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Die Englisch-Niederländischen Seekriege
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eBook493 Seiten5 Stunden

Die Englisch-Niederländischen Seekriege

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Über dieses E-Book

Die Englisch-Niederländischen Seekriege waren Konfrontationen zwischen der aufstrebenden Seemacht England und der etablierten Seemacht der Niederlande. Die großen Schlachten ereigneten sich im Ärmelkanal und in der Nordsee, die Nebenschauplätze des Krieges sind im Mittelmeer, an der Westküste Afrikas, in der Karibik und in Südostasien zu finden. Diese Seekriege wurden in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft bisher kaum behandelt. Es gibt keine moderne deutschsprachige Monographie zu dieser Thematik und sie finden in Handbüchern zur europäischen Geschichte des 17. Jahrhunderts kaum Erwähnung. Es ist das Ziel des vorliegenden Werkes die Kontrahenten der Kriege vorzustellen, die politischen, ökonomischen sowie konfessionell-ideologischen Rahmenbedingungen darzulegen, die einzelnen Ursachen und Motive für die Kriege aufzuzeigen, militärische Kapazitäten sowie Strategie und Taktik der Seekriegsführung zu erläutern, den Verlauf der Kriege zu beschreiben und ebenso auf die Auswirkungen und Konsequenzen der bewaffneten Konflikte einzugehen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBöhlau Wien
Erscheinungsdatum16. Dez. 2013
ISBN9783205792727
Die Englisch-Niederländischen Seekriege
Autor

Robert Rebitsch

Robert Rebitsch ist Mitarbeiter des projekt.service.büros und Lehrbeauftragter für Geschichte der Neuzeit am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte sind die politische Geschichte und Militärgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts.

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    Buchvorschau

    Die Englisch-Niederländischen Seekriege - Robert Rebitsch

    Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch:

    L-Tirol-unser-land_HR1c.jpg L-Uni-Innsbruck_HR1c_02.tif

    die Philosophisch-Historische Fakultät

    der Universität Innsbruck

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

    Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

    im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

    Umschlagabbildung:

    Jan Abrahamsz Beerstraten, Seeschlacht bei Scheveningen, 1653.

    © Rijksmuseum Amsterdam

    Vorsatzkarte:

    Sandra Hülsmann, Hürth

    © 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar

    Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com

    Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

    Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes

    ist unzulässig.

    Korrektorat: Dr. Volker Manz, Kenzingen

    Einbandgestaltung: Satz + Layout Werkstatt Kluth GmbH, Erftstadt

    Satz: Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld

    Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Český Těšín

    Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier

    Printed in the Czech Republic

    Print-ISBN 978-3-205-79470-7

    Datenkonvertierung: Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld

    ISBN für dieses eBook 978-3-205-79272-7

    Inhalt

    Cover

    Vorsatzkarte: Die Gefechte und Schlachten der Englisch-Niederländischen Seekriege im Ärmelkanal und in der Nordsee

