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Über dieses E-Book

Peter Simonischek ist einer der vielseitigsten Schauspieler im deutschen Sprachraum, einer der letzten großen Stars. Burgschauspieler, Filmstar, Lebemann, er steht auf dem Zenit seines Schaffens, erntet, was er die Jahre zuvor gesät hat, er hat viel gesehen, noch mehr erlebt und ja, er hatte im Leben richtig viel Glück. Und dann ist plötzlich alles anders: Eine Diagnose zwingt ihn zur Auseinandersetzung