Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst
Von Ruben Doneleit und Doneleit
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Über dieses E-Book
Gerade die Strafbarkeitsrisiken im öffentlichen Dienst waren bisher im Vergleich zu denen in der Privatwirtschaft nicht vollständig aufgearbeitet worden. In der Arbeit wird der bisherige Forschungsstand unter Bezugnahme auf die Auswirkungen des nationalen Hinweisgeberschutzgesetzes erörtert. Auch weitere grundlegende Fragen, wie beispielsweise zur Reichweite von privilegierungswürdigen Inhalten und zur Person des Whistleblowers, werden unter Berücksichtigung der Besonderheiten des öffentlichen Diensts beantwortet.
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Buchvorschau
Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst - Ruben Doneleit
Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München
vorgelegt von
Ruben Gernot Doneleit
2023
www.cfmueller.de
Herausgeber
Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht
Herausgegeben von
Prof. Dr. Mark Deiters, Münster
Prof. Dr. Thomas Rotsch, Gießen
Prof. Dr. Mark A. Zöller, München
Autor
Ruben Doneleit studierte Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz mit dem Schwerpunkt „Strafrechtspflege: Wirtschaftsstrafrecht, Kriminologie, Europäisierung und Praxis". Nachfolgend absolvierte er den Juristischen Vorbereitungsdienst im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Im Anschluss daran arbeitete er promotionsbegleitend als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Dr. Mark A. Zöller an dessen Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und das Recht der Digitalisierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2024 ist er als Rechtsanwalt in München tätig.
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <https://portal.dnb.de> abrufbar.
ISBN 978-3-8114-6244-1
E-Mail: kundenservice@cfmueller.de
Telefon: +49 6221 1859 599
Telefax: +49 6221 1859 598
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© 2024 C.F. Müller GmbH, Heidelberg
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Vorwort des Autors
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Wintersemester 2023/2024 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden – soweit verfügbar – bis Dezember 2023 berücksichtigt.
Zuvorderst gebührt meinem verehrten Doktorvater, Professor Dr. Mark A. Zöller, ein ganz besonderer Dank. Er hat die Arbeit in jedem Stadium der Entstehung uneingeschränkt unterstützt und gefördert. Zudem ermöglichte er mir, an seinem Lehrstuhl als Wissenschaftlicher Mitarbeiter neben der eigenständigen Forschung viele schöne und lehrreiche Erfahrungen sammeln zu dürfen.
Professor Dr. Ralf Kölbel danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Professor Dr. Matthias Krüger danke ich für seine Mitwirkung im Rahmen der mündlichen Prüfung.
Zudem danke ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen Lauritz Öllerer, Dr. Tanja Niedernhuber, Maximilian Schach, Isabella Klotz und Dr. Felix Ruppert. Sie alle standen mir stets für fachliche Gespräche zur Verfügung und haben so diese Arbeit maßgeblich vorangebracht. Für die Mühen des Korrekturlesens danke ich herzlich Frau Laura Palmer und Herrn Dr. Lucas Lichtenberg.
Zuletzt bin ich meinen Eltern, Gernot und Sabine Doneleit, sowie meiner Schwester, Sarah Doneleit, zu großem Dank verpflichtet. Sie haben mich auf meinem gesamten Lebensweg stets mit Herz und Verstand begleitet und mich erst zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ihnen widme ich daher diese Arbeit.
München, Dezember 2023 Ruben Doneleit
Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Autors
Abkürzungsverzeichnis
Teil 1 Einleitung
A. Einführung 1 – 5
B. Abgrenzung des Themas 6, 7
C. Ziel und Gang der Untersuchung 8 – 12
Teil 2 Grundlagen des Whistleblowings
A. Phänomenologische Eingrenzungen 13 – 143
I. Whistleblowing 14 – 130
1. Herkunft und Verwendung des Begriffs 15 – 19
2. Merkmale zur Definitionsermittlung 20 – 90
a) Sender 24 – 61
aa) Organisationsverbundenheit 25 – 29
bb) Interessenkonfliktlage 30 – 33
cc) Nachteile für Whistleblower 34 – 37
dd) Fehlen eigener Abhilfemöglichkeit 38, 39
ee) Relevanz der Motive 40 – 55
(1) Einwände gegen Berücksichtigung 42, 43
(2) Notwendigkeit der Einbeziehung 44 – 49
(3) Gewährung finanzieller Anreize 50 – 52
(4) Motivbündel 53
(5) Weitere subjektive Anforderungen 54
(6) Zwischenergebnis 55
ff) Verhältnis zum Missstand 56
gg) Auszuklammernde Berufsgruppen 57 – 60
hh) Zwischenergebnis 61
b) Nachricht 62 – 78
aa) Inhalt der Nachricht 63 – 75
(1) Begrenzung möglicher Inhalte 64 – 69
(2) Kategorisierung des Nachrichteninhalts 70
(3) Subjektive Bewertung 71 – 74
(4) Zwischenergebnis 75
bb) Bekanntwerden der Informationen 76
cc) Form der Mitteilung 77
dd) Zwischenergebnis 78
c) Empfänger 79 – 88
aa) Abhilfemöglichkeit des Empfängers 80, 81
bb) Beziehung zum Gegenstand der Mitteilung 82
cc) Rangverhältnis von Sender und Empfänger 83 – 87
dd) Zwischenergebnis 88
d) Bisheriges Verständnis von Whistleblowing 89, 90
3. Weitere Beteiligte und deren Interessen 91 – 109
a) Der Verursacher des Missstandes 92, 93
b) Der Betroffene 94 – 101
c) Die Allgemeinheit 102 – 109
aa) Öffentliches Interesse und öffentliches Informationsinteresse 104
bb) Kategorisierung der Interessen 105
cc) Rückgriff auf die Rechtsordnung 106
dd) Bedeutung für das Whistleblowing 107, 108
ee) Zwischenergebnis 109
4. Begehungsweisen 110 – 117
a) Intern und extern 111 – 116
b) Weitere Differenzierungsmöglichkeiten 117
5. Funktionen des Whistleblowings 118 – 121
a) Transparenzfunktion 119
b) Korrektivfunktion 120, 121
6. Abgrenzung zu anderen Mitteilungsarten 122 – 130
a) Kronzeugen 123 – 125
b) Denunziation 126
c) Weitere Mitteilungsarten 127 – 129
d) Zwischenergebnis 130
II. Der öffentliche Dienst 131 – 143
1. Definition 132
2. Personen 133 – 142
a) Beamte 134, 135
b) Richter 136, 137
c) Tarifbeschäftigte 138
d) Sonstige Arbeitnehmer 139
e) Öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis 140