    Titel

    Impressum

    1. Einleitung 9

    2. Europäische und globale Lage 19

    2.1. Die Expansion der europäischen Länder 19

    2.2. Die europäischen Konfliktlinien 22

    3. Die beiden Konkurrenten im Weltsystem 43

    3.1. Niederlande 43

    3.1.1. Das politische System 43

    3.1.2. Die konfessionelle Lage in den Niederlanden 51

    3.1.3. Ökonomische Rahmenbedingungen und Innovation 54

    3.1.4. Das Goldene Jahrhundert – Kultur und Gelehrsamkeit 61

    3.2. England 63

    3.2.1. Das politische System 63

    3.2.2. Die konfessionelle Lage in England 71

    3.2.3. Ökonomische Rahmenbedingungen 75

    3.2.4. Militär in England 80

    4. Globalisierung im 17. Jahrhundert 83

    4.1. Weltumspannender Handel und Konkurrenz 84

    5. Die Ursachen des Krieges 97

    5.1. Ökonomistische Erklärungsansätze: Profit and Power 97

    5.2. Die Navigationsakte von 1651 und weitere handelspolitische Gesetze 110

    5.3. Politische Ursachen der Kriege 117

    5.4. Konfessionelle und ideologische Gründe 144

    5.5. Die Kriegsgründe 151

    6. Militärische Rahmenbedingungen 157

    6.1. Kapazitäten 157

    6.2. Strategie und Taktik 178

    7. Die Kriege 195

    7.1. Der erste Englisch-Niederländische Seekrieg 195

    7.2. Der zweite Englisch-Niederländische Seekrieg 212

    7.3. Der dritte Englisch-Niederländische Seekrieg 249

    7.4. Nebenschauplätze 268

    7.5. Landkrieg 277

    8. Friedensschlüsse 291

    8.1. Der Friede von Westminster 1654 291

    8.2. Der Friede von Breda 1667 296

    8.3. Der Friede von Westminister 1674 300

    9. Erinnerungskultur und Darstellung 309

    10. Exkurs: Der vierte Englisch-­Niederländische Seekrieg 319

    11. Epilog 327

    12. Anhang 339

    12.1. Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen 339

    12.2. Bibliographie 340

    12.2.1. Gedruckte Quellen 340

    12.2.2. Literatur 342

    12.2.3. Internetseiten 367

    12.3. Abbildungsverzeichnis 367

    13. Personenregister 369

    Backcover

    1. Einleitung

    Karthago gegen Rom im 17. Jahrhundert. Der englische Minister Anthony Ashley Cooper , 1. Earl of Shaftesbury, Mentor und Freund des Philosophen John Locke , stellte diese Assoziationen während des dritten Englisch-Niederländischen Krieges in seinen Reden vor dem Parlament gerne her: Delenda est Carthago! ¹ Die immer wieder vorgebrachte Ermahnung des römischen Senators Marcus Porcius Cato , genannt Censorius, im Vorfeld des dritten Punischen Krieges, den Erzfeind Karthago endlich zu zerstören, besaß im England der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hohe Aktualität. Der Vergleich mit Karthago oder Rom war den Engländern nicht fremd, wobei man sich auf der Insel sowohl mit der aufstrebenden Republik Rom als auch mit dem Handelsvolk der Karthager identifizieren konnte oder eben mit einer der beiden Mächten absolut nicht identifizieren wollte. ² Der Rückgriff auf den antiken Konflikt besaß einigen Charme im imperialistischen Kontext jener Zeit. Der für den Monarchen sprechende Shaftesbury war jedoch 1673 mit seiner Ermahnung nicht erfolgreich, denn die „karthagischen Niederländer verloren in diesem Jahr ihr Image als Hauptgegner, die Parlamentarier der beiden Hohen Häuser sahen eher besorgt auf den Verbündeten Frankreich. Ludwig XIV. war der kommende „Universalmonarch, der den englischen Parlamentariern politisch völlig fremd war und dem es Einhalt zu gebieten galt. Doch vor der Trendumkehr in England waren die Nachbarn jenseits des Kanals bewundert und [<<10] Seitenzahl der gedruckten Ausgabe beneidet zugleich, die erste Handels- und Seemacht wurde als nachahmenswertes Vorbild und scharfer Konkurrent gesehen. Die religiös toleranten Niederländer eigneten sich jedoch nicht nur als Rivalen im Welthandel, sondern auch als politischer und ideologischer, ja sogar als konfessioneller Gegner. Es gab daher ökonomische, politische sowie konfessionell-ideologische Gründe für die Gegnerschaft der Engländer gegen die Niederländer. Die Folge dieser zum Teil sehr tief greifenden Rivalität waren drei Seekriege innerhalb eines Vierteljahrhunderts. Hauptschauplatz der Kriege waren der Ärmelkanal und die Nordsee zwischen England und den Niederlanden, Nebenschauplätze die Küsten Norwegens, der Øresund, das Mittelmeer, Westafrika, Süd- und Nordamerika, die Karibik und Asien zwischen Indien und Indonesien. Die Englisch-Niederländischen Seekriege des 17. Jahrhunderts, in Englisch die Anglo-Dutch Wars und auf Niederländisch die Engels-Nederlandse Zeeoorlogen genannt, wurden somit weltweit zwischen der führenden und der aufstrebenden Handelsnation ausgetragen. Und natürlich spielten auch andere Mächte Europas, wie Frankreich, Spanien, Dänemark, Schweden und das Reich, eine Rolle in diesen sogenannten Seekriegen. Die quantitative wie auch die qualitative Intensität der Seeschlachten in den Englisch-Niederländischen Seekriegen war bis dahin noch nicht gesehen worden. Nur Einzelbeispiele wie die Schlacht von Lepanto von 1571, in der in etwa 280 Kriegsschiffe der Osmanen auf nicht ganz so viele Einheiten der Heiligen Liga stießen, ³ und die Schlacht der Spanischen Armada von 1588, in der 130 spanische Schiffe gegen vermutlich noch mehr englische Schiffe (allerdings darunter viele kleine Einheiten) kämpften, erreichten diese gewaltigen Dimensionen zur See.

    Es mag daher erstaunen, dass die Englisch-Niederländischen Seekriege keine allzu große Beachtung gefunden haben, weder in der englischsprachigen noch in der niederländischen und schon gar nicht in [<<11] der deutschen Geschichtswissenschaft. Der ereignishistorische Ablauf der Geschichte wurde in Darstellungen zur englischen Navy oder in biografischen Abhandlungen zu den Hauptakteuren des Krieges mehr oder weniger detailliert beschrieben.⁴ Auf die Ereignisgeschichte gingen partiell auch die quellennahen Kommentare in den zahlreichen edierten Korrespondenzen, Berichten und Protokollen ein.⁵ Die erste tief greifende moderne Analyse, die mehr auf die Ursachenbetrachtung und weniger auf die Ereignisgeschichte einging, publizierte der Experte für englisch-niederländische Beziehungen der Frühen Neuzeit, Charles Wilson. Er interpretierte die beiden ersten Seekriege als Handelskriege, als Wirtschaftskriege, die aus einem sehr spezifischen englisch-merkantilistischen Wirtschaftscredo resultierten.⁶ Die nachfolgende Forschung hat Wilson vorgeworfen, den merkantilistischen Ansatz, also die ökonomischen Gründe der beiden ersten Kriege bei Ausblendung des dritten Krieges überstrapaziert zu haben.⁷ Doch hat der in Cambridge lehrende Wirtschaftshistoriker sehr wohl die politischen Motive der handelnden Akteure gesehen und analysiert und bei Weitem nicht nur die ökonomistischen Intentionen der Staatslenker, Politiker und Unternehmer in England dargelegt. Aus militärhistorischer Perspektive ist die Abhandlung Wilsons wenig ergiebig. Der ökonomische Erklärungsansatz wurde ebenfalls stark in den einzelnen, äußerst wertvollen und quellennahen, vielfach komparativ angelegten Studien von Jonathan I. Israel, wohl der beste englischsprachige Kenner der niederländischen Geschichte, her- [<<12] vorgehoben.⁸ Israel, nebenbei auch ein führender Experte der europäischen Aufklärung, hat ein Modell des wirtschaftlichen Aufstiegs und Falls der Niederlande entwickelt, in dem die bewaffneten Konflikte gegen den aufstrebenden Rivalen England eine wichtige Rolle spielen. Der Wirtschaftshistoriker David Ormrod hat in einer jüngeren Abhandlung zum Aufstieg bzw. Fall der kommerziellen Mächte, die jedoch weit über die Epoche der drei Seekriege hinausgeht, ebenfalls explizit das wirtschaftliche Konkurrenzverhältnis und damit das merkantilistische Erklärungsmuster im Sinne einer systematischen staatlichen Wirtschaftslenkung und Wirtschaftsförderung thematisiert.⁹

