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ALTERAS: Der Weltenspringer
ALTERAS: Der Weltenspringer
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eBook444 Seiten5 Stunden

ALTERAS: Der Weltenspringer

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Über dieses E-Book

Endlich ungestört durch die Parallelwelt spazieren - Davon sind die Chaoten der 7d auch in ihrem dritten Jahr weit entfernt.
Während ihre Freunde Willi und Arne dem Erzfeind Vikram nachjagen, haben Daniel, Milena und Co ganz andere Probleme! Denn der neue Klassenlehrer verheimlicht etwa, der neue Mitschüler verdreht allen Mädchen den Kopf und im Wald taucht ein rätselhaftes Tor auf, für das niemand eine Erklärung hat. Hals über Kopf steckt die Klasse im nächsten großen Abenteuer, welches alles bisher Erlebte in den Schatten stellt und im wahrsten Sinne des Wortes um eine neue Dimension erweitert.
Sind Milena und ihre Freunde bereit für ihre erste Zeitreise?

Dies ist der dritte Band der Reihe um die Welt von ALTERAS.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum18. Dez. 2022
ISBN9783347812093
ALTERAS: Der Weltenspringer
Autor

Agnes Maxsein

„Wir alle sind Geschichten. Darum haben wir so ein tiefes Bedürfnis danach, Geschichten erzählt zu bekommen.“ Agnes Maxsein wurde am 27.01.1991 in Essen geboren und wuchs in Alpen am Niederrhein auf. Mit 19 begann sie in Münster Kunst und Germanistik zu studieren. Seit 2017 arbeitet sie als Lehrerin an einer Gesamtschule. Ihre Liebe zu Geschichten entdeckte sie schon in früher Kindheit; in die Welten von Michael Ende, J.K. Rowling oder J.R.R. Tolkien tauchte sie völlig ein. Bereits mit 17 entwarf sie ihren ersten Roman, seitdem ließ das Schreiben sie nicht mehr los. Maxsein ist nebenberuflich Sängerin und stets auf der Suche nach Möglichkeiten, Bilder und Musik und Literatur zu neuen Geschichten zu verbinden.

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    Buchvorschau

    ALTERAS - Agnes Maxsein

    Kapitel 1

    Der Neue

    Daniel schlug die Augen auf und sah die raue Zunge einer Kuh, Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er war es gewöhnt, unsanft geweckt zu werden. Bei zwei Brüdern gehörte das einfach zum Leben dazu. Aber das hier ging entschieden zu weit. Die Kuh streckte den Kopf durch den Zelteingang und beschnupperte prustend den Inhalt des Gebildes, das da auf ihrer Weide aufgetaucht war. Daniel rappelte sich auf und die Kuh stampfte erschrocken rückwärts.

    „Was’n los?", fragte Lasse schlaftrunken.

    „Wir haben Besuch", sagte Daniel. Er schlug die Plane vom Vorzelt zurück und sah sich um. Eine ganze Herde von Kühen näherte sich neugierig ihrem Zelt. Eine trampelte mit schlammigen Hufen auf seinen Schuhen herum, eine ließ einen nervösen Fladen auf die Sicherungsleinen klatschen und eine kaute auf Daniels Socken, die eigentlich zum Trocknen draußen hingen.

    „Wo kommen die denn her?" Lasse streifte sich einen Schuh über und verscheuchte eine gefleckte Kuh vom passenden Gegenstück.

    Daniel spähte über die Wiese, auf der Obstbäume und Pappeln wuchsen. Unter einer Baumreihe verlief ein trockener Graben und dahinter stand ein Gatter offen. „Da, das haben wir gestern wohl übersehen." Er zog an, was von seinen Schuhen übrig war, die Socken überließ er den Kühen. Dann machte er sich daran, die Heringe aus dem Boden zu ziehen, während ihn neun Augenpaare stetig beobachteten.

    Lasse sah auf die Uhr. „Mist. Das schaffen wir nie. Ich hab dir gesagt, es ist ne dämliche Idee, am letzten Ferientag noch zu zelten."

    Daniel warf die langen Haare zurück und stopfte eilig seine Klamotten in den Rucksack. „Am ersten Tag läuft doch eh nichts, ist doch egal, wenn wir zu spät kommen."

    „Du hast gut reden, mit der bekloppten Bartôt. Ich hab den Schoofs, der ist nicht so gechillt."

    Daniel grinste. Er hatte wirklich Glück: Seine Klassenlehrerin war nicht nur das perfekte Pendant zu der größten Chaosklasse, die an der Gesamtschule Schöneburg jemals aufgetaucht war. Sie war zudem auch noch eingeweiht in das größte Geheimnis von Daniel und seinen Freunden. Wenn es einen Grund gab, sich auf die Schule zu freuen, dann war es die Aussicht, bald wieder die Parallelwelt Alteras zu besuchen. Er schulterte seinen Rucksack und faltete das Zelt zu einem knautschigen Klumpen, den er mehr schlecht als recht in die vorgesehene Hülle quetschte.

    „Viertel vor acht, sagte Lasse. „Keine Chance. Schon gar nicht ohne Kaffee.

