Hexensabbat und Dämonentänze: Mystische Erzählungen
Von Mats Hoeppner
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Über dieses E-Book
„Die Seuche ist das Werk der Hexen. Sie bringen Pestilenz und Tod über Goslar. Schon der heilige Hieronymus sagte 391 nach Christus Zauberer und Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen“, sprach der Alchimist, der keinen Weg mehr wusste, das Fleckenfieber zu bekämpfen.
So loderten alsbald die Scheiterhaufen, stank es in der Stadt nach verbranntem Fleisch, brüllten die Verurteilten qualvoll vor Schmerz und jubilierte das Volk.
Doch hin und wieder kam eine ermordete Hexe zurück, um Rache zu üben an ihren Peinigern. Wer in ihre Hände fiel, lernte, was Grauen wirklich bedeutete.
Des Weiteren rufen junge Menschen den Teufel an und geraten in ein Horrorszenario, weil er diese in seine Hölle beordert; werden im Mittelalter junge Menschen zu einem Blutopfer geführt; endet die Liebe zu einer Zigeunerin mehr als tragisch; erwacht zu Samhain ein Mädchen aus der Totenwelt zu neuem „Leben“, um Unheil über eine Stadt zu bringen…
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Buchvorschau
Hexensabbat und Dämonentänze - Mats Hoeppner
Das Glöckchen des Grauens (von Mikka Tornesch)
Mirka wäscht die weißen Lederstiefel ihres Herrn mit einem feuchten Tuch. Der Latexmantel hängt schon gereinigt am großen Eisenhaken in der Wand der Waschküche. Das zweite Mal innerhalb von drei Tagen ist ihr Herr maßlos erbost und verhältnismäßig groß verschmutzt von seiner Produktionsstätte heimgekommen. Das sechzehnjährige Dienstmädchen weiß, es hat mit dem Lieferanten von Buchenholz zu tun. Der Lieferant hat seine Preise verdoppelt, weil Buchenholz immer schwieriger zu beziehen ist. Es wird förmlich gejagt von den Köhlern, da die aus ihm gewonnene Holzkohle einen Glühwert von 1500 Grad Celsius erreicht. Es kommt damit fast an die Steinkohle heran und wird von den Schmelzhütten bevorzugt geordert.
Will ihr Herr die Verluste in Zaum halten, muss er irgendwann dem Lieferanten nachgeben. Noch hofft er auf Umsatzsteigerung mit minderwertiger Kohle. Währenddessen orientieren sich die Hütten und Eisenwerke schon um. Die Aufträge gehen zurück, Schmiede und Bäcker, die die kleinere Ziehkohle abnehmen, wachsen nicht wie Pilze aus dem Boden.
Das Meer an Unzufriedenheit, das dadurch in ihrem Herrn brodelt, bricht wie eine Sturmflut über die Arbeiter herein.
Den Stiefel auf einen Arm aufgezogen poliert Mirka das Leder. Da hört sie das Teeglöckchen klingeln. Der Klang lässt sie zusammenfahren, als hätte ein böser Ritter ihr eine Lanze in den Bauch gestoßen. Ihre Muskeln verkrampfen sich, der Mund wird trocken, ihr ganzer Körper erfüllt sich mit Schmerz.
Sie bewegt sich nicht von der Stelle. Kann nicht, obwohl sie muss. Wieder ruft das Glöckchen des Herren nach ihr. Wieder und wieder.
Das Dienstmädchen macht einen Schritt, bleibt stehen. Seine Hände kneten in seiner Kittelschürze. Tränen rollen ihm aus den Augen. Mirka hat keine Chance. Das Glöckchen wird nicht verstummen, bevor sie nicht bei ihrem Herren ist. Sie öffnet die Tür der Waschküche. Ihr Atem stockt. Sie steht vor der Tür. Will nicht. Möchte fliehen. Steht. Und steht. Das Herz klopft. Pocht gegen ihre Brust. Erzeugt fast kein Geräusch.
Draußen im Hof die zwei Doggen, eine Schulterhöhe von ein Meter und zehn, von der Schnauze bis zur Schwanzspitze zweihundert Zentimeter – das Dienstmädchen weiß, eine Flucht nicht überleben zu können.
Und selbst wenn, was würde Mirka im Dorf ihrer Eltern erwarten. Sie hätte Schande über ihre Eltern gebracht. Das Gesicht hätten sie verloren, weil sie als Dienstmagd ihrem Herren weggelaufen ist. Ein Makel, der die Tochter unbrauchbar machen würde. Niemand würde sich mehr finden, die Abtrünnige in seine Dienste zu nehmen. Bloß ist das nicht ihr größtes Vergehen.
Mirka würde ihre Eltern auf ewig kompromittieren. Sie hat sich entehren lassen, der Verlust des Ansehens würde auf Vater und Mutter überwechseln, beträte sie mit dem Kind in ihrem Bauch ihr Elternhaus. Ein Skandal, den der Vater nicht zu dulden habe. Wie eine flohbesetzte Katze würde er sie, Mirka, ersäufen. Im Fluss hinter dem Haus. Zur besten Tageszeit.
„Nun komm endlich", hört sie den Weißen Köhler rufen.
Sie geht bis zur Treppe. Bleibt stehen. Ihre Hand, auf dem Knauf des Geländers, sie zittert extrem.
„Beweg deinen Hintern die Stufen hinauf!" Der Ton des Herren wird ungehaltener. Das Dienstmädchen muss. Will nicht. Zwei Schritte. Stehenbleiben. Atem schöpfen. Zwei Schritte . . .