    1974 veröffentlichte der ehemalige Offizier und Spezialist für niederländische sowie portugiesische Kolonialgeschichte, Charles R. ­Boxer, ein für breitere Kreise geschriebenes Buch zu den drei Seekriegen im 17. Jahrhundert.¹⁰ Das im Auftrag des National Maritime Museum Greenwich verfasste Bändchen bietet verlässliche Informationen zum Ablauf der Kriege und eine ausgezeichnete Auswahl an Bildern, jedoch keine tief greifenden Ursachenanalysen zu den drei Konflikten. Im Jahr 1996 wurden gleich zwei Studien zu den Englisch-Niederländischen Seekriegen, die mit dem Anspruch einer neuen Ursachenanalyse auftraten, publiziert. James Rees Jones, Experte für die politische Geschichte Großbritanniens des 17. Jahrhunderts, stellte klar das Primat der Politik bei seiner Betrachtung der Motive in den Vordergrund, ohne dabei jedoch die wirtschaftlichen Intentionen der herrschenden Elite zu vergessen. Jones, der den merkantilistischen Ansatz von Wilson stark hinterfragt hat, bietet mehr als nur politische Ursachenanalyse, er geht auf meteorologische, geografische, topografische sowie infrastrukturelle und technische Rahmenbedingungen ein, beschreibt das Handelswesen, [<<13] das Personal und die Administration der beiden Mächte, befasst sich ausführlich mit der Innen- und Außenpolitik der Rivalen, untersucht die Motive und Intentionen der Verantwortlichen in den Generalstaaten und in England und legt ebenso einen ausführlichen Überblick über die militärgeschichtlichen Ereignisse vor.¹¹ Der englische Historiker hat damit die umfassendste und gehaltvollste Analyse über die drei Seekriege dargelegt. Der US-Historiker Steven Pincus, nun ein ausgewiesener Experte für die britische und europäische Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, hat in der aus seiner Dissertation hervorgegangenen Studie die radikalste Interpretation der beiden ersten Seekriege unternommen.¹² Pincus stellt alle merkantilistischen und ökonomischen Erklärungsansätze in Abrede und bringt in dieser Dimension und in dieser Exklusivität erstmals eine Vielzahl an konfessionell-ideologischen Gründen ein. Auf sein viel diskutiertes Erklärungsmodell wird noch ausführlich zurückzukommen sein. Zwei Jahre später legten die Australier Roger Hainsworth und Christine Churches eine solide, vornehmlich ereignishistorisch angelegte Darstellung zu den drei Kriegen vor, die dem ersten Krieg genau so viel Platz widmet wie den beiden weiteren Kriegen.¹³ Der Marinehistoriker Nicholas Andrew Martin Rodger hat die drei Kriege in einer ausgezeichneten Synthese, die vor allem auf die Operationen, auf die Administration und die Sozialgeschichte der Kriegszeit eingeht, in seiner groß angelegten, mehrbändigen Geschichte zur britischen Navy eingebettet.¹⁴ Eine beachtenswerte Studie hat Frank L. Fox mit seiner Betrachtung zur Viertagesschlacht im zweiten Krieg publiziert, denn sie ist viel mehr als nur eine ausführliche Schlachtenbeschreibung dieses gigantischen Zusammentreffens der größten Flotten [<<14] der damaligen Zeit. Fox hat eine sehr umfangreiche und scharfsinnige militärhistorische Analyse des zweiten Krieges geschrieben.¹⁵

    Eine umfassende, ganzheitliche Studie wie jene von James R. Jones fehlt von niederländischer Seite gänzlich. Der bekannte niederländische Historiker Petrus Johannes Blok, in Groningen und Leiden tätig, stellte im dritten Teil seiner großen „Geschichte des niederländischen Volkes" (Geschiedenis van het Nederlandsche volk), die in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts bereits in dritter Auflage erschienen ist, die klassische Ereignisgeschichte der Kriege dar.¹⁶ Blok hat im Übrigen auch eine informative Biografie über den bekanntesten niederländischen Admiral Michiel Adriaenszoon de Ruyter geschrieben.¹⁷ Kenneth Harold Dobson Haley und Daniel J. Roorda haben in ihren Abschnitten der Algemene Geschiedenis der Nederlanden (Band 8) einen nur sehr allgemeinen Überblick über Ursachen und Verlauf der Kriege gegeben.¹⁸ Ebenso erfährt man im Beitrag von S. W. P. C. Braunius zur Seefahrtsgeschichte der Niederlande eher technische und taktische Details der Seekriege.¹⁹ Es könnten hier noch mehrere kürzere Abhandlungen in niederländischen Handbüchern erwähnt werden, keine aber bringen essenziell neue Erkenntnisse. Eine äußerst informative Studie zum zweiten Englisch-Niederländischen Seekrieg in englischer Sprache hat 2006 der niederländische Historiker Gijs Rommelse verfasst.²⁰ Seine Analyse stellt wiederum den merkantilistischen Wirtschaftsstil jener Zeit mit dem machtpolitischen Denken der Staatsräson in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Rommelse vereint [<<15] den ökonomischen mit dem politischen Ansatz in seiner Ursachenanalyse; dem Erklärungsmodell von Pincus kann er wenig abgewinnen. Weiters ist die Studie zum Aufbau und zur Organisation der niederländischen Kriegsmarine von Jaap R. Bruijn, die ebenfalls in Englisch erschienen ist, von großem Interesse für das Thema.²¹ Biografien zu den „Seehelden" der Republik, die oft im Detail Auskunft zur Ereignisgeschichte geben, sind in der niederländischen Geschichtswissenschaft wesentlich häufiger als Überblickdarstellungen publiziert worden. So sind hier die Biografien von Ronald Prud’Homme van Reine über Michiel Adriaenszoon de Ruyter und seine Doppelbiografie über Vater und Sohn Tromp hervorzuheben.²²

