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"Mama, aus Spiel wären das Erdbeeren.": ...oder Lillis mutige Geschichte
"Mama, aus Spiel wären das Erdbeeren.": ...oder Lillis mutige Geschichte
"Mama, aus Spiel wären das Erdbeeren.": ...oder Lillis mutige Geschichte
eBook322 Seiten4 Stunden

"Mama, aus Spiel wären das Erdbeeren.": ...oder Lillis mutige Geschichte

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Über dieses E-Book

Was stimmt bloß nicht mit Lilli?
Von einer auf die andere Minute hält sie ihr kleines Köpfchen schief, ständig ist sie müde und schlapp, möchte nicht mehr laufen. Dabei ist sie eigentlich ein zweijähriger Wirbelwind - nie zu bremsen.
Nach monatelangem Rätselraten dann die niederschmetternde Diagnose: Hirntumor, Ependymom, unheilbar.
Der aussichtslose Kampf gegen den Krebs beginnt. Doch gemeinsam mit ihrer Familie gibt Lilli nicht auf und reist für ihr Überleben sogar um die halbe Welt. Wird ihr Traum ein Schulkind zu werden in Erfüllung gehen?
Eine wahre Geschichte über den beispiellosen Überlebenskampf eines kleinen Mädchens mit großem Optimismus.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Jan. 2024
ISBN9783758390203
"Mama, aus Spiel wären das Erdbeeren.": ...oder Lillis mutige Geschichte
Autor

Maureen Reil

Maureen Reil, geb. Stenmanns ist Mama von vier Kindern. Zwischen Homeschooling, Kinderbetreuung und zu viel Espresso entstand ihr erstes Buch über die Geschichte ihrer Tochter Lilli. Mut machen möchte sie. Immer nach dem Motto, es geht noch etwas mehr...

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    Buchvorschau

    "Mama, aus Spiel wären das Erdbeeren." - Maureen Reil

    Für meine vier Kinder, das Beste in meinem Leben!

    Inhaltsverzeichnis

    Lilli

    Rückblick

    Uniklinik

    Mia

    Lilli kommt zurück

    Lilli wird 3!

    Die Bestrahlung

    2013

    2014

    Stammzellen

    2015

    Entscheidung

    Endspurt

    Abschied ins Ungewisse

    Toronto

    Mia besucht uns

    Marlow

    Bestrahlung

    Lillis Wunsch geht in Erfüllung

    Noch einmal Toronto

    Corona

    Wie geht es Lilli heute?

    Lilli bei den Delfinen

    Danke!

    Nachwort

    Lilli

    „Nasenküsse schmecken gut, Nasenküsse gehen ins Blut, aber eines muss Du wissen, man sollte nie mit Schnupfen küssen, nein, nein, nein!"

    Es ist Mittwochabend, der 06. Juni 2012. Gemeinsam singen wir eines ihrer Lieblingslieder, während Lilli versteckt unter einem Spinnennetz aus Kabeln in ihrem stählernen Gitterbettchen liegt. Ihr kleines makellos pausbackiges Gesichtchen, aufgedunsen von den vielen Medikamenten, die Atmung fällt ihr schwer, doch ihr Lächeln bleibt, auch wenn die Angst aus ihren dunklen Augen spricht. Dieses Kind hat die schönsten schwarzbraunen Augen, die ich je gesehen habe!

    „Lilli, ich liebe Dich und egal was passiert, ich werde da sein. Jede Entscheidung, die Du treffen wirst, wird die richtige sein und ich bin immer bei Dir."

    Rückblick

    Schon während der Schwangerschaft war meine kleine Tochter mein Sorgenkind. Beinahe wöchentlich überwies mich die Frauenärztin ins Krankenhaus: Mal war das Kind zu klein, mal nicht altersgemäß entwickelt. Im Krankenhaus dann immer wieder die Entwarnung, alles ok! Trotzdem begleitete mich permanent die Sorge um mein ungeborenes Mädchen.

    Meine erste Schwangerschaft verlief tadellos. Mia wurde im Juli 2007 geboren - ohne Komplikationen, wie es sein sollte.

