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Der Giftzwerg: Vollmond über Blackowl Castle
Der Giftzwerg: Vollmond über Blackowl Castle
Der Giftzwerg: Vollmond über Blackowl Castle
eBook236 Seiten2 Stunden

Der Giftzwerg: Vollmond über Blackowl Castle

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Über dieses E-Book

Der stattliche, arrogante, dem Trunke verfallene und dem Wahnsinn anheimgefallene Lehnsherr, Frauenschwarm und Möchtegern-Wissenschaftler Vincent McCrimmon ist ein leidenschaftlicher Dudelsackspieler/Piper, der das andere Geschlecht um den Finger zu wickeln weiß. Er lebt mit seinem leicht zurückgebliebenen Bruder Leonard auf Blackowl Castle und ist verzweifelt auf der Suche nach dem Sitz des Wahnsinns in seiner Familie, die mit einem Fluch belastet ist. Als Zeichen des Fluchs steht eine schwarze Eule über allem und soll ihr Tod und Verderben bis an ihr Lebensende bringen.

Die Autorin ist in Hildesheim geboren, lebt auch dort und hat in Göttingen Sprach-, Kultur- und Religionswissenschaft studiert. Sie spielte selber Dudelsack, bevor sie an Multiple Sklerose erkrankte und durfte bei Highland Games in Deutschland, Belgien und Dänemark große schottische Piper ihrer

Sie ist eine große Verehrerin des auch heute noch viel geliebten und weiterhin 2013 musikalisch verehrten, amerikanischen Schauspielers, Kunst-, Literatur- und Religionshistorikers Vincent Leonard Price, der 2011 seinen 100. Geburtstag hatte und selber ein großer Edgar Allan Poe Verehrer war. Seine mit ihm verfilmten fantastischen Erzählungen und Gedichte (u.a. Die Maske des roten Todes, Der Untergang des Hauses Usher, darin vor allem ´Das Geisterschloss’ und auch H.P. Lovecrafts ´Der Fall Carles Dexter Ward` haben die Autorin zu dieser Geschichte inspiriert, daher auch die Vornamen der Protagonisten.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum1. Dez. 2014
ISBN9783735714602
Der Giftzwerg: Vollmond über Blackowl Castle
Autor

Sabine Göttmann

Der Autor kommt aus Hildesheim, hat in Göttingen Sprach-, Kultur- und Religionswissenschaft studiert. Er spielt selber Dudelsack und durfte mit großen schottischen Dudelsackspielern zusammen musizieren, musste sein Hobby - eine gute Verdienst-quelle- aber aus Krankheitsgründen wieder aufgeben.

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    Buchvorschau

    Der Giftzwerg - Sabine Göttmann

    ANHANG

    Schottland 18. Jahrhundert

    „Hoffentlich geht das gut." sagte Elisabeth zu ihrem teuren Gemahl William, als sie die Kutsche mit der Fähre über den glitzernden Sunny River setzen sahen.

    Bald darauf erschallte der dunkle Wald wider wie von tausenden von Hufeisen, obwohl die Fichtennadeln das Geräusch eigentlich hätten abdämmen müssen.

    Ihr kam das komisch vor, ein kalter Schauder lief Elisabeth über den Rücken.

    Es ist doch nur ein 6er-Gespann. ´ dachte sie.

    Auch William sah fast ängstlich hinter der Kutsche her.

    `Das hätten wir besser nicht tun sollen. ´ sagte er sich wohl, als er nach Blackowl Castle hinaufstarrte. Die Luft wurde geradezu dünn vor Unbehagen, denn auf den Zinnen des gewaltigen Turmes von Blackowl drohte wieder die übergroße, schwarze Eule.

    „Ist ER etwa schon zurück?" fragten beide wie aus einem Munde. Ihre Tochter Carla sollte doch erst ein wenig Zeit haben, um sich an das wahrlich unheimliche und heruntergekommene Gemäuer zu gewöhnen.

    ER, das ist der Fürst von Blackowl und Lehnsherr Vincent McCrimmon, Elisabeths stattlicher, gutaussehender und hochintelligenter Bruder, vor dem sogar der Böse Respekt hat und dem trotzdem und gerade deshalb die Frauenherzen nicht widerstehen können. Ein Blick von ihm genügt und er zieht sie in seinen Bann.

