Sausewind galoppiert ins Glück: Eine Pferdegeschichte auch für Jungen
Von Eddi Wortklang
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Über dieses E-Book
Das Hengstfohlen Sausewind mag sein Zuhause. Dort hat es alles, was es zum Leben benötigt. Gutes Futter, viel Auslauf und seinen Lieblingsmenschen. Leider wohnt der Hengst Rasputin mit im Stall, ein Angeber und Großmaul. Weil die ganze Herde auf Rasputin hört, träumt Sausewind lieber, als sich seinem Feind zur Wehr zu setzen. Beispielsweise davon, dass er später sämtliche Pokale abräumt. Damit die ganze Welt stolz auf ihn ist und er stolz auf sich selbst. Als wäre die Sache mit Rasputin nicht ärgerlich genug, erreichen das Hengstfohlen auch noch drei schlimme Nachrichten innerhalb weniger Minuten: Es soll sein Zuhause verlieren, seinen Lieblingsmenschen nicht mehr wiedersehen und außerdem zur Schule gehen! Wird Sausewind all seine Probleme allein lösen können oder braucht es eine helfende Hand?
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Buchvorschau
Sausewind galoppiert ins Glück - Eddi Wortklang
Der Tag beginnt
Eine Männerhand zieht am Riegel aus Metall. Sausewind kann sie sehen. Unter dem Daumennagel dieser Hand klebt ein dunkler Rand, auf dem Handrücken wachsen schwarze Haare. Die Hand gehört Andre. Andres Hand ist stark, sie kann zupacken und Gewicht halten. Einen ganzen Heuballen zum Beispiel. Für so jemanden ist es eine Kleinigkeit, einen Riegel zu öffnen. Der macht keine Zicken, wie die Reitschüler manchmal schimpfen. Er rutscht zurück und schabt an der Holzwand entlang. Das Geräusch macht Gänsehaut. Und auch Vorfreude. Denn schon springt die Tür zur Box auf. Jetzt ist Futterzeit, weiß Sausewind. Er stößt sich von der Wand ab und verlagert das Körpergewicht gleichmäßig auf alle vier Hufe.
„Guten Morgen, Sausewind", sagt Andre wie immer. Beinahe gleichzeitig schiebt er die Schubkarre mit der Forke, den Lockenkopf und seinen Zweimeterkörper hinein. Ganz schön eng wird es in der Box. Andre ist der gute Geist des Reiterhofs, so nennen der Stallmeister Basti und die anderen Mitarbeiter ihn jedenfalls. Die Bezeichnung im Arbeitsvertrag lautet Pferdewirt. Manche sagen Stallbursche. Sausewind ist es egal, wie man Andre nennt. Er mag ihn. Genauso wie fast alles, was der Tag ihm sonst beschert.
Andre stopft Heu in die Raufe, das Wind und Wetter nicht ausgeblichen haben. Es schimmert dunkelgrün und duftet nach Kräutern. Qualität ist wichtig, meint er. Sausewind kennt den Satz. Andre passt immer auf, dass die Pferde nur das Feinste bekommen. Fohlen und ihre Mütter den Schnitt aus der ersten Mahd. Da stecken die meisten Vitamine und viele Mineralien drin. Die sorgen dafür, dass Stutenmütter die beste Milch geben. Und dass zappelige, kleine Fohlen zu ruhigen, großen Tieren heranwachsen.
Andre hat es eilig, weil so viel Arbeit auf ihn wartet. Unzählige Mäuler wollen frühmorgens gestopft werden. Den Hofhund und den alten Kater mitgezählt, dürften es an die Millionen sein. Schätzt Sausewind. Deswegen macht es ihm nichts aus, dass Andre ihn nur mit leichtem Klopfen an den Hals bedenkt. Auch Sausewinds Mutter erhält durch das Gatter zur Box nebenan eine schnelle Liebkosung. Dann ist Andre fort. Das Fohlen steckt die Nüstern ins Heu. Die Halme kitzeln so lustig, dass es niesen muss. Mann oh Mann, ist das großartiges Heu! Es riecht und schmeckt nach Gras, Kamille, Hirtentäschel, Wegerich und vielem mehr. Und nach Mut und Abenteuern.