    In der deutschsprachigen Literatur werden die Englisch-Niederlän­dischen Kriege, wie bereits angedeutet, so gut wie kaum erwähnt. Es gibt keine einzige deutschsprachige Monografie zur Thematik, sieht man von der detailreichen, jedoch ein wenig unsortierten Studie des Niederländers Carl Ballhausen über den ersten Seekrieg ab.²³ Der niederländische Historiker legte dieses in Deutsch geschriebene Werk, das ebenfalls den Schwedisch-Niederländischen Seekrieg behandelt, im Jahr 1923 vor. Ballhausen wollte offenbar auch noch über die beiden folgenden Seekriege schreiben, zu einer Publikation kam es allerdings nicht mehr. Die deutsche Historikerin Marie-Luise Recker hat 1987 an eher entlegener Stelle einen konzisen Aufsatz zum Ursachenbündel der Konflikte vorgelegt.²⁴ Abgesehen davon, dass die Forschung nun differenziertere Erklärungsmodelle erarbeitet hat, ging Recker auf die Ereignisse in den Kriegen überhaupt nicht ein. Claudia Schnurmann arbeitete in ihrer Habilitationsschrift „Atlantische Welten", in der sie die Beziehung zwischen den Niederländern und Engländern im atlantischen Raum untersucht hat, einige wichtige Aspekte der Seekriege heraus und stellte diese in den Kontext der kolo- [<<16] nialen Beziehungen.²⁵ Der Verfasser der hier vorliegenden Studie verfasste eine Biografie zum englischen Admiral deutscher Herkunft Rupert von der Pfalz, der eine tragende Rolle im zweiten und dritten Krieg gespielt hat, und einen kleinen Aufsatz zu den militärhistorischen Rahmenbedingungen der Kriege.²⁶ In deutschsprachigen Überblickdarstellungen zur Geschichte Europas im 17. Jahrhundert werden die Kriege der Seemächte bestenfalls marginal erwähnt, eine nähere Beschreibung oder gar eine fundierte Analyse sucht man hier vergebens.²⁷ Eine Ausnahme stellt der von Klaus Malettke verfasste dritte Band des Handbuches der Geschichte der Internationalen Beziehungen mit dem Titel „Hegemonie, multipolares System, Gleichgewicht (1648/1659–1713)" dar, der immerhin auf annähernd 20 Seiten eine informative Darstellung der Seekriege im internationalen Kontext bietet.²⁸ Trotz dieser wenigen Ausnahmen, die allesamt keinen ganzheitlichen Überblick über Rahmenbedingungen, Ursachen, Motive, Intentionen, Verlauf und Auswirkungen der Kriege bieten können, ist die Darstellung der Englisch-Niederländischen Seekriege in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft mehr als unbefriedigend. Daher ist es das Ziel des vorliegenden Werkes, die politischen, ökonomischen sowie konfessionell-ideologischen Rahmenbedingungen darzulegen, die Kontrahenten der Kriege zum besseren Verständnis kurz vorzustellen, die einzelnen Ursachen und Motive für die Kriege aufzuzeigen, militärische Kapazitäten sowie Strategie und Taktik der Seekriegführung zu erläutern, den Verlauf der Kriege zu beschreiben und ebenso auf die Auswirkungen und Konsequenzen der bewaffneten Konflikte einzugehen. Zudem soll [<<17] ein Exkurs zum 4. Englisch-Niederländischen Seekrieg, der im Zuge des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges stattgefunden hat, die bereits vollkommen veränderte Lage der beiden See- und Wirtschaftsmächte im späteren 18. Jahrhundert veranschaulichen und die Konfliktgeschichte zwischen England und den Niederlanden komplementieren. Zu diesem Buch wurden keine neuen Archivstudien unternommen, vielmehr sollen die bereits bekannten Ergebnisse und Ereignisse auf dem aktuellen Stand der Forschung für eine deutschsprachige Leserschaft vorgestellt werden. Überblicksdarstellungen bringen es mit sich, dass man nicht immer in aller Ausführlichkeit ins Detail gehen kann. Und freilich kann auch so manche für das Verständnis unerlässliche Thematik nur angedeutet werden. So wäre eine ausführliche, komparatistisch angelegte Finanzgeschichte – wie sie schon für andere Länder²⁹ und nur ansatzweise für die Kriegsfinanzierung in England des 17. Jahrhunderts existiert³⁰ – der beiden Konkurrenzstaaten wünschenswert. Neben einer ausführlichen Finanzgeschichte des Militärwesens und der Militäroperationen, die viel zur Erklärung des Staatsbildungsprozesses frühneuzeitlicher Staaten beitragen kann, sind ebenso eine ausführliche Diplomatiegeschichte der Verhandlungen vor und während der Kriege, aber auch vergleichende sozial- und alltagshistorische Untersuchungen Desiderata der Forschung.³¹


