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HALO: Ein Cyberpunk-Roman
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eBook265 Seiten3 Stunden

HALO: Ein Cyberpunk-Roman

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Über dieses E-Book

Die Raumstation Halo City wird von Aleph, einem gigantischen Computer, am Leben erhalten, doch Aleph hat die Begrenzungen der Computer-Technologie längst überwunden: Er kann nicht nur alternative Wirklichkeiten erschaffen, sondern auch Tote zum Leben erwecken. Als Jerry Chapman, einer seiner Erfinder, an einer Seuche stirbt, konserviert Aleph dessen lebendiges Bewusstsein. Und die anderen Wissenschaftler der Station wagen ein einzigartiges Experiment: Sie wollen Chapmans Persönlichkeit auf Dauer retten – dazu aber muss jemand in die alternativen Wirklichkeiten des Maschinenwesens hinabsteigen...


Tom Maddox' aufsehenerregender Debüt-Roman aus dem Jahr 1991 ist das perfekte Beispiel eines post-modernen und zeitlosen Science-Fiction-Romans: eine faszinierende Geschichte über Menschen und Computer, über Pronomen und Anti-Pronomen – und den Traum von der Unsterblichkeit. Dabei bedient sich Tom Maddox den Stilmitteln des literarischen Cyberpunk und kann doch zugleich als deren Überwinder und Vollender bezeichnet werden.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum17. März 2019
ISBN9783743823389
HALO: Ein Cyberpunk-Roman

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    Buchvorschau

    HALO - Tom Maddox

    Das Buch

    Die Raumstation Halo City wird von Aleph, einem gigantischen Computer, am Leben erhalten, doch Aleph hat die Begrenzungen der Computer-Technologie längst überwunden: Er kann nicht nur alternative Wirklichkeiten erschaffen, sondern auch Tote zum Leben erwecken. Als Jerry Chapman, einer seiner Erfinder, an einer Seuche stirbt, konserviert Aleph dessen lebendiges Bewusstsein. Und die anderen Wissenschaftler der Station wagen ein einzigartiges Experiment: Sie wollen Chapmans Persönlichkeit auf Dauer retten – dazu aber muss jemand in die alternativen Wirklichkeiten des Maschinenwesens hinabsteigen...

    Tom Maddox' aufsehenerregender Debüt-Roman aus dem Jahr 1991 ist das perfekte Beispiel eines post-modernen und zeitlosen Science-Fiction-Romans: eine faszinierende Geschichte über Menschen und Computer, über Pronomen und Anti-Pronomen – und den Traum von der Unsterblichkeit. Dabei bedient sich Tom Maddox den Stilmitteln des literarischen Cyberpunk und kann doch zugleich als deren Überwinder und Vollender bezeichnet werden.

    Der Autor

    Tom Maddox, Jahrgang 1945.

    Tom Maddox ist ein US-amerikanischer Science-Fiction-Autor, der bekannt wurde durch seine Beiträge zur Cyberpunk-Bewegung.

    Sein Debüt-Roman Halo wurde im Jahr 1991 veröffentlicht, seine das Genre Cyberpunk nachhaltig prägende Erzählung Snake Eyes (1986 – dt. Schlangenaugen, 1988) erschien in der von Bruce Sterling herausgegebenen legendären Anthologie Mirrorshades (1986 – dt. Spiegelschatten, 1988).

    Besondere Popularität erlangte Tom Maddox durch die gemeinsam mit William Gibson verfassten, deutlich vom literarischen Cyberpunk beeinflussten Akte X-Episoden Kill Switch (1998 – dt. Kill Switch) und First Person Shooter (2000 – dt. Game Over).

    Laut William Gibson ist Tom Maddox der Erfinder des Begriffs Intrusion Countermeasures Electronics (oder: ICE), welchem in Gibsons Erzählung Burning Chrome (1982 – dt. Chrom brennt!, 1986) und in dessen Debüt-Roman Neuromancer (1984 – dt. Neuromancer, 1986) größte Bedeutung zukommt.

    Tom Maddox ist Professor für Literaturwissenschaften am Evergreen State College in Olympia, Washington/USA.

