Der Himmelswal: Die Abenteuer von Freya Warmherz (6)
Von Martin Heckt
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Über dieses E-Book
Gigantische Stürme bedrohen die Schifffahrt, Lawinen stürzen in Täler und ergießen sich über ganze Dörfer, unerträgliche Hitzewellen plagen die
Bewohner von Kanthorus.
Während die Soleil Royal trotz der gefährlichen Wetterphänomene unter dem Kommando von Feyonor Kardona versucht, weiterhin ihrer Aufgabe nachzukommen, plagen Byrt und Elah ganz andere Sorgen. Ihre Freundin Freya scheint verrückt zu werden. Die Parda träumt von einer uralten Legende, dem Himmelswal. Sie ist fest davon überzeugt, dieses sagenhafte Wesen finden zu müssen. Aus Besorgnis und Freundschaft begleiten Elah und Byrt sie auf dieser gefährlichen Reise...
Martin Heckt
Martin Heckt wurde am 05.01.1976 in Bochum geboren, der Stadt, die Herbert Grönemeyer schon besang. Aufgewachsen ist er eben dort, ehe er 1993 die Ausbildung zum Polizisten begann und durchlief. In der Vergangenheit engagierte er sich gerne auch ehrenamtlich, so arbeitete er zb. in der Sterbebegleitung, in verschiedenen Altenheimen und Krankenhäusern. Neben dem Schreiben zählt auch das Schlagzeug spielen zu seinen Hobbys. Außerdem liest er sehr gerne, wobei er kein Genre wirklich favorisiert. Zudem ist er Untertan zweier drolliger Imperatoren, d. h. er hat Katzen. Mittlerweile lebt er mit seiner Frau in der "Weltstadt" Witten.
Ähnlich wie Der Himmelswal
Titel in dieser Serie (4)
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Buchvorschau
Der Himmelswal - Martin Heckt
Kapitel 1
Die Sonne stand hoch am Himmel. Von den kleinen Fischerbooten sah man noch so eben die Küste. Der Wind wehte seine sanfte Brise über die wettergegerbten Gesichter der Fischer, die damit beschäftigt waren, ihren Fang einzuholen. Nur hier, in der südlichen Halbkugel des Planeten Kanthorus gab es den Wamitzo, einen extrem seltenen, aber auch besonders schmackhaften Fisch. Eine weltweit bekannte Delikatesse, die dementsprechend begehrt, aber leider auch teuer war. Der Fang eines dieser Fische sicherte einem Fischer das Überleben für einen ganzen Monat. Der sogenannte „Beifang", also alle Fische und andere Meerestiere, die sich im Netz der Fischer verfingen, reichten zwar auch um die Existenz zu sichern, aber jeder wollte den Wamitzo, und wie bereits gesagt, er war sehr selten.
Einer der Fischer, ein Granitianer mit Glatze, öffnete sein an Bord gezogenes Netz. Und mittendrin lag er und zappelte. Die regenbogenfarbenen Schuppen des mittelgroßen Fisches waren nicht zu verkennen. Es war ein Wamitzo! Der Rest, der sich im Netz des Granitianers verfangen hatte, kümmerte ihn nicht mehr. Er hatte einen Wamitzo gefangen! Seine Frau wäre stolz auf ihn und vielleicht würde er nun seine Hütte etwas aufbessern können. Das Dach hatte es sehr nötig, manche Schindeln waren kaputt oder löchrig und wieder andere fehlten ganz.
Der Mann lachte und warf dabei den Kopf in den Nacken.
„Wamitzo! Ich habe einen Wamitzo gefangen!", brüllte er seine Freude heraus.
Von den anderen Fischerbooten in der Nähe schallten Jubelrufe zu ihm herüber. Das kleine Fischerdorf hielt zusammen und jeder freute sich über einen derartigen Erfolg für einen der ihren.
