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Ich glaub', mich knutscht ein Elch!: Rundreise mit dem Motorroller durch Skandinavien bis zum Nordkap
Ich glaub', mich knutscht ein Elch!: Rundreise mit dem Motorroller durch Skandinavien bis zum Nordkap
Ich glaub', mich knutscht ein Elch!: Rundreise mit dem Motorroller durch Skandinavien bis zum Nordkap
eBook364 Seiten5 Stunden

Ich glaub', mich knutscht ein Elch!: Rundreise mit dem Motorroller durch Skandinavien bis zum Nordkap

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Über dieses E-Book

Joy Valley kann es nicht fassen: Nach fast 4.000 km Fahrt auf ihrem Motorroller Reina steht sie tatsächlich am Nordkap! Und auch Reina ist aus dem Häuschen. Die beiden sind beste Freundinnen und fuhren bereits von Mallorca nach Deutschland. Aber verglichen mit diesem Trip quer durch Skandinavien war das nur eine Spritztour. Denn dieses Mal sind sie sechs Wochen unterwegs und erleben auf knapp 10.500 km viele tolle Momente. Lesen Sie den spannenden und informativen Bericht zu dieser unglaublichen Reise durch den Norden Europas. Karten erleichtern das Verfolgen der Route, Bilder fnden Sie auf der Webseite joy-valley.de.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum8. Juni 2015
ISBN9783739289557
Ich glaub', mich knutscht ein Elch!: Rundreise mit dem Motorroller durch Skandinavien bis zum Nordkap
Autor

Joy Valley

Joy Valley ist der Künstlername von Antje Kucher-Freudenthal. Unter dem Titel „Das pack‘ ich!“ veröfentlichte sie bereits einen Reisebericht zu ihren Abenteuern auf der Überführungsfahrt ihres Motorrollers von Mallorca nach Deutschland. Die studierte Diplom-Betriebswirtin (FH) hat Reisen zu ihrem Beruf gemacht und ist Reisebloggerin sowie -autorin. Auf ihren Blogs seniortraveller.de und 101usa.de schreibt sie über ihre unzähligen Touren und gibt wertvolle Tipps. Natürlich dürfen dabei auch wunderschöne Reise- und Landschaftsfotografen nicht fehlen, die sie in Ausstellungen sowie zahlreichen Kalendern präsentiert. Ihre Seite joy-valley.de hält alle interessierten Leser immer auf dem aktuellen Stand ihrer Aktivitäten.

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    Buchvorschau

    Ich glaub', mich knutscht ein Elch! - Joy Valley

    Sofa.

    11.08.2014 (Montag) – 375,6 km – Erstmal runterkommen!

    Karte aus Google Maps: © 2015 GeoBasis-DE/BKG (©2009), Google

    Oh je, Antje sah gar nicht gut aus, als sie gegen 7.30 Uhr das Garagentor öffnete und mich in die Freiheit entließ. Sie musste sehr schlecht geschlafen haben. Sie murmelte auch die ganze Zeit etwas vor sich hin. Irgendwann glaubte ich, herauszuhören, dass sie gar nicht recht losfahren wollte. Dabei war sie am Tag zuvor noch so fröhlich gewesen, als sie mir nochmal ordentlich einen einschenkte. Na ja, ein bisschen konnte ich sie auch verstehen. Immerhin würde sie, wenn alles nach Plan verlaufen würde, sechs Wochen ihren Mann und ihre Familie nicht sehen. Zudem konnte sie in dieser Zeit auch ihrem Sport, dem Boulen, nicht nachgehen. Das musste sie schon sehr traurig stimmen.

    Auf den ersten Metern machte sie ihren Sorgen Luft und erzählte mir von den letzten Minuten zu Hause. Ihr Mann war, wie jeden Morgen, um sechs Uhr zur Arbeit gegangen. Dann ging sie ins Bad und machte sich fertig für unseren ersten Reisetag. Nach dem Frühstück kam der Moment, die Motorradklamotten anzuziehen und ihr wurde schlagartig bewusst, was sie vorhatte. Auch das Wetter hatte noch Startschwierigkeiten und drückte auf die Stimmung. Sie musste kräftig schlucken, aber jetzt ging es los.

    Nachdem sie mich wie einen Packesel beladen hatte, drückte sie meinen kleinen schwarzen Knopf und ich schnurrte los. Der Himmel war dunkel, die Wolken hingen tief. Mein Näschen sagte mir aber, dass es trocken bleiben würde. Ich hatte Recht, denn kurz vor Ellwangen riss der Himmel auf und nun begleitete uns der Sonnenschein. Die Straßen waren leer und so kamen wir gut voran.