    HALO

    Im Gedenken an George Maddox, meinen Vater;

    Paul Cohen, meinen Freund;

    und an unsere beklagten Toten, versunken in der Zeit.

    TEIL EINS

    »Alles ist dazu bestimmt, als Simulation wiederzukehren.«

    - Jean Baudrillard, America

    Brennen, brennen

      An einem regnerischen Morgen in Seattle war Gonzales bereit für das Ei. Eine Woche vorher war er von Myanmar, jenem Land, das früher als Burma bekannt gewesen war, zurückgekehrt, und nun, nach zwei Tagen - angefüllt mit Drogen und Fasten - war er vorbereitet: Er war zu einem Alien geworden, daheim in einer fernen Landschaft.

      Sein Gehirn lief über von Blüten aus Feuer, deren gespreiztes weißes Fleisch gelbgebrannt war, das Zentrum einer brennenden Welt. Auf der dunkel gefleckten Eichentür tanzten Engelsschwingen in blauen Flammen, ihre Gesichter glückselig im kalten Feuer.

      Während er die belebten geschnitzten Figuren betrachtete, dachte Gonzales: Das Feuer ist in meinen Augen, in meinem Gehirn. Er drückte die S-förmige Messingklinke herunter und schritt durch den Gang, wobei seine offenen Sandalen aus weicher Baumwolle und geflochtenen Schnüren geräuschlos über die Fußböden aus gebleichter Eiche glitten. Durch die offene Tür am Ende des Gangs erzeugte das Morgenlicht mit dem bunten Glas abstrakte Muster in Karmesinrot und Buttergelb. In dem Raum stand vor der hinteren Wand eine blaue Monitorkonsole, auf deren Schirm das sonnenförmige Firmenlogo von SenTrax leuchtete; in der Mitte des Raums befand sich das Ei, geteilte Hälften aus verchromtem Stahl, aufgeklappt und abwartend. Eine Eihälfte war mit beigefarbenen Schläuchen und verschlungenen optischen Kabeln gefüllt, die andere Hälfte enthielt hartes dunkles Plastikmaterial, das sich schlaff an die Innenwand schmiegte.

      Gonzales wischte sich mit der Hand über die Augen, dann raffte er sein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und streifte ein Gummiband darüber. Er griff nach unten an seine Taille und erfasste den Saum seines marineblauen T-Shirts und zog sich das Hemd über den Kopf. Er ließ es auf den Fußboden fallen, schleuderte die Sandalen von seinen Füßen und stieg aus der ausgebeulten braunen Hose und dem lose sitzenden weißen Baumwollslip. Er stand nackt da, und seine Haut glänzte von einem dünnen Schweißfilm. Seine Haut fühlte sich heiß an, seine Augen brannten, und in seinem Magen brodelte es.

      Gonzales stieg hoch und in eine chromglänzende Eihälfte. Er erschauerte und lehnte sich zurück, während körperwarme Flüssigkeit in die schlaffen Plastikfalten lief und sie unter ihm aufblähte. Er ergriff fingerdicke Kabel und schob ihre Kontakte in die Buchsen in seinem Nacken. Während das Ei sich weiter füllte, stülpte er die Maske über sein Gesicht, spürte, wie ihre Ränder sich auf seiner Gesichtshaut festsaugten, und atmete ein. Katheter näherten sich seinem Schoß, Injektionsnadeln zielten auf seine Armbeugen. Das Ei schloss sich um ihn, und Flüssigkeit strömte in die Höhlung.

      Er trieb in völliger Stille, wartete, atmete langsam und tief, während das Hochgefühl durch die chaotische Mischung aus Empfindungen drang, die durch Drogen, Meditation und das Ei erzeugt worden war. Ganz gleich, dass er seinen eigenen Schrecken erneut durchleben würde, dies war es, was ihn bewegte: der Zugang zu den Vielwelten menschlicher Erfahrung - eine Reise durch Raum, Zeit und Wahrscheinlichkeit zugleich.

