Psychotherapeutische Versorgung von geflüchteten Menschen: Konzepte und Methoden im interkulturellen Setting
Von Alexandra Liedl
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Über dieses E-Book
Allerdings gibt es in der psychotherapeutischen Versorgung von geflüchteten Menschen einige Besonderheiten zu beachten. Alexandra Liedl beleuchtet zentrale Aspekte im interkulturellen psychotherapeutischen Setting. Dazu gehören der Umgang mit Postmigrationsstressoren, mit einem belastenden Alltag sowie der psychischen Symptomatik. Praxisnah und anhand zahlreicher Fallbeispiele beschreibt sie psychotherapeutische Methoden und Ansätze, die im interkulturellen Setting entwickelt und erfolgreich angewendet werden. Sie diskutiert Herausforderungen im interkulturellen psychotherapeutischen Setting wie die Arbeit mit Dolmetschern, Psychodiagnostik, die Rolle von sozialer Arbeit sowie den Umgang mit schwierigen Lebensbedingungen und kulturbedingten Missverständnissen.
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Rezensionen für Psychotherapeutische Versorgung von geflüchteten Menschen
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Buchvorschau
Psychotherapeutische Versorgung von geflüchteten Menschen - Alexandra Liedl
Geleitwort der Reihenherausgeberinnen
Die erfahrene Psychotherapeutin Alexandra Liedl liefert mit ihrem Band »Psychotherapeutische Versorgung von geflüchteten Menschen – Konzepte und Methoden im interkulturellen Setting« einen sehr kompakten und gut lesbaren Überblick über psychotherapeutische Ansätze im interkulturellen Setting. Ziel des Buches ist, insbesondere Psychotherapeuten und -therapeutinnen, die über noch nicht allzu viel Erfahrung mit der psychotherapeutischen Arbeit mit geflüchteten Menschen verfügen, mit zentralen Themen und Herausforderungen vertraut zu machen. Das Buch startet mit einem Überblick über das psychosoziale Drei-Säulen-Modell, das die unterschiedlichen Wirkfaktoren im Postmigrationsprozess beschreibt. Im weiteren Verlauf werden unterschiedliche psychotherapeutische Konzepte dargestellt, die unter anderem psychoedukative Elemente, die Arbeit mit Skills und das prominente Thema der Schmerzbehandlung von traumatisierten geflüchteten Menschen beinhalten. Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit unterschiedlichen Spezifika der psychotherapeutischen Arbeit im interkulturellen Kontext, dazu gehören zum Beispiel: die Arbeit mit Sprachmittlern und -mittlerinnen, die Beachtung von kulturell unterschiedlichen Krankheitskonzepten, der Umgang mit Medikamenten bzw. Psychopharmaka sowie die Relativierung westlich geprägter Autonomie- und Selbstentfaltungsideale. Durch die zahlreichen Fallvignetten und die Beschreibung von Therapiesequenzen im Einzel- und im Gruppensetting werden die konzeptuellen und methodischen Ausführungen der Autorin sehr plastisch und in der Anwendung sehr nachvollziehbar. Wir wünschen den Lesern und Leserinnen dieses Bandes eine anregende Lektüre.
Barbara Bräutigam
Dorothea Zimmermann
Maximiliane Brandmaier
Silke Birgitta Gahleitner
1Vorwort
Seit 2011 arbeite ich in einem interdisziplinären und interkulturellen Team bei Refugio München, einem Behandlungszentrum für traumatisierte Flüchtlinge und Folteropfer, das 1994 gegründet wurde. Die Angebote von Refugio München sind vielfältig und richten sich an geflüchtete Menschen, die gefoltert wurden, traumatisiert sind oder sich in einer psychischen Krise befinden, unabhängig von ihrem rechtlichen Aufenthaltsstatus. Es wird Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting für Erwachsene, Kinder und Jugendliche, Sozialberatung, fachärztliche Beratung und Begutachtung angeboten. Dabei werden geschulte Dolmetscher und Dolmetscherinnen eingesetzt. Darüber hinaus bietet Refugio München Migrationsberatung, muttersprachliche Elternseminare, an denen auch Migranten und Migrantinnen ohne Fluchterfahrung teilnehmen können, sowie ein Beratungstelefon. Die Refugio Kunstwerkstatt arbeitet künstlerisch, pädagogisch und kunsttherapeutisch mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen. Die Fortbildungs- und Forschungsakademie Refugio transfer richtet sich mit Fortbildungen an Fachkräfte und Organisationen, die mit Geflüchteten arbeiten. Zudem wird durch Forschungsprojekte in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München die Arbeit bei Refugio evaluiert und durch die Ergebnisse das Angebot stetig weiterentwickelt. Refugio München betreut jährlich mehr als 2500 Geflüchtete aus über vierzig Nationen.