f) Mandatsträger 141
g) Gemeinderats- und Kreistagsmitglieder 142
3. Zwischenergebnis 143
B. Verfassungsrechtliche Vorgaben 144 – 213
I. Beamte 147 – 181
1. Geltung der Grundrechte für Beamte 148 – 154
a) Besonderes Gewaltverhältnis 149
b) Sonderstatusverhältnis 150 – 153
c) Geltung der Grundrechte beim Whistleblowing 154
2. Grundrechte beim Whistleblowing 155 – 173
a) Meinungsfreiheit 156 – 160
b) Petitionsrecht 161 – 163
c) Gewissensfreiheit 164, 165
d) Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte 166 – 168
e) Allgemeines Persönlichkeitsrecht 169
f) Pressefreiheit 170
g) Koalitionsfreiheit 171
h) Widerstandsrecht 172
i) Zwischenergebnis 173
3. Art. 33 Abs. 4, 5 GG als Grundrechtsschranke 174 – 180
4. Zwischenergebnis 181
II. Richter 182, 183
III. Tarifbeschäftigte 184, 185
IV. Sonstige Arbeitnehmer 186
V. Weitere Beteiligte 187 – 198
1. Verursacher des Missstandes 188
2. Der Betroffene 189 – 194
a) Der Staat 190 – 192
b) Privatrechtliche Organisationen 193, 194
3. Die Allgemeinheit 195 – 198
VI. Ausgleich und Gewichtung 199 – 212
1. Praktische Konkordanz 200
2. Verhältnismäßigkeit von Whistleblowing 201 – 212
a) Legitimer Zweck und Geeignetheit 202
b) Erforderlichkeit und Angemessenheit 203 – 212
aa) Stufenmodell der Rechtsprechung 204 – 211
(1) Im öffentlichen Dienst 205
(2) Im privatrechtlichen Sektor 206
(3) Bewertung und eigener Ansatz 207 – 211
bb) Zwischenergebnis 212
VII. Zwischenergebnis 213
C. Einfachrechtliche Voraussetzungen 214 – 281
I. Beamte 215 – 260
1. Pflichten der Beamten 216 – 250
a) Allgemeine Treuepflicht 217
b) Verschwiegenheitspflicht 218 – 233
aa) Anwendungsbereich 219, 220
bb) Ausnahmen gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 BBG 221 – 224
cc) Ausnahmen gemäß § 67 Abs. 2 S. 2 BBG 225 – 232
(1) Freiheitlich demokratische Grundordnung 227, 228
(2) Bedeutung für Whistleblower 229 – 231
(3) Zwischenergebnis 232
dd) Ergänzende Regelungen 233
c) Verfassungstreuepflicht 234 – 241
aa) Begriffsbestimmung 235
bb) Handlungsoptionen 236 – 240
cc) Zwischenergebnis 241
d) Folgepflicht 242, 243
e) Remonstrationspflicht 244, 245
f) Allgemeinwohlbindung 246, 247
g) Wohlverhaltenspflicht 248, 249
h) Zwischenergebnis 250
2. Rechte der Beamten 251 – 260
a) Dienstwegerecht 252, 253
b) Remonstrationsrecht 254
c) Auskünfte an Medien 255, 256
d) Weitere Rechte zur Mitteilung von Informationen 257 – 259
e) Zwischenergebnis 260
II. Richter 261, 262
III. Tarifbeschäftigte 263 – 277
1. Treuepflicht 264
2. Verschwiegenheitspflicht 265 – 271
a) Begründung der Pflicht 266 – 268
b) Umfang der Pflicht 269
c) Analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 BBG 270
d) Zwischenergebnis 271
3. Verfassungstreuepflicht 272, 273
4. Weitere Pflichten 274
5. Rechte der Tarifbeschäftigten 275
6. Zwischenergebnis 276, 277
IV. Sonstige Arbeitnehmer 278
V. Zwischenergebnis 279 – 281
D. EMRK 282 – 297
I. Anwendbarkeit 283, 284
II. Rechte der EMRK 285 – 288
1. Rechte des Whistleblowers 286, 287
2. Rechte der weiteren Beteiligten 288
III. Vorgaben des EGMR 289 – 292
IV. Folgen für Whistleblower im öffentlichen Dienst 293 – 296
V. Zwischenergebnis 297
E. Unionsrechtliche Anforderungen 298 – 381
I. Grundrechte-Charta der Europäischen Union 299 – 308
1. Anwendbarkeit 300
2. Grundrechte des Whistleblowers 301 – 304
3. Grundrechte der weiteren Beteiligten 305 – 307
4. Zwischenergebnis 308
II. Sekundärrecht 309 – 380
1. Exkurs: Geschäftsgeheimnis-Richtlinie 310 – 326
a) Geschäftsgeheimnisse 311 – 316
aa) Vergleich zur bisherigen Definition 312, 313
bb) Illegale Geheimnisse 314 – 316
b) Regelungsstruktur 317, 318
c) Auswirkungen für Whistleblower im öffentlichen Dienst 319 – 323
d) Nationale Umsetzung 324, 325
e) Zwischenergebnis 326
2. Whistleblowing-Richtlinie 327 – 371
a) Zielsetzung 328, 329
b) Anwendungsbereich 330, 331
c) Regelungsstruktur 332 – 340
aa) Hinweisgeber 333
bb) Verstöße 334, 335
cc) Adressatenkreis 336, 337
dd) Schutzvoraussetzungen 338, 339
ee) Verhältnis zur GeschGeh-RL 340
d) Auswirkungen für Whistleblower im öffentlichen Dienst 341 – 359
aa) Vergleich zur Whistleblowing-Definition 342 – 346
(1) Whistleblower 343, 344
(2) Whistleblowing-Nachricht 345, 346
bb) Verhältnis zum Stufenmodell 347 – 349
cc) Haftungsprivilegien 350 – 358
(1) Hinreichender Grund zur Annahme 351
(2) Schutz vor strafrechtlicher Haftung 352 – 355
(3) Weiterer Schutz vor Haftung 356 – 358
dd) Zwischenergebnis 359
e) Umsetzung der Richtlinie 360 – 370
aa) Unmittelbare Anwendung 361 – 365
bb) Umfang der Umsetzung 366 – 370
f) Zwischenergebnis 371
3. Auswirkungen der WB-RL auf das nationale Recht 372 – 380
a) Kein Erfordernis einer einheitlichen Benennung 373
b) Künftige Berücksichtigung der Motive 374 – 380
aa) Die unionsrechtskonforme Auslegung 375 – 377
bb) Konkrete Auswirkungen der WB-RL 378, 379
cc) Zwischenergebnis 380
III. Zwischenergebnis 381
F. Hinweisgeberschutzgesetz 382 – 466
I. Historie 383, 384
II. Anwendungsbereich 385 – 392
1. Persönlich 386 – 389
2. Sachlich 390 – 392
III. Regelungssystematik 393 – 414
1. Hinweisgegenstand 394 – 397
2. Möglichkeiten zur Mitteilung 398 – 414
a) Interne Meldestellen 399
b) Externe Meldestellen 400 – 404
c) Offenlegung 405, 406
d) Zukunft des Stufenmodells 407 – 412
e) Zwischenergebnis 413, 414
IV. Strafrechtlicher Schutz 415 – 442
1. Informationsweitergabe 418 – 438
a) Hinreichender Grund zur Annahme 419 – 432
aa) Nachforschungspflicht 420
bb) Sorgfaltsmaßstab und Irrtümer 421 – 423
cc) Öffentlich verfügbare Informationen 424, 425
dd) Wahre Informationen 426, 427
ee) Anwendungsbereich des HinSchG 428
ff) Erforderlichkeit 429 – 431
gg) Zwischenergebnis 432
b) Rechtsfolge 433 – 436
c) Zwischenergebnis 437, 438
2. Informationsbeschaffung 439 – 441
3. Zwischenergebnis 442
V. Bezug zu anderen Rechtsbereichen 443 – 463
1. Verhältnis zu sonstigen Vorschriften 444 – 455
a) § 4 HinSchG 445 – 447
b) § 5 HinSchG 448 – 451
c) § 6 HinSchG 452 – 454
d) Zwischenergebnis 455
2. Ergänzende Änderungen 456 – 463
a) Beamtenrecht 457 – 462