      Virtuelle Realitäten waren überall - virtuelle Urlaubstage, virtueller Sex, Superstarruhm, was auch immer man wollte -, aber verglichen mit dem Ei waren sie nur hochauflösende Videospiele oder Bühnenzauber. VRs benutzten eine Reihe von Tricks, um physische Präsenz zu simulieren, doch die Sinne konnten nur bis zu einem gewissen Grad getäuscht werden, so dass es einem durchaus bewusst war, wenn man eine VR einatmete, und die Illusion letztendlich davon abhing, wie weit man willentlich bereit war, seine Skepsis auszuschalten. Beim Ei hingegen waren sämtliche sensorische Modalitäten beteiligt; die Welten waren so überzeugend, dass Leute, die nach diesen Ausflügen erwachten, in der wachen Welt verloren erschienen, als befänden sie sich in einem Traum.

      Eine Nadel bohrte sich durch eine Membrane in eines der neutralen Kabel und injizierte eine Neuropeptidmischung.

      Gonzales ging auf die Reise.

      Es war der letzte Tag von Gonzales dreiwöchigem Aufenthalt in Pagan, der Stadt mitten in Myanmar, wohin die Regierung infolge heftiger Rassenunruhen in Yangon vor Jahrzehnten ihre Archive ausgelagert hatte. Er saß mit Grossback, dem Abteilungschef von SenTrax Myanmar, an einem Rosenholztisch in der Mitte des großen Konferenzsaales. Die Workstations des Tisches - längliche, in die Tischplatte eingelassene Glasgebilde - lagen dunkel und stumm vor ihnen.

      Gonzales war nach Myanmar gekommen, um ein Informations-Audit durchzuführen. Die örtliche SenTrax-Gruppe versorgte den Konföderierten Staat von Myanmar mit seinen grundlegenden Informationsmitteln: darunter auch alle Aufzeichnungen über Personal und Material sowie die Transaktionen zwischen ihnen. Einen Monat vorher hatten die Berichte der örtlichen Gruppe in den passiven Kontrollprogrammen der Mutterfirma Look-see-Alarme ausgelöst, und Gonzales und sein Memex waren losgeschickt worden, um sich die Daten etwas genauer anzusehen. Deshalb hatten Gonzales und das Memex zwanzig Tage lang Datenstrukturen und ihre Inhalte getestet und nominal funktionelle Beziehungen mit der Wirklichkeit verglichen. Wo immer es Bewegungen von Informationen, Geld, Ausrüstung oder Personal gab, existierten auch entsprechende Aufzeichnungen, und diese verfolgten die beiden. Sie untersuchten den Geldfluss, verglichen Beschaffungsorder mit geleisteten Diensten und verbrauchtem Material, kontrollierten Paraffen mit den Personalakten, verglichen die Personalunterlägen mit den regierungsamtlichen Datenstämmen und beschäftigten sich mit dem Umfeld und den Aktivitäten der Personen, die sie repräsentierten; sie lasen Verträge und verfolgten sie zurück bis zu Entwurf und Ausführung; sie kontrollierten die täglichen Betriebsprotokolle.

      Harte, mühsame Arbeit, nur mit Geduld und Sinn fürs Detail zu bewältigen, und bisher hatte sie nichts als die üblichen Schlampereien erbracht. Grossback leitete keinen ausgesprochen effizienten Betrieb, aber im Augenblick sah es so aus, als gebe es keine gezielten Unregelmäßigkeiten. Trotzdem war weder seine noch die Überprüfung von SenTrax Myanmar abgeschlossen; Gonzales' abschließender Bericht käme später, nachdem er und das Memex die Geschäftsunterlagen ausgiebig analysiert hätten.

      Gonzales streckte sich und rieb sich die Augen. Wie immer am Ende einer solchen kurzzeitigen, arbeitsintensiven Mission war er müde, fühlte er sich ausgebrannt und von dem Wunsch getrieben, endlich aufzubrechen. Zu Grossback sagte er: »Ich fliege mit einer Firmenmaschine heute Nachmittag von hier nach Bangkok. Dort nehme ich den nächsten Linienflug, den ich erreichen kann.«

      Grossback lächelte und war offensichtlich froh, dass Gonzales abreiste. Grossback war ein zierlicher Mann; er hatte hellbraune Haut, schwarzes Haar und ein feingeschnittenes Gesicht. Er kleidete sich nach alter burmesischer Mode: ein dunkler Rock, longyi genannt, zu einem weißen Baumwollhemd.