    Lilli war eben schon immer besonders. Am Ende der Schwangerschaft sollte sie per Kaiserschnitt geholt werden, da die Ärztin befürchtete, mein Baby sei zu schwach für eine natürliche Geburt. Ich wollte das auf keinen Fall, weshalb ein Wehenbelastungstest durchgeführt wurde. Dieser war völlig in Ordnung. Lilli kam am 25. Juli 2009, fast schon als Sturzgeburt, zur Welt. Wie ein Wirbelwind! Genauso benahm sie sich auch. Immer in Bewegung, immer das Köpfchen voll verrückter Ideen. Keine Sekunde konnte ich sie aus den Augen lassen. Mit achtzehn Monaten kletterte sie unsere Wendeltreppe von außen nach oben - ich war immer schon sehr mit meiner Kleinen beschäftigt. Aber ich habe es geliebt.

    Lilli mochte weder essen noch trinken. Nur an ihre „H, h" (ihr Wort für Brust), wie sie immer sagte, als sie die ersten Worte sprach, wollte sie. Sie brauchte viel Nähe, wobei sie am liebsten pausenlos gestillt wurde. Ich ließ sie gewähren, stillte sie gerne über zwanzig Monate. Ansonsten war sie super entwickelt, frech wie Oskar und hielt mich gut auf Trapp. Ihre schwarzen Augen blitzten nur so vor schelmischer Frechheit, wenn sie mich anlächelte. Ich wusste immer: dieses Mädchen wird mir alles abverlangen.

    Die ersten versteckten Anzeichen ihrer Krankheit sehe ich heute durchaus früher als die offensichtlicheren.

    Mia konnte beispielsweise mit zwei Jahren hervorragend Laufrad fahren, also gebe ich Lilli das Laufrad in diesem Alter weiter. Sie kommt überhaupt nicht damit zurecht. Ihr fehlt jegliche Balance. Sie braucht vielleicht noch etwas Zeit, versuche ich mir zu sagen, aber als sie dann auch das Dreirad nicht koordinieren kann, beginne ich doch, ein komisches Gefühl zu haben.

    Fasching 2012

    Fasching 2012

    An Nikolaus 2011 sind wir gut gelaunt beim Kinderturnen. Alle Kinder stellen sich an einer Linie auf, um gemeinsam zu den Eltern auf die gegenüberliegende Hallenseite zu rennen. Mein Mädchen läuft auf mich zu, wobei sie urplötzlich ihren Kopf schief hält. Ich frage sie, ob ihr etwas weh tut, doch sie verneint. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch fahre ich lieber direkt mit ihr zum Arzt. Der Orthopäde tippt auf einen Zug, weshalb er ihr über das Wochenende Paracetamol verschreibt. Ich bin sicher, sie hat keinen Zug bekommen, weshalb ich ihr keine Medikamente gebe, zumal sie keine Schmerzen hat.

    Hier beginnt Lillis und unsere Odyssee. Wir suchen uns Hilfe bei allen möglichen Therapeuten sowie Ärzten verschiedener Fachrichtungen: darunter Orthopäden, Physiotherapeuten, Osteopathen, Pädiater. Keiner findet eine schlüssige Lösung für Lillis schiefes Köpfchen. Ich bin dankbar, einen Termin bei einer Koryphäe auf dem Gebiet ‚Schiefhals‘ zu ergattern. Der Professor schaut Lilli kurz an, stellt sich dann hinter sie, um ohne Vorwarnung oder mein Einverständnis ihren Kopf einzurenken. Ich bin schockiert, was ich auch deutlich mache. Daraufhin möchte er mir mit einem Röntgenbild beweisen, dass ein Halswirbel verschoben ist. Mit dem Bild in der Hand diagnostiziert er letztendlich den verschobenen Wirbel, welchen wir in der folgenden Zeit zu therapieren versuchen. Ernüchtert über die Art, wie manche Ärzte teilweise mit kleinen Kindern umgehen, bin ich dankbar über die Therapeuten, die sich alle Mühe geben, den angeblich nicht richtig stehenden Wirbel zu finden, um ihn wieder in seine Bahn zu bringen. Unsere Physiotherapeutin fragt immer wieder nach, welcher Wirbel nicht an seinem Platz sei. Auch die Osteopathin kann ihn nicht finden. Trotzdem arbeiten alle mit Elan daran, Lilli wieder in Form zu bringen. Eine Therapeutin schafft es tatsächlich, Lillis Köpfchen wieder etwas in die Mitte zu bringen. Daraufhin geht es ihr für eine kurze Zeit etwas besser.