b) Arbeitsschutzrecht 463
VI. Zwischenergebnis 464 – 466
G. Arbeitsdefinition des Whistleblowings 467
Teil 3 Strafrechtliche Bedeutung von Whistleblowing
A. Strafbarkeit der Mitteilung von Informationen 468 – 711
I. § 353b StGB 470 – 575
1. Aufbau und Historie 471 – 473
2. Geschütztes Rechtsgut 474 – 477
3. Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB 478 – 562
a) Täterkreis 479 – 499
aa) Amtsträger 480 – 495
(1) Beamte 481 – 483
(2) Richter 484
(3) Öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis 485
(4) Sonstige Bestellung 486 – 494
(a) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung 487 – 492
(b) Bestellung 493, 494
(5) Zwischenergebnis 495
bb) Besonders Verpflichtete 496, 497
cc) Personen gemäß Personalvertretungsrecht 498
dd) Zwischenergebnis 499
b) Das Dienstgeheimnis 500 – 523
aa) Begriffsbestimmung 501 – 509
(1) Beamte 504, 505
(2) Richter 506
(3) (Tarif-)Beschäftigte 507, 508
(4) Zwischenergebnis 509
bb) Verhältnis zu anderen Geheimnisarten 510 – 517
(1) Privatgeheimnisse 511 – 514
(2) Staatsgeheimnisse 515
(3) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse 516
(4) Zwischenergebnis 517
cc) Illegale Geheimnisse 518, 519
dd) Anvertraut oder sonst bekannt geworden 520 – 522
ee) Zwischenergebnis 523
c) Unbefugtes Offenbaren 524 – 537
aa) Kenntnis des Empfängers 525 – 528
bb) Einordnung des Merkmals „unbefugt" 529 – 535
cc) Zwischenergebnis 536, 537
d) Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen 538 – 560
aa) Begriffsbestimmung 539 – 547
(1) Gefährdung 540
(2) Öffentliche Interessen 541 – 545
(3) Wichtigkeit 546
(4) Verfassungsmäßigkeit 547
bb) Eigene Bewertung 548 – 553
cc) Mittelbare Gefährdungen 554 – 557
dd) Verwirklichung durch Whistleblowing im öffentlichen Dienst 558, 559
ee) Zwischenergebnis 560
e) Innere Tatseite 561, 562
4. Tatbestand des § 353b Abs. 2 StGB 563 – 567
a) Verpflichtete gemäß § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB 564
b) Verpflichtete gemäß § 353b Abs. 2 Nr. 2 StGB 565
c) Tatobjekt und Tathandlung 566, 567
5. Versuchsstrafbarkeit 568, 569
6. Ermächtigungserfordernis 570 – 572
7. Nebenfolge 573
8. Zwischenergebnis 574, 575
II. §§ 93 ff. StGB 576 – 595
1. Geschütztes Rechtsgut 577
2. Das Staatsgeheimnis 578 – 585
a) Definition 579, 580
b) Schutz „illegaler Staatsgeheimnisse" 581 – 583
c) Folgen für Whistleblower im öffentlichen Dienst 584, 585
3. Straftatbestände 586 – 593
a) § 94 Abs. 1, § 95 Abs. 1, § 97 Abs. 1, 2 StGB 587, 588
b) § 97a S. 1 StGB 589
c) § 97b StGB 590 – 593
4. Zwischenergebnis 594, 595
III. § 203 StGB 596 – 612
1. Geschütztes Rechtsgut 597
2. § 203 Abs. 2 StGB 598 – 609
a) Täterkreis 599
b) Fremdes Privatgeheimnis 600 – 604
c) Unbefugtes Offenbaren 605 – 609
3. § 203 Abs. 4 StGB 610
4. § 203 Abs. 6 StGB 611
5. Zwischenergebnis 612
IV. Exkurs: § 23 GeschGehG 613 – 629
1. Anwendbarkeit im öffentlichen Dienst 614 – 616
2. Täterkreis 617
3. Geschäftsgeheimnis 618 – 621
4. Tathandlung 622 – 624
5. Subjektiver Tatbestand 625 – 628
6. Zwischenergebnis 629
V. §§ 185 ff. StGB 630 – 650
1. § 187 StGB 632 – 635
2. § 186 StGB 636 – 646
a) Grundtatbestand 637 – 641
b) Strafbarkeitsbedingung und innere Tatseite 642 – 644
c) Qualifikation 645, 646
3. § 185 StGB 647 – 649
4. Zwischenergebnis 650
VI. § 145d StGB und § 164 StGB 651 – 655
VII. Weitere Straftatbestände 656 – 696
1. § 126a StGB 657 – 663
2. § 201 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB 664 – 667
3. § 201a Abs. 2 S. 1 StGB 668
4. § 202a Abs. 1 StGB 669 – 672
5. § 202d Abs. 1 StGB 673 – 675
6. § 206 Abs. 1, 4 StGB 676 – 680
7. § 353d StGB 681
8. § 355 StGB 682, 683
9. § 42 BDSG 684 – 691
10. § 106 UrhG und § 33 KUG 692 – 695
11. Zwischenergebnis 696
VIII. Nichtvornahme der Mitteilung 697 – 709
1. § 138 StGB 698 – 704
a) Voraussetzungen des § 138 Abs. 1, 2 StGB 699 – 702
b) Folgen für Whistleblower im öffentlichen Dienst 703, 704
2. Garantenpflicht 705 – 709
IX. Zwischenergebnis 710, 711
B. Strafbarkeit der Informationsbeschaffung 712 – 740
I. §§ 96, 97a S. 2 StGB 713, 714
II. § 123 Abs. 1 StGB 715 – 718
III. §§ 201, 202 StGB 719 – 722
IV. §§ 202a ff. StGB 723 – 727
V. §§ 242 Abs. 1, 246 StGB 728 – 730
VI. § 274 Abs. 1 StGB 731, 732
VII. § 23 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG 733
VIII. § 42 BDSG 734 – 736
IX. § 106 UrhG 737, 738
X. Beteiligung des Whistleblowers an anderen Taten 739
XI. Zwischenergebnis 740
C. Strafbarer Umgang mit Informationen 741 – 743
D. Exkurs: Außerstrafrechtliche Folgen 744 – 769
I. Disziplinarrecht 745 – 761
1. Anwendungsbereich und Funktionen 746 – 750
2. Dienstvergehen 751 – 757
a) Voraussetzungen 752, 753
b) Whistleblowing als Dienstvergehen 754 – 757
3. Disziplinarmaßnahmen 758 – 761
II. Wirkung strafgerichtlicher Entscheidungen 762
III. Dienstrechtliche Folgen 763 – 767
IV. Nichtrechtliche Nachteile und Beeinträchtigungen 768
V. Zwischenergebnis 769
Teil 4 Bisherige Lösungsansätze
A. Tatbestandsmäßigkeit 770 – 809
I. § 5 GeschGehG als Regelungsvorbild 771 – 791
1. Rechtliche Einordnung 772 – 774
2. § 5 Nr. 1 GeschGehG 775
3. § 5 Nr. 2 GeschGehG 776 – 789
a) Erlangung, Nutzung und Offenlegung 777 – 779
b) Schutz berechtigter Interessen 780, 781
c) Besondere Eignung 782 – 786
d) Implementierung Stufenmodell 787, 788
e) Bewertung 789
4. Sonstige berechtigte Interessen 790
5. Zwischenergebnis 791
II. Begrenzung von Geheimnissen 792 – 796
1. Illegale Geheimnisse 793, 794
2. § 93 Abs. 2 StGB-E 795, 796
III. Analoge Anwendung des § 86 Abs. 4 StGB 797 – 803
IV. Tatbestandsirrtum 804 – 808
V. Zwischenergebnis 809
B. Rechtswidrigkeit 810 – 876
I. Notwehr 812 – 825
1. Mitteilung von Informationen 813 – 824
a) Notwehrlage 814 – 823
aa) Notwehr und Nothilfe 815 – 818
bb) Notwehrfähiges Rechtsgut 819
cc) Gegenwärtiger Angriff 820
dd) Notwehr durch Whistleblower im öffentlichen Dienst 821 – 823
b) Notwehrhandlung 824
2. Informationsbeschaffung 825
II. Rechtfertigender Notstand 826 – 846
1. Aggressiv- und Defensivnotstand 828 – 830
2. Mitteilung von Informationen 831 – 845
a) Notstandslage 832 – 842