      Während Gonzales' Aufenthalt war er ihm kühl und korrekt hinter eine Maske aus kollegialer Höflichkeit begegnet. Völlig okay, hatte Gonzales gedacht: Der Betrieb dieses Mannes stand unter einem gewissen Verdacht, und der Mann selbst auch. Außerdem verabscheuten die Leute im Allgemeinen diese Einmischungen von draußen; als Vertreter der Abteilung für Innere Angelegenheiten berichtete Gonzales ausschließlich seinem Abteilungschef, F. L. Traynor, und dem Verwaltungsrat von SenTrax, und das machte fast jeden nervös.

      »Starten Sie vom Myaung-U-Airport?«, fragte Grossback.

      »Nein, ich habe darum gebeten, mich südlich der Stadt abzuholen.« Wie jeder andere, der entsprechende Arrangements treffen konnte, wollte er nicht den offiziellen Flughafen von Pagan benutzen, wo Partisanengruppen gelegentlich Flugzeuge abschossen. Grossback musste das eigentlich wissen.

      Grossback fragte: »Wie lautet Ihr Bericht?«

      Überrascht sah Gonzales ihn an. »Sie wissen doch, dass ich Ihnen darüber nichts mitteilen darf.« Allein diesem Punkt zur Sprache zu bringen war eine erhebliche Peinlichkeit, abgesehen davon, dass es sich um eine Verletzung der firmeninternen Vorschriften handelte, die gemeldet werden konnte. Der Mann war entweder dumm oder verzweifelt

      »Sie haben doch nichts gefunden, oder?«, meinte Grossback.

    Was für ein Problem hatte er? Gonzales erwiderte: »Ich muss die Daten von einem ganzen Jahr überprüfen, ehe ich eine Bewertung abgeben kann.«

      »Sie wollen mir also nicht verraten, wie der vorläufige Bericht aussieht«, sagte Grossback. Sein Gesicht war starr geworden.

      »Nein«, erwiderte Gonzales. Er erhob sich und sagte: »Ich muss noch packen.« Im Augenblick wollte er nur verschwinden, ehe Grossback etwas tat, was nicht mehr zu ignorieren wäre, zum Beispiel ihn zu bedrohen oder zu versuchen, ihn zu bestechen. »Auf Wiedersehen«, sagte Gonzales.

      Der andere Mann sagte nichts, als Gonzales den Raum verließ.

      Gonzales kehrte ins Thiripyitsaya Hotel zurück, eine Ansammlung niedriger Bungalows aus Bambus und Eisenbeton, die oberhalb des Irawadi River angelegt war. Die Zimmer waren von der schäbigen Version Myanmars von Touristenluxus verschandelt: lackierter Bambus an den Wänden neben Holos von fliegenden Drachen sowie eine Kommode, Tische, Stühle und Bettrahmen aus schwarzem Teak; Deckenventilatoren, die sich aus dem zwanzigsten Jahrhundert hierher verirrt hatten. Nur um dem Durchschnittsbürger diesen geballten Eindruck von exotischem Ostasien zu vermitteln, dachte Gonzales. Das Hotel war jedoch vor weniger als zehn Jahren renoviert worden, daher verfügte Gonzales, nach lokalen Maßstäben, über jeden Luxus: Klimaanlage, Mikrowellenherd und Kühlschrank in funktionsfähigem Zustand.

      Natürlich arbeitete die Klimaanlage an vielen Abenden nicht, und Gonzales lag schwitzend und halb benommen in den heißen, feuchten Nächten auf seinem Bett und wurde anschließend im ersten Morgengrauen von Eidechsen begrüßt.

      An mehreren dieser frühen Morgen war er über die Wege spaziert, die sich durch Ebenen rund um Pagan zogen, war zwischen den Tempeln und Pagoden umhergeschlendert, während die Sonne aufging und den Morgendunst in einen riesigen Schleier leuchtenden Rosas verwandelte, aus dem die Türme wie Märchenschlösser herausragten. Überall in und um Pagan herum standen die Tempel, als Wilhelm der Eroberer König gewesen war. Nun hingegen hockten Fertigbauten, die Regierungsbehörden beherbergten, zwischen den tausend Jahre alten Pagoden, einige in einem noch nahezu makellosen Zustand wie der Thatbyinnu-Tempel zum Beispiel, unzählige andere jedoch nicht mehr als Ruinen und längst vergessene Namen. Man machte sich verdient, indem man Pagoden baute, und nicht indem man die erhielt, die von jemandem erbaut worden waren, der längst tot war.