    Daniel zuckte die Schultern, pfiff I’m a believer und trabte über die Weide, bemüht, mit seinen lädierten Schuhen nicht in einen pizzagroßen Kuhflatschen zu treten. Die Herde glotzte ihnen nach, unsicher, was sie von ihrem überstürzten Abgang halten sollten.

    Auf der anderen Seite des Zauns hatten sie ihre Fahrräder geparkt. Daniel sprang auf und radelte den Feldweg hinauf. Die Morgensonne tauchte die Baumspitzen der Heesener Höhen in grünes Gold, ein paar Krähen flogen aus den Wipfeln auf, als sie mit quietschenden Reifen auf die staubige Straße bogen. Von hier aus ging es ein längeres Stück bergab, eine der seltenen Stellen am flachen Niederrhein. Daniel beugte sich tief über den Lenker, der frische Fahrtwind weckte ihn besser als jeder Kaffee. Der Schwung trug ihn weit voran, er rollte noch immer, als sie das Ortsschild Schöneburg passierten. An einigen Gartenzäunen flatterten beschriebene Bettlaken und Plakate. Im Vorbeifahren schnappte Daniel Sprüche auf, wie etwa: Keine Kiesgrube für Stumpf! Oder: Hände weg von unserem Wald!

    Sie sausten weiter durch die Siedlung, im Strom mit Berufspendlern und Frühstückspilgern, die zum nächsten Bäcker strömten. Eine Kirchenglocke schlug acht Mal. Daniel hörte Lasse hinter sich fluchen. Ein paar Minuten später erreichten sie die Hauptstraße. Wenn Daniel die Augen zusammenkniff, konnte er sich vorstellen, dass er sie in Alteras entlang fuhr, auf die Kathedrale zu, an verwinkelten Gässchen und einladenden Cafés vorbei, anstelle von Tankstellen und Baumärkten, die in seiner Welt den äußeren Rand von Schöneburg formten.

    „Was machst du denn? Bei Lasses Ruf tauchte Daniel aus seinem Tagtraum auf. Er war schon fast am Bahnübergang, zu weit, seine Schule lag rechts von ihnen. Sie nahmen die letzten Meter im Spurt und rammten ihre Räder in die Metallständer. „Bis nachher.

    Daniel nickte seinem Bruder zu und machte sich auf den Weg in seine Klasse. Ihr Raum lag im ersten Stock in einem Flur mit gelben Wänden. Aber am sichersten fand man die 7d, wenn man einfach dem größten Lärm auf dem Gelände folgte. Der heutige Morgen bildete da keine Ausnahme – die gab es sowieso nur höchst selten und verhieß meist nichts Gutes. Daniel ging nicht gleich hinein, sondern presste das Ohr an die Tür und versuchte, aus dem Tumult einzelne Stimmen herauszuhören.

    „…bah, du Schlampe, das ist ja abartig!"

    Das war unverkennbar Jule. Wen sie wohl meinte? Hoffentlich nicht Enida, die hatte unter Jeanette schon genug zu leiden.

    Etwas krachte laut. Dann: „Schnauze, der Hund ist selber schuld!" Rocko war also auch anwesend.

    „Au! Gib das wieder her!"

    „Nein, nein, nein, das ist mein kleines…"

    Daniel grinste. Mats hatte er die ganzen Ferien nicht gesehen. Ein wenig überrascht stellte er fest, dass er den Oberchaoten vermisst hatte.

    „Ruhe jetzt! Alle!" Frau Bartôt brüllte über das Krakeelen der Klasse hinweg. Daniel drückte die Klinke herunter und trat ein. Bartôt stand vor der Tafel, ein zerfleddertes Notizbuch in der Hand und braune Locken im Gesicht. Die Schüler lieferten das passende Bild zur Geräuschkulisse: Auf Tischen und Schränken hockend, mit Snacks und Süßigkeiten bewaffnet, als hätten sie einen Karnevalsumzug überfallen. Alles wie immer.

    Oder nicht ganz: Neben Frau Bartôt stand ein Schüler, den Daniel nicht kannte. Er war etwa genauso groß wie Daniel, hatte ein freundliches Gesicht und sah ein wenig erstaunt zwischen Lehrerin und Klasse hin und her.

    „Leute, das ist Kai Simon."

    „Kai reicht", sagte der Junge.

    „OK, Kai ist im Sommer von Norddeutschland hergezogen. Oh, hallo Daniel, auch da, setz dich. Ohne Hadia waren wir wieder die kleinste Klasse und daher ist Kai bei uns gelandet. Seid nett."

    Milan lachte. „Ihr Ernst? Rocko hat mich schon dreimal beleidigt, bevor ich mich hingesetzt habe."

    „Deine Mutter hat Aids!", rief Rocko.

    Milan wies mit einer Geste auf Rocko, die vor Understatement triefte. „Wie soll man…"

    „Ich fick deine Mutter!", rief Rocko.

    Milan drehte sich betont langsam zu Rocko um. „Kriegst du eigentlich mit, was du da von dir gibst?"

    Daniel ließ sich auf seinem angestammten Platz neben Didi nieder. „Hab ich was verpasst?"