    Wird ER ihrer überdrüssig, ist es ja eine Leichtigkeit sie vom hohen Turm in den Abgrund zu stürzen und ihre leblosen Körper im Sunny River verschwinden zu lassen. Die Lehnsleute um Blackowl Castle in ihren einfachen Crofts haben schon oft versucht, dem Gräuel ein Ende zu bereiten, aber bisher ist es ihnen nicht gelungen. Wird es das jemals?

    ****

    „Ich werde mich rächen!" dachte Leonard, Vincents und Elisabeths älterer, leicht zurückgebliebener und herzensguter Bruder, eigentlich der Alleinerbe von Blackowl Castle. Er war kleinwüchsig, missgebildet und hinkte, zog eher das Mitleid als das Interesse der Damenwelt auf sich. Vincent war es gelungen, ihm das Erbe durch intrigante Machenschaften abspenstig zu machen. Die jüngere Schwester seines Schwagers, Dorothy, die sehr von Vincents Boshaftigkeit beeindruckt war und ihm gefällig wurde, hatte einen hervorragenden Dokumentenfälscher an der Hand. Mit diesem Dokument wurde Leonard unschädlich gemacht und Vincent hatte freie Bahn. Er sperrte ihn daraufhin lieber in den Weinkeller ein und verkaufte ihn so als verantwortungsbewussten Kellermeister seiner 2oo Jahre alten Weinsammlung.

    Wenn bei ausschweifenden Feierlichkeiten nach ihm gefragt wurde, ließ er ihn nach oben kommen, um seine illustren Gäste mit makabren Spielchen auf Leonards Kosten zu belustigen. So ließ er ihn - mit einer Säuglingsmütze auf dem Kopf - in einem Wägelchen für Kinder die große Eingangstreppe unter Gelächter aller Anwesenden hinunterpoltern.

    ****

    „So, da sind wir."

    Der Fährmann half dem Kutscher von der Fähre herunter.

    „Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt, hä, hä, hä." ließ er sein sarkastisches Lachen vernehmen.

    Steil und dunkel verlief der Weg den Berg nach Blackowl Castle hinauf. Die Räder quietschten und ächzten unter der Schwere des Gewichts, und die Pferde glänzten schweißgebadet im Vollmondlicht. Carla wurde auf dem unebenen Untergrund unangenehm durchgeschüttelt. Bald wurde sie gewahr, dass irgendetwas nicht stimmte, konnte es aber nicht so recht zuordnen.

    ‚Was soll ich bloß dort oben, doch nicht etwa diesen schrecklichen Kerl heiraten? ´

    Ihre Eltern hatten sie im Ungewissen gelassen, denn gut ging es ihnen schon lange nicht mehr. Ein Esser weniger schien ihnen die eleganteste Lösung zu sein, um nicht zu verhungern.

    Schüchtern und ängstlich stand sie nun vor dem schweren Eichentor und fragte sich wie sie dort wohl hineinkäme, denn ein Türklopfer war nirgendwo zu finden. Eingehend betrachtete sie alles um sich herum. Dabei fiel ihr auf, dass die ganze Vegetation vor dem Schloss verkümmert, geradezu abgestorben war und auch im Weiher tote Fische an der Oberfläche dümpelten.

    Und plötzlich - wie von selbst - öffnete sich das Tor quietschend und gab den Blick frei in eine mächtige Halle, flankiert von Marmortreppen, die sich in der Mitte ein Stockwerk höher trafen. Überwältigt starrte sie nach oben in eine Galerie von Gemälden, die nichts Gutes erahnen ließen. Wunderschöne Frauen hingen neben Männern mit stechendem Blick wie der ihres Onkels Vincent.

    Ihr Großonkel Geoffrey McCrimmon und die Anderen verfolgten sie mit ihren Augen, wohin sie sich auch wandte.

    „Hallo, ist hier jemand?" fragte sie ängstlich. Ihre Stimme hallte echogleich von den Wänden wider, wurde vom erlesenen Geschmack des Deckengewölbes aufgefangen und sanft in ihre Ohren zurückgeführt.

    „Guten Tag!" vernahm sie eine angenehm wohlklingende Stimme dicht hinter ihrem Rücken. Sie fuhr erschrocken herum und blickte direkt in diese faszinierenden, blauen Augen, in denen sie zu ertrinken drohte, die aber auch etwas Lauerndes an sich hatten.