    Lisa lenkte mich geschickt über die Bundesstraßen, aber auch kleine Nebenstraßen haben wir brillant bewältigt. Antje musste Lisa noch etwas auf die Sprünge helfen, denn Lisas Sprachrohr an Antjes Helm funktionierte nicht gleich und schaltete sich immer wieder selbst aus. So mussten Antje und ich doch immer wieder auf Lisas Bildschirm schauen. Irgendwann hatten wir aber genug von den Zickereien und Antje startete Lisa und ihre Freisprecheinrichtung neu. Ab dann klappte die Kommunikation zwischen uns problemlos und wir konnten uns aufeinander verlassen.

    In Würzburg gesellte sich ein sexy Reisebegleiter zu uns. Ich durfte seinen Anblick bis zu unserem ersten Tankstopp genießen. Qué culo! Was für ein Knacka… Entschuldigung, ich vergesse meine Manieren. Was für ein wohlgeformtes Hinterteil. Der Inhaber stammte aus der Schweiz und machte ordentlich Krach. Aber so sind die Männer: Viel Lärm um Nichts, frei nach William Shakespeare. Trotzdem habe ich einfach eine Schwäche für diese schönen Motorräder aus den USA. Antje mag sie auch, sie war sogar schon an einem der Geburtsorte und besitzt auch ein grell orangenes T-Shirt von dort.

    Vielleicht war Antje auch etwas abgelenkt durch den Anblick, denn sie vergaß beinahe, dass ich ab und zu auch mal etwas zum Trinken brauche. Lisa half ihr dann mit der Suche nach einer Tankstelle und nach fast 195 km bekam ich eine kurze Verschnaufpause. Ich bin zwar noch jung, aber Antje hetzte mich ganz schön durch die Gegend. Musste sie wirklich permanent Vollgas fahren? Wir hatten doch Zeit. Ich versuchte ihr das in der Pause klarzumachen, aber irgendwie drang ich nicht zu ihr durch. Es dauerte noch einige Kilometer, bis sie mir etwas Entspannung gönnte und nicht mehr wie eine Besessene über die Straßen düste. Ok, sie hatte vor der Abreise ja auch viel um die Ohren und musste erstmal runterkommen. Als Freundin half ich ihr da gerne dabei.

    Hinter Fladungen in der Rhön schlug Antje plötzlich einen Haken, mir wurde ganz schwindelig. Sie parkte mich unter einem Schild, packte das erste Mal ihre Kamera aus und positionierte sie mit dem Stativ einige Meter von uns entfernt. Dann setzte sie sich wieder auf meinen Rücken und betätigte den Selbstauslöser. Nun gab es auch bei ihr etwas zu trinken. Sie erklärte mir, dass dies ein historischer Ort sei. Das Schild stand für die ehemalige deutsch-deutsche Grenze, die vor 25 Jahren gefallen war. Was für ein Blödsinn, dachte ich. Deutsch-deutsche Grenze? Was soll das denn bedeuten? Es ist doch das gleiche Land! Antje sagte, dass es damals ein Ostdeutschland, die DDR, und ein Westdeutschland, die BRD, gegeben hätte. Die beiden Länder wurden dann wieder vereint und nun hätten wir ein gemeinsames Deutschland. Sie selbst habe das im Alter von neun Jahren nicht so richtig verstanden. Aber ich war ja noch nicht mal auf der Welt gewesen.

    Wir blieben noch etwas am Straßenrand stehen und genossen die warme Sonne. Antje tippte auf ihrem Handy herum, Tagebuch führen nannte sie das. Sie wolle ja ein Buch über diese Reise schreiben und damit sie noch wisse, was sie alles gemacht und erlebt habe, müsse sie zwischendurch immer mal wieder ein paar Notizen festhalten. Das verstehe ich nicht, ich konnte mir doch auch alles merken. Wie sonst könnte ich von unseren Abenteuern berichten? Da Lisa feststellte, dass wir gut in der Zeit lagen, konnten wir Antje ihren Willen lassen.

    Dann ging es weiter und wir tuckerten gen Norden. Unterwegs begegneten wir vielen unterschiedlichen Reisenden: Radfahrern, Motorradfahrern, einem Trabi mit Wohnanhänger, einem VW T1 mit Wohnanhänger oder auch Reisemobilen in allen Größen. So ein Schaulaufen ist immer eine schöne Abwechslung auf der Tour.