Danach läuft der Tag ab wie jeder Tag abläuft. Mit einem Wort ausgedrückt: wundervoll. Erst geht es raus mit den anderen Pferden auf die Koppel. Sausewind hält sich die meiste Zeit nah an seiner Mutter. Weil es praktisch ist. In ihrer Gegenwart braucht er sich um nichts Wichtiges kümmern. Sie mag seine Anwesenheit auch. Sagt sie ihm oft. Und dass sie ihn so am besten unter Kontrolle hat. Als wenn man ihn noch kontrollieren muss. Er weiß längst allein, dass man Jakobskreuzkraut nicht frisst, weil das für Pferde giftig ist oder dass man im Wald nicht auf sumpfigen Boden tritt, weil der einen „Schlurps!" aufsaugt.
Leider nimmt Mama ihre Aufgabe sehr genau. Zu genau für Sausewind. Sie sorgt sich um ihn und sagt es auch noch, wenn andere sie hören können. Zum Beispiel, wenn Sausewind auf der Koppel Vollgas gibt und wie der Wind über das Gras pfeift. Was ziemlich Bombe ist, findet er. „Dir könnte etwas zustoßen, wenn du so rennst, ist einer ihrer Lieblingssätze. Voll peinlich. Und dann steht er da vor der Herde. Vor allem vor Rasputin, dem er mal ordentlich ein Schienbein verpassen möchte. Weil der überall der Größte ist. Und der Klügste. Und der Witzigste sowieso. Das lässt er Sausewind spüren, wenn er ruft: „Seht geschwind, da kommt das Mamakind, der Sausewind.
Alle lachen. Sausewind kommt sich vor wie ein Feigling. Freunde macht er sich so keine. Die anderen machen ihre eigenen Runden, und kaum jemand fragt ihn noch, ob er mitlaufen will. Basti sagt Mama, dass sie ein Helikopterpferd ist und dass er so etwas in seiner Herde nicht gebrauchen kann. „Vor allem, weil Sausewind so viel Potential hat, das sich entwickeln soll. Du willst doch auch nicht, dass er verkümmert, oder?" Natürlich will Mama das nicht. Sausewind erst recht nicht. Aber er möchte nicht, dass Mama traurig ist. Deswegen ist es das Einfachste, er nimmt nur so viel Kontakt mit den anderen Pferden auf wie notwendig. Egal, dass sie ihn als Einzelgänger bezeichnen. Man kann auch mit sich selbst reden. Mit Basti sowieso.
Die meiste Zeit des Tages verbringt Sausewind daher mit Träumen. Davon, dass er als kräftigster Hengst später den Rasputin schlägt und jedes Turnier für sich gewinnt. Davon, dass Basti und die ganze Welt ihn stolz anhimmeln. Denn Basti findet Sausewind nicht nur gut wie Andre, sondern oberklassegut. Und allein darauf kommt es an. Wenn Sausewind dann so für sich steht und vom Sieg träumt, ist er sogar selbst stolz auf sich. Das will schon etwas heißen.
Später führen Mitarbeiter oder die Besitzer ihre Pferde auf dem Platz hinter dem Stall an der Longe. In großen und in kleinen Kreisen. Rundherum um sich selbst. Mal in die eine, mal in die andere Richtung. Bleiben stehen, gehen vor und zurück. Bodenarbeit nennt man das. Überall dort, wo Hufe und Schuhe auf die Erde treffen, sind deutliche Spuren im Sand zu erkennen. Sausewind verfolgt sie neugierig wie ein Chamäleon die Fliege mit den Augen. Aus den Spuren liest er neue Geschichten aus der Pferdezauberwelt. Wie ein Pferdeindianer. Das Problem ist, sagt Basti, dass jedes Pferd normalerweise mit seinem Menschen verbunden ist. Mit einem, der für sein Tier sorgt, der es führt und sich kümmert. Der Besitzer von Sausewind und Mama nimmt es nicht so genau. Sieht in ihnen eine Geldanlage. Das bedeutet so viel, dass er beide gekauft hat, als er zu viel Geld besaß und sie für mehr als den ursprünglichen Einsatz verkaufen wird, wenn sein Geld zum Leben nicht mehr reicht. So kommt es, dass Sausewind und Mama jeden Mitarbeiter besser kennen als ihren eigenen Menschen. Jeder ist mal mit der Betreuung an der Reihe, je nachdem, wer Dienst hat. Am schönsten ist es, wenn Basti sich um Sausewind kümmert.