    „Guten Tag." flüsterte sie fast und ärgerte sich gleich darauf, nicht etwas selbstsicherer aufgetreten zu sein.

    Das musste Er sein.

    „Darf ich dir als Willkommensgruß einen meiner erlesensten Weine kredenzen?" und führte Carla am Arm nach oben in den Salon. Dort war schon eine festliche Tafel für zwei Personen gedeckt. Kandelaber erhellten den Weg, auf dem sich ihre beiden Blicke begegnen sollten.

    „Hattest du eine angenehme Reise?"

    Sie überlegte, was sie antworten sollte.

    „Ich war sehr gespannt, was mich hier oben erwarten wird."

    „Ach, hör nicht auf das Geschwätz anderer Leute. Wollen wir nicht lieber eine Schlossbesichtigung zusammen machen?" schlug Vincent vor.

    „Gerne!" freute sich Carla.

    „Setzen wir uns doch erst einmal." bot er an, ihren Stuhl zurechtrückend.

    An Charme und Benimm fehlte es ihm jedenfalls nicht.

    „Der Kellermeister wird uns den Wein sofort bringen."

    ER klingelte nach ihm. So schnell er auftauchte, verschwand er auch wieder.

    Carla wollte etwas sagen, doch Vincent gebot ihr mit einer Handbewegung zu schweigen. Er schwenkte genüsslich das Glas vor seinen Augen bis sie anstießen und tranken.

    „Mmmmh!"

    „Ein Glengarry 1586, köstlich nicht wahr?"

    „Wohnt Ihr ganz alleine mit Eurem Kellermeister hier oben?"

    „Seit meine Frau bei der Geburt unseres fünften Kindes starb."

    Carla glaubte einen Anflug von Trauer, aber auch Unsicherheit in seinen Augen zu erkennen, die ihrem suchenden Blick ausweichen wollten.

    „Und Eure Kinder sind nicht mehr hier?"

    „Nein, in der ganzen Welt verteilt."

    „Und noch ein zweites Mal wollt Ihr es nicht versuchen?"

    „Da muss erst die Richtige kommen. Weißt du, der Fluch…".

    Carla musste schlucken, ein unangenehmes Gefühl beschlich sie und kroch krabbelnd gleich erobernde Ameisen an ihr hoch. Vincent erhob sich wieder und führte Carla einen Raum weiter ins klingende Musikzimmer, das vollgestellt war mit alten Spinetts und modernen Hammerklavieren. An den rissigen Wänden hingen Scottish Great Highland Bagpipes so alt wie die Weine.

    Er nahm eine herunter und stimmte die noch misstönenden Pfeifen, um dann `Lament for McCrimmon´ zu intonieren.

    Von den Gesetzen der Englischen Krone ließ er sich nicht einschüchtern, denn er und alle seine Verwandten waren durch und durch stolze Schotten. In vielen Schlachten hatten sie sich wacker geschlagen und den Engländern empfindliche Verluste zugefügt, nicht allein durch das für fremde Ohren Angst einflößende und martialische Tönen der Pipes, sondern auch durch Mut, Ausdauer und verzweifelte Beharrlichkeit. Nicht umsonst galten Pipes vor unbarmherzigen, englischen Gerichten als Kriegsinstrument und Waffe.

    Dann trafen sie 1745 im beschaulichen Culloden unter Charles Edward Stuart, genannt Bonnie Prince Chairlie, der das Herrscherhaus der Stuarts wieder einsetzen wollte, auf ein ausgeruhtes englisches Heer und wurden vernichtend geschlagen.

    Dies läutete die Highland Clearances - die Hochland Säuberungen - ein. Das Spielen der Pipes, das Tragen des Kilts und die gälische Sprache wurden von nun an mit Todesstrafe geahndet.

    Erst Königin Victoria lockerte das Gesetz im 19. Jahrhundert, weil sie erkannt hatte, dass Pipes ein gutes Repräsentationsinstrument für das Königreich sind.

    Zu seiner Verteidigung trug Vincent aber immer noch den Bernstein besetzten Dirk–das Schwert – unter dem Kilt, für andere nicht sichtbar. Der Dirk war ein Erbstück Roderick McCrimmons, das schon viel Blut gesehen hatte und der Kilt war in den für die McCrimmons eigenen Farben, auch den Sgian dhu–den Dolch–trug er im rechten Strumpf. So etwas Wunderschönes und Edles hielt er bei Leonard für unnötig und nicht angebracht. Er bekam ja ohnehin nicht mit, was in der rauen, schottischen Welt vor sich ging.