    Didi schüttelte seinen Hobbitkopf. Er war immer noch mit Abstand der Kleinste in der Klasse, vom kleinen Benni einmal abgesehen. „Sie hat nur gefragt, ob wir schöne Ferien hatten, da haben alle nein gesagt und dann wollte sie den Neuen vorstellen. Warum bist du zu spät?"

    „Ne Kuh hat meine Socken gefressen…hat sie schon was zu Alteras gesagt?"

    Sie beobachteten, wie Kai sich neben Arif setzte, der sofort begann, ihm alles zu erklären.

    „Frau Bartôt, was machen wir heute?", fragte Jule.

    „Ähm, Unterricht?"

    „Nee, oder? Doch nicht am ersten Tag."

    „Naja wir müssen auch wieder diesen ganzen Orga-Kram machen, aber vorher… Sie brach ab, weil, wie so oft, nur eine Handvoll Leute zuhörten. „Geht das nicht anders? Wollt ihr wirklich genauso weitermachen?

    „Planen wir wieder den Wandertag?"

    „Wieso planen, wir gehen nach Alteras."

    „Fahren wir nicht auch auf Klassenfahrt dieses Jahr?"

    „Jau, wir machen eine Reise mit nem Luftschiff!"

    „Nein, ich hab Höhenangst."

    „Na und? Dein Pech…"

    „SCHNAUZE! Bartôt drosch auf die Klingel ein, die in allen Klassen als Ruhesignal eingesetzt wurde. In der 7d war sie jedoch eher so etwas wie ein penetranter Tinnitus. „Wir können vielleicht überhaupt nicht nach Alteras.

    Es war, wie Daniel eben noch gedacht hatte: Wenn es einmal leiser wurde, dann hatte das selten einen positiven Grund.

    Bartôt pustete ihre Locken aus den Augen und seufzte. „Ich brauch Ferien…Leute, wir haben ein Problem. Ich weiß nicht, wie es mit Alteras gehen soll, denn wir sind nicht mehr unter uns."

    „Hä?", rief Jeanette und auch die anderen zogen verwirrte Grimassen.

    „Wir erklären das Kai schon", sagte Arif beflissen.

    „Ja, Hadia hat es auch gerafft. Naja, so halb…"

    „Es geht nicht um Kai", sagte Bartôt und warf dem neuen Schüler einen kurzen Blick zu. Kai hatte offensichtlich keine Ahnung, warum er plötzlich Gesprächsthema war, ließ sich aber nichts anmerken. Sein Gesichtsausdruck war aufmerksam freundlich und ansonsten völlig blank.

    „Es geht darum – ihr bekommt eine zweite Klassenleitung."

    „WAS?!"

    Daniel fragte sich, ob das nächste Erdbeben-Institut die Eruption der Klasse wohl in den Messdaten aufzeichnete. Bartôt versuchte vergeblich, die Schülerschar zu beruhigen, aber weder Klingel noch Gefuchtel mit den Armen kamen dagegen an.

    „Sie gehen? Was soll das denn?!"

    „Sind Sie schwanger?"

    „Das hat sie doch gar nicht gemeint", heulte Didi. Dümmliches Verhalten konnte er nur schwer verkraften. Bartôt wartete notgedrungen, bis sich der erste Entrüstungssturm gelegt hatte.

    „Natürlich gehe ich nicht. Ich meine, ja, ihr seid ein Scheißhaufen…"

    Daniel zog die Augenbrauen hoch. Bartôt grinste.

    „…aber ihr seid mein Scheißhaufen! Das Ding ist, dass sich wohl die Klagen im Lehrerkollegium über euch so gehäuft haben, dass die Schulleitung irgendwie reagieren musste. Darum bekomme ich einen Teamkollegen. Irgend so ein neuer Typ namens Basgen. Ich kenn den nicht, keine Ahnung, was das für einer ist. Eigentlich sollte er schon hier sein, irgendwas mit dem Vertrag ist noch nicht geregelt. Aber ab sofort läuft alles nur noch im Doppelpack."

    „Das voll unfair!", rief Mats.

    „Können Sie nichts dagegen machen? Sagen Sie, wir brauchen den nicht."

    Bartôt zuckte die Schultern. „Nach all den Glückwünschen, die ich wegen der Unterstützung schon bekommen habe… die Kollegen denken ja so schon, dass ich verrückt bin, euch freiwillig zu behalten. Von Herrn Schoofs hab ich eine Packung Merci bekommen…"

    „Schoofs ist ein Hurensohn", sagte Rocko.

    Bartôt rieb sich die Augenbrauen, „Das, genau das, Rocko, ist der Grund, weshalb wir jetzt in der Situation stecken."

    „Und wenn wir ihn einweihen?", schlug jemand vor.

    „Spinnst du?, rief Milan. „Das Risiko ist viel zu groß.

    „Ja, was, wenn der wieder für Vikram arbeitet?"

    „Nicht nur dann, sagte Bartôt. „Woher sollen wir wissen, dass er es für sich behält? Und selbst wenn, welcher Lehrer ist schon dämlich genug, mit einer Gruppe wie euch in ein Paralleluniversum zu hüpfen.