      Wie einige andere Länder Südostasiens versuchte Myanmar noch immer, sich von der politischen Entwicklung des späten zwanzigsten Jahrhunderts zu erholen; im Falle Myanmars war das sein Jahrzehnte währender Kampf gegen eine ständige Folge von Militärdiktaturen und das Chaos, das auf sie folgte. Und wie es häufig bei politisch instabilen Ländern der Fall war, sein immer noch stark eingeschränkter Zugang zum Weltnetz; während verschiedener Arten von Regierungen hatten die Führer des Landes die Aussicht auf einen freien Informationsfluss als unannehmbar betrachtet. Ka-Band-Antennen waren teuer, ihre Benutzung nur nach Erwerb einer Lizenz gestattet, die zu erlangen so gut wie unmöglich war. Infolgedessen waren Gonzales und das Memex sich vorgekommen wie Fleischfresser, die unter die Vegetarier geraten waren und keine Möglichkeit hatten, die Nahrung zu finden, die sie lebensnotwendig brauchten.

      Er hatte an diesem Morgen das Memex heruntergenommen. Die Funktionen ausgeschaltet, ruhte es in einem seiner beiden Glasfiber- und Aluminium-Schutzbehälter und war bereit für den Transport. Die andere Box enthielt Speicherkästen mit den Protokollen der Abteilung Myanmar von SenTrax.

      Sobald sie zu Hause wären, würde Gonzales dem Memex die neuesten Daten über Grossback mitteilen und wie der Mann im letzten Moment der Mission zusammengebrochen war. Gonzales war sicher, dass das M-I das gleiche denken würde wie er: Grossback hatte Dreck am Stecken und panische Angst, dass sie es herausfinden könnten.

      Am Rand eines sandigen Flugfeldes südlich von Pagan wartete Gonzales auf seine Maschine. Er trug seine übliche internationale Reisekluft, einen braunen zweiteiligen Gabardineanzug sowie ein weißes Leinenhemd mit offenem Kragen und dunkelbraune Slipper an den Füßen. Sein Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und wurde von einem Silberring gehalten, der aus Eidechsenfiguren bestand, die einander in den Schwanz bissen. Neben ihm standen ein weicher brauner Lederkoffer und die beiden Schutzbehälter.

      Vor ihm erhob sich eine Pagode in einer Reihe von Terrassen und endete in einem vergoldeten und mit Edelsteinen besetzten Schirmdach, das zum Himmel wies. Auf ihren Stufen, neben der mächtigen Tatze eines steinernen Löwen, saß ein Mönch in Lotoshaltung, das Gesicht von dem Tier überschattet, das massig und wuchtig und übertrieben bedrohlich neben ihm aufragte. Die Flanken des Löwen wurden vom Sonnenuntergang orangenfarben getönt, die Lippen hatten die Farben von getrocknetem Blut. Die Minuten verstrichen, und die Stimme des Mönchs erklang in einem eintönigen Gesang, wobei sein Gesicht im Schatten verborgen blieb.

      »Machen Sie einen Rundgang durch die Tempel des alten Pagan«, sagte eine Stimme. »Shwezigon, Ananda, Thatbyinnu...«

      »Verschwinde«, befahl Gonzales dem Rundfahrtwagen, der von hinten an ihn herangerollt war. Er bot etwa zwei Dutzend Passagieren in acht Reihen schmaler Holzbänke Platz, war jedoch im Augenblick leer. Fast alle Touristen drängten sich jetzt sicherlich auf den Terrassen von Thatbyinnu, wo sie den Sonnenuntergang über dem weiten Tempelfeld beobachten konnten.

      »Die letzte Rundfahrt des Tages«, sagte der Wagen. »Sehr billig, außerdem biete ich als besonderen Service für unsere Besucher einen sehr günstigen Umtauschkurs.«

      Er wollte Kyats gegen Dollars oder Yen umtauschen: In Myanmar betätigten sich sogar die Maschinen auf dem schwarzen Markt. »Nein, danke.«

      »Ein extrem guter Kurs, Sir.«

      »Verpiss dich«, schimpfte Gonzales. »Oder ich melde dich als defekt.« Der Wagen schnurrte, während er sich entfernte.