    Ich schnurrte gerade so gemütlich vor mich hin, als es mich plötzlich kräftig durchschüttelte. Mir wurde ganz schlecht und meine Gelenke wussten gar nicht, wie sie die Erschütterungen abfangen sollten. Ich machte erstmal langsam, um mir die Situation besser anschauen zu können. Laut Lisa waren wir auf der L1022 kurz vor Gospenroda in Thüringen. Was da so an meinen Nerven rüttelte, war Kopfsteinpflaster. Mehr als 30 km/h ließ ich dann nicht mehr zu, mir brummte schon der Schädel. Antje muss es wohl sehr lustig gefunden haben, denn sie hielt irgendwann sogar an und machte ein Foto von der Straße. „Als Foto des Tages für die Webseite, meinte sie. „Das kriegst Du nicht alle Tage zu Gesicht, das ist Verkehrsberuhigung auf Thüringisch. Im Nachhinein fand ich es dann auch ganz witzig und vergaß das Gerüttel und Geschüttel bald wieder. Es sah aber auch lustig aus: In der Mitte der Straße war Kopfsteinpflaster, an den Rändern hatte man wohl schon Mitleid mit den Rollern dieser Welt gehabt und etwas Teer auf das Pflaster geschmiert. Viel brachte das aber nicht. Ich musste die Arbeiter bewundern, die das Kopfsteinpflaster verlegt hatten. Es sah regelmäßig und sehr schön aus. Es war ein Beweis für die unzähligen Arbeitsstunden der Pflasterer.

    Auch auf der B27 ging es erst nochmal gemächlich zu. Auf 20 km hatten wir einen schwedischen Laster eines Logistikunternehmens vor uns, der es offensichtlich nicht sonderlich eilig hatte. Eigentlich hätte der uns doch mitnehmen können. Antje wollte aber selbst fahren. Schade! Na ja, im Anhänger hätte ich auch nicht so viel gesehen, da hatte sie schon Recht. Jedenfalls gondelte der gute Truck mit 60 km/h über die Bundesstraße und verursachte eine Autoschlange hinter sich. Gut, dass hier nicht so viel los war, denn die Autofahrer wurden ungeduldig und fingen an den unmöglichsten Stellen mit dem Überholen an. Dios mío, lieber Gott, das war manchmal ziemlich knapp. Dass es diese Autos hier in Alemania immer so eilig haben. Das bin ich aus Spanien und Frankreich gar nicht gewohnt. Da geht es auf den Landstraßen deutlich ruhiger zu. Die Deutschen sollten sich ein Beispiel an ihren Nachbarn nehmen. Überlegt doch mal: Man sieht mehr von der Landschaft, verbraucht weniger Benzin und kommt geruhsamer bzw. ausgeruhter ans Ziel. Vielleicht sollten mehr Menschen auf den Roller umsteigen. Das entspannt!

    Trotz dem kleinen Dicken vor uns waren wir schon kurz vor 15 Uhr in Göttingen. Lisa führte uns auch souverän direkt vor die Haustür des Hostels. Antje verschwand kurz im Haus, dann kam sie mit einer jungen Dame wieder. Das war wohl die Chefin. Sie zeigte mir, wo ich die Nacht verbringen durfte. Ein Stück in den Hof hinein fand sich ein nettes Plätzchen mit Blick auf die Straße. So wurde es mir auch nicht langweilig. Außerdem fuhren hier auch noch ein paar Anlieger hin und her, die in den Firmen und Werkstätten der Umgebung arbeiteten. Sie teilten sich alle die Parkplätze im Hof, nahmen mich aber sehr gut auf und ließen mich am Abend dann auch in Ruhe. Antje kann sicherlich noch etwas über ihren Abend erzählen.

    Ja Reina, ein bisschen was habe ich noch erlebt. Nachdem ich Dich gut geparkt wusste, ging ich wieder ins Haus und checkte an der Rezeption ein. Ich zahlte mein Zimmer gleich in bar, noch konnte ich ja Euro nutzen. Die netten jungen Leute, vielleicht waren sie sogar die Eigentümer oder Pächter, gaben mir auch noch ein paar Tipps für den Besuch der Innenstadt und wo ich eine Kleinigkeit zum Abendessen bekommen könnte. Ich bezog dann mein Zimmer, genauer gesagt ein Bett im Mehrbettzimmer für Frauen. Allerdings war nur noch eine asiatische Frau mit im Zimmer, das versprach eine angenehme Nacht zu werden. Nach der Erkundung des Stockwerks mit Toilette, Dusche und Küche machte ich mich etwas frisch, probierte den WLAN-Zugang aus und verstaute mein Gepäck im Spind.