Tränen. Verzweiflung. Unglück. Die Versuchung, Gott zu lästern.
„Komm rein, ich weiß, du stehst vor der Tür."
Tür auf. Eintreten. Knicks. Tür zu. Absperren. Stehen bleiben. Hände an Kittelschürze. Kneten. Bluten. Innerlich.
Der Mann im Sessel winkt sie heran.
Zögernde Schritte. So unsagbar schwer. Magnete, die ihre Füße am Boden halten. Mitten im Zimmer. Unter dem funkelnden Kronleuchter. Sein Licht so kalt.
Der Mann erhebt sich.
Ihre Hände lösen den Knoten auf ihrem Rücken. Mechanisch. Das Herz pocht. Die Seele blutet. Blutet. Blutet.
Mirka streift das Halsband der Schürze über ihren Kopf. Wirft das Kleidungsstück weit weg. Ihr Herr mag es nicht an ihr, wenn er auf sie zukommt, wie er jetzt auf sie zukommt.
Fliehen. Hunde. Fluss. Es ist zum Verzweifeln.
„Komm näher! Komm näher! Mein Schatz."
Mirka hört Schritte. Ihre Schritte. Will es nicht glauben. Es ist nicht sie, die gerade spürt, wie sich eine Hand auf ihren Bauch legt.
Bauch. Oberschenkel. Unterm Kleid.
Schweißperlen auf der Stirn des Mannes. Röchelnder Atem. Gestank nach Nikotin und Teer. Ekel. Verderben. Eine Zunge, die in ihrem Mund kreist. Kreist und kreist. Zunge. Hand. Zunge. Hand. Dann ist er in ihr. Schande über sie. Entehrt. Wertlos. Zur Sünde gezwungen.
Kein Licht. Schwärze. Nichts.
Nichts außer Tränen.
Die Anrufung des Teufels
„Wie gefällt dir der?" Stolz drehte sich Bian Dang um sich selber. Ihr bis über ihre nackten Füße reichender, roter Nightingale-Satin-Rock mit schwarzer Spitze floss wie eine Glocke nach außen.
„Wow, steht der dir gut. Genau das Richtige für heute Abend." Anerkennend lehnte sich Elisabeth in ihrem Zuschauersessel zurück, um die kleine Modenschau ihrer Freundin zu bewundern. Dieses war das dritte Kleid, das Bian ihr vorführte. Und hierin kam sie am besten zur Geltung. Mit ihren 1,70 wirkte sie ein ganz klein wenig füllig. Dieses Kleid mit ihrem breiten Gummizugbund, auf der Hüfte sitzend, darüber eine Miederbluse, die den Bauch an den Seiten freilassen würde; und ihre herzallerliebste Freundin sähe wie eine Bauchtänzerin aus. Geheimnisvoll, orientalisch, erotisch. Besonders das ganz kleine Speckröllchen am Bauch.
„Zieh dazu deine rote Miederbluse mit den schwarzen Ärmeln an, die an den Händen in lange Schleppen auslaufen."
„Meinst du die leicht spitz zulaufende mit den vielen schwarzen Bändern, Lisa?"
„Jupp! Elisabeth Moureen, die in Anlehnung an Lisa Gerárd ihren Kurznahmen mit einem scharfen S aussprechen ließ, band der Vietnamesin die Miederbluse auf dem Rücken zu: „Du bist ein richtiges Sahneschnittchen, Bian.
„Julian mag mich auch in normalen Kleidern. Noch lieber jedoch ohne", kicherte die kleine Vietnamesin und funkelte mit ihren fast schwarzen Augen ihre große Freundin an.
„Ich dachte eben nicht an Julian", antwortete Elisabeth, mit einem Gesichtsausdruck, als wäre ein Hobbit hinter einem Busch auf eine Tür zur Anderswelt gestoßen und wüsste nicht so recht, diese Entdeckung in seinem Dorf publik machen zu dürfen.
„Du glaubst doch nicht im Ernst daran, dass ER kommen wird, Lisa?" Leicht belächelte die schnieke Dame ihren Besuch. Für Bian war alles Hokuspokus, nichts weiter als europäische Folklore, was die beiden Männer heute Nacht vorhatten.
„Kemal und Julian sind seit langem intensiv dabei. Sie haben viele Bücher gelesen, einige schwarze Messen besucht und sich mit einer reifen Frau ausgetauscht. Diese Schwarzhaarige, Lucy heißt sie, glaube ich, soll sehr wissend und kompetent sein."
„HU, HU!, Bian hatte mit beiden Händen ihre Haare hochgeschoben und kam nun drohend auf Elisabeth zu. „Ich bin gekommen, dich zu fressen. Doch vorher will ich Spaß mit dir haben. HU, HU!
Die große Freundin mit ihren rostroten, bis knapp über die Schulter reichenden, glatten Haaren, musste lauthals lachen. „Du bist unverbesserlich, Kleine. Wenn der Fürst der Finsternis so liebevoll ist, haben wir nichts zu befürchten."
„Sonst auch nicht, du alte Pessimistin. Warum sollte er gleich der Mordbrenner werden, wenn wir ihn aus seinem Höllenkerker befreit haben. Er wäre uns zu Dank verpflichtet." Die Vietnamesin zupfte am Saum ihres Rockes und drehte sich vor dem großen Spiegel.
„Die gleichen Worte, die dein Julian seit Wochen säuselt. Die große Rothaarige stellte sich hinter ihre Freundin, legte dieser ihre Hände auf die Schulter und schaute sich im Spiegelbild an. „Hast du etwa keine Angst, Bian?
, schiebt sie mit leiser Stimme hinterher.