aa) Notstandsfähiges Rechtsgut 834 – 837
bb) Gegenwärtige Gefahr 838, 839
cc) Notstand durch Whistleblower im öffentlichen Dienst 840 – 842
b) Notstandshandlung 843, 844
c) Subjektives Rechtfertigungselement 845
3. Informationsbeschaffung 846
III. Einwilligung 847 – 850
IV. Rechtfertigende Pflichtenkollision 851 – 855
V. Grundrechte als Rechtfertigungsgrund 856 – 858
VI. Weitere Rechtfertigungsgründe 859 – 875
1. § 193 StGB (analog) 860 – 866
a) Voraussetzungen des § 193 StGB 861 – 863
b) Voraussetzungen für analoge Anwendung 864 – 866
2. § 97c StGB-E, § 353c StGB-E 867 – 875
a) Entwurfsfassung 868 – 870
b) Bewertung 871 – 875
VII. Zwischenergebnis 876
C. Schuld 877 – 886
I. Entschuldigender Notstand 878
II. Irrtum des Whistleblowers 879 – 886
D. Kronzeugenregelung 887, 888
E. Zwischenergebnis 889
Teil 5 Lösungsvorschlag
A. Eigener Ansatz 890 – 931
I. Neuer Rechtfertigungsgrund 891 – 926
1. Reformvorschlag 892
2. Erläuterungen 893 – 926
a) Whistleblowing als Rechtsbegriff 894 – 904
aa) Umfang des Whistleblowings 895, 896
bb) Vor- und Nachteile von Whistleblowing 897 – 900
cc) Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz 901
dd) Vereinbarkeit mit dem Europarecht 902
ee) Vereinbarkeit mit dem HinSchG 903, 904
b) Legitimation 905
c) Anwendungsbereich 906 – 923
aa) Abs. 1 Reformvorschlag 906 – 921
(1) Sachlicher Anwendungsbereich 907, 908
(2) Persönlicher Anwendungsbereich 909, 910
(3) Geschützte Handlungen 911, 912
(4) Interessenabwägung 913 – 916
(5) Stufenmodell 917 – 920
(6) Subjektives Rechtfertigungselement 921
bb) Abs. 2 Reformvorschlag 922
cc) Abs. 3 Reformvorschlag 923
d) Systematische Einordnung 924, 925
e) Zwischenergebnis 926
II. Einfachgesetzliche Ergänzungen 927, 928
III. Aufhebung § 353b StGB 929 – 931
B. Zusammenfassung in Thesen 932 – 940
C. Ausblick 941, 942
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Im Übrigen wird verwiesen auf: Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Auflage 2021
Teil 1 Einleitung
A. Einführung
1
Das Phänomen Whistleblowing ist seit Jahren in Gesellschaft und Medien präsent. Die unüberschaubare Liste bekanntgewordener Fälle, wie unter anderem bei Enron, Siemens oder WorldCom,[1] die Veröffentlichung der sogenannten Panama-Papers[2] sowie die öffentlich in Erscheinung getretenen Personen wie Chelsea Manning, Edward Snowden[3] und Julian Assange, die gemeinhin als „Whistleblower bezeichnet werden, prägten die mediale Berichterstattung hierüber. Weitere aktuelle Beispiele in diesem Kontext sind das von der baden-württembergischen Landesregierung im September 2021 eingeführte Melde- und Hinweissystem für Steuerstraftaten[4] oder die als „Facebook- und Wirecard-Whistleblower
bezeichneten Frances Haugen[5] und Pav Gill[6]. Dabei geht das Meinungsspektrum bezüglich der Akzeptanz und des Nutzens von Whistleblowing weit auseinander. Wahlweise wird Whistleblowing als „Beitrag zur Rechtsdurchsetzung[7] oder als „pragmatische Privatisierung der Strafverfolgung
[8] angesehen.
2
Alle zuvor Genannten haben dazu beigetragen, dass zunächst geheim gehaltene beziehungsweise unbekannte Informationen über Geschehnisse, die sie als Missstand empfanden, international der Öffentlichkeit bekannt wurden. So hat Edward Snowden durch die Weitergabe von Geheimdienstdokumenten an und deren anschließende Veröffentlichung durch die Presse die weltweite Tätigkeit von US-amerikanischen Geheimdiensten in den Bereichen Spionage und Personenüberwachung aufgezeigt und hierdurch die sogenannte NSA-Affäre ausgelöst. Chelsea Manning und Julian Assange sind dahingegen untrennbar mit der Enthüllungsplattform Wikileaks verbunden. Assange gründete diese Plattform, auf der mithilfe von Manning, einer ehemaligen Soldatin der US-Streitkräfte, unter anderem Videoaufzeichnungen des Beschusses von Zivilisten durch US-amerikanische Soldaten hochgeladen und dadurch abrufbar wurden.
3
In Deutschland prägten besonders zwei Sachverhalte die Diskussion rund um das Whistleblowing. Zum einen handelt es sich um den Fall von Werner Pätsch.[9] Dieser erachtete 1963 als angestellter Mitarbeiter des BfV Abhöraktivitäten hinsichtlich des Post- und Fernmeldeverkehrs dieser Behörde in Kooperation mit den alliierten Geheimdiensten, an denen er teilweise selbst beteiligt war, als nicht mit Art. 10 Abs. 1 GG vereinbar und daher als illegal. Nachdem Werner Pätsch einen Rechtsanwalt hierüber unterrichtete, machte er die Behördenaktivitäten durch Mitteilung an Medienvertreter publik, woraufhin er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Zum anderen sorgte in neuerer Zeit der Fall von Brigitte Heinisch für Aufsehen, die Anfang der 2000er-Jahre als Altenpflegerin, nachdem sie ihren Arbeitgeber auf Mängel in der Pflege und eine nicht ordnungsgemäße Dokumentation von Pflegeleistungen hingewiesen hatte, Strafanzeige wegen Betruges gegen diesen erstattete und nachfolgend gekündigt wurde.[10]
4
Dabei zeigt sich, dass beim Whistleblowing unterschiedliche Interessen kollidieren. Dies betrifft das Interesse einer Behörde oder eines Unternehmens als Betroffener an der Geheimhaltung vertraulicher Informationen sowie das entgegenstehende Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Mitteilungsinteresse des Whistleblowers. Jedoch kann auch der Dienstherr oder Arbeitgeber des Whistleblowers ein Interesse an der Kenntniserlangung der Informationen über einen Missstand haben, von dem er ohne Whistleblowing nicht oder nicht als Erstes erfährt, um den Missstand schnell und gegebenenfalls unauffällig zu beseitigen. Die Beispielsfälle verdeutlichen zudem, dass Whistleblower persönliche und berufliche Folgen in Gestalt von strafrechtlichen Verurteilungen und Kündigungen oder sozialer Missachtung treffen können. Dabei schlägt sich das Spannungsfeld der gegenläufigen Interessen beim Whistleblowing in rechtlicher Hinsicht nieder. Der Whistleblower gerät durch sein Handeln in einen Konflikt mit seiner Verschwiegenheits- und Loyalitätspflicht gegenüber seinem Dienstherrn oder Arbeitgeber.