    Nach einer ‚Turnaktion‘ mit Mia ist ihr Kopf aber wieder schief. Mittlerweile bin ich so verzweifelt, dass ich mit Mia schimpfe. Wie dumm von mir. Ich schäme mich sehr dafür. Mein ungutes Bauchgefühl ist manchmal kaum zu ertragen. Ich blicke meinem Kind in die strahlenden Augen und bemerke, trotz ihrer positiven Ausstrahlung, wie sehr sie sich verändert.

    Mia:

    Lilli und Mama waren schon immer das Allerwichtigste in meinem Leben und ich hatte immer schon eine extrem starke Bindung zu Lilli. Mit niemandem sonst habe ich diese Momente, in denen wir uns einfach nur anlächeln und wir uns im Stillen sagen, dass wir uns ganz doll lieb haben. Als Lilli geboren wurde, war ich zwei und ich bilde mir ein, dass ich mich an den Tag von Lillis Geburt erinnern kann und vor allem, dass ich mich an den Moment erinnere, in dem Lilli meine Finger ganz festgehalten hat. Ich bilde mir bis heute ein, meine frühste Kindheitserinnerung wäre dieser Tag, obwohl man ja sagt, die Erinnerung über langen Zeitraum setzt erst ab drei Jahren ein. Aber auch wenn ich mir das nur einbilde, haben auch meine nächsten Erinnerungen immer etwas mit Lilli zutun. Mal sind es Erinnerungen, wie Lilli und ich zusammen tanzen, was uns schon immer verbunden hat (also die Leidenschaft zum Tanzen), mal hat sie mich auch genervt, weil Mama etwas mit mir machen wollte, aber sie einfach nicht schlafen wollte.

    Dann gibt es aber auch immer mehr Erinnerungen in denen Lilli voller Schmerzen auf der Couch liegt, oder sie zu dem Titelsong von Regenbogenfisch mit schiefem Kopf und immer langsamer hinter mir her tanzt. Ich weiß noch, dass ich mitbekommen habe, wie es ihr langsam immer schlechter ging, aber ich glaube ich habe es früher (in der Anfangszeit) einfach verdrängt und nicht wahrhaben wollen, so wie das alle Vierjährigen machen würden. An irgendeinem Tag war Mama mal wieder mit Lilli bei irgendeinem Arzt, oder Orthopäden, der sie eingerenkt hat, woraufhin ihr Kopf dann wieder gerade war.

    Ich habe versucht Lilli einen Purzelbaum beizubringen und als sie es dann auch versucht hat, wurde ihr Kopf wieder komplett schief. Das Gefühl und den Stich in meinem Herzen, den es mir gegeben hat als Mama mich angeschrien hat spüre ich immer noch, wenn ich daran denke, dabei weiß ich ja heutzutage, dass die Mama, die mich damals angeschrien hat, einfach eine verzweifelte Mutter war, die mit ihrem Kind von Arzt zu Arzt gefahren ist und hoffte, dass es endlich eine Lösung des Problems geben würde.

