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Wort im Wort: Tagebuch der Gedichte
Wort im Wort: Tagebuch der Gedichte
Wort im Wort: Tagebuch der Gedichte
eBook230 Seiten1 Stunde

Wort im Wort: Tagebuch der Gedichte

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Über dieses E-Book

Der Autor folgt den Gedichten. Am Ende kommt es zusammen, das Gedicht und der Blick aus ihm heraus auf es. Das ist etwas Neues.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Jan. 2024
ISBN9783758392566
Wort im Wort: Tagebuch der Gedichte
Autor

Michael Opielka

Michael Opielka lebt in Siegburg und Jena. Neben neun Gedichtbänden veröffentlichte er bisher vier Romane, zuletzt "Dolce Vita. Römische Elegie".

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    Buchvorschau

    Wort im Wort - Michael Opielka

    „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.

    Was darüber ist, das ist vom Bösen."

    Matthäus 5, 37

    Inhalt

    Im Süden

    Im Wort

    Coronation

    Das kleine Leben

    Selbster

    Durch die Dornen

    Oh Mutter

    Der Mann schaut von innen zu

    Die Frauen kommen

    Abendblau

    Seelenleben

    Theorie des Verschwindens

    Pfingstelegie

    Schau dich an

    Beisein

    An der Sonne

    Die Schwelle

    Was Glück ist

    Der kleine Junge

    Saalerausch

    Wohnzimmerbemerk

    Sommeranfang

    Döner in Gera

    Erato

    Henker der Liebe

    Harte Schule Schlaf

    Beischlaf der Worte

    Heute starb Milan Kundera

    Zu fest umarmt

    In die Leere

    Die Zärtlichkeit der Wölfe

    Nimm es hin

    Das Gespräch der Steine

    Freisicht

    Nachruf

    Was wahr war

    Drei Seiten

    Lange Zeit

    Angemessen

    Die Haut gerissen

    Einsamkeit

    Freie Welle

    Hingabe

    Die grüne Fliege

    Das Buch der Wut

    So gewollt

    Gut war es

    Ich schwebt

    Oppenheimer

    Vorteilhaft

    Lotte am Leben

    Was wir nicht wissen

    Zeit der Wahrheit

    Sommer des Wartens

    Fahrt über den Fluß

    Enge Weite

    Kreuzungssonate

    Nach dem Nebel

    Mont Sainte-Odile

    Von der Liebe

    Nicht nur

    Schöner Film

    Etwas geht

    Die Leiden der Wölfe

    Gekrampftes Herz

    Lieblingskinder

    Hommage an Helga Schubert

    Anlasslose Empörung

    Land der Lügen

    Reconquista

    Valencia

    Relleu

    Liebende Männer

    Skyfall

    Spanisches Sonett

    Angeschwemmt

    Jedermensch

    Träumerei

    Gliose

    Jenaer Nächte

    Gaza

    Gesichtsfeldausfall

    Goldkind

    Herbstlos

    Die reine Nähe

    Knochenleiden

    Schuld und Sühne

    Was wäre

    Verlasse die Stadt

    Fragmente

    Jenaer Jahre

    Wahrheit und Dichtung

    Paraphrastisches Gebet

    Advent

    Steine vom Himmel

    Callas

    Winter

    Im Süden

    Ankommen im Süden, das ist es. Er kommt an. Wir sehen ihm dabei zu. Da will er hin. Immer wieder. Über die Alpen, die Grenze zum wahren Leben. Das ist pathetisch. Wir korrigieren uns gleich zu Beginn. Es soll kein Buch der großen Worte sein. Es soll ein Buch aus dem Innern sein und doch soll es diskret sein. Das wird nicht einfach werden.

    Jetzt sitzt er im Auto. Ein Mietwagen der Firma Firefly. Sie war ihm unbekannt. Am Flughafen erfuhr er, es sei eine Tochter von Hertz. Das flößte ihm Vertrauen ein und schon fragte man ihn, ob er Diesel oder Benzin bevorzuge. Er hatte die kleinste Kategorie gebucht, da wird man sonst nie gefragt, man bekommt, was da ist. Diesel, natürlich, das ist seine Welt, sparsam, mit Durchzug. Ohne Metaphern kommt Literatur nicht aus. Mit flachen Metaphern ist es keine. Wir beschreiben. Wir beschreiben ihn, bevor wir ihm zuhören. Wir sind er. Wie sollte es anders gehen. Wer schreibt, baut seine Welt. Diese Welt hier, zwischen Alicante und Dénia, sie ist von vielen erbaut, lange schon, Römer, Mauren, Habsburger, Bourbonen, Spanierinnen und Spanier, vor uns Benidorm, ein Foto aus dem Auto, es ist schwierig, er ist allein, er sieht nicht so gut, darum ist er hier. Spanien ist Süden, von Deutschland aus. Was ist das für ein Süden. Es ist nicht der globale Süden. Im Gegenteil.

    Spanien hat den globalen Süden mit konstruiert. Es war eines der großen Kolonialreiche, vielleicht das grausamste. Darüber können wir Bücher lesen und schreiben. Der Freund schrieb über den Stierkampf. Das Buch änderte ihn. Es ist nicht einfach Gewalt, öffentliches Schlachten. Der Stier ist ein Opfer. Hier geht es um das Innere. Den Stierkampf in ihm, den wir begleiten. Wir wollen die Details der Weltbeschreibung nur nutzen, wenn sie etwas über das Innere aussagen. Das tun sie andererseits immer. Wir sind Welt, wir sind ihre Verlängerung und sie die unsere. Das ist allgemein. Konkret wird es schwieriger. Was hat er mit Spanien zu tun. Was habe ich mit Spanien zu tun.

