Organisationsbeobachtung als diagnostische Methode: Ein Werkstattbuch
Von Edeltrud Freitag-Becker und Jan Lohl
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Über dieses E-Book
Organisationsbeobachtung als psychoanalytisches Diagnoseinstrument kann sich auf die Arbeitsfähigkeit von Berater:innen positiv auswirken.
Neben der vollständigen Darstellung der Geschichte und Theorie der Organisationsbeobachtung zeigen zahlreiche branchenübergreifende Praxisbeispiele das Potential dieses qualitativen Diagnoseinstruments für die Organisationsberatung. So lassen sich unbewusste und konflikthafte Dynamiken verstehen und mögliche Lösungsansätze entwickeln.
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Buchvorschau
Organisationsbeobachtung als diagnostische Methode - Edeltrud Freitag-Becker
1Zur Entwicklung der Organisationsbeobachtung
Aufmerksam wandert der Blick durch den Raum. »Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist blau!« Es ist ein altes Kinderspiel, das ohne Lust am Verbergen und am aufmerksamen Wahrnehmen, am Suchen und Finden nicht gut zu spielen ist. Der Eine sieht etwas – ein blaues Buch im Regal vielleicht – und die Andere lässt den Blick durch den Raum schweifen, um eben dieses Buch zu entdecken. Etwas wahrnehmen, das andere nicht wahrnehmen – noch nicht –, daran entzündet sich ein Teil der Freude, die mit diesem Spiel einhergeht.
Auch Psychoanalytiker:innen und psychoanalytisch geschulte Supervisor:innen haben im Laufe oft langer Ausbildungsprozesse Methoden erlernt, etwas wahrzunehmen, dass sich dem ersten und oft auch noch dem zweiten Blick ihren Patient:innen oder Klient:innen aber auch Gruppen und Organisationen entzieht: etwas Latentes, ein Affekt, ein noch nicht gedachter Gedanke oder ein Konflikt, wie bei einem Eisberg wo das unter der Wasseroberfläche liegende der unmittelbaren Wahrnehmung nicht zugänglich ist. Szenisch betrachtet, hinterlässt das Ungesehene und Unbewusste jedoch wirksame Spuren und es lohnt diese aufzuspüren.
In den Feldern, in denen die Psychoanalyse jenseits der Couch Anwendung gefunden hat, sind verschiedene Methoden des Aufspürens unbewusster Prozesse und Dynamiken entwickelt worden. Eine Methode, die für sich in Anspruch nimmt, eben diese Prozesse und Dynamiken in Organisationen zu diagnostizieren, ist die Organisationsbeobachtung.
In den 1980er und 1990er Jahren haben die britischen Psychoanalytiker Robert D. Hinshelwood (1987) und Wilhelm Skogstadt (2002) medizinische Einrichtungen des National Health Service aus einer psychoanalytischen Haltung heraus beobachtet.
Abb. 1 Das Verborgene des Eisbergs unter der Wasseroberfläche; Quelle: Inscape
Wie ist es dazu gekommen? Als Ausgangspunkt der Entwicklung dieser Methode nennen Skogstadt und Hinshelwood eine Gefühllosigkeit von Ärzt:innen in psychiatrischen Einrichtungen im Umgang mit Patient:innen: Diese wurden »oft wie eine Ansammlung von Organen und nicht wie leidende menschliche Wesen behandelt« (Hinshelwood u. Skogstadt, 2006, S. 17). Wie lässt sich dieses Phänomen verstehen?
Hinshelwood erzählt in einem Interview von seiner Beobachtung, dass sich das emotionale Verhältnis der Ärzt:innen zu ihren Patient:innen veränderte, wenn diese auf eine andere Station oder in ein anderes Team wechselten. Die Frage nach der Gefühllosigkeit von Ärzt:innen gegenüber ihren Patient:innen ließ sich also als sozialpsychologische Frage stellen. Sie schien weniger mit bestimmten Menschen und ihrer Persönlichkeit zu tun haben, sondern mit der Organisation und ihren (Sub-)Systemen, ihren Strukturen, Dynamiken und Kulturen, vor allem aber mit der beruflichen Sozialisation: Junge Ärzt:innen durchliefen im klinischen Alltag eine »typische Veränderung«. »Unter dem Druck der Arbeit, der psychiatrischen Kultur und der Struktur ihrer Laufbahn schienen ihre menschlichen Reaktionen gegenüber leidenden Patienten oft in fortschreitendem Maße gefühllos zu werden. »Ich kannte viele Trainees noch von der Zeit als sie Medizinstudenten waren und hatte oft den Eindruck, dass es die gefühlvollsten und menschlichsten unter ihnen waren, die sich entschlossen Psychiater zu werden. Aber am Ende ihrer langen Reise der Ausbildung schienen sie unempfindlich geworden zu sein.« (Hinshelwood u. Skogstadt, S. 17 f.)