    Daniel warf einen Seitenblick auf Kai, dessen Mimik bei dem Wort Paralleluniversum minimal an Kontur gewonnen hatte. Er passte gut zum ewig emotionslosen Arif.

    „Haben Sie sich gerade dämlich genannt?"

    „Wir müssen einfach andere Zeiten finden, um rüber zu gehen, mischte sich Daniel in die Diskussion ein. „Dann geht es eben nicht während des Unterrichts, oder an Wandertagen, oder an Klassenfahrten… Er merkte, wie er beim Sprechen immer misslauniger gegen den neuen unbekannten Lehrer und die ganze Schule wurde.

    „Ach was, wir vergraulen den einfach."

    „Ja, der hält eh nicht lange durch."

    „Wir packen dem Schlaftabletten ins Getränk."

    „Ich box den weg!"

    Frau Bartôt wartete geduldig, während die Klasse sich in immer drastischeren Auswüchsen die Ermordung ihres zukünftigen Lehrers ausmalte.

    „…und dann, gipfelte Mats triumphierend, „dann lässt der Auftragskiller noch die Bombe hochgehen und die ganze Schule explodiert!

    „Genau, sagte Didi und grinste begeistert. „Keine Sorge, Frau Bartôt. Wir haben hier alles im Griff.

    Kapitel 2

    Pausenüberraschungen

    „Was haltet ihr davon?"

    Milena, Michelle und Annika hatten zu Beginn der Pause eine der umkämpften Bänke auf dem mittleren Schulhof ergattert und beobachteten von dort aus das Treiben. Der rote Trakt lag unbeachtet hinter dem Metallzaun und tarnte sein Geheimnis durch Verfall und Hässlichkeit. Jüngere Schüler rangelten in der Sandgrube, ein paar Oberstufenschüler schlenderten mit Brötchen und Kaffeebechern daran vorbei.

    „Ja, Kacke, meinte Annika. „Wie Daniel gesagt hat, jetzt können wir sehen, wann wir überhaupt rüberkommen.

    „Aber generell ein zweiter Klassenlehrer, stöhnte Michelle. „Gar keinen Bock drauf. Von mir aus können die seinen Vertrag gerne zerreißen.

    Milena nickte trübe. Aus der Sicht der anderen Lehrer konnte sie es sogar ein Stück weit nachvollziehen. Die Klasse war im Unterricht unerträglich. Es wusste schließlich niemand, was sie mit Frau Bartôt alles erlebt hatten. Es war so schon schwierig genug, ihre Unternehmungen geheim zu halten. Mehr als einmal war es verdammt knapp gewesen. Mit einem zweiten Klassenlehrer, womöglich streng und humorlos, der ihnen ständig auf die Finger sah, stieg das Risiko erwischt zu werden immens. Und das gerade jetzt, wo Milena mehr denn je zurück nach Alteras wollte.

    Michelle knüllte ihre Brötchentüte zusammen und warf sie lässig über Milenas Kopf in den Mülleimer. „Wir schaffen das schon. Bartôt oder Hanna fällt was ein. Generell, so lange Willi und Arne noch unterwegs sind, ist es eh nicht so geil, oder?"

    „Hast du schon vergessen?", fragte Milena ungläubig.

    „Was? Oh. Ach ja. Matte." Michelle grinste verkniffen und konnte dabei eine leicht genervte Note nicht verbergen.

    Milena scharrte mit den Füßen. Ja, sie hatte in den Ferien viel davon gesprochen. Sehr viel. Aber konnte man ihr das verübeln? Matteo war seit über einem Jahr fort und endlich gab es eine Chance, ihn wiederzufinden. Michelle und Annika waren es beide leid, zu diskutieren, warum Arne ihnen nie die ganze Geschichte von ihrem Sprung erzählen wollte. Seine ewigen Beteuerungen, es ginge Matteo gut in der fremden Welt, boten wenig Anhaltspunkt. Aber das war mittlerweile egal. Schließlich waren sie seit ein paar Wochen im Besitz der Zahlen, die das Tor zu ihm öffnen würden. Sobald sie eine Gelegenheit fanden…

    „Denkt ihr, sie haben Vikram gefunden?, fragte Annika. „Ich meine, Arne und Willi kennen sich in Alteras besser aus. Ich glaube nicht, dass er ihnen entkommt, oder?

    Michelle zuckte die Schultern, aber Milena sagte: „Er hat einen Transzendor. Er braucht nur ein neues Tor zu öffnen und weg ist er."

    „Stimmt…Aber dann könnte man das Tor vielleicht zerstören. So wie Arne das zu Izels Welt. Und dann könnte er nicht mehr zurück."

    Milena dachte kurz darüber nach. Es klang logisch. Vorausgesetzt, Arne und Willi fanden dieses hypothetische Tor. „Aber dann ist Vikram immer noch in der x-ten Parallelwelt mit einem Transzendor unterwegs."

    „Ja, gut, sagte Michelle gedehnt. „Aber das ist dann deren Problem, nicht mehr unseres, oder?

    Milena betrachtete ihre Freundin stirnrunzelnd. Michelle saß mit verschränkten Armen auf der Rückenlehne und sah missmutig einem Sechstklässler beim Spielen zu.