5
Whistleblowing im öffentlichen Dienst betrifft neben dem Strafrecht das Verfassungs-, Beamten- und Arbeitsrecht. Die gesellschaftliche, politische und rechtliche Relevanz des Themas, die durch bereits ergangene Reformen,[11] politische Reformvorhaben[12] und die durch die EU vorgegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen in Form mehrerer Richtlinien und Verordnungen noch gesteigert wird.
B. Abgrenzung des Themas
6
In dieser Untersuchung werden die strafrechtlichen Risiken für Whistleblower im öffentlichen Dienst in den Blick genommen. Dieser Aspekt wurde, trotz der Fülle an Publikationen zu den verschiedenen Teilbereichen des Whistleblowings,[13] bisher nicht umfassend rechtlich aufgearbeitet.[14] Schwerpunkt der strafrechtlichen Abhandlungen zum Whistleblowing war bislang die unbefugte Mitteilung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eines Unternehmens und die sich daraus ergebenden Strafbarkeitsrisiken gemäß § 17 UWG a.F. und § 23 GeschGehG.[15] Die spezifischen Gefahren aus strafrechtlicher Sicht für Whistleblower im öffentlichen Dienst, wie beispielsweise durch § 353b StGB, wurden allenfalls am Rande behandelt.
7
Außer Betracht bleibt dagegen die Rechtsstellung von Europäischen Amtsträgern, die nunmehr in §§ 203 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 353b Abs. 1 Nr. 4 StGB[16] aufgeführt sind, einschließlich des ihre Rechtsstellung präzisierenden EU-Beamtenstatuts[17]. Spezielle Tätigkeitsbereiche im Zusammenhang mit dem öffentlich Dienst, wie etwa der Betrieb einer Stadtwerke GmbH oder andere privatrechtliche Tätigkeiten und Organisationen des Staates und die dahingehend relevanten Vorschriften des Nebenstrafrechts[18] gemäß § 85 GmbHG, § 333 HGB, § 404 AktG, § 151 GenG, § 315 UmwG, werden nicht erörtert, da sich diesbezüglich keine Unterschiede zum privaten Sektor ergeben. Ferner wird aus Kapazitätsgründen auf die Rechtsstellung von Soldaten[19] und auf mögliche Strafbarkeitsrisiken beim Betrieb einer Whistleblowing-Plattform[20] nicht eingegangen, da dieser keine Besonderheit des öffentlichen Dienstes ist.
C. Ziel und Gang der Untersuchung
8
Ziel der Untersuchung ist es, die strafrechtlichen Risiken beim Whistleblowing im öffentlichen Dienst zu ermitteln, sie aufzuarbeiten und zu bewerten. Dabei ist insbesondere auf die Wahrung von Einzelfallgerechtigkeit, sowie die Rechtssicherheit und Praktikabilität der strafrechtlichen Situation für Whistleblower im öffentlichen Dienst zu achten. Hierdurch soll geklärt werden, ob die in der Vergangenheit vielfach als unsicher empfundene, rechtliche Situation für Whistleblower reformbedürftig ist.[21]
9
Dafür sind im zweiten Teil die Grundlagen des Whistleblowings im öffentlichen Dienst zu erörtern. Dies bedarf zunächst einer terminologischen Annäherung an die Begriffe des Whistleblowings und des öffentlichen Dienstes. Hierbei ist auch auf die in neuerer Zeit im europäischen und nationalen Recht verwendeten Begriffe des Hinweisgebers und der hinweisgebenden Person einzugehen. Anschließend wird anhand der europa-, verfassungs- und einfachrechtlichen Rechtslage herausgearbeitet, unter welchen Voraussetzungen Whistleblowing im öffentlichen Dienst bereits jetzt möglich oder gefordert ist. Entscheidend ist dabei der jeweilige Rechte- und Pflichtenkreis der im öffentlichen Dienst Tätigen im Verhältnis zu den anderen, in einen Whistleblowing-Vorgang involvierten Personen oder Organisationen. Auf Ebene des Europarechts ist besonders auf die WB-RL der EU und die Rechtsprechung des EGMR zur EMRK einzugehen. Zudem wird die Umsetzung der WB-RL durch das im Sommer 2023 in Kraft getretene Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz) bezüglich seiner strafrechtlichen Auswirkungen analysiert.
10
Im dritten Teil werden die strafrechtlichen Risiken für Whistleblower im öffentlichen Dienst ermittelt. Neben dem Akt der Informationsmitteilung wird auch die Informationsbeschaffung betrachtet, da dadurch weitere Straftatbestände erfüllt sein können. Außerdem ist zu erwägen, ob durch Whistleblowing im öffentlichen Dienst andere Straftatbestände, die bestimmte Umgangsformen mit Informationen, wie etwa deren Verwertung, unter Strafe stellen, einschlägig sind. Abschließend werden die strafrechtlichen Folgen der Nichtvornahme einer Whistleblowing-Handlung im öffentlichen Dienst untersucht. Daneben werden überblicksartig weitere rechtliche und nichtrechtliche Folgen für Whistleblower im öffentlichen Dienst erwogen. Diese können in Gestalt von beamtenrechtlichen Disziplinarmaßnahmen, arbeitsrechtlichen Kündigungen oder der sozialen Meidung des Whistleblowers durch andere für diesen ebenfalls nachteilig und persönlich gleichermaßen einschneidend wie eine strafrechtliche Sanktion sein. Innerhalb der strafrechtlichen Analyse wird auch geprüft, welche Auswirkungen die im zweiten Teil gefundenen Ergebnisse auf die strafrechtliche Rechtslage von Whistleblowern im öffentlichen Dienst haben.
11
Daran anschließend wird im vierten Teil erörtert, welche bisherigen Lösungsansätze in Betracht kommen, um eine Straffreistellung von Whistleblowern zu erreichen. Bezüglich der strafrechtlichen Privilegierung von Whistleblowern gibt es im Wesentlichen zwei verschiedene Strömungen. Einerseits wird ein Ausschluss auf Tatbestandsebene und andererseits auf Ebene der Rechtswidrigkeit angestrebt. Vorrangig ist hierbei die Anwendbarkeit und der Schutzumfang der bislang bestehenden Tatbestandsausschlüsse und Rechtfertigungsgründe zu erwägen, bevor mögliche Erweiterungen oder Neuregelungen in den Blick zu nehmen sind. Zudem werden ausschließlich auf privatrechtliche Fallkonstellationen anwendbare Vorschriften, wie die des § 5 GeschGehG in den Blick genommen, um eine mögliche Übertragbarkeit auf den öffentlichen Dienst zu untersuchen. Die Untersuchung endet mit einem eigenen Lösungsvorschlag im fünften Teil.
12
Wie die zuvor genannten Fälle von Whistleblowing gezeigt haben, gibt es nicht den einen klassischen Anwendungsfall. Unterschiede können sich sowohl hinsichtlich der rechtlichen Stellung des Whistleblowers und des Informationsempfängers, des Informationsgehalts der Mitteilung und des verwendeten Kommunikationskanals ergeben. Ferner sind Fälle denkbar, in denen Informationen mehrerer Personen oder Organisationen aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen preisgegeben und somit letztlich deren Interessen beeinträchtigt werden können. Der Rückgriff auf einen einzelnen Beispielsfall in dieser Untersuchung ist deshalb nicht zielführend. Wichtiger ist es vielmehr, die typologischen Besonderheiten eines Whistleblowing-Vorgangs allgemein herauszuarbeiten.