    Um das schöne Wetter noch etwas auszunutzen und Göttingen kennenzulernen, lief ich in die Stadt. Da das Hostel günstig gelegen war, erreichte ich das Zentrum schon in wenigen Minuten. Mein Weg führte mich zunächst in eine türkische Bäckerei, eine Empfehlung der Rezeption. Dort gab es tatsächlich eine tolle Auswahl an leckeren Kleinigkeiten. Ich entschied mich für zwei unterschiedlich gefüllte Sesamtaschen. Eine davon verputzte ich gleich an Ort und Stelle, ich hatte meinen Hunger tatsächlich vergessen.

    Gestärkt erkundete ich dann die Fußgängerzone mit ihren vielen Geschäften. Allerdings sehen die Fußgängerzonen heutzutage fast alle gleich aus, die gleichen Ladenketten von München bis Flensburg. Zum Shoppen war ich aber auch nicht hier, also organisierte ich mir eine Karte der Innenstadt bei der Touristeninformation. Damit konnte ich ein paar Sehenswürdigkeiten entdecken. Dabei wurde ich von jungen Leuten angesprochen, die für eine gemeinnützige Organisation Spenden und Mitglieder warben. Sie waren sehr hartnäckig und wollten mich gar nicht mehr gehen lassen. Irgendwann hatte ich sie aber überzeugt, dass ich nicht die richtige Person für ihr Anliegen bin. Wenn ich etwas Gutes tue, dann nur direkt. Ich möchte nicht, dass ein Großteil meiner Spenden in den Verwaltungen der Organisationen verschwindet.

    Nachdem ich wieder allein war, schlenderte ich zur Gänseliesel. Die Figur ist seit 1901 das Wahrzeichen der Stadt und gilt als meistgeküsstes Mädchen der Welt. Das liegt an einem alten Brauch, nach dem die neu immatrikulierten Studenten auf den Brunnen stiegen und die Gänseliesel küssten. Dies wurde zwar bald verboten, aber keiner hielt sich daran. Heute küssen nur noch die Doktoranden nach erfolgreicher Prüfung die Bronzefigur bzw. deren Kopie, denn das Original steht inzwischen im Städtischen Museum. In meiner Anwesenheit kletterte niemand auf den Brunnen, allerdings ließen sich viele Touristen von ihren Partnern oder Freunden davor ablichten. Ich setzte mich auf eine Bank vor dem Rathaus und schaute dem Treiben etwas zu. Dabei knabberte ich noch meine zweite Sesamtasche und ließ mich von der Sonne wärmen.

    Schließlich spazierte ich noch etwas weiter zum Alten Botanischen Garten. Er stammt aus dem 18. Jhdt. und beherbergt über 12.000 verschiedene Pflanzen. Rund um den Teich luden Bänke wieder zum Verweilen ein. Da ließ ich mich nicht zwei Mal bitten und streckte mich mit meinem Rucksack als Kissen aus. Ich beobachtete die anderen Besucher etwas und spielte mit meiner Kamera, um die Einstellungen besser kennenzulernen. Allerdings machte ich jetzt noch keine Fotos. Ich wollte mir den Speicherplatz für das eigentliche Ziel meiner Reise, die vier skandinavischen Länder, aufheben. Da würde ich noch genug knipsen.

    Hej, wer macht denn da das Licht aus, dachte ich plötzlich. Große, dunkle Wolken zogen schnell am Himmel auf. Ich hatte es noch nicht richtig realisiert, da fielen auch schon die ersten dicken Regentropfen. Ich schaffte es gerade noch, meine Sachen zusammenzupacken und einen Unterstand zu suchen. Dann kam auch schon ein ordentlicher Schauer herunter. Als der Regen nicht aufhören wollte, hüpfte ich von Baum zu Markise zu Vordach, um wieder Richtung Hostel zu kommen. Dabei wurde ich natürlich richtig nass. Das hat man davon, wenn man ungeduldig ist. Hätte ich ca. 15 Minuten gewartet, wäre ich deutlich trockener an mein Ziel gekommen. Allerdings ging es vor dem Hostel nochmal los, aber nasser konnte ich nicht werden.