Geflüchtete Menschen haben den meist schwierigen und gefährlichen Weg vom Heimat- in das Exilland auch deshalb geschafft, weil sie einen starken Überlebenswillen und große Ressourcen besitzen. Sie sind »Überlebende«, die nicht selten enorme Kräfte eingesetzt haben, um im Exilland anzukommen. Wie geflüchtete Menschen wahrgenommen werden, steht im Gegensatz dazu. Im Fokus steht meist das Defizitäre und Schwache, auch in der Arbeit mit diesen Menschen. Der Blickwinkel wird unter anderem durch die Lebensumstände im Exilland bestimmt: Es gibt viele Geflüchtete, die in ihrem Heimatland eine akademische Ausbildung gemacht und in hohen Positionen gearbeitet haben, in Deutschland jedoch nicht einmal eine Arbeitsstelle als Hilfsarbeiter/-in finden. Ein irakischer Geflüchteter hat es einmal folgendermaßen zusammengefasst: »An der Grenze habe ich meine Biografie hängen lassen.« Er hat mit diesem Satz auf die Frage reagiert: »Was heißt es, Flüchtling zu sein?« Psychotherapeutinnen und -therapeuten von Refugio München haben diese Frage ihren Klienten und Klientinnen gestellt. Neben aller Vielfalt gab es einige Antworten, die in ähnlicher Weise sehr häufig fielen: »Ich habe hier etwas völlig anderes erwartet« sowie »Zuhause erwarten meine Angehörigen vieles von mir, was ich nicht erfüllen kann.«
Die Erwartungen an das Leben im Exilland stimmen in den wenigsten Fällen mit der Realität überein. Viele Menschen sind enttäuscht von den Lebensbedingungen und den Aussichten für die nähere Zukunft. Sie hatten sich erhofft, schnell eine Arbeit zu finden, um mit dem verdienten Geld vor allem auch die Familie im Heimatland zu unterstützen und eine Wohnung zu bekommen. Dabei sehen sie sich mit einer völlig anderen Realität konfrontiert: mit vielen Jahren in Gemeinschaftsunterkünften, keiner Arbeitserlaubnis, langen Wartezeiten im Asylverfahren und in vielen Fällen mit einer unsicheren Zukunftsperspektive.
Gerade nach den ersten Wochen im Exilland, in denen die Euphorie, es geschafft zu haben, und das Engagement, das neue Leben anzupacken, oft mehr und mehr gesunken sind, kommt es häufig zu einer Phase des Frusts und Zweifels. Die unterschiedlichen Phasen der Migration und die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit stelle ich in Kapitel 2 dar. Der Postmigrationsprozess mit den entsprechenden Stressoren und ein damit einhergehender belastender Alltag beeinflussen das psychotherapeutische Setting in ähnlicher Weise wie psychische Symptome. Da diese Aspekte im interkulturellen psychotherapeutischen Setting berücksichtigt werden müssen, werden in Kapitel 2 im Rahmen des Drei-Säulen-Modells (Liedl u. Abdallah-Steinkopff, 2017) die Bereiche Postmigrationsprozess und belastender Alltag sowie psychische Aspekte ausführlich dargelegt.
In Kapitel 3 stelle ich psychotherapeutische Interventionen vor, die in der Arbeit mit Geflüchteten entwickelt wurden. Die Manuale werden zunächst jeweils theoretisch mit den Aspekten Aufbau, Inhalte, Vorgehensweise und Anwendungsbereiche erläutert. Im Anschluss schildere ich Praxisbeispiele aus dem klinischen Alltag.
Zunächst wird das psychoedukative Manual »Psychoedukation bei posttraumatischen Störungen« (Liedl, Schäfer u. Knaevelsrud, 2013) vorgestellt. Mithilfe eines psychoedukativen Gruppen- oder Einzelsettings erhalten Betroffene Informationen über Symptome und deren Zusammenhänge mit traumatischen Erlebnissen. Dadurch erfahren viele eine Entlastung, da sie die Beschwerden nicht mehr länger als Anzeichen deuten, verrückt geworden zu sein. Zudem beinhaltet das psychoedukative Vorgehen Techniken und Strategien, wie Betroffene mit Belastungen wie Schlafstörungen, Albträume, wiederkehrende Erinnerungen und dissoziative Absenzen im Alltag umgehen können. Dabei wird die besondere Situation