    „Alles in Ordnung? Du bist irgendwie mies drauf…"

    Michelle zuckte wieder die Schultern. „Keine Ahnung. Schule, dieser neue Lehrer, nervt irgendwie alles…"

    Es schellte und sie sprang so schnell auf, dass Annika und Milena kaum hinterherkamen.

    „Was denkt ihr eigentlich über diesen Kai?, fragte Annika in einem Versuch, das Thema zu wechseln. „Der sah schon ganz gut aus…

    Michelle sprang zu Milenas Erleichterung tatsächlich darauf an. „Was, findest du den süß? Ich dachte, du stehst auf Arne."

    Annika wurde rot. „Quatsch. Arne ist doch viel zu alt. Überhaupt, dann stehst du auch auf den."

    „Nein, ich steh auf den da", sagte Michelle leise und blieb wie angewurzelt stehen.

    Milena sah es auch. Auf einer der Bänke im Forum saß ein Junge, den sie zuvor noch nie an der Schule gesehen hatten. Seine Pose war betont lässig, ein Ellbogen auf der Lehne, die Beine unter dem Tisch ausgestreckt. Die dunkelblonden Haare waren lang und leicht gelockt – nicht wuschelig wie bei Didi und auch nicht strähnig wie Daniels, sondern perfekt gestylt in kräftigen Wellen. Er strich sich eine Locke aus der Stirn und sah zu ihnen herüber. Er lächelte nicht, aber seine dunklen Augen fixierten Milena einen Moment lang, sodass sie sich verlegen abwandte.

    „Ich hab ihn zuerst gesehen", flüsterte Michelle.

    „Nicht nur du", sagte Milena. Um seine Bank standen bestimmt ein halbes Dutzend kichernder Mädchen, und eine vollbusige Schönheit saß in lasziver Pose auf dem Tisch.

    „Was glaubt ihr, in welche Klasse er geht?"

    „Keine Ahnung, neunte oder zehnte auf jeden Fall."

    „Sollen wir mal rüber gehen?"

    „Und dann?"

    „Hallo sagen? Aua!" Mats sauste an ihnen vorbei und rammte dabei sowohl Michelle als auch Milena. Sie stolperte und fing sich wenig anmutig mit Hilfe einer verstaubten Topfpflanze. Als sie aufsah, hatte der Junge sich wieder seiner Gesellschaft zugewandt. Michelle versuchte, es Mats heimzuzahlen, aber der war schon in die Klasse entwischt.

    „Unfassbar, dass es Leute gibt, die echt so gut aussehen, seufzte Michelle, als sie sich zum Unterricht setzten. Ihre schlechte Laune war offenbar einer ganz anderen Verfassung gewichen. „Und in unserer Klasse? Nur so Spielkinder wie Mats.

    „Was hatte der Typ da eigentlich an?, fragte Annika. „Ne Weste oder so. Alles irgendwie so Retro…

    „Sah aber gut an ihm aus", murmelte Milena und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

    „Jaa, schwärmte Michelle. „Wie ein Schauspieler aus so einem Vampirfilm.

    „Boah nee, keine Twilight-Story bitte." Annika verdrehte die Augen.

    „Nee, dafür ist der zu hübsch", kicherte Michelle.

    Milena bekam von der Mathestunde wenig mit. Wenn sie nicht gerade Annika beobachtete, die immer wieder verstohlen zu Kai hinübersah, drifteten ihre Gedanken zu dem unbekannten Jungen aus dem Forum. Etwas hob ihn von allen anderen Schülern an der Gesamtschule ab. Und das waren nicht seine ausgefallenen Kleider. Er hatte einfach eine Ausstrahlung, die sofort die Aufmerksamkeit auf sich zog. Auch wenn Annika das vielleicht gerade nicht bemerkte. Am Ende der Stunde sah sie, dass Michelles Matheaufgaben allesamt unlesbar waren, weil sie fast jede Zahl in ein Herzchen verwandelt hatte.

    Sie sahen ihn noch einmal kurz, als sie nach Schulschluss zum Parkplatz liefen. Wieder entdeckte Michelle ihn als erste und zeigte aufgeregt ans andere Ende, wo er soeben einen Roller bestieg und dann zügig hinter den herannahenden Schulbussen verschwand.

    „Was ist denn mit euch los?, fragte Michelles Mutter auf dem Heimweg. Sie waren schon fast an der Stelle, wo sie vor zwei Jahren Vikram begegnet waren, und bislang hatte keine der drei auch nur ein Wort gesprochen. „Es kann unmöglich noch schlimmer geworden sein in eurer Klasse!

    „Nee…", sagte Annika langsam. Dann schwiegen wieder alle.

    Milena sah aus dem Fenster auf die trockenen Vorgärten und staubigen Autos. An einigen Zäunen hingen Spruchbänder. In Schöneburg hatte sie auch schon etliche davon gesehen, bei allen ging es irgendwie um Kies und den Bürgermeister Wilbert Stumpf. Jetzt entdeckte sie ein neues. Auf ein weißes Bettlaken waren ein paar schwarze Vögel gemalt. Darüber stand in Rot: Rettet den Krähenhof!

    „Was sind das eigentlich alles für Plakate?", fragte sie Michelles Mutter.