    Ständig ist Lilli krank, sie hustet, muss sich oft ausruhen. „Ganz normal in dem Alter, die schlittern von einem in den nächsten Infekt., sagen mir unsere Ärzte. Ich weiß, dass etwas mit ihrem Köpfchen nicht stimmt. Wenn sie vor mir läuft, mit ihrem schief gelegten Kopf, sage ich oft: „Irgendetwas stimmt nicht mit ihrem Köpfchen. Aber da ich natürlich keine weiteren Indizien dafür habe, werde ich auch nicht ernst genommen. Es ist eben nur mein Gefühl als Mama. Mir fehlen die Beweise. Mit der Zeit hat Lilli immer mehr müde Phasen. Sie kann kaum noch Spaziergänge machen. Spätestens nach fünf Minuten trage ich sie. Immer wieder versuche ich Anreize zu schaffen, um sie dazu zu bringen, die Treppen in den vierten Stock zu unserer Wohnung hochzusteigen. Doch sie verweigert alles. Also wieder auf den Arm. Ich sehe sie heute noch vor mir, wie sie auf der Couch sitzt, mit angezogenen Beinchen, seitlich an die Lehne gedrückt, den Kopf in den Nacken gelegt, das Gesichtchen schmerzverzehrt, die Augen geschlossen. Es bricht mein Mutterherz. Mehrmals pro Monat werde ich mit ihr bei verschiedensten Ärzten und Therapeuten vorstellig. Immer wieder wird all das als Phase, Trotz sowie der übertriebenen Angst einer Übermutter abgetan. Klar! Wer glaubt schon an eine solche Krankheit bei einem Kind in diesem Alter.

    Pfingstsonntag bis Montag möchten wir bei Freunden im Hunsrück verbringen. Als ich mit meinen Mädchen am Sonntagmorgen losfahren möchte, übergibt sich Lilli, woraufhin ich meine Freundin anrufe, um abzusagen. Sie überredet mich, doch zu kommen - vielleicht hilft die Luftveränderung unserem Sorgenkind.

    Doch während die anderen Kinder im Garten toben, im Pool plantschen und auf dem Trampolin springen, liegt Lilli auf der Liege, wo sie sich immer wieder übergibt. Wenn sie dann doch ein wenig läuft, wirkt es, als wäre sie betrunken. Alle sind schockiert von ihrem Anblick - ich bin offen gestanden froh, dass unsere Freunde ihren Zustand auch einmal sehen, denn ich komme mir langsam, aber sicher, selbst so vor, als ob ich spinne. Ich fahre lieber nach Hause - meine Sorge um Lilli macht mich schier wahnsinnig.

    Vom 29. Mai an gehe ich täglich mit meiner Kleinen zum Arzt. Sie ist apathisch, erbricht, bekommt schlecht Luft. Ich bin in höchster Alarmbereitschaft. Immer wieder überprüfen die Ärzte ihre Blutwerte sowie die Sauerstoffsättigung, aber keiner dieser Werte ist auffällig. Als ob ich es ahne, genieße ich mit Mia am Mittwoch, den 30.05.2012 noch einmal einen unserer geliebten ‚Mama–Mia-Abende‘. Bei allem, was ich tue, habe ich dieses Gefühl in Bauch und Brust, nicht mehr atmen zu können, alles ist wie zugeschnürt, meine Angst steigert sich mittlerweile in Richtung Panik. Einzig für meine Mädchen funktioniere ich noch.

    Erst als Lilli am 1. Juni völlig apathisch, fast nicht mehr ansprechbar ist, nur noch hustet, außerdem nichts mehr zu sich nehmen kann, werden wir ins Krankenhaus zu einem MRT überwiesen. Unser Kinderarzt fragt mich, ob meine Kleine Medikamente gefunden und zu sich genommen hat, da ihr Zustand höchst seltsam ist. Ich versichere ihm, dass dies nicht der Fall ist.

    Das Wochenende vor Beginn unseres ‚Krankenhauslebens‘ ist furchtbar. Lilli geht es so unfassbar schlecht. Neben Kofferpacken für mein kleines Mädchen und mich, sowie einer Tasche für meine große Maus, die zum ersten Mal zu ihren Großeltern ziehen wird, bin ich nur damit beschäftigt, mich um Lilli zu kümmern. Ständig übergibt sie sich, hat Schmerzen, kann nicht mehr schlucken - kurz gesagt: sie leidet erbärmlich.

    Heilfroh biege ich mit Lilli auf den Parkplatz des Krankenhauses ein – bitte helft uns endlich!

    Es folgen: Aufnahme ins Vierbettzimmer, Blutentnahme sowie einige Unterschriften. Noch bin ich guter Hoffnung.