    ---------------------------------------------------------------

    Carla hörte mit geschlossenen Augen aufmerksam und entspannt zu, Wohlbehagen ließ sich ihrem ebenmäßigen Gesicht entnehmen. Sie öffnete blinzelnd die Augen und konnte erkennen, dass er sie anlächelte.

    „Ihr spracht von einem Fluch!?"

    „Oh ja, Alleister McPherson belegte meinen Ahnen Roderick McCrimmon mit einem Fluch wegen territorialer Clan-Streitigkeiten. Sie hatten mit ihren Gefolgsleuten erbitterte und grausame Schlachten um ein wenig Land ausgetragen, und Streit um eine Frau muss auch der Anlass gewesen sein.

    Die schwarze Eule solle ihn und seine Nachkommen auf Schritt und Tritt verfolgen und ihnen Tod und Verderben bis an ihr Lebensende bringen. Der Wahnsinn werde auch ihr Begleiter sein."

    „Kann ein Fluch solch wunderschön einfache und geniale Musik hervorbringen?" interessierte sich Carla.

    „Ich verstehe es auch nicht ganz, aber liegen Genie und Wahnsinn nicht dicht beieinander?"

    Sie mochten jetzt nicht weiter darüber reden, stattdessen wollte Carla gerne den Keller besichtigen und Leonard einen Besuch abstatten, sie war neugierig auf ihn.

    „Auf deine eigene Verantwortung."

    Vincent hielt Carla an der ausgetretenen Kellertreppe mit ausgestrecktem Arm zurück, als sie klirrende und polternde Geräusche hörten.

    Da war er wieder dieser Anflug von Wahnsinn in seinen Augen, das alles machte Carla nur noch wissbegieriger. Er warnte sie erst vor den feuchten, glatten Stufen, bevor sie den kurvenreichen Abstieg begannen. Stufe für Stufe kämpften sie sich durch ein Meer von klebrigen Spinnweben hindurch, das ihnen erst einmal den Blick auf Leonard verdeckte.

    „Ich habe dich gewarnt!"

    Langsam konnten sie wieder etwas erkennen. Leonard saß wie ein Häufchen Unglück in einem Scherbenhaufen und jammerte zum Steinerweichen.

    `Was wird er jetzt wieder mit mir anstellen?´

    Er zitterte vor Angst und Kälte, durchnässt bis auf die Haut. Er schwamm geradezu in einem riesigen Weinsee, denn aus Zorn hatte Leonard beinahe das gesamte Flaschensortiment zerstört. Er hatte mit großer Anstrengung das riesige Regal zu Fall gebracht und sich fast selber darunter begraben.

    „Konntest du mir nicht wenigstens ein Fläschchen beiseite stellen, wie steh´ ich denn jetzt da?" schrie Vincent erbost.

    ‚Wenn du wüsstest.´

    „Verzeiht mir, bitte…" flehte Leonard auf Knien und versuchte, umständlich aufzustehen.

    „…ich werde auch alles wieder herrichten!"

    „Ich mach das schon." sprang Carla ein.

    „Nein, das ist seine Aufgabe." herrschte Vincent sie ungehalten an.

    „Sofort, Herr!" gab Leonard klein bei.

    Erschrocken und mitleidig sah Carla Leonard an, Hilfe suchend erwiderte er ihren Blick.

    „Was befindet sich hinter dieser Tür?" wollte Carla neugierig wissen.

    „Nichts, nichts, ähm, nichts von Belang, nur altes Gerümpel. Gehen wir doch wieder nach oben, ich bringe dich in dein Zimmer, damit du dich in den Gängen nicht am Ende noch verläufst."

    „Danke, sehr zuvorkommend."

    „Es ist mir eine Selbstverständlichkeit."

    „Und was macht Leonard jetzt noch da unten?"

    „Das ist mir ziemlich egal, auch wenn er sein Zerstörungswerk fortführt. Er wird dann schon noch merken, was es ihm einbringt."

    Ihr werdet ihn doch nicht bestrafen?

    Er schwieg. Sie gingen weiter den langen Gang entlang an den vielen Zimmern vorbei, die ihr Interieur den Blicken verwehrten.