    „Plakate? Ach so. Der Stumpf plant, in der Gegend noch mehr Kies ausbaggern zu lassen. Dagegen gibt’s Protest, weil dafür Wald gerodet wird und einige Bauern auch ihr Land verlieren."

    „Ist ja auch unfair", sagte Michelle.

    „Für die Betroffenen schon, sagte ihre Mutter. „Aber es bedeutet auch Einnahmen für Schöneburg und eine Menge Arbeitsplätze.

    „Und was ist mit dem Krähenhof?", fragte Milena weiter.

    „Keine Ahnung, liegt vielleicht auch in dem geplanten Gebiet, habe ich noch nichts drüber gehört. Da wären wir, Liebes."

    Milena stieg aus, tief in Gedanken. Ihr erster Schultag wurde mit unschöner Regelmäßigkeit zu einer Zitterpartie – jedes Mal gab es Unsicherheitsfaktoren, die sie vor neue Probleme stellten.

    Ihre Mutter war noch nicht zu Hause und so blieben ihr weitere Fragen erspart. Sie fand einen Rest Auflauf im Kühlschrank und setzte sich damit in den winzigen Garten. Hinter dem Palisadenzaun hörte sie die Nachbarskinder im Planschbecken toben. Sie steckte sich Kopfhörer in die Ohren und drehte ihre Musik laut. Es dauerte nicht lange, da wurde sie von einem halben Dutzend Nachrichten von Michelle unterbrochen.

    Leona kennt eine, die IHN kennt.

    Sie sagt, er heißt Lennard.

    Er geht in die 9d.

    Kennst du wen aus der Klasse?

    Milena?

    Milena legte das Handy beiseite. Ihr war nicht danach, mit Michelle über den mysteriösen neuen Schüler zu tratschen. Warum sollte er sich für ein paar dumme kleine Siebtklässlerinnen interessieren? Milena wollte sich nicht zum Gespött der Schule machen, indem sie ihm nachlief, wie die Mädchen heute in der Pause. Sicher, wenn sie ihm allein auf dem Flur begegnete… oder auf dem Heimweg, wenn er einmal zufällig an ihr vorbeifuhr und sie auf dem Roller mitnahm…

    Wieder summte ihr Handy. Mehr aus Reflex als aus echtem Interesse sah sie auf das Display. Es war Daniel, der in ihre Alteras-Gruppe schrieb:

    Nachricht von Hanna: Morgen früh, wenn alle mit der Einschulung der neuen 5er beschäftigt sind, Trip nach Alteras!

    Milena schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und genoss die Sonne. Endlich. So kamen die Dinge wieder ins Lot.

    Kapitel 3

    Einbrecher

    „Wow, sagte Kai. Er flüsterte es mehr und es war kein einfaches Wort der Überraschung. Es war das Wow aller Weihnachtsbescherungen, aller Sternschnuppen und doppelten Regenbögen, aller großen Film-Enden und Fußballtore. Ein Wow, aus dem jede Begeisterung und jedes Erstaunen sprach, die je empfunden worden waren. Er machte ein paar vorsichtige Schritte vom Tor weg und sah nach oben, einem funkelnden Luftschiff nach. Der Rest der Klasse tauchte scheinbar aus dem Nichts auf und Daniel schloss das Tor hinter ihnen. Kai drehte sich auf den Hacken, vom Tor zur Eisenbahnbrücke, zu den fremden Häusern, den Blick immer wieder in die Luft gerichtet. „Wow, wiederholte er. Milan klopfte ihm auf die Schulter. „Ich fühl das, Mann."

    „Alle fertig?, rief Bartôt. „Wir bilden heute zwei Gruppen. Eine kommt mit mir zu Frau Castillo. Die andere…

    „…Können wir schauen, ob Willi zurück ist?", fragte Daniel. Er versuchte, es beiläufig klingen zu lassen, doch er sah, dass zumindest Frau Bartôt ihm das nicht abnahm. Sie wusste, wie sehr er Willi vermisste.

    „Also gut, sagte sie mit einem nachsichtigen Lächeln. „Aber macht euch nicht zu große Hoffnungen. Ich bin sicher, Arne hätte sich bei uns gemeldet, wenn sie wieder da wären.

    Daniel nickte, aber er war trotzdem entschlossen. Didi, Milan und Mats schlossen sich ihm sofort an. Mit Arif kam Kai und nach kurzem Zögern auch Annika. Daniel wurde mit jedem Schritt aufgeregter. Der Weg war so vertraut, als liefe er ihn jeden Tag, dabei war er schon wieder Wochen nicht hier gewesen. Bartôt hatte ja recht, es war unwahrscheinlich, dass sie zurück waren. Dennoch.

    Hinter ihm beantwortete Arif mit stoischer Ruhe Kais Fragen. Ihr neuer Mitschüler stolperte mit offenem Mund über das Kopfsteinpflaster und ließ nicht erkennen, ob er wirklich verstand, was Arif erklärte.

    „…weil dieser Typ Horkus, der Vater von Hanna, als Lehrer bei uns gearbeitet hat und dann diese Tore geöffnet hat…Indem er eine Zeitreise gemacht hat, ins Jahr, ähm welches nochmal?"