    1 Vgl. dazu die publizierten Reden von Cooper, 1. Earl of Shaftesbury, Delenda est Carthago.

    2 Vgl. dazu kurz Münkler, Imperien, 96, und Jones, Anglo-Dutch Wars, 198–200; weiters Armitage, The ideological origins of the British Empire, 49–51, 129–132, 146.

    3 Vgl. nur Tucker, Lepanto, und Pierson, Armada, Spanish, sowie Gebauer/Krenz, Marine-Enzyklopädie, 19 und 182f.

    4 Vgl. hier z. B. Oppenheim, Navy of the Commonwealth; Tedder, Navy of the Restoration; Kitson, Prince Rupert; Ollard, Man of War; Baumber, General-at-Sea Robert Blake; Lambert, Admirals usw.

    5 Vgl. hier z. B. Gardiner/Atkinson, Letters and Papers; Anderson, Journals and Narratives; Colenbrander, Bescheiden uit vreemde archieven; Powell/­Timings, The Rupert and Monck Letter Book.

    6 Wilson, Profit and Power.

    7 So Jones, Anglo-Dutch Wars, 9f., und durchgehend Pincus, Protestantism and Patriotism.

    8 Vgl. dazu nur die entsprechenden Abschnitte in Israel, Dutch Republic, und ders., Dutch Primacy.

    9 Ormrod, The rise of commercial empires.

    10 Dazu Boxer, Anglo-Dutch Wars, und weitere Studien Boxers zum Thema im ­Literaturverzeichnis.

    11 Jones, Anglo-Dutch Wars.

    12 Pincus, Protestantism and Patriotism.

    13 Hainsworth/Churches, Anglo-Dutch Naval Wars.

    14 Rodger, Command of the Ocean, 1–135.

    15 Fox, A distant storm.

    16 Blok, History of the People of the Netherlands, in der englischen Ausgabe der erste Krieg auf 186–219, der zweite Krieg 317–338, und der dritte Krieg als Teil des großen Holländischen Krieges Ludwigs XIV. 399–419.

    17 Blok, The life of Admiral de Ruyter.

    18 Vgl. dazu die Artikel von Haley und Roorda, in: Blok, Algemene Geschiedenis der Nederlanden 8, 265–281 und 282–288.

    19 Braunius, Oorlogsvaart, in: Asaert, Maritime geschiedenis der Nederlanden 2, 316–354, bes. 346–354.

    20 Rommelse, The Second Anglo-Dutch War.

    21 Bruijn, The Dutch Navy.

    22 Prud’Homme van Reine, Rechterhand van Nederland, und ders., Schittering en schandaal.

    23 Ballhausen, Der erste Englisch-Holländische Seekrieg.

    24 Recker, Die drei englisch-holländischen Seekriege.

    25 Schnurmann, Atlantische Welten, bes. 41–61.

    26 Vgl. Rebitsch, Rupert von der Pfalz, und ders., Auf dem Weg zum Empire.

    27 Siehe so z. B. Duchhardt, Europa am Vorabend der Moderne, 220f., und ders., Barock und Aufklärung, 8, 19 und 29, in denen die Seekriege lediglich kurze Erwähnung finden; auf eine reine Bildnotiz reduziert ist der dritte Krieg bei Mandrou, Staatsräson und Vernunft, 92.

    28 Malettke, Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht, 303–318 und die entsprechenden Bemerkungen auf 347–377.

    29 Vgl. hier zum Beispiel Rauscher (Hrsg.), Kriegführung und Staatsfinanzen, für die Länder der Habsburgermonarchie nach dem Dreißigjährigen Krieg; oder auch Glete, War and the State in early modern Europe, für Spanien, die Niederlande und Schweden von 1500 bis 1600.

    30 Zur englischen Fiskalpolitik im ersten Krieg vgl. Wheeler, English financial operations, und weiterführend ders. The making of a World Power.