    Ich zog mich auf mein Zimmer zurück, meine Mitbewohnerin war immer noch nicht da. Sie würde erst spät in der Nacht auftauchen und früh am nächsten Morgen schon wieder aufbrechen. Egal, ich hatte auch so noch etwas zu tun. Erstmal ausziehen und die Klamotten und den Rucksack trocknen lassen. Trotz 22 Grad war es frisch in den nassen Kleidern geworden. Dann kuschelte ich mich ins Bett, krank werden wollte ich auf keinen Fall. Ich brachte mein Tagebuch auf den neuesten Stand und rief meine E-Mails ab. Dabei schickte ich auch gleich mein erstes Lebenszeichen per E-Mail an meinen Mann, meine Oma und meine Eltern. Das würde ich ab sofort jeden Abend machen, ich nannte die Nachricht auch immer „Lebenszeichen und schrieb kurz, wo ich war und was ich Besonderes am jeweiligen Tag erlebt hatte. Letztlich lud ich noch mein Foto des Tages auf die Homepage hoch und verfasste meinen ersten Kommentar für alle „Verfolger meiner Reise. Zum Entspannen hörte ich dann noch etwas Musik, las ein Buch zum Thema Reisefotografie und spielte ein paar Spiele wie Kniffel oder ein Quiz. Das geht ja heute alles wunderbar mit einem Smartphone, welches ich ja jetzt auch mein Eigen nannte. Vor der Abreise hatte ich noch einige Lieder und Bücher in den Handyspeicher kopiert, damit ich mich abends nicht langweilen würde oder auch mal während der Fahrt Musik hören könnte. Dank meiner Bluetooth-Freisprecheinrichtung wäre das kein Problem gewesen. Ich kam nur gar nicht dazu. Weder las ich viel auf der Reise, noch hörte ich ein einziges Mal Musik während der Fahrt. Es gab viel zu viel zu Sehen und Erleben.

    12.08.2014 (Dienstag) – 448,1 km – Schiedwetter in Norddeutschland

    Karte aus Google Maps: © 2015 GeoBasis-DE/BKG (©2009), Google

    Guten Morgen Welt! Ich bin soweit, vamos, vamos. Hmm, Antje schien meinen Enthusiasmus nicht zu teilen. Vor acht Uhr bekam ich sie nicht zu Gesicht. Und sie sah wieder etwas zerknautscht aus. Sie berichtete, dass ihre Mitbewohnerin wohl erkältet war und sich die ganze Nacht immer wieder geschnäuzt hatte. Das raubte ihr natürlich den Schlaf. Nachdem sich die Dame verabschiedet hatte, eroberte Antje Bad und Dusche und machte sich fertig für den Tag. Nach dem Packen war sie noch zum Bäcker gelaufen und hatte sich ein Frühstück bzw. auch gleich ein kleines Mittagessen besorgt. Mir brachte sie leider Nichts mit. Zucker im Tank macht sich aber auch nicht gut. Das hatte mir mal mein Nachbar Quad erzählt, er hatte das irgendwann mal ausprobiert und stand dann wochenlang herum, bis sein Fahrer ihn wieder fahrbereit hatte. Meine Versorgung stand für später auf dem Plan.

    Antje trocknete noch liebevoll meinen Rücken, bis sieben Uhr hatte es geregnet. Dann packte sie mich wieder voll bis unter die Halskrause. Nachdem wir dann aber endlich mal in die Gänge gekommen waren, wurde sie auch wieder gesprächiger. Sie entschuldigte sich für den verzögerten Start und begründete es mit irgendeiner Information, die sie von ihrem Handy bekommen hatte. Sie nannte es Wetter-App. Diese hätte gesagt, dass es gegen sieben Uhr wieder besseres Wetter geben sollte und daher habe sie getrödelt, damit die Straßen von den Autos schon etwas trocken gefahren wurden. Gar nicht dumm, so würde ich nicht so leicht ins Schlingern kommen. Sie denkt halt doch mit, meine Fahrerin.

    Außerdem hatte sie wohl noch geratscht, wir Mädels leben ja dafür. Die Herbergswirte waren scheinbar auch schon viel herumgekommen. Sie hatten Antje von ihrer letzten Reise nach Kroatien vorgeschwärmt, die sie als Anhalter absolviert hatten. Sie wollten auch alles über unsere Reise wissen und hatten gleich nach einem Blog darüber gefragt. Und Antje konnte auch nicht an deren Hund Kira vorbei, der mit in der Rezeption saß. Antje liebt Tiere und knuddelt sie dann auch immer gleich, wenn die Halter einverstanden sind. Sie sagt, dass beruhigt und Tiere würden einfach bedingungslos lieben. Ich mag Tiere ja nicht sonderlich, denn entweder pinkeln sie mich an, machen etwas kaputt oder sie springen mir beim Fahren unvermittelt vor die Nase.

