die Ärzte forderten uns auf, am nächsten Tag für eine Ausschabung wieder zu kommen und wir gingen.

    Auf der Fahrt nach Hause sprachen wir nicht viel.

    Erst als wir die Wohnungstür hinter uns schlossen, kam alles aus uns heraus: Melanie begann zu weinen und ich merkte wie sehr sie mich jetzt brauchte.

    Ich selbst war immer noch wie in einem Trancezustand, konnte und wollte nicht wahr haben, was soeben geschehen war.

    Uns wurde mitgeteilt, dass uns Kind tot war, und das nicht erst seit gestern, sondern schon eine ganze Weile und Melanies Körper hatte schon damit begonnen es zu „resorbieren".

    Es war unglaublich: Alles wovon ich geträumt hatte löste sich in Luft auf!

    Ich merkte, dass ich meine Umwelt nicht mehr wahrnahm.

    Alle meine Träume und meine Freude mit unserer Tochter Runa fielen zusammen wie ein Kartenhaus.

    Ich fühlte mich als ob ich schwebte.

    Mein Geist schwebte durch den Raum.

    Das konnte nicht wahr sein.

    Warum?

    Warum wir?

    Wieso jetzt?

    Wenn ich so zurück denke, kann ich gar nicht glauben, dass ich zu dieser Zeit wach war, ich war wie hypnotisiert oder wahrscheinlich traumatisiert.

    Zuhause angekommen wollten wir nur noch schlafen, doch im Bett fingen wir an zu reden. Stundenlang. Wir machten uns keine Vorwürfe, sondern es ging die ganze Zeit darum, was jetzt alles nicht mehr möglich war. Welche Träume sich in Luft aufgelöst hatten. Wir redeten bis um vier Uhr in der früh, bis wir nicht mehr konnten und erschöpft einschliefen.

    Als ich vom Wecker aufwachte, traf es mich wieder mit einer unvorstellbaren Wucht:

    Unser Kind ist tot!

    Warum?

    Ich wollte einfach liegen bleiben, in der Hoffnung, dass alles wieder normal wird!

    Aber wir wussten beide, dass wir gehen mussten. Im Krankenhaus ließen wir dann all die üblichen Aufnahmeprozeduren über uns ergehen. Erst als wir in einem Krankenzimmer saßen, mit einer älteren noch schlafenden Frau im Zimmer, wussten wir, dass es kein zurück mehr gab. Als ich dort saß, wurde mir klar, dass es wirklich passiert war und dass ich jetzt die schwierigste Aufgabe zu bewältigen hatte: Alle vom Tod unseres Kindes zu informieren!

    Bei unseren Freunden machte ich es mir sehr einfach, indem ich sie nur per SMS informierte. Aber unseren Familien musste ich persönlich bescheid sagen. Wir verließen das Krankenhaus und ich rief bei meinen Eltern an. Meine Mutter ging ans Telefon und ich sagte ihr, dass wir nicht zur Taufe meines Cousins kommen könnten, da wir unser Kind verloren hatten.

    Sie begann sofort zu weinen und sich nach dem Warum zu informieren, aber auf diese Frage hätten wir nur zu gerne selbst eine Antwort gehabt. Ich berichtete ihr kurz, was passiert war und versuchte dann so schnell wie möglich das Gespräch zu beenden, weil ich merkte wie auch mir die Tränen in die Augen schossen und ich nicht mitten in der Öffentlichkeit wie ein Schlosshund losheulen wollte.

    Melanie informierte Ihre Mutter und auch Sie musste sich zusammen reißen, nicht laut loszuheulen.

    Wir nahmen uns vor, alle anderen mit einer selbst gestalteten Karte zu informieren, was uns im Nachhinein sehr entlastete.

    Als das Notwendige getan war,

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