Teil 2 Grundlagen des Whistleblowings
A. Phänomenologische Eingrenzungen
13
Zunächst müssen die Begriffe Whistleblowing und öffentlicher Dienst definiert werden. Dadurch wird der Untersuchungsgegenstand inhaltlich bestimmt und eine rechtsgebietsübergreifende, juristische Bewertung des gesellschaftlichen Phänomens ermöglicht.
I. Whistleblowing
14
Erforderlich ist dies, weil Whistleblowing bisher kein Rechtsbegriff ist. Whistleblowing wird in der Rechtsprechung zwar hinsichtlich verschiedener Informationsweitergaben, wie bei einer Strafanzeige, verwendet,[1] ohne aber den Umfang erfasster Verhaltensweisen näher zu präzisieren. Zudem fehlt bisher eine gesetzliche Definition. Auch sonst wird Whistleblowing in Rechtsetzungsakten nicht verwendet. Die rechtswissenschaftliche Debatte über Whistleblowing in Deutschland begann dagegen bereits in den 1980er Jahren.[2] Notwendig ist eine Begriffsbestimmung bereits deshalb, weil unter Whistleblowing ein tatsächlicher Geschehensablauf mit verschiedenen Handlungsabschnitten verstanden werden kann. Umfasst sind davon die Kenntniserlangung der Information, die Entschlussfassung zur Preisgabe durch den Whistleblower und die Mitteilung der Information an Dritte.
1. Herkunft und Verwendung des Begriffs
15
Zunächst ist zu klären, welchen Ursprung der Begriff Whistleblowing hat und weshalb es keiner deutschen Übersetzung hierfür bedarf. Die Bezeichnung Whistleblowing ist der englischsprachigen Wendung „to blow the whistle (on someone or something) entnommen, die übersetzt „in die Pfeife blasen
, „(ab-)pfeifen, „über jemand/etwas auspacken
, „jemanden/etwas auffliegen lassen oder „jemanden verpfeifen
bedeutet.[3] Demzufolge ist ein Whistleblower eine Person, die solche Handlungen vornimmt. Der Ausdruck Whistleblower war ursprünglich für Polizisten[4] oder US-amerikanische Bahnmitarbeiter[5] gebräuchlich, die in Pfeifen bliesen, um vor Gefahrsituationen zu warnen. Auch der Pfiff eines Schiedsrichters bei einem Foulspiel wird bei der Entstehung des Begriffs angeführt.[6] Dies entspricht aber nicht dem heutigen, sinngemäßen Verständnis der Redewendung,[7] welches in den USA entstand.[8] Whistleblower übermitteln danach Informationen über interne Missstände, die ihnen als Angehörige einer Behörde oder eines Unternehmens bekannt wurden, durch sie selbst nicht behebbar sind und deshalb an zur Abhilfe geeignete Dritte weitergeleitet werden. Hierbei wird zwar ebenfalls über einen Regelbeziehungsweise Rechtsverstoß oder eine Gefahrensituation informiert. Bezugspunkt sind aber gerade nicht das Verhalten von Außenstehenden oder eine fremde Gefahr ohne Verursachungsbezug zur Behörde oder Unternehmen, sondern ausschließlich interne Informationen.
16
Eine dem entsprechende, deutsche Übersetzung gibt es nicht.[9] Die zuvor genannten, wörtlichen Übersetzungen wie beispielsweise „verpfeifen sind überwiegend negativ behaftet.[10] Eine vorurteilsfreie, wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens ist dann bereits ausgeschlossen. Folglich ist ein Whistleblower auch nicht als „Denunziant
zu bezeichnen.[11] In gleichem Maße führen positiv konnotierte Übersetzungen wie „Aufdecker oder „Enthüller
zu einer vorweggenommenen Bewertung des Whistleblowings, die sich deshalb ebenfalls nicht durchgesetzt haben.
17
Begriffe wie „Hinweisgeber"[12] oder „Informant[13] sind zwar neutral,[14] jedoch zu unspezifisch und treffen nicht den eigentlichen Gehalt des Whistleblowings oder jedenfalls nur Teile davon.[15] Im Vergleich zu einer Information enthält ein Hinweis entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch einen geringeren substanziellen Gehalt[16] und eine gewisse Beliebigkeit, da er sich auf alles beziehen kann. Zudem erfasst der Begriff „Informant
bereits Personen, die Strafverfolgungsbehörden Informationen vertraulich zukommen lassen, ohne dabei notwendigerweise wie Whistleblower eine strukturelle Beziehung zu dem Missstand inne zu haben.[17]
18
Die früher in Deutschland gebräuchliche Umschreibung als „Flucht in die Öffentlichkeit"[18] beinhaltet nur einen Teilbereich des Whistleblowings. Erfasst sind hiervon nur Mitteilungen an die Öffentlichkeit, wie etwa an die Presse, durch Beamte, um dadurch Druck auf ihren Dienstherrn auszuüben und den dienstinternen Entscheidungsprozess zu beeinflussen.[19] Deshalb ist diese Bezeichnung inzwischen gleichfalls durch Whistleblowing überlagert worden und nicht mehr in Gebrauch.[20]
19
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass der Begriff Whistleblowing kein „Modewort"[21], sondern in der deutschen Sprache angekommen ist, was nicht zuletzt an der umfassenden medialen Berichterstattung über die eingangs erwähnten Fallbeispiele und an der Fülle wissenschaftlicher Publikationen hierzu erkennbar wird. Auf eine Übersetzung ist daher zu verzichten.[22] Andernfalls besteht die Gefahr, dass entsprechend der jeweils mitschwingenden begrifflichen Konnotationen noch ungeklärte Fragen, wie beispielsweise die Ir-/relevanz der Motivationslage des Whistleblowers, in das allgemeine Sprachverständnis übernommen werden.[23] Im weiteren Fortgang der Untersuchung werden deshalb die Bezeichnungen Whistleblowing und Whistleblower verwendet.
2. Merkmale zur Definitionsermittlung
20
Als Rechtsbegriff kann Whistleblowing künftig nur dann verstanden werden, wenn dessen Elemente und dessen Anwendungsbereich klar bestimmt sind. Andernfalls ist eine Subsumtion des Phänomens unter bestehende Straftatbestände oder Rechtfertigungsgründe nicht möglich. Daher ist auf Grundlage des bis heute wohl gängigsten und am weitest verbreiteten Definitionsansatzes das hier vertretene Begriffsverständnis für die strafrechtliche Würdigung und die Frage der Privilegierungsfähigkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst zu ermitteln.
21
Bereits 1985 haben Janet P. Near und Marcia P. Miceli Whistleblowing als
„the disclosure by organization members (former or current) of illegal, immoral or illegitimate practices under the control of their employers, to persons or organizations that may be able to effect action"
umschrieben.[24] Danach erfasst Whistleblowing die Mitteilung illegaler, unmoralischer oder illegitimer Praktiken einer Organisation durch ihre (früheren oder aktuellen) Mitglieder gegenüber Personen oder anderen Institutionen, denen es möglich ist, hiergegen Abhilfe zu schaffen.[25] Von dieser weiten Definition ausgehend, besteht Whistleblowing je nach Lesart aus drei[26] oder vier[27] Elementen. Zwingend nötig sind die Person des Whistleblowers selbst (Sender), die mitgeteilte Information über den Missstand (Nachricht) und deren Adressat (Empfänger).[28] Als eigenständiges Element wird vereinzelt angeführt, dass sich der Hinweis gegen eine Organisation richten müsse.[29] Hierbei handelt es sich aber nicht um ein eigenständiges Merkmal im engeren Sinne. Vielmehr präzisiert dies näher den Informationsgehalt der Nachricht. Zudem muss sich der Missstand nicht zwingend nur gegen eine Organisation richten.