    „1780", rief Daniel über die Schulter. Das Datum hatte er im Laufe ihrer Schnitzeljagd nach den Geheimnissen von Alteras verinnerlicht.

    „…genau. Und dadurch entstand diese Welt, die sich ab da anders entwickelt hat als unsere…"

    Daniel hörte mit halbem Ohr zu, während Arif alles Wissen abspulte, das sie in den letzten zwei Jahren zusammengetragen hatten, über Sprünge in die Vergangenheit und Zukunft, über Arne, das Team, verschiedene Welten, Paradoxien und Schmetterlingseffekte. Als Arif anfing, über Vikram zu sprechen, driftete Daniel in eigene Überlegungen ab. Ob Willi und Arne ihren Gegenspieler erwischt hatten? Und dann? Vikram machte vor nichts Halt, das hatten sie selbst erlebt. Bei all dem wussten sie aber im Grunde nicht, was eigentlich Vikrams Ziel war, jetzt, da er einen Transzendor besaß. Ob er ihn benutzen würde, um unfassbar reich zu werden? Wenn er zum Beispiel in die Vergangenheit springen und in Apple-Aktien investieren würde? Wäre das so schlimm? Je nachdem, was er mit dem Geld vorhatte. Er hatte bislang nie hinterfragt, dass Vikram der Bösewicht in der ganzen Sache war. Aber Arne hatte selbst gesagt, so einfach sei es nicht, Vikram wäre bloß ein einzelner Mensch mit egoistischen Interessen, nicht das Böse in Person…

    Willis Haus lag friedlich in der Morgensonne des letzten Augusttages. Eine weiße Katze räkelte sich genüsslich auf einem Mauervorsprung. Ob Willi seinen Kater Geronimo mitgenommen hatte? Mats rüttelte an der Seitentür, die in die Werkstatt führte. Aber selbst ein geborenes Abbruchunternehmen wie er bekam sie nicht auf, sie war fest verriegelt. Daniel stieg trotzdem die Stufen zur Haustür hinauf und klopfte. Die Tür gab nach und schwang auf. Sein Herz machte einen Hüpfer, er grinste den anderen zu.

    „Perfekt! Ich hatte so ein Gefühl."

    „Dürfen wir das?, fragte Annika. „Ist das nicht einbrechen?

    „Quatsch, Willi kennt uns doch." Daniel trat ein und stolperte über einen Haufen Zeitungen und Briefe, die sich hinter der Tür stapelten. Willi hatte wohl noch keine Lust gehabt, sie durchzusehen. Milan und Didi folgten dicht hinter ihm, die anderen mit mehr Abstand.

    „Ähm, Daniel, sagte Milan und fuhr mit dem Finger über die dicke Staubschicht auf dem Flurschrank. „Sieht nicht aus, als wäre jemand hier.

    „Vielleicht ist er gerade erst wieder zurück, widersprach Daniel. „Er muss hier sein, die Tür war schließlich auf. Willi? Arne?

    Seine Rufe verhallten unbeantwortet, verschluckt von Staub und unbenutzten Möbeln.

    „Mir gefällt das nicht, quengelte Didi. „Hier ist niemand.

    „Es muss jemand da sein, wegen der Tür", wiederholte Daniel stur. Doch auch ihn überkam langsam eine gewisse Beklemmung. Jemand war vielleicht da. Aber allem Anschein nach niemand von ihren Freunden.

    „Denkt ihr, es wurde eingebrochen?", fragte Arif.

    Sie standen in Willis verstaubtem Wohnzimmer und sahen einander beunruhigt an. Daniel horchte angestrengt. Die völlige Stille im Haus war entnervend, er bildete sich ein Knarzen der Deckendielen ein, ein Knirschen der Treppe oder ein unterdrücktes Husten.

    „Warum sollte hier jemand einbrechen?", fragte Didi.

    „Jemand von Vikrams Leuten hätte Grund, sagte Milan. „Informationen oder auch wegen dem Luftschiff, das Willi für ihn gebaut hat…

    „Seid leise", zischte Daniel. Diesmal war er sicher etwas gehört zu haben. Aber vielleicht war es bloß eine Maus, die sich über die Katzen-freie Wohnung freute.

    „Meine Oma hat immer gesagt, wenn ein Einbrecher im Haus ist, soll man ganz viel Krach machen", sagte Annika vorsichtig.

    Daniel schaltete einen Moment zu langsam. „Mats, nicht, wollte er rufen. Aber es war zu spät. Annikas Worte wirkten, als hätte sie eine gespannte Bogensehne losgelassen. Mit einem Freudenschrei sprang Mats auf den nächsten Sessel, benutzte ihn als Trampolin, schnappte sich einen Hocker und galoppierte damit in die Küche. Innerhalb von Sekunden riss er sämtliche Schränke auf, zerrte Töpfe, Teller und Besteck heraus und verwendete sie als Schlagzeug, das direkt aus der Hölle stammen musste. Inspiriert davon warf Kai erst ein paar Sessel und Stühle um, griff dann nach einer Schöpfkelle und einem Tortenheber und drosch auf sämtliche Oberflächen ein, die er erwischen konnte. Egal ob Holz, Metall, Stein, Glas oder Kopf, Kai trommelte auf allem herum. In ihre erbärmlich unrhythmische Kakofonie mischte sich ihr Gebrüll, das immer wieder in Phrasen wie „Verzieh dich, Einbrecher, mündete. Über all das kreischte Annika: „Ein zweiter Mats! Ich dachte, wir hätten einen zweiten Arif! Es ist ein zweiter Mats."