Der Kopf des Granitianers lag noch in seinem Nacken, als er die Augen wieder öffnete. Der Fischer runzelte die Stirn. Die Sonne war vom Himmel verschwunden und das in einer blitzartigen Geschwindigkeit. Es schoben sich Wolken in sein Sichtfeld, aber es waren keine Wolken, die Gewitter verhießen. Es sah mehr aus, wie die Wolken, die im Winter den Himmel verdüsterten. Der Seemann sog tief die Luft in seine Nase. Er zog die Stirn in Falten und grübelte. Es roch intensiv nach Schnee, aber das war ein Ding der Unmöglichkeit. In dieser Gegend gab es in dieser Jahreszeit nur Sonne und Hitze. Selbst Gewitter gab es keine. Plötzlich traf etwas Kleines sein Gesicht. Unbewusst hob er seine Hand und wischte es ab. Dann starrte er auf seine Handfläche. Er glaubte kaum, was er dort sah. Es handelte sich tatsächlich um eine Schneeflocke. Während er noch versuchte, das Gesehene zu verarbeiten, setzte der Schneefall ein. In kürzester Zeit war die Reling seines Bootes von weißen Flocken bedeckt und die Planken wurden rutschig und weiß.
Durch sein Zappeln schaffte der Wamitzo es, sein Leben zu retten. Er glitt immer weiter auf den Rand des Schiffes zu und rutschte mit einem leisen Geräusch in das Meer.
Doch dem Granitianer fiel es nicht auf. Er blickte weiter zum Himmel und schüttelte fassungslos mit dem Kopf. Er konnte das Wetterphänomen nicht verarbeiten.
***
Die kleine Gruppe bewegte sich zielstrebig auf den Kamm des Gebirges zu. Der Anführer war ein erfahrener Bergsteiger, der schon jahrelang Wanderern dieses Erlebnis ermöglichte. Traf man den Parda abends in seiner Stammkneipe, prahlte er oft damit, dass er jeden Kiesel in dieser Bergwand mit Vornamen kennen würde. Und das, obwohl der Berg mit Schnee überzogen war. Im Volksmund hieß dieser Schnee der „ewige Schnee", denn die Temperaturen in dieser Höhe verhinderten, dass er schmolz. Der Parda drehte sich zu seiner Gruppe um. Hauptsächlich führte er irgendwelche reichen Leute hier hoch. Verwöhnte Leute, die nichts aushielten, wenn man ihn fragte. Die meisten Geldsäcke waren nur das Leben in ihren Villen gewohnt und ließen sich von vorne bis hinten bedienen. Da war ein Kletterausflug an diesem Berg mehr, als sie verkraften konnten. Diese Gruppe allerdings hielt sich recht tapfer, das gestand er ihnen zu. Er hatte sich sogar ein wenig mit ihnen angefreundet.
„Nicht mehr lange, dann haben wir es geschafft!", versicherte er den dreien. Es handelte sich um ein Ehepaar mit einem Geschäftsfreund.
Die drei, die dem Volke der Thol angehörten, nickten erschöpft, kletterten aber verbissen weiter.
Der Parda drehte sich wieder um und grinste. Insgeheim zollte er der ungeübten Gruppe seinen Respekt. Plötzlich zuckte sein Ohr, weil ihn ein Tropfen Wasser getroffen hatte. Der Parda stutzte und fasste an sein Ohr. Tatsächlich! Es war Wasser und kein Schnee. Das durfte in dieser Höhe genaugenommen aber nicht möglich sein. Er schaute am Berg hinauf und hielt sich mit einer Hand an einem abstehenden Felsvorsprung fest. Schnell zog er sie wieder zurück. Er war es gewohnt in Schnee zu greifen, aber dieser Schnee hier hatte sich unter dem Griff sofort verflüssigt!
Er schaute irritiert auf seine Hand und versuchte seiner Gedanken Herr zu werden.
„Es regnet!", beschwerte sich von hinten die Frau der Bergexpedition.
Abrupt flog der Kopf des Pardas herum und sah die Frau an. Es stimmte, was sie sagte. Es regnete! Dabei sollte Schnee fallen, schlimmstenfalls. Der Bergführer konnte zusehen, wie der Schnee schmolz, so schnell ging es.
Auf einmal hielten alle vier Personen inne. Ein Donnern war zu hören, oder besser: ein Rumpeln!
„Kommt da ein Gewitter?", fragte der Geschäftsfreund keuchend vor Anstrengung.
Der Parda schüttelte stumm den Kopf. Das war kein Donner. Er wusste, was es war. In dieser Höhe war es sogar noch schlimmer als ein Gewitter!