    31 Einiges zu den diplomatischen Verhandlungen bringen Rowen, John de Witt, und Hutton, Charles II.

    2. Europäische und globale Lage

    2.1. Die Expansion der europäischen Länder

    Weder England noch die Niederlande gehörten zu den Kolonialmächten Europas der ersten Stunde. ¹ Hier gebührt den iberischen Königreichen der Vorrang. Während die Portugiesen ein ambitioniertes, durch Heinrich den Seefahrer initiiertes Entdeckungsprogramm entlang der Westküste Afrikas, das sie bis nach Südostasien brachte, betrieben, gelang dem Königreich Kastilien der große Coup, die Entdeckung des amerikanischen Kontinents durch Christoph Kolumbus . Diese beiden Mächte teilten bereits zu Ende des 15. Jahrhunderts im Vertrag von Tordesillas die außereuropäische Welt unter sich auf. Dieser Schiedsspruch im Jahre 1494 durch Papst Alexander VI. räumte den Portugiesen östlich der fiktiv festgelegten Demarkationslinie den Monopolanspruch ein, den Spaniern stand der Weltteil westlich der Linie zu. Brasilien fiel so in den Einflussbereich der Krone Portugals. Es war auch ein Portugiese, Fernão de Magalhães, der allerdings im Auftrag des spanischen Königs Karl I. (als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Karl V .) die erste Weltumsegelung unternahm. Die Versuche des englischen Königs Heinrich VII., der den Italiener Giovanni Cabotto (in England John Cabot genannt) mit einem Entdeckerpatent ausstattete, nehmen sich dagegen bescheiden aus. Immerhin [<<20] Seitenzahl der gedruckten Ausgabe kam der Seefahrer aus Venedig 1497 bis nach Neufundland. Von einer Auffindung der damals bereits in Rede stehenden Nordwestpassage war er jedoch noch weit entfernt. Die Wasserstraße zwischen Neufundland und Cape Breton Island ist nach dem italienischen Entdecker in englischen Diensten benannt. Sein Sohn Sebastian, der seinen Vater begleitete und 1508 eine weitere Fahrt für England unternahm, war zwanzig Jahre später im Auftrag der spanischen Krone unterwegs. Nach den Entdeckungsfahrten der Cabottos gab man sich in England vorerst mit der systematischen Kolonisation Irlands, verwegenen privaten oder halboffiziellen Piratenfahrten im Atlantik gegen die spanische Handelsflotte und der Gründung von Handelsgesellschaften zufrieden. Der bekannte englische Kapitän, Freibeuter und Vizeadmiral Francis Drake wiederholte die seemännische Leistung Magalhães einer Weltumsegelung in den Jahren von 1577 bis 1580, die er allerdings im Gegensatz zum Portugiesen überlebte. Walther Raleigh , Seefahrer, Offizier und Günstling der Königin Elisabeth I ., engagierte sich besonders für die Gründung einer englischen Überseekolonie in Nordamerika. Von einem groß angelegten imperialen Konzept der englischen Krone kann man jedoch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht sprechen. ² Obgleich das Inselkönigreich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gewiss keine unbedeutende Rolle in der europäischen Mächtepolitik spielte, war von einem Imperium globalen Zuschnitts noch nicht die Rede.

    Die Republik der Vereinigten Niederlande existierte zur Zeit der großen Entdeckungsfahrten noch nicht. Die nördlichen Provinzen der Niederlande mussten sich erst von der Weltmacht Spanien loskämpfen. Von den niederländischen Entdeckern machte sich Willem Barents (Namensgeber der Barentssee), der mit seiner Mannschaft im Winter 1596/97 in der Arktis überleben musste, um dann doch ein Opfer seiner Entdeckungsreise zu werden, einen Namen. Wie im Entdeckergeschäft fast schon üblich, griffen auch die Niederländer auf auswärtige Seefahrer [<<21] zurück. Einer der bekanntesten unter ihnen war der Engländer Henry Hudson. Im Auftrag der Verenigde Oostindische Companie , der niederländischen Ostindienkompanie, versuchte er 1609 eine Nordwestpassage nach Asien zu finden. Mit einer englisch-niederländischen Besatzung fuhr er den nach ihm benannten Fluss bis zur heutigen Stadt Albany aufwärts. Hudson fand zwar die nördliche Umfahrung des amerikanischen Kontinents nie, entdeckte jedoch die wichtige Flusseinfahrt im Terrain des später von den Niederländern gegründeten Neu Amsterdam (New York), und auf der nächsten Fahrt kam er in die wiederum nach ihm benannte Hudson Bay.³ Die Reise endete für den Entdecker tragisch, er wurde von seiner Mannschaft in der Bucht ausgesetzt. Einige Jahrzehnte später landete Abel Tasman auf Neuseeland und fuhr um die nach ihm benannte Insel Tasmanien. Dennoch: Die niederländische Seefahrernation wurde weniger durch spektakuläre Entdeckungsfahrten als vielmehr durch ihr ökonomisches Potenzial zur See berühmt. Denn nach der Konsolidierung der Republik ging es in den sieben Provinzen steil bergauf. Vom Übergang des 16. zum 17. Jahrhundert an traten die Generalstaaten, hier vor allem die reichste Provinz Holland, als große Handelsnation auf, und man spricht geradezu vom „Goldenen Zeitalter" der Niederlande.⁴ Weder in Anbetracht der Einwohnerzahl – um 1650 hatte die Republik an die 1,9 Millionen Einwohner, England hingegen 5,2 Millionen⁵ – noch hinsichtlich des Territoriums eine europäische Großmacht darstellend, zählten die Generalstaaten bald schon zu den Global Players im weltweiten Handel. Die niederländischen Historiker Jan de Vries und Ad van der Woude bezeichneten die niederländische Volkswirtschaft nicht zu Unrecht als die erste moderne Wirtschaft der Welt.⁶

    [<<22]