    Egal, endlich ging es los. Doch bereits nach drei Kilometer legten wir schon wieder einen Stopp ein. Diesmal sollte ich mein Frühstück in flüssiger Form bekommen, knapp 184 km waren schon wieder seit dem letzten Stopp vergangen. Die Stärkung konnte ich auch gut gebrauchen, denn unterwegs erwartete uns ein starker Wind. Einerseits gut, denn das treibt die Regenwolken weg. Andererseits bedeutete es für Antje und mich harte Arbeit, um auf der Straße zu bleiben. Dann mussten wir noch einen kleinen Umweg fahren, weil die Bundesstraße gesperrt war. Ich bin ja grundsätzlich faul, daher mag ich Umwege gar nicht. Aber bevor ich in irgendeinem Graben lande, spiele ich eben mit.

    Die Strecke war aber trotz Wind und Umwegen wieder schön. Lisa leistete ganze Arbeit. Wir entdeckten wunderschöne Bauernhöfe, z.B. in Isernhagen. Da machte Antje sogar mal ein Foto, weil sie ihr so gut gefielen. Zudem waren wir auf der Niedersächsischen Mühlenstraße unterwegs, diese Ferienstraßen haben ihren Namen ja nicht umsonst. Gestern konnte ich noch Bäume zählen auf der Alleenstraße, da war es auch schön. Was mich allerdings etwas irritierte, waren die komisch geparkten Wohnmobile am Straßenrand. Welcher Tourist stellt sein Auto denn so seltsam ab? Das seien keine Touristen, klärte mich Antje grinsend auf. Das seien Frauen, die ihr Geld damit verdienen, dass sie Männer verwöhnen. Vaya, das waren dann aber viele Frauen in dieser Gegend. So etwas kenne ich gar nicht aus Rollerland. Da wurde ich gleich ganz rot.

    Nach gut 184 km passierten wir die Gedenkstätte Bergen-Belsen. Auch hier musste mir Antje wieder Nachhilfe geben, Geschichte ist wirklich nicht meine Stärke. Diese Orte erinnern an eine ganz grausame Zeit in Deutschland, die schon ca. 70 Jahre zurückliegt. Im Lager Bergen-Belsen wurden während dem Zweiten Weltkrieg viele tausend Menschen getötet. Ist das nicht schlimm? Um mich wieder zu beruhigen, gönnte mir Antje in Bergen eine kleine Pause und ich bekam Futter. Antje spazierte etwas über die Tankstelle, weil ihr der Hintern wehtat. Sie zückte auch mal ihre Trinkflasche und tankte selbst nach. Bei ihr hieß das Tee. Den machte sie sich fast jeden Morgen mit speziellen Teebeuteln, die sie mit kaltem Wasser zubereiten konnte. Sie meinte, damit sei sie unabhängig von heißem Wasser, was die Flasche auf Dauer wahrscheinlich auch nicht aushalten würde. Mir war das gleich, jeder hat ja einen anderen Geschmack beim Trinken.

    Bald waren wir in Hamburg. Hier gefiel es mir nicht so gut, denn es wurde sehr voll auf den Straßen und das machte mich nervös. Antje beruhigte mich und lenkte uns mit Lisas Hilfe direkt zu den Landungsbrücken. Bin ich jetzt eine Petze, wenn ich erzähle, dass wir dort kostenlos parkten? Bekomme ich dann Ärger? Espero que no, ich hoffe nicht. Aber wo soll ich bitteschön einen Parkschein unterbringen? Antje wusste auch keinen Rat und schob mich einfach dicht neben ein Auto in eine schmale Lücke, die sowieso niemand nutzen konnte. Da fühlte ich mich dann auch sicher vor Politessen, wobei ich die Damen bestimmt mit meinem Augenaufschlag hätte bezirzen können. Wer kann meinen leuchtenden Augen schon widerstehen?

    Antje besorgte sich dann ihr erstes Hard Rock Café T-Shirt dieser Reise. Sie hat Euch sicherlich schon von ihrem kleinen Sammel-Tick erzählt. Währenddessen bekam ich eine kleine Dusche ab. Es war aber nicht so schlimm, Antje würde mich später wieder trocken rubbeln. Ich sah sie dann nochmal kurz auf die Landungsbrücken entschwinden und dort blieb sie einige Zeit. Sie machte wohl einen kleinen Spaziergang und genoss die Hafenatmosphäre. Ich schaute in dieser Zeit den vielen Touristen zu, wie sie ein Doppeldeckerbus ausspuckte und sie dann in den Souvenirläden und Restaurants verschwanden. Dann kam auch schon bald Antje wieder und zeigte mir ein paar Bilder auf ihrem Handy, die sie von den Landungsbrücken und dem Schiffsverkehr gemacht hatte. Besonders gefiel mir ein Schaufelraddampfer, der gerade zur Hafenrundfahrt aufbrach. Den hatte sie gut getroffen.