    Doch die Ernüchterung trifft mich wie ein Schlag mit dem Hammer. Wir werden ins Arztzimmer gerufen. Eine junge Ärztin hört meine Maus ab. Sie schaut sich ihren Oberkörper an, um mir sodann mitzuteilen, dass meine Tochter kerngesund, ich als Mutter allerdings etwas hysterisch sei. Wir seien hiermit entlassen, können nach Hause gehen. Der Verzweiflung nah, rufe ich unseren Kinderarzt an, der mir eindringlich rät, zu bleiben, wo wir sind. Wir sollen uns nicht verjagen zu lassen, er würde noch einmal in der Klinik anrufen, um mit den Ärzten zu sprechen. Sowohl desillusioniert als auch hilflos sitze ich auf dem Krankenbett, mein leidendes Kind fest im Arm. Ich werde nicht gehen, bevor meinem Mädchen nicht geholfen wird!

    Das Zimmer ist eine Zumutung. Vier Betten stehen eng an eng. Der Fernseher läuft ununterbrochen. Meine Freundin Marion kommt uns spontan mit Nervennahrung im Gepäck besuchen. Auch sie ist schockiert über die Zustände, vor allem aber über Lillis Anblick. Lilli hat Schmerzen, schlimme Schmerzen. Ich rufe die Schwester. Sie sieht Lillis schmerzverzerrtes Gesicht, woraufhin sie ihr ein Medikament gibt. Lilli versucht es zu schlucken. Sie schafft es nicht, muss fürchterlich husten, woraufhin sie erbricht. Also wird ein Zugang gelegt, um ihr die Schmerzmittel über die Vene zu verabreichen. Ich bekomme einen Zettel in die Hand gedrückt - ein Schmerzprotokoll - welches ich bis zum nächsten Tag führen soll. Ich muss sehr viele Einträge machen, leider. Auch die Medikamente ändern daran nichts. Am nächsten Morgen kommt eine andere Ärztin mit ihrem Team zur Visite. Wieder schildere ich alles - wieder sehe ich Ratlosigkeit in den Gesichtern der Mediziner. Ich merke jedes Mal an, dass wir für ein MRT hier sind! Verdammt, warum hört denn niemand auf mich? Ich bin am Rande der Verzweiflung. Lilli hat seit Tagen nichts mehr gegessen, geschweige denn getrunken. Ich verlange eine Infusion mit Flüssigkeit, die sie auch bekommt. Die Ärztin vermutet, dass mein Kind sich verschluckt hat und etwas in ihrer Luftröhre steckt. Sie ordnet eine Bronchoskopie an. Ich glaube zwar nicht daran, aber immerhin ist das die Chance mit dem Chefarzt zu sprechen, der am nächsten Morgen die Untersuchung durchführen soll.

    Am Dienstagnachmittag kommt Mia mit meinem Mann zu uns. Es ist ein warmer Sommertag, so dass wir im kleinen Garten der Station spielen - Mia rutscht mit ihrer kleinen Schwester auf dem Schoß. Lilli schwankt beim Laufen. Sie kann sich kaum auf der Rutsche halten. Mein ehemals so fittes Kind benötigt überall Hilfe. Es ist erschreckend. Ihr Köpfchen ist inzwischen stark nach rechts geneigt. Als ich sie in die Nestschaukel lege, verdreht sie die Augen und ihr wird schlecht. Schnell nehme ich sie wieder hoch.

    *Im Nachhinein bin ich sehr dankbar, dass Mia ihre Schwester noch ein letztes Mal so gesehen hat, wie sie war. *

    Mittwoch, der 06.06.12, 8:00 Uhr, Lilli liegt leicht sediert auf dem Behandlungsstuhl, während der Chefarzt mich befragt. Ich erzähle ihm alles und noch bevor er mit der Bronchoskopie beginnt, fragt er: „Warum wurde denn das MRT nicht gefahren? Also, wir machen jetzt mal die Untersuchung, aber da wird nichts bei rauskommen. Ich melde gleich danach ein Notfall–MRT an." Er erklärt mir während der Untersuchung genau, was man sieht, dabei stellt er mir weitere Fragen über meine Tochter. Mein Bauch krampft sich immer mehr zusammen, ich bin enorm angespannt, aber auch dankbar, endlich ernst genommen zu werden.