22
Neben dem Whistleblower als Akteur und dem Empfänger der Information gibt es noch weitere Beteiligte an einem Whistleblowing-Vorgang. Zu nennen sind die Person, die den Inhalt der Nachricht und damit den Missstand verursacht hat und die Behörde oder das Unternehmen als Organisation, unter der der Missstand auftrat. Darüber hinaus können weitere Personen oder Organisationen involviert sein. In Betracht kommt dies, wenn der Missstand durch eine tatsächliche oder rechtliche Interaktion mit der Organisation des Whistleblowers entsteht.[30]
23
Im Folgenden werden daher die drei Merkmale Sender, Nachricht und Empfänger näher ausdifferenziert. Dies erfolgt, indem die einzelnen Merkmale jeweils in ihre für das Phänomen Whistleblowing relevanten Bestandteile aufgeteilt werden. Dabei ist die phänomenologische Umgrenzung aber nicht zwangsläufig mit der Privilegierungsfähigkeit des Whistleblowings gleichzusetzen, da beides nicht kongruent sein muss und die Privilegierungswürdigkeit des Phänomen Whistleblowing maßgeblich von der subjektiven Einstellung hierzu abhängt. Allerdings lassen sich aus der begrifflichen Konturierung erste Mindestanforderungen ableiten, die Whistleblower stets zu erfüllen haben und die sodann bei der Strafbarkeit und der Privilegierungsfähigkeit des Whistleblowings im öffentlichen Dienst gleichsam Bedeutung erlangen.
a) Sender
24
Um eine Abgrenzung zu anderen Erscheinungsformen der Informationsübermittlung[31] zu ermöglichen, sind zunächst die Kriterien zu bestimmen, anhand denen eine Person als Whistleblower einzuordnen ist. Zu berücksichtigen sind dabei die Organisationsverbundenheit des Whistleblowers, dessen Interessenkonfliktlage sowie seine fehlende eigene Abhilfemöglichkeit. Weiterhin gilt es zu klären, ob die Motive des Whistleblowers, eine eigene Involvierung in den Missstand und ihm drohende Nachteile für die Einstufung als Whistleblower konstitutiv sind. Abschließend muss erwogen werden, ob es Berufsgruppen gibt, bei denen eine Zuordnung zum Whistleblowing generell ausgeschlossen ist. Nicht maßgeblich ist dagegen, ob die Identität des Whistleblowers übermittelt wird. Einem Missstand kann auch dann abgeholfen werden, wenn der Whistleblower anonym agiert.
aa) Organisationsverbundenheit
25
Die Kenntnisnahmemöglichkeit des Whistleblowers hinsichtlich eines internen Missstandes und somit seine Beziehung zur Organisation ist als Organisationsverbundenheit zu bezeichnen. Diese ist Ausdruck der besonderen Stellung von Whistleblowern im Vergleich zu außenstehenden Dritten, die die Kenntnisnahme interner Missstände ermöglicht. Daher müssen Whistleblower zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung internes Mitglied einer Behörde oder eines Unternehmens sein.[32] Sofern Angehörige eines solchen Organisationsmitglieds von dem Missstand erfahren und diesen anschließend mitteilen, handelt es sich dagegen aufgrund der dann rein privaten Kenntniserlangung und der fehlenden Organisationsverbundenheit nicht um Whistleblowing.
26
Denkbar ist, das Kriterium der Organisationsverbundenheit anhand einer formalen Eingliederung des Whistleblowers in die Organisation oder rein faktisch zu bestimmen, da durch beides die Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Missstandes für den Whistleblower geschaffen werden kann. Die Eingrenzung anhand der rechtlichen Beziehung des Whistleblowers zu der Organisation, bei der der Missstand auftrat, ermöglicht klare Abgrenzungen. So lässt sich eindeutig klären, ob eine Person in einem (wirksamen) Beschäftigungsverhältnis zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Informationen über einen Missstand steht. Dies ist vor allem für die Eingrenzung möglicher Privilegierungsvorschriften notwendig.[33] Im öffentlichen Dienst ergeben sich dadurch keine Einschränkungen, da die dort Tätigen entweder verbeamtet sind oder einen Arbeitsvertrag mit dem Staat abgeschlossen haben.[34] Eine rein faktische Bestimmung des Kriteriums ließe dagegen die Besonderheiten des Whistleblowings außer Betracht, da auch Publikumsverkehr, Gäste, Kunden oder Lieferanten potenziell Einblick in interne Missstände haben können, ohne selbst Teil der Organisation zu sein.[35] Eine ausschließlich rechtliche Sichtweise kann daher zu eng und eine faktische Bestimmung der Organisationszugehörigkeit zu weit sein.
27
Aufgrund dieser Schwächen bei der begrifflichen Eingrenzung der Whistleblowing-Definition wird für das Merkmal der Organisationsverbundenheit einschränkend ein privilegierter Wissenszugang gefordert.[36] Ein solcher besteht, wenn der Whistleblower infolge seiner persönlichen Stellung Zugang zu internen Informationen hat[37] und dieser nicht in gleicher Weise für die Öffentlichkeit existiert. Personen in einem Beschäftigungsverhältnis haben stets einen solch privilegierten Wissenszugang. Daneben besteht er für Kunden oder Lieferanten ohne organisatorische Eingliederung, da sie aufgrund einer bestehenden geschäftlichen oder vertraglichen Beziehung und hierdurch anders als außenstehende Dritte Zugang zu internen Informationen erhalten. Sofern andere Personen durch Zufall oder bei einem Besuch der Organisation interne Missstände entdecken und anschließend offenlegen, fehlt ihnen dagegen ein privilegierter Wissenszugang, da eine solche Option zur Kenntniserlangung potenziell jeder Person offensteht. Begrifflich ist dann nicht von Whistleblowing zu sprechen.
28
Ein privilegierter Wissenszugang und damit die nötige Organisationsverbundenheit fehlt auch, wenn Organisationsangehörige durch außenstehende Dritte vom Missstand Kenntnis erlangen, da die Zugangsmöglichkeit auf diesem Weg für jede andere Person in gleichem Maße besteht.[38] Anderes gilt nur, wenn ein solcher Hinweis als Anlass zu eigenen Nachforschungen genommen wird, auf deren Grundlage die Mitteilung des Missstandes erfolgt, was wohl der übliche Ablauf in diesen Fällen sein dürfte.
Unschädlich ist dagegen, wenn bei der Weitergabe der Informationen keine Organisationsverbundenheit mehr besteht. Trotz einer dann möglichen Stellung als Außenstehender hat der Whistleblower die Informationen zuvor allein durch seinen privilegierten Wissenszugang erlangt. Deshalb besteht die vormals begründete Sonderbeziehung zwischen dem Whistleblower als Sender und der Organisation hinsichtlich der Informationen über den Missstand weiter fort. Auf die Bezeichnung solcher Mitteilungen durch Außenstehende als „bell ringing" ist daher zu verzichten.[39]
29
Möglich sind weiterhin Fälle, bei denen der Missstand in der Organisation allgemein bekannt ist oder den dort üblichen Gepflogenheiten entspricht. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Information über den Missstand infolge der Organisationsverbundenheit bekannt wird.
bb) Interessenkonfliktlage
30
Für Whistleblowing-Fälle ist eine Konfliktlage sich widerstreitender Interessen kennzeichnend. Diese besteht zwischen dem Geheimhaltungsbegehren der Organisation und dem öffentlichen Informationsinteresse sowie dem Mitteilungswunsch des Whistleblowers.