„Eine Lawine! Es ist eine Lawine", brüllte er und wedelte wild mit den Händen in Richtung des Grüppchens.
„Kommt her, schnell!"
Ungefähr zwanzig Meter entfernt, rechts von der Gruppe war ein kleiner Felsvorsprung, vielleicht sogar eine Höhle, aber das konnte der Bergführer nicht sehen.
Er blieb trotz der lauter werdenden Geräusche an seinem Ort und half den Leuten, so gut es ging.
„Zum Vorsprung, beeilt euch!", brüllte er und versuchte so, die Kakophonie der Lawine zu übertönen.
Das Ehepaar war schon an ihm vorbei, als der Geschäftsfreund des Paares ins Straucheln kam und den Halt verlor. Der Parda konnte nur noch zusehen, wie der Mann abstürzte und dabei um sein Leben schrie.
Die beiden anderen Leute blieben stehen, doch er schubste sie weiter in Richtung des Felsvorsprunges.
„Weiter, weiter! Sonst teilen wir alle sein Schicksal!"
Kaum waren sie in Sicherheit brach die weiße Hölle über ihnen und dem Vorsprung zusammen. Glücklicherweise war unter dem Vorsprung eine Vertiefung und die drei drängten sich an die Rückwand, wie ein völlig verängstigtes Rudel Tiere.
Der Ehemann schien dem Parda etwas zuzurufen, aber das hörte der Mann über das Getöse der Lawine nicht. Gerade eben so waren sie dem weißen Tode entkommen.
***
Die zwei Kinder spielten am weißen Strand. Die Eltern der beiden lagen etwas entfernt und entspannten sich. Es handelte sich um Halma. Diese Familie lebte hauptsächlich in den Bergen und war nun dabei, ihre Verwandtschaft zu besuchen. Früher hatte der Mann über seinen Bruder gespottet, denn er hatte nie verstanden, warum ein Halma als Fischer arbeiten wollen würde, aber mittlerweile verstand er ihn. Er selbst führte einen Bauernhof in einem Waldstück und die Arbeit gefiel ihm. Aber das Meer war so anders, wild, geheimnisvoll und riesig. Möglicherweise war es das, was seinen Bruder gelockt hatte.
Als Urlaubsort jedenfalls hatte es durchaus etwas für sich, dachte er und schaute seine Frau liebevoll an. Der salzige Geruch, das Gefühl von Freiheit, das war etwas, was ihm der Wald nicht bot. Das Geschrei der Vögel über ihm, hoch oben in der Luft, hatte etwas seltsam Beruhigendes. Seine Kinder bauten eine Sandburg und wie es aussah, stritten sie sich wieder einmal über die kleine Schippe. Er lachte.
Tagsüber lagen sie oft am Strand, sein Bruder war fischen und dessen Frau bewirtschaftete Haus und Garten. Er legte sich auf den Rücken und schaute mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne.
Plötzlich bekam er Sand in die Augen und richtete sich ruckartig auf, um sich ihn zu entfernen.
„Was zum…?"
„Papa, schau mal da!"
„Ich würde ja gerne, aber ich kann nicht", antwortete er etwas missmutig, während er damit beschäftigt war, seine Augen zu säubern.
„Da kommen hohe Wellen, Papa!"
„Naja, wir sind am Meer!", entgegnete er und blinzelte. Gut, langsam konnte er wieder etwas sehen, wenn auch verschwommen.
Er sah zu seiner Frau herüber, die wie erstarrt neben ihm saß. Angst glomm in ihren Augen.
Etwas verständnislos sah er zu seinem zweiten Sohn, der mit der Schüppe gerade einen Burggraben um seine Sandburg zog.
Sein anderer Sohn klopfte ihm heftig auf die Schulter.
„Schau doch! Die Wellen!"
Jetzt erst richtete er den Blick auf das offene Meer. Was er dort sah, waren allerdings keine Wellen. Es musste einer dieser furchtbaren Tsunamis sein. Aber das konnte nicht sein. Nicht in dieser Gegend von Kanthorus. Und doch schien es so, als würde eine dieser gewaltigen Wellen geradewegs auf sie zukommen.
Er drehte sich um und griff seinen Sohn an der Hand. Dann gab er ihn an seine Frau weiter.
„Lauft! Lauft so schnell ihr könnt!"