    „Hört doch mal auf!, brüllte Daniel, doch niemand nahm davon Notiz. Er rannte den Flur hinunter. Die Tür war ins Schloss gefallen. Er riss sie auf und sprang hinaus. Für einen flüchtigen Augenblick sah er jemanden die Straße entlang sprinten und dann um die nächste Ecke biegen. Daniel fluchte und kehrte in die Küche zurück. Auch Didi und Milan trommelten jetzt mit Kochlöffeln auf Bratpfannen und hörten erst auf, als Daniel zum dritten Mal schrie: „Er ist weg!

    Kai und Mats hatte eindeutig eine Art Rausch gepackt: Sie kümmerten sich nicht um Daniel oder irgendwelche Einbrecher, sondern überboten sich gegenseitig in ihrem Krach und suchten mit leuchtenden Augen nach neuen Zielen. Daniel verwarf den Gedanken, Willis Einrichtung zu retten. Immerhin war wirklich eingebrochen worden, notfalls konnten sie es darauf schieben. Stattdessen ging er mit den anderen vor die Tür. Annika wirkte ziemlich mitgenommen.

    „Sollen wir das der Polizei melden?", fragte Didi.

    „Und was sagen wir, wenn die fragen, wer wir sind?", gab Milan zurück. Didi zog einen Flunsch.

    „Wir könnten es anonym anzeigen", schlug Arif vor.

    „Ohne MoKo?, sagte Daniel. Arif zuckte die Schultern. „Ich hätte verdammt gerne so ein Teil, überlegte Daniel vor sich hin. Den Wunsch hegte er schon länger. Die MoKos waren so etwas wie die Smartphones von Alteras. Sie waren aber auch unverzichtbar, wenn man den Transzendor für eine Zeitreise einsetzen wollte. Tatsächlich brauchte man dafür sogar mehrere. Aber wäre es für ihre Ausflüge nicht ohnehin sinnvoll, wenn wenigstens ein paar Leute in der Klasse damit ausgestattet wären? Daniel würde sich sofort eines kaufen. Nur leider besaßen sie kein Geld für Alteras.

    „Frau Castillo könnte das übernehmen", schlug Annika vor.

    „Nein, Frau Castillo kann nicht für uns alle MoKos kaufen", sagte Daniel in Gedanken.

    „Hä? Nein, den Einbruch melden."

    „Ach so, ja, stimmt."

    Es dauerte noch eine Weile, bis sie Kai und Mats von ihrem Küchenschlagzeug trennen konnten. Die beiden ließen es sich nicht nehmen, jeweils mit einer Suppenkelle und einem Schneebesen bewaffnet, ihr Getrommel an Straßenlaternen, Zaunpfählen und Fensterbänken fortzusetzen. Annika schien hin und hergerissen, ob sie lachen oder sich schämen sollte. Daniel zog Willis Haustür kräftig zu, bevor er den anderen folgte. Das würde den Einbrecher vermutlich kaum aufhalten, aber vielleicht hatten sie ihn wenigstens für eine kleine Weile verscheucht. Willi, wo steckt ihr nur, dachte er.

    Frau Castillo begrüßte sie an der Ladentür. Sie war einer dieser Menschen, die stets gleich perfekt aussahen, als hätte man einmal eine Vorlage gemacht, nach der sie sich jeden Tag wieder formten. Sie trug die grauen Haare in einem eleganten Knoten, der sich nie löste, ihre weißen Blusen kannten weder Flecken noch Falten und ihr Blick war immer scharfsinnig und klar. Nicht wie Frau Bartôt, die gewöhnlich voller Farbkleckse war und deren Haare ein ausgelassenes Eigenleben führten.

    „Bei Willi wurde eingebrochen", platze Daniel heraus, ehe Frau Castillo mehr als guten Morgen sagen konnte…Sie zog die Augenbrauen hoch. Daniel beeilte sich, ihr Erlebnis zu schildern. (Den Teil mit Kai und Mats ließ er vorsichtshalber aus.)

    Sie zückte ihr MoKo und drückte ein paar Mal darauf herum.

    „Benachrichtigen Sie die Polizei?", fragte Milan.

    „Noch nicht. Erst einmal sollte Willi davon wissen."

    „Rufen Sie ihn an? Können wir mit ihm sprechen?", fragte Daniel aufgeregt.

    Frau Castillo schüttelte den Kopf. „Ich schicke ihm nur eine Nachricht. Aber ich weiß nicht, wann er sie bekommt. Arne und er wollten möglichst abgeschottet fliegen. Falls Vikram ihre Kommunikation angezapft hat und sie abhört."

    Daran hatte Daniel noch gar nicht gedacht. Der Jäger konnte leicht zum

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