31
Aber auch in dessen Person existiert eine gegenläufige Interessenlage.[40] Sie bedingt sich durch die Organisationsverbundenheit des Whistleblowers. Anders als Dritte können sie nicht stets ungehindert, beispielsweise in Gestalt einer Strafanzeige, jedwedes aus ihrer Sicht (straf-)rechtlich relevantes Verhalten mitteilen, ohne dass zwingend eine rechtliche Konfliktlage entsteht.
32
Whistleblower unterliegen in der Regel Pflichten, die sie zur Verschwiegenheit und Treue gegenüber der Organisation anhalten, bei der der Missstand auftritt. Diese sollen eine Schädigung der Organisation vermeiden.[41] Solche Pflichten ergeben sich aus Vertrag oder Gesetz (beispielsweise § 241 Abs. 2 BGB).[42] Daneben kann es dem Whistleblower ein Anliegen sein, das innerorganisatorische Arbeitsklima nicht zu gefährden. Gleichermaßen haben Kunden oder Lieferanten als Whistleblower ohne unmittelbare Organisationszugehörigkeit ein Interesse daran, bestehende Handels- oder Lieferbeziehungen nicht zu beeinträchtigen.
33
In Abhängigkeit des konkreten Empfängers kann der Whistleblower die Interessen der Organisation fördern, wenn eine interne Mitteilung erfolgt, hierdurch Schäden abgewendet oder beendet werden und dies von der Organisation gewünscht ist. Allerdings kann eine interne oder externe Mitteilung gegen Verschwiegenheitspflichten verstoßen und zu Nachteilen wie Rufschädigungen für die Organisation führen, selbst wenn sich der Missstand nachträglich als unwahr herausstellt. Dies steht sodann im Widerspruch mit dem Offenbarungs- und Abhilfebegehren des Whistleblowers auf Basis einer empfundenen gesellschaftlichen Verantwortung, welche ihn zum Handeln veranlasst.[43] Zusätzlich haben Whistleblower ein Interesse daran, in einem Umfeld tätig zu sein, in dem sie keinerlei Gefährdungen ausgesetzt sind und bei dem ihnen keine Nachteile für ihr Handeln drohen.[44]
cc) Nachteile für Whistleblower
34
Wenn sich Whistleblower dazu entscheiden, nicht tätig zu werden, drohen ihnen in der Regel keine rechtlichen Nachteile.[45] Eine moralische Zwickmühle kann aber verbleiben, da sie dann entgegen ihrer Überzeugung nicht aktiv werden.[46]
35
Tritt eine Person dagegen als Whistleblower in Erscheinung, kann sie sich verschiedenen Reaktionen auf ihr Verhalten ausgesetzt sehen. Diese können von zwischenmenschlicher Verachtung bis hin zu langjährigen Haftstrafen reichen. Für Whistleblower kann neben ihrer beruflichen Karriere deshalb ihre gesamte persönliche Existenz stark beeinträchtigt sein.
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Daher ist zu klären, ob die Inkaufnahme[47] respektive das Eintreten[48] von Nachteilen notwendige Voraussetzung ist, um begrifflich von Whistleblowing zu sprechen. Hiergegen spricht zunächst, dass der Whistleblower nicht zwingend Nachteile erleiden muss. Eine positive Resonanz auf das Verhalten des Whistleblowers ist stets möglich. In Betracht kommt sie etwa, wenn es der Organisation wichtig ist, den Missstand zu beseitigen. Der zuvor vom Whistleblower gefasste Entschluss zu handeln, bleibt davon allerdings unberührt. Demnach bedingen sich die Handlungsbereitschaft des Whistleblowers und die ihn eventuell ereilenden Nachteile nicht gegenseitig. Für Whistleblowing ist das Eintreten von Nachteilen somit nicht konstitutiv.
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Auch die Inkaufnahme von Nachteilen ist bei der Definition des Whistleblowings nicht in Ansatz zu bringen. Bei einer derartigen Eingrenzung wären Fälle begrifflich niemals erfasst, in denen sich der Whistleblower über die Folgen seines Handelns keine Gedanken macht. Dies lässt aber dessen Handlungsbereitschaft unberührt. Vielmehr wird ein Whistleblower meist hoffen, keine Nachteile zu erleiden.
dd) Fehlen eigener Abhilfemöglichkeit
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Außerdem kann begrifflich von Whistleblowing nur gesprochen werden, wenn Whistleblower nicht in der Lage sind, den Missstand allein zu beseitigen.[49] Es ist gerade charakteristisch, dass Whistleblower in ihrem Streben, den Missstand zu beseitigen, die Hilfe weiterer Personen oder Stellen benötigen.[50] Falls Whistleblower den Missstand selbst beseitigen können, hätte die Whistleblowing-Handlung gegenüber internen oder externen Dritten eine reine Informationsfunktion. Ein Unterschied zu anderen Mitteilungsformen über Missstände bestünde dann nicht mehr, weswegen die Bezeichnung einer solchen Tätigkeit als Whistleblowing an sich überflüssig wäre.
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Das Fehlen einer eigenen Abhilfemöglichkeit ist allein durch den Whistleblower während seiner Entschlussfassung zum Handeln einzuschätzen. Dabei muss er subjektiv davon ausgehen, nicht anders als durch sein anvisiertes Handeln gegen den Missstand vorgehen zu können.[51] Eine objektive Betrachtung der tatsächlichen Umstände der Abhilfemöglichkeiten des Whistleblowers ist dagegen erst nachträglich durch Dritte möglich.
ee) Relevanz der Motive
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Als Motiv des Whistleblowers ist dessen persönlicher Antrieb zum Tätigwerden zu verstehen. Die Bedeutung der Motive von Whistleblowern ist streitig. Ganz überwiegend sollen sie bei der phänomenologischen Bestimmung des Whistleblowings nicht in Ansatz zu bringen sein.[52]
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Die Gründe, warum Personen als Whistleblower aktiv werden, können vielseitig sein. Einerseits kann es ihnen darum gehen, zum Wohl der Allgemeinheit oder der Organisation den Missstand anzusprechen, um ihn beseitigen zu können.[53] Andererseits besteht die Möglichkeit, dass ihr Verhalten von Eigennutz, Frust, Wut, Rache, Neid oder Missgunst geleitet ist.[54] Dass altruistische Beweggründe des Whistleblowers bestehen, kann daher nicht generell unterstellt werden. Dennoch besteht durch die medial präsenten Fälle, wie dem von Edward Snowden, die Gefahr, Whistleblowern diese positiv konnotierten Antriebe stets zuzuschreiben.[55] Daher ist zu klären, ob die Motivationslage des Handelnden begrifflich für die Einordnung als Whistleblower maßgeblich ist. Davon hängt sodann eine mögliche, strafrechtliche Privilegierung ab, die auf Whistleblowing als Rechtsbegriff Bezug nimmt.
(1) Einwände gegen Berücksichtigung
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Gegen die Berücksichtigung der Motive eines Whistleblowers bestehen mehrere Einwände. So führe eine andere Sichtweise dazu, Whistleblower