    *Heute ist mir klar, dass der Arzt auch ohne MRT schon ziemlich genau wusste, worunter Lilli leidet. *

    Noch am selben Nachmittag soll Lilli ins MRT. Sie hat inzwischen noch weiter abgebaut - kann im Grunde weder laufen noch sitzen, ohne umzufallen. Das Atmen fällt ihr immer schwerer. Sie hat eine Schmerzattacke nach der nächsten, dennoch ist sie so tapfer. Ich halte sie den ganzen restlichen Tag wie einen kostbaren Schatz an mich gedrückt. Die Angst um sie wird übermenschlich.

    Um 17:00 Uhr stehe ich mit Lilli auf dem Arm vor dem angegebenen Raum, aus dem laute, merkwürdig rhythmische Geräusche kommen. Ein freundlicher Arzt öffnet uns die Tür. Er erklärt mir das weitere Vorgehen. Vorerst wird er Lilli sedieren und sie im äußersten Notfall auch beatmen, was er aber nicht glaubt. Wie mein wertvollstes Gut lege ich mein zerbrechliches Kind auf eine Bahre, gebe ihr einen Kuss, während ich ihr süße Träume wünsche. Ich versuche, ihr die Angst zu nehmen, indem ich locker wirke. Während ich ihre Hand halte, spritzt der Radiologe ein Medikament in den Zugang, woraufhin Lilli die Augen schließt. Sofort beginnt ihr Brustkorb sich einzuziehen. Mein Mädchen ringt nach Luft. Ein Alarm springt an. Hektik bricht aus, ein Assistent kommt aus dem Nebenraum gerannt, ich werde unsanft aus dem Raum geschickt, während mein Kind intubiert wird. Der Anblick meines nach Sauerstoff gierenden Mädchens brennt sich in mein Herz, in meine Seele ein. Ich komme mir vor, wie in einem Psychothriller. Als das MRT läuft, kommt der Assistent zu mir vor die Tür, wo ich ungeduldig auf zitternden Beinen stehe. Er beruhigt mich, bittet mich, oben zu warten, wobei er mir fest verspricht, mich anzurufen, sobald Lilli fertig ist. Wie ferngesteuert, gehorche ich.

    *Während ich diese Zeilen schreibe, zittere ich erneut innerlich, während mein Herz rast. Dieser Moment, als Lilli keine Luft mehr bekam, wird mich lebenslänglich verfolgen. Wie sich ihre Brust nach innen zog, ihr kleiner Körper nicht mehr in der Lage war, selbstständig zu funktionieren, dies war und bleibt ein sehr traumatischer, prägender Moment für mich. Meine Lilli vor meinem inneren Auge so zu sehen, rührt mich immer wieder zu Tränen. *

    Ich befinde mich definitiv in der schlimmsten Zeit meines bisherigen Lebens. Ich weiß, ab jetzt wird alles nur noch furchtbar werden, ich weiß es einfach. Ich bekomme schlecht Luft. Um mich etwas zu beruhigen, gehe ich nach draußen, wo ich versuche, die frische Luft zu inhalieren. Weinkrämpfe schütteln mich. Eine fremde Frau kommt zu mir, fragt mich, ob sie mich in den Arm nehmen darf - eine so schöne empathische Geste, die ich sicher nie vergessen werde.