      Gonzales beobachtete einen jungen Mönch, der von der anderen Straßenseite zu ihm herübersah, bereit, die Straße zu überqueren und um Bleistifte oder Geld zu betteln. Gonzales fing den Blick des Mönchs auf und schüttelte den Kopf. Der Mönch hob die Schultern und ging weiter, wobei sein orangefarbenes Gewand flatterte und sich bauschte.

    Wo zum Teufel blieb sein Flugzeug?

      Bald würden Jagdleuchtkugeln die Dunkelheit des Neumondes zerreißen, und Regierungshummeln würden wie riesige mutierte Fledermäuse an der Grenze der Dunkelheit umherschwirren. Im Landesinnern befand Myanmar sich am Rand des Chaos, ausgelöst durch ein Vielvölkergemisch von Karenen, Kachinen und Shanen mit verschiedenen politischen Anliegen, alle geeint in ihrer heftigen Ablehnung der Zentralregierung. Sie kämpften mit allem, was ihnen in die Hände geriet, vom angespitzten Holzknüppel bis hin zur kleinsten Rakete, und sie gaben erst Ruhe, wenn sie im Kampf umkamen.

      Ein schrilles Heulen wurde schnell lauter, bis es die ganze Luft ausfüllte. Innerhalb weniger Sekunden erschien über der dunklen Masse des Waldes ein silberner Schwing-Flieger, ein unförmiges Ding, deren riesige rechteckige Tragflächen mit je einem wuchtigen, übergroßen Motorengehäuse versehen waren. Mit rot und gelb blinkenden Positionslichtern verharrte der Schwing-Flieger über dem Flugfeld, klappte die Tragflächen um, und das Brummen der Motoren klang tiefer und tiefer. Die Scheinwerfer leuchteten auf dem Grund einen etwa zehn Meter großen Kreis mit ihrem weißen Lichtschein aus, auf den der Schwing-Flieger sich herabsenkte und dabei Sandwolken hochwirbelte, die über Gonzales hinwegfegten. Das Heulen der auf Gegenschub geschalteten Turbinen wurde zu seinem Flüstern, und mit einem Knarren belastete die Maschine ihr Landegestell, so dass das Cockpit dicht über dem Boden schwebte. Gonzales ergriff sein Gepäck und ging auf die Maschine zu. Eine Leiter faltete sich mit einem hydraulischen Zischen aus dem Rumpf, und Gonzales stieg auf ihr nach oben und verschwand im Inneren des Flugzeugs.

      »Michail Gonzales?«, fragte der Pilot. Er hatte sich die multifunktionale Fliegerbrille nach oben auf die Stirn geschoben, wo die verspiegelten ovalen Gläser ein leeres zweites Augenpaar bildeten; ein dünner Strang eines faseroptischen Kabels ringelte sich von ihrem 'Rand herab. Unter der Brille war das schmale Gesicht gebräunt und faltig. Keine kosmetische Renovierung bei diesem Typen, dachte Gonzales. Der Mann trug ein tropisches Wegwerfhemd mit tanzenden rosafarbenen Flamingos auf einem marineblauen Untergrund

      »Das bin ich«, erwiderte Gonzales. Er beschrieb mit dem Behälter in seiner rechten Hand eine Geste, und der Pilot legte einen Schalter um, der den Gepäckraum öffnete. Gonzales stellte seine Koffer in das Stahlabteil und sah zu, wie das Sicherheitsnetz sich um die Koffer strammzog und die Abteiltür sich schloss. Er suchte sich einen Platz in der ersten von acht freien Reihen hinter dem Piloten. Polster seufzten unter ihm, und aus der Rückenlehne seines Vordersitzes sagte eine weibliche Stimme zu ihm: »Sie sollten Ihre Gurte anlegen. Wenn Sie dazu irgendwelche Erläuterungen brauchen, dann sagen Sie es jetzt.«

      Gonzales schloss den trapezförmigen Haken,

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