Mit diesen Worten rannte er los, um seinen anderen Sohn zu holen, der immer noch mit der Schippe beschäftigt war. Als er bei ihm angekommen war, riss er dem Kind die Schippe aus der Hand und warf sie weit weg. Sie flog, sich überschlagend durch die Luft und landete irgendwo im Sand.
Er hob seinen Sohn auf und rannte hinter seiner Frau her, die die Schockstarre überwunden hatte und vor der Welle weglief, das andere Kind hinter sich her schleifend.
Doch es war zu spät. Die riesige Welle holte die vier kleinen Leute ein und überspülte sie mit gewaltiger Wucht. Die Welle suchte sich ihren Weg landeinwärts und fraß dabei Häuser, Tiere und Kanthorianer, als wäre es nichts.
Als sie sich später zurückzog, ließ sie Chaos und Zerstörung zurück.
Am Strand, scheinbar völlig unberührt von den Ereignissen, lag eine einsame rote Schippe.
Kapitel 2
Die Sterne machten die Nacht fast zum Tag. Ein milder Wind umspielte das rotviolette Haar der jungen Parda. Freya Warmherz – so hieß die junge Frau – flog mit ausgebreiteten Armen über das Meer dahin, welches tief unter ihr lag. Sie sah die Wellen, aber das Rauschen des Meeres vernahm sie so hoch oben nicht mehr. Ihr violetter Stert war sanft um die eigene Taille geschlungen und schien der Besitzerin Geborgenheit zu vermitteln. Der Stert war nichts anderes als der katzenartige Schwanz, den die Parda trugen. Insgesamt gesehen waren die Parda eine humanoide Rasse, mit vielen katzenartigen Eigenarten. Sie besaßen von allen Völkern auf Kanthorus wohl die schärfsten Augen und das beste Gehör. Die Augen hatten schlitzförmige Pupillen, die sich je nach Lichteinfall kreisrund ausdehnten und so den Parda selbst bei dunkelster Nacht eine hervorragende Sicht erlaubten. Die Ohren waren ebenfalls wie die einer Katze. Sie wurden unbewusst gesteuert, konnten sich in alle Richtungen neigen und so sehr gezieltes Hören ermöglichen. Die empfindlichen Härchen im Inneren der Ohren nahmen auch die kleinsten Schallwellen wahr. Freya hatte die Ohren bei ihrem Flug instinktiv etwas nach hinten geklappt, damit der Wind nicht hineinpfiff. Auf ihrer Nase saß eine Brille, ein Makel, den die junge Parda überhaupt nicht mochte. Oft genug sah sie sich im Spiegel an und sagte einen ihrer Lieblingssätze zu diesem Thema.
„Eine Parda mit einer Brille, wo gibt es denn so etwas?"
Aber die Brille half, ihre Sehschwäche auszugleichen und so beschwerte sie sich mittlerweile nur noch selten über diese Sehhilfe. Trotz ihres jungen Alters hatte die Frau schon viele Abenteuer erlebt, seit sie zur See fuhr. Sie hatte gegen ein Seemonster gekämpft, eine Diktatur niedergerungen, sie war durch die Zeiten gesegelt, hatte ihr Gedächtnis verloren und wäre fast auf einer Insel gestorben, die niemand kannte und die nur alle tausend Jahre aus dem Meer auftauchte. All das sah man ihr natürlich nicht an, aber es hatte sie stärker gemacht, reifer und erfahrener. Mittlerweile war sie an Bord „ihres" Schiffes zum Offizier befördert worden und wurde von allen Kameraden geachtet und gemocht. Aber momentan war das Schiff weit weg. Sie flog über den Nachthimmel und es fühlte sich vertraut an, so unheimlich vertraut. Als sie nach unten sah, bemerkte sie, dass sie sich über Land befand. Freya versuchte einzuschätzen, wo sie war, aber es gelang ihr nicht. Entweder kannte sie diese Landmasse nicht, oder es sah von oben einfach anders aus, als vom Ausguck eines Schiffes gesehen. Innerlich zuckte sie mit den Schultern. Es war ihr egal. Sie genoss das Fliegen und den Wind in ihren Haaren. Von unten konnte man sie vielleicht sogar sehen, als kleinen hellen Fleck am Nachthimmel. Sie trug die weiße Uniform,