    Die Antwort ist schwierig. Weiter hinten in diesem Buch, beinahe an seinem Ende, das ich kenne, während ich den Anfang schreibe, finden Sie, findest Du, ein Gedicht. Lassen wir es beim du, schreiben wir es klein, dann wird es allgemeiner, fast zum Sie. Ein Gedicht aus meinem Verhältnis zu Spanien, aus, nicht über. Wie überhaupt alles aus sein soll, auf den Seiten, die kommen. Es ist ein Tagebuch in Gedichten. Das ist ein Experiment, jedenfalls für mich und wohl auch in der Literatur. Literatur soll sich vom Schreibenden, von der Schreibenden ablösen, Werk sein, für alle sein. Zugleich beginnt sie hier, noch beginnt sie hier. Es sind die Zeiten der Künstlichen Intelligenz. Die ersten Texte, Bücher gar, werden von Algorithmen erstellt. Irgendwann werden wir das vielleicht nicht mehr erkennen. Jetzt aber sitzt ein Mensch hinter den Buchstaben. Er sitzt dahinter, von dem die Rede sein wird.

    Es wird ein Tagebuch der Gedichte. Sie sind nicht bearbeitet. Es ist kein Lyrikbuch. Sie sind nicht wie sonst nach ihrer poetischen Qualität redigiert und ausgewählt. Sie stehen da, mit ihrem Datum, Zeitmarken der Wirklichkeit. Hier, im Süden, soll daraus ein Buch werden. Gestern, das ist lange her, wenn du das liest, war Feiertag in der Region Valencia. Man feierte die Vertreibung der Mauren. Lassen wir die Details weg, sie würden Seiten um Seiten füllen, die Wahrnehmung von Bedrohung durch den Islam, Jerusalem und Granada, selbst die konvertierten Christen vertrieb man schließlich, auch die Juden. Aber hier feierte man nichts. Die Geschäfte waren geschlossen, das war alles. Vielleicht feierte man im Geheimen, weder das Internet noch Hotelrezeption und Tourismusbüro klärten auf. Überall ist Welt. Wir nehmen sie auf. Was machen wir damit.

    Im Wort

    Man kann deinen Schmerz lesen, schreibt sie, nachdem sie ein Gedicht las. Vom Schmerz war die Rede darin, aber warum las sie das nicht, was für ihn so unüberlesbar war, die Angst, die Angst vor dem Verlust des Lichts. Aber auch die Zuversicht, dass da etwas geht, dass etwas in Bewegung geriet, in ihm, in seinem Verhältnis zur Welt und dem, was sie war.

    Während dieses Gedankens lag er mit geschlossenen Augen, die Hornhaut verletzt. Er hörte ein Hörbuch, das er selbst eingesprochen, aber nicht veröffentlicht hatte. Rudolf Steiners Klassenstunden, lange waren sie unveröffentlicht geblieben, dann hatte sie Dornach veröffentlicht. Das Urheberrecht lief ab. Er kaufte die vier Bände. Es ist Jahrzehnte her. Im Frühjahr sprach er sie ein. Nun hörte er sie erneut, sollen sie veröffentlicht werden, gegen den Widerstand vom Hügel, höre sie einfach an, höre hinein in die Berichte der geistigen Welt. Da ging es Steiner um das Wort, um das wahre Wort, die Verpflichtung zur Wahrheit für die Esoteriker, für die, die die geistige Welt suchen. Das verband das verdunkelte Auge mit dem Gedicht und dem, wie es die Schwester las. Eine der Schwestern.

    Im Wort stehen. Sein Wort geben, ihr Wort. Also ehrlich sein, verbindlich, treu. Es ist so. Ganz einfach ist das nicht bei diesem Projekt. Wir brauchen Schutz vor der Welt, wenn wir uns ihr öffnen, über uns sprechen, uns zeigen. Was ist schon privat, sagen die Sozialmedienfreunde. Was wissen wir wirklich von uns selbst, sagen Kluge. Lass uns Nebel werfen. Das wäre nicht im Wort. Wie also die Balance wahren, wirklich sein und doch verborgen bleiben. Es wird die Schwester geben, aber womöglich gibt es mehrere. Es wird die Hornhaut geben, wir alle haben sie, sie schützt unser Auge, unser Sonnenkunstwerk, aber was genau geschah und warum, das lassen wir in der Schwebe.

    Wir lassen überhaupt viel in der Schwebe. Wenn wir Gedichte schreiben, ist die Schwebe der Normalzustand. Gedichte sind Luftwesen, sie schweben wesenhaft, sie bestehen aus Worten, das unterscheidet sie von Musik, lassen wir die Doppelwesen der Lieder an der Seite. Aber sie sind nicht die Worte. Ein Wort ist noch kein Gedicht. Zwei Worte können es sein. Könnten es sein. Ihm fällt keines ein, das so knapp mit der Konjunktion spielt. Jetzt fällt ihm keines ein, während er das hier schreibt. Vielleicht fiel ihm eines ein oder auf, wenn das Buch fertig ist. Dann wird der Satz geändert oder ergänzt. Noch ist alles im Fluss.

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