Diese Einsicht gewannen Hinshelwood und Skogstadt, indem sie – zunächst unsystematisch – Situationen auf psychiatrischen Stationen beobachteten. Aus der methodischen und theoretischen Systematisierung dieser Beobachtungen heraus entwickelten beide ein Ausbildungsprojekt für angehende Ärzte und Ärztinnen, das es ermöglichte, eine Sensibilität für den organisationalen Kontext der eigenen beruflichen Rolle zu entwickeln.
Dieses Programm greift drei theoretische und methodische Aspekte auf:
1.Methodisch orientieren sich Hinshelwood und Skogstadt an ihren Erfahrungen aus sog. Leicester- oder Tavisstock-Konferenzen (Miller, 1989), in denen organisationale Dynamiken simuliert und diese durch die Teilnehmenden erforscht werden. Die Erfahrungen, die Hinshelwood und Skogstadt hierbei machten, sind deshalb besonders bedeutsam für die Entwicklung der Organisationsbeobachtung, weil sie mit der Erfahrung verbunden sind, dass Organisationen einen starken Einfluss auf das Fühlen, Handeln und Denken ihrer Mitglieder ausüben.
2.Hinshelwood und Skogstadt greifen Elemente ihrer eigenen psychoanalytischen Ausbildung auf, zu der die Beobachtung von Interaktionen zwischen Eltern und Babys gehört (vgl. Bick, 1964). Ein Vorbild für die Organisationsbeobachtung ist hierbei vor allem die Rolle der beobachtenden Person, die keine Verantwortung für die beobachtete Interaktion übernehmen soll, sondern als »nicht aktiver Beobachter« an der Eltern-Baby-Interaktion teilnimmt und die Aufgabe hat, eine emotionale Sensibilität für diese Interaktion zu entwickeln (Hinshelwood u. Skogstadt, 2006, S. 19). Diese Rolle ist zentral für die Methode der Organisationsbeobachtung.
3.Diese Einsicht freilich, sich mit Hilfe der Psychoanalyse Organisationen anzunähern, ist in den 1980er und 1990er Jahren nicht neu gewesen. Zu nennen ist hier vor allem der Group-Relations-Ansatz, der am Tavisstock-Institut of Human Relations ab den 1950er Jahren in London von Bion, Jaques, Menzies-Lyth und anderen entwickelt wurde (Kinzel, 2002, S. 190–320). Bahnbrechend war hierbei die Verbindung von psychoanalytischen Zugängen zu unbewussten Prozessen und Dynamiken mit systemischen Ansätzen über Rollen, Aufgaben und Führung.
Diese drei Elemente verbinden Hinshelwood und Skogstadt zu einem neuen psychoanalytischen Ansatz, um Organisationen im Gesundheitswesen empirisch zu beobachten. Als einen wissenschaftlichen Ansatz oder eine neue Forschungsaktivität begreifen sie die Organisationsbeobachtung jedoch zunächst nicht: Dass die Organisationsbeobachtung eine eigenständige Forschungsaktivität ist, wird beiden erst allmählich deutlich, so dass die Organisationsbeobachtung in ihren Anfängen als ein Ausbildungsprogramm zu verstehen ist, dass auf organisationale Selbsterfahrung von jungen Mediziner:innen zielt.
Ebenso wie der wissenschaftliche Anspruch bleibt bei Hinshelwood und Skogstadt die Idee randständig, mit Hilfe der Organisationsbeobachtung, Organisationen auch zu beraten. Diesen Gedanken hat Burkard Sievers, Professor für Organisationsentwicklung in Wuppertal und Herausgeber der deutschen Ausgabe des Bandes von Skogstadt und Hinshelwood, im Jahr 2006 aufgegriffen. Sievers war fasziniert von den Arbeiten der englischen Kollegen, weil sich mit ihrer Methode Interdependenzen und Verstrickungen sozialer und psychischer Dynamiken in Organisationen besser verstehen ließen. Sievers und Mersky entwickelten Weiterbildungsangebote für Supervisor:innen, Coaches und Organisationsberater:innen. Die Beobachtungen wurden hierbei nicht mehr an das medizinisch-klinische Setting gebunden, sondern die Aufforderung an die Teilnehmenden bestand darin, sich eine Organisation zu suchen, in der die Beobachtungen durchgeführt werden konnten. Primär waren es Organisationen, die öffentlich zugänglich waren und in denen die Beobachtung verdeckt durchgeführt werden konnte. Zu den Organisationen gab es weder vor, noch nach der Beobachtung