    Weiter ging es gen Flensburg, nochmal durch das Chaos der Großstadt, dann wurde es wieder ruhiger. Rund um Hamburg gab es sehr günstiges Trinken für mich. 1,47 Euro für einen Liter Super hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Allerdings war ich noch gut versorgt und es dauerte bis Aukrug, bis ich wieder Nachschub bekam. Das waren diesmal lässige 169 km, Antje schaute sich zur Sicherheit jetzt offensichtlich schon früher nach Tankstellen um. Mir war das sehr recht, so konnte ich immer aus den Vollen schöpfen. Sie nutzte den Stopp dann auch noch für eine kleine Pinkelpause, muss ja auch mal sein.

    Trotz immer stärkerem Wind erwischte uns kurz vor Flensburg dann doch nochmal ein kurzer Schauer. Er war aber nicht so schlimm, nach ein paar Kilometer hatte mich der Fahrtwind schon wieder trocken gepustet. Es wurden unterwegs immerhin 23 Grad angezeigt. Die letzte Etappe kostete nochmal viel Kraft, doch schließlich kamen wir gegen 17.15 Uhr im Hostel an. Ich bekam wieder ein kostenloses Plätzchen im Hinterhof zugewiesen, das ich mir mit zwei flotten Rennern aus Dänemark teilte. Nette Kerle, ich unterhielt mich sehr gut mit ihnen und die Nacht wurde daher auch nicht so lang. Allerdings hatten wir ständig diesen Bierduft in der Nase, da die lokale Brauerei direkt nebenan lag. Na ja, es gibt Schlimmeres. Antje kann Euch jetzt wieder vom restlichen Abend berichten.

    Danke Reina, von dem schönen Spaziergang zum Hafen erzähle ich gerne. Nachdem ich Dich vom Gepäck befreit hatte, checkte ich ein und bezog mein Bett in einem gemischten Schlafsaal. Ich war die einzige Frau, aber die Männer benahmen sich anständig. Zu diesem Zeitpunkt war nur ein Zimmernachbar anwesend, der Fernsehen schaute. Als es aufhörte zu regnen, ließ ich mir an der Rezeption wieder einen Tipp für einen leckeren Snack zum Abendessen geben und machte mich dann auf den Weg in die Stadt. Auch hier in Flensburg waren es wieder nur wenige Minuten Fußweg.

    Mit dem Stadtplan orientierte ich mich grob und hatte bald den Aussichtspunkt am Rummelgang über die Marientreppe erklommen. Von dort spazierte ich weiter in den Hafen und kaufte mir an der empfohlenen Bude eine sehr leckere Fischfrikadelle. Ich setzte mich ans Wasser und schaute den Möwen und Enten etwas zu. So frisch nach dem Regen waren die Farben sehr klar und schön und die Abendstimmung ließ sie leuchten. Ich zückte die Kamera und machte ein paar Fotos vom historischen Dampfer „Alexandra".

    Nach rund 90 Minuten kehrte ich wieder zum Hostel zurück. Auf dem Rückweg holte ich mir in einer Bäckerei noch Frühstück und einen Mittagssnack für den nächsten Tag. Die heutige Buchung beinhaltete kein Frühstück und so stand Selbstversorgung auf dem Programm. Die Auswahl in der Bäckerei machte es mir leicht, das Passende zu finden.

    Zurück im Zimmer war ich allein. Ich nutzte den Abend zum Tagebuch schreiben und zum Fotos aussortieren. Die Angst, genug Speicherplatz für die ganze Reise zu haben, ließ dieses Aussortieren zum täglichen Ritual werden. Jeden Abend setzte ich mich hin und löschte die missglückten oder doppelten Bilder, soweit ich die Qualität auf dem kleinen Bildschirm der Kamera beurteilen konnte. Natürlich gab es auch heute ein Bild des Tages, das ich wieder hochlud. Diesmal waren es die Landungsbrücken in Hamburg. Letztlich nutzte ich noch das kostenlose WLAN des Hostels für die Buchung des nächsten Hotels, das Abrufen der E-Mails, das Versenden meines „Lebenszeichens" nach Hause und allgemeine Recherchen zur Reise. Nachdem ich meine Freisprecheinrichtung und das Handy noch zum Laden angeschlossen hatte, rief bald der Sandmann und ich legte mich schlafen.