    2.2. Die europäischen Konfliktlinien

    Der große Gegenspieler der beiden zukünftigen Seemächte im 16. Jahrhundert war Spanien. Spanien war in mehrfacher Hinsicht der prädestinierte Gegner: Das iberische Königreich war die katholische Vormacht Europas, Musterbeispiel einer autokratischen Monarchie, die sowohl dem englischen Parlament als auch den niederländischen Regenten suspekt war. Ebenso galt die Machtsphäre der katholischen Majestäten als zu überwindende Hürde im Atlantikhandel.⁷ Die nördlichen Niederlande hatten noch einen Grund mehr, gegen Spanien, den erf-vijand, den Erbfeind, zu sein: Sie mussten sich erst von der Krone Spaniens im langwierigsten Konflikt der Frühen Neuzeit, im sogenannten Achtzigjährigen Krieg,⁸ der gemeinhin von 1568 bis 1648 datiert wird, lösen. Von 1609 bis 1621 war dieser Konflikt durch einen Waffenstillstand unterbrochen, um dann in den Dreißigjährigen Krieg zu münden.⁹ Dieser von den Zeitgenossen oft als „Teutscher Krieg" bezeichnete Konflikt war freilich ein europäischer Krieg, in dem zu Beginn die katholischen Anhänger des Hauses Habsburg mit prominenter protestantischer Unterstützung wie Kursachsen gegen eine protestantische Opposition, die Anhänger rund um den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, im Feld standen. Eine internationale Komponente bekam dieser Konflikt bereits mit dem Eingreifen Dänemarks in der Person des Königs Christian IV. als Reichsfürst aufseiten des protestantischen niedersächsischen Reichskreises. 1630 landete der schwedische König Gustav II. Adolf auf Reichsboden, um gegen Habsburg und Bayern zu ziehen. Fünf Jahre später [<<23] erklärte Frankreich, das Schweden schon länger finanziell unterstützte, den spanischen Habsburgern den Krieg. Damit konnten die Konfliktlinien klar definiert werden: Auf der einen Seite stand die Casa de Austria mit katholischen, aber auch protestantischen Verbündeten (Kursachsen schloss mit dem Kaiser nach einigen Jahren als Verbündeter Schwedens den Prager Frieden von 1635), auf der anderen Seite die europäischen Mächte Frankreich und Schweden mit einigen protestantischen Reichsständen. In diesem europäischen Krieg konnten sich die Niederländer mit der Unterstützung Frankreichs gegen Spanien behaupten. Mit dem bilateralen Friedensschluss von 1648 zwischen Spanien und den Niederlanden, der die staatliche Souveränität und damit endgültig die Unabhängigkeit vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation für die Generalstaaten brachte, wurden nicht nur der militärische Konflikt, sondern auch die wirtschaftlichen Sanktionen beendet. Die spanischen Häfen standen den niederländischen Handelsschiffen wieder offen, das spanische Embargo gegenüber den Generalstaaten wurde beendet. Das niederländische Wirtschaftswunder konnte fortgesetzt werden. Mit dem seit 1640 von der spanischen Krone unabhängigen Portugal standen die Niederländer weiterhin im Kriegszustand. Dafür sorgte vor allem die West-Indische Compagnie (WIC), die den Portugiesen Brasilien entreißen wollte, und die Verenigde Oostindische Companie (VOC), die dem iberischen Königreich einen asiatischen Stützpunkt nach dem anderen abnahm und die dazugehörende Handelsflotte stark reduzierte.¹⁰ Im Zuge des Portugiesisch-Niederländischen Krieges, der von 1624 bis 1661 dauerte, entstand Niederländisch-Brasilien mit der Hauptstadt Mauritsstad (Recife). Mit dem ersten Englisch-Niederländischen Seekrieg, in dem die WIC und die Generalstaaten alle verfügbaren Kräfte gegen das Commonwealth of England einsetzen mussten, gelang es den Portugiesen wieder, weite Teile des Landes zurückzuerobern. Nach dem Seekrieg mit England, im Jahre 1657, spielte sich dieser Kolonialkrieg [<<24] auch in Europa ab – die Generalstaaten griffen Lissabon direkt an und blockierten die portugiesische Westküste. Erst 1661 gelang es, das bilaterale Verhältnis zwischen Portugal und der Republik zu beruhigen.¹¹ Portugal akzeptierte in den Friedensverträgen zu Beginn der 60er-Jahre die Verluste in Asien (es blieben den Portugiesen noch Portugiesisch-Indien, Macao, Timor und einige Gebiete auf den Kleinen Sundainseln), und zudem musste es riesige Summen an Entschädigungen für die brasilianischen Küstengebiete an die Republik der Vereinigten Niederlande bezahlen (8 Millionen Gulden¹²), die Niederländisch-Brasilien wieder aufgab.¹³