    „Da sind wir. Ich wünsche dir eine geruhsame Nacht."

    Er entfernte sich und seine Schritte klangen ihm nach. Carla schloss die Tür hinter sich und sah sich im Zimmer um. Die rötlich-dunkle doch geschmackvolle Mahagoni-Vertäfelung fand sie sehr bedrückend und einengend.

    ‚Hier soll ich es aushalten?´

    Sie befühlte das weiche Federbett.

    ‚Na ja, immerhin etwas Gemütlichkeit.´

    Rasch zündete sie noch eine Kerze an, die flackernd die Holzfiguren auf der Täfelung zum Leben erweckten. Da gab es feuerspeiende Drachenköpfe mit weit aufgerissenen Mäulern und stolze, lanzenbewehrte Ritter, die Schlachtrufe auszustoßen schienen - Carla hielt sich unwillkürlich die Ohren zu - auch lindwurmartige, erhabene Wülste mit sorgfältiger Strichzeichnung, die sich um sie herum und durch sie hindurch wanden. So etwas kannte sie in Stein gemeißelt von stolzen Kathedralen im von ihr schon bereisten, fernen Südostengland.

    ****

    Lange hielt es Carla nicht im kühlen Bett aus, der güldene Vollmond schien ihr ins Gesicht und es ging ihr zuviel durch den Kopf.

    `Warum sind Vincent und Leonard so grundverschieden? Auf der einen Seite die Intelligenz und Vornehmheit in Person und auf der anderen Seite reicht es gerade mal für ein bisschen Bauernschläue. Was ist es, das Vincent so dominant macht? ´

    Sie wischte ihre verwirrenden Gedanken beiseite und erhob sich, schlafen konnte sie sowieso nicht.

    ‚Ich muss einfach wissen, was sich hinter dieser Tür verbirgt.´

    Schnell durchsuchte sie das Zimmer nach einem Gegenstand, den sie als Hebel benutzen konnte, denn die Tür war ja bestimmt wieder verriegelt. Da sah sie den Schürhaken neben dem schon längst angefachten und knisternden Kaminfeuer und nahm ihn an sich.

    ‚Jetzt darf ich ihm bloß nicht über den Weg laufen.´

    Leichtfüßig eilte sie die Stufen hinab, nichts war zu hören und zu sehen. Gott sei Dank, ein Stein fiel ihr vom Herzen. Jetzt musste sie nur noch die eine Tür von vielen finden. Sie hatte Glück, eine gab ihrem Handdruck ohne zu knarren nach, als wenn sie gerade erst benutzt worden ist.

    ‚Oh, nein!´

    Wieder ging es erbarmungslos abwärts. Geradewegs in die Hölle, so kam es ihr vor.

    ‚Um Gottes Willen, was steht denn hier alles herum?´

    Das Gerümpel entpuppte sich als wissenschaftliches Instrumentarium, da hingen Spritzen und Schläuche der Größe nach geordnet an der Wand, Glasgefäße mit roter und gelber Flüssigkeit standen in Reih und Glied neben einem Tisch mit seltsamen Mulden und Rinnen, die in ein Loch mit Drainage mündeten, die vermutlich wieder ein Stockwerk tiefer endete.

    Carla sah sich noch weiter um, nach allen Seiten sichernd. Ein verschlissener Damast-Vorhang versperrte die Sicht auf was auch immer, doch sie wagte es nicht, ihn beiseite zu ziehen.

    „Was machst du hier?"

    Carla fuhr zusammen und ließ vor Schreck den Schürhaken fallen. Wieso kommt seine Stimme bloß immer unverhofft von hinten?

    „Willst du wieder deine Neugier befriedigen?"

    Abrupt riss er den Vorhang beiseite.

    „Bitteschön, du wolltest es ja so."

    Ein markerschütternder Schrei gellte durch das Gemäuer.

    „Aaaah, nein, nein, nein, das darf nicht wahr sein!"

    Carla wich, nach Luft schnappend, erschrocken zurück.

    „Beruhige dich, ich werde dir alles erklären."

    Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf fünf Glasgefäße mit in Flüssigkeit eingelegten Gehirnen, sie waren alle angeschnitten. Am Geschwätz der Leute war also doch etwas dran, aber wohl Grauenhafteres, als sie auch

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