    13.08.2014 (Mittwoch) – 190,3 km – Sonnenanbetung mit Hans Christian Andersen

    Karte aus Google Maps: © 2015 GeoBasis-DE/BKG (©2009), Google

    Brrr, ich bin ja klitschnass. Die ganze Nacht hat es geregnet. Gott sei Dank war es nicht so kalt. Ich freute mich schon auf ein Handtuch. Der Himmel klarte langsam auf, als Antje gegen 7.30 Uhr zu mir kam. Diese Nacht hatte sie etwas geruhsamer verbracht. Von ihren drei männlichen Mitbewohnern hatte nur einer geschnarcht. Um 6.45 Uhr hatte sie eine Lücke im Gemeinschaftsbad ergattert und sich startklar für den Tag gemacht. Kurz danach packte sie mich wieder bis in die kleinsten Lücken voll.

    Wir starteten gut gelaunt in den neuen Tag und tuckerten langsam am Hafen entlang. Antje wollte gerne auf einer Bank frühstücken. Allerdings war heute der ganze Hafen abgesperrt und an die Bänke kam man nicht mehr heran. Also fuhren wir weiter und suchten ein anderes schönes Plätzchen, leider blieben wir aber erfolglos. Schwuppdiwupp erreichten wir dann auch schon die Grenze nach Dänemark. Dort legte Antje aber zumindest einen kurzen Fotostopp ein. Sie hatte sich gerade ein paar Schritte zu den Schildern entfernt, als es plötzlich gefährlich über uns blitzte. Gleich darauf folgte ein entsetzlich lauter Donner. Ein Gewitter am frühen Morgen und dann auch noch genau über unseren Köpfen. Jetzt bekam ich es aber mit der Angst zu tun. Meine empfindlichen Nervenbahnen waren in Gefahr, denn leider funktioniert bei mir das Prinzip des faradayschen Käfigs nicht. Da haben Autos zugegebenermaßen einen Vorteil.

    Antje kam auch sofort angesprungen und wir starteten durch. Sie hat mindestens so viel Respekt vor Gewitter wie ich, denn ihre Großkusine wurde mal vom Blitz getroffen. Außerdem fing es jetzt an, kräftig zu regnen und sie wollte den großen dunklen Wolken schnellstmöglich entkommen. Ich gab eine Zeitlang Vollgas, um uns zu retten. Doch bis Haderslev blieben uns die dicken Regentropfen treu und wir erreichten das Städtchen gegen neun Uhr völlig durchnässt. Der Himmel riss auf und die Sonne ließ sich blicken.

    Nach einigen Ehrenrunden durch die Innenstadt fanden wir einen Parkplatz nahe dem Dom. Antje hob bei der Bank am Ende des Platzes Geld ab und verabschiedete sich dann einige Minuten von mir. Sie wollte die Stadt etwas erkunden. Lange brauchte sie nicht, anscheinend gab es außer der Vor Frue Kirke und den bunten Fachwerkhäusern nicht viel zu sehen. Ich fand allerdings den Backsteinbau einer alten Fabrik direkt am Platz sehr interessant. Aus meiner Perspektive sah der Schornstein majestätisch aus. An der Fassade stand „Winds Bogtrykkeri", eine alte Druckerei also. Antje entdeckte sie auch und machte noch Fotos. Dann setzte sie sich auf eine Parkbank neben mir und packte ihr Frühstück aus. Beim Essen tippte sie wieder auf ihrem Handy herum, sie wollte ihre Notizen eben immer auf dem neuesten Stand haben.

    Ein Auto rollte langsam in die Parkbucht neben uns und ein kleiner Junge stieg mit seinem Vater aus. Sie hatten ein deutsches Kennzeichen aus Oldenburg. Der Junge lief auf den Platz, drehte sich um und schaute Antje an. „Willst Du hier schlafen?", fragte er sie. Antje sah sichtlich verdutzt aus, scheinbar hatte der Schlafsack auf ihrem Rucksack zu dieser Annahme verleitet. Sie antwortete, dass sie schon geschlafen habe, in Flensburg, und fragte zurück, wo er denn die Nacht verbracht habe. Da schaltete sich sein Vater ein und erzählte, dass sie hier in Haderslev untergekommen seien.

    Ein Gespräch entwickelte sich zwischen den beiden. Der Vater wollte wissen, was Antje vorhatte und sie berichtete von unserer verrückten Reise. Er schien sichtlich beeindruckt und erklärte seinem Sohn auf kindliche Weise, was die

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