    Eine interessante Bündnislage ergab sich für die Generalstaaten im Hinblick auf die skandinavischen Staaten im Dreißigjährigen Krieg: 1625 wurde in Den Haag die sogenannte Haager Allianz ins Leben gerufen. England und die Generalstaaten versprachen Subsidien und militärische Unterstützung für Dänemark. Bethlen Gabor, der gegen Österreich des Öfteren im Feld stehende Fürst Siebenbürgens, Schweden, Venedig, Savoyen und Frankreich sollten für das Bündnis gewonnen werden.¹⁴ Die Kaufleute in Holland und Friesland wussten warum. Dänemark spielte für den ertragreichen baltischen Handel als „Torwächter und „Zöllner am Øresund eine Schlüsselrolle. So wurde errechnet, dass die Niederländer zwischen 1562 und 1657 60 Prozent der Fahrten im gesamten Güterverkehr und 77 Prozent der Fahrten im Getreidetransport durch den Sund bestritten,¹⁵ weiters zwischen 50 und 75 Prozent des Holzverkehrs, 30 bis 50 Prozent des schwedischen Metalls verschifften und bis zu 75 Prozent des französischen und por- [<<25] tugiesischen Salzes in den baltischen Raum transportierten.¹⁶ Verschärft wurde die Situation durch die Bestrebungen der Habsburger, eine Flotte zu merkantilen und militärischen Zwecken in der Ostsee aufzubauen.¹⁷ Der dafür verantwortliche Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee, Albrecht von Wallenstein, konnte dieses groß angelegte Projekt jedoch nicht umsetzen. Die Bündnislage änderte sich bereits nach einigen Jahren, als Dänemark mit Habsburg 1629 in Lübeck Frieden schloss, sich in der Folge der Casa de Austria politisch und wirtschaftlich (Freihandelsabkommen mit Spanien) annäherte und die Sundzölle zum Ärger der niederländischen Frächter erhöhte.¹⁸ Späterhin dachte Kaiser Ferdinand III. Dänemark die Rolle eines für Habsburg wohlwollend agierenden Mediators bei den westfälischen Friedensverhandlungen zu. Das Konzept der bewaffneten Neutralität und die Selbstüberschätzung des dänischen Königs Christian IV. waren allerdings gefährliche Komponenten in diesem tödlichen Mächteringen.¹⁹ Dänemark wurde so zu einem Verlierer im Dreißigjährigen Krieg. Der natürliche Verbündete im Ostseeraum für die Generalstaaten war nun die aufstrebende und gegen Habsburg kämpfende Militärmacht Schweden. 1645, nach der Niederlage gegen die in Jütland einfallenden Schweden, schied Dänemark aus dem Dreißigjährigen Krieg aus und musste die Kontakte zur Casa de Austria zumindest vorübergehend einschränken. Zudem baute der holländische Admiral Witte de With mit 48 Kriegsschiffen, die an die 300 Handelsschiffe eskortierten, eine mächtige Drohkulisse an den Küsten Dänemarks vor den Augen Christians auf, sodass dem dänischen König nur ein erniedrigender und für die Niederländer äußerst vorteilhafter handelspolitischer Vertrag zu unterschreiben blieb. Damit konnten die Mijnheren wieder beruhigt mit dem Ostseeraum Handel treiben. [<<26] Dänemark blieb nach dem kurzen Intermezzo ein enger Verbündeter der Niederlande. So soll der Gesandte der Generalstaaten in Stockholm vollmundig verkündet haben:

    „Die eichenen Schlüssel zum Sund liegen in den Docks von Amsterdam."²⁰

    Für das Königreich England stellte der Angriff der Armada von 1588 den Höhepunkt im Konflikt mit Spanien dar. Bereits drei Jahre zuvor unterstützte Elisabeth I. mit einem Expeditionskorps unter der Führung ihres Günstlings Robert Dudley, Earl of Leicester, den niederländischen Aufstand gegen die Spanier. Leicester wurde jedoch wegen militärischen und politischen Misserfolgs aus den Niederlanden abberufen.²¹ Das katholische Spanien blieb während der elisabethanischen Zeit eine latente Bedrohung, zumal mit dem von England kolonisierten Irland immer ein katholischer Unruheherd zu befürchten war, den Philipp II. nutzen konnte. Der Nachfolger Elisabeths, James I., bekannt als rex pacificus, schloss kurz nach seiner Thronbesteigung in London Frieden mit Spanien.²² Aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges konnte sich der Schwiegervater des zum König von Böhmen gewählten Friedrich von der Pfalz jedoch nicht mehr heraushalten. Obgleich er das böhmische Abenteuer des pfälzischen Kurfürsten, der mit seiner Tochter Elisabeth verheiratet war, missbilligte, ließ er Subsidien und Hilfstruppen in die Niederlande, das Exil des Winterkönigs, überstellen. Der Krieg gegen die Casa de Austria war eröffnet. Auch sein Nachfolger, Charles I., der den Waffengang weniger scheute als sein Vater, unterstützte das Anliegen der Pfalz im Dreißigjährigen Krieg. Die ersten militärischen Aktionen der englischen Hilfstruppen endeten allerdings desaströs. Zudem geriet das durch George Villiers, 1. Duke of Buckingham, initiierte [<<27] Unternehmen zum Entsatz der Hugenotten-Festung La Rochelle zum militärischen Fiasko. Die Unterstützung für den geächteten Kurfürsten, eine ebenfalls fulminant gescheiterte Aktion gegen das spanische Cádiz und die Expedition für die Reformierten Frankreichs des von Charles protegierten Höflings Buckingham kosteten nicht nur einigen Tausenden englischen Soldaten das Leben, es brachte auch die für England unerfreuliche Situation, mit Frankreich und Spanien zugleich im Krieg zu stehen – und das mit einem Parlament, das nicht gewillt war, für kontinentale Abenteuer große Geldsummen zur Verfügung zu stellen. Bereits ab 1630 ist deshalb ein massiver Rückzug Englands aus dem internationalen Kriegsgeschehen festzustellen. Im Jahre 1639 war die englische Flotte nur noch Zuseher, als der niederländische Admiral Maerten Harpertszoon Tromp²³ eine spanisch-portugiesische Flotte in den Downs, also in englischen Gewässern, versenkte. Der englische Bürgerkrieg, der 1642 losbrach, veränderte die außenpolitische Situation des Königreichs endgültig. Parallel zum römisch-deutschen Reich und seiner Peripherie versank ebenso England in den Kriegswirren. Das Stuart-Königreich fiel als Akteur im internationalen Machtspiel aus. Die Siegerpartei, die Gründerin des englischen Commonwealth (die Bezeichnung „Republik" wie in den Niederlanden wurde vermieden), die 1649 Charles I. hinrichten und die Monarchie abschaffen ließ, galt in Europa als verachtetes Regime der

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