    Das Versprechen des Radiologen, mich anzurufen, um mich zurück zu Lilli zu holen, hält er nicht ein. Stattdessen ruft der Chefarzt an, fragt, wo ich bin. Mein Alarmzustand ist nun endgültig auf höchster Stufe. Mein Herz rast. Nachdem ich mich kurz orientiere, kommt er mir entgegen. Ich möchte zu Lilli! Sofort! Was ist mit meinem Kind? Der Arzt hat noch die Assistenzärztin im Schlepptau, es ist jene, die die Bronchoskopie vorgeschlagen hatte; keiner spricht mit mir. So laufe ich atemlos hinter den beiden her, mit dem Gefühl gleich zu implodieren. Immer wieder frage ich, was mit Lilli ist, aber sie laufen nur. Irgendwann hält es die junge Ärztin nicht mehr aus, sie verlangsamt ihren Schritt: „Es ist ein großer Tumor., sagt sie. Ihre Augen strahlen nur Trauer aus, da ist keinerlei Zuversicht. Mein Kopf schwirrt, ich kann nicht mehr denken, wir kommen an wartenden Menschen vorbei, ich höre mich schreien: „Ich will nicht, dass mein Kind stirbt!. Die Menschen starren mich an, der Chefarzt schiebt mich schnell in einen Raum, wo er mich auf einen Stuhl drückt. Zusammengekauert, zitternd, bekomme ich in ruhigem Ton erklärt und aufgemalt, dass ein tennisballgroßer Tumor im Hinterkopf von Lilli sitzt. Sie wird dies nicht überleben können. Ich versuche klar zu werden. Die Ärztin gibt mir ein Glas Wasser, aber ich kann es nicht schlucken, meine Kehle ist wie zugschnürt. Erst muss ich den Vater meiner Kinder informieren. Ich rufe ihn an, bitte ihn, zu einem Gespräch über Lillis Zustand in die Klinik zu kommen. Mehrfach lehnt er ab, weil er arbeitet, also muss ich ihm die knallharte Wahrheit am Telefon sagen, woraufhin er sich natürlich auf den Weg macht. Ich möchte nur zu meinem Kind! Sofort!

    Halb benebelt von Narkosemedikamenten, Kortison und Morphium liegt mein armes Mädchen im Bett. Sie ist an einen Monitor angeschlossen, der vor sich hin piept. Es fällt ihr schwer zu sprechen oder die Augen aufzuhalten. Ich würde sie zu gerne aus diesem Bett nehmen, mit ihr nach Hause rennen und aus dem bösen Traum erwachen, doch es ist nicht die Zeit zu träumen, es ist die Zeit der harten Realität - ich muss handeln, für meine Mädchen da sein.

    Ich weine noch eine Runde, dann mobilisiere ich all meine Kraft, um Mia bei meinen Eltern anzurufen. Es ist Zeit, ihr eine gute Nacht zu wünschen. Mit letzter Energie behaupte ich, alles sei in Ordnung und ich sage Bescheid, wenn ich etwas Neues erfahre. Als ich auflege, breche ich förmlich zusammen. Zum Glück ist Lilli erneut eingedämmert.

    Nachdem ich mich wieder gesammelt habe, steht ein Team der Intensivstation hinter mir. Wir wechseln die Station. Mein Kind wird an weitere Geräte angeschlossen. Alle haben freundliche, aber traurig wissende Gesichter. Eine Ärztin schaut mich an, während sie mir ihre Hand auf die Schulter legt. Sie können hier nichts mehr für mein Mädchen tun, weshalb sie nun eine andere Klinik suchen, die Lilli aufnehmen kann.

    Noch einmal kommt der Chefarzt, um nach uns zu sehen. Endlich ist auch der Vater von Lilli da. Jemand erklärt uns, dass unser Mädchen in die Uniklinik Frankfurt verlegt wird. Ich darf nicht mit dem Intensivtransport mitfahren, da ein ganzes Team an Bord sein wird und somit kein Platz mehr für mich ist. Also überlasse ich meine Maus einer lieben Ärztin. Ich erkläre Lilli noch schnell, warum ich nicht mitfahren darf, aber dass die Fahrt bestimmt wahnsinnig aufregend wird, weil sie mit Sirene und Blaulicht ganz schnell rasen werden, was sie dann später allen erzählen kann, wobei ich im Auto immer hinter ihr sein werde. Der Fahrer des RTW bittet uns eindringlich: „Wir fahren mit Signalzeichen, auch über rote Ampeln. Es nutzt nichts, wenn ihnen etwas passiert, also fahren sie uns bitte nicht um jeden Preis hinterher." Dann steigen sie ein. Als die Sirene losheult, möchte ich einfach nur sterben. Dieses Gefühl der Ohnmacht ist überwältigend, alles erscheint so surreal. An der ersten Kreuzung überfährt der Krankenwagen die rote Ampel. Der Vater von Lilli bremst - er hält sich an die Anweisung des Fahrers. Ich schreie ihn an wie eine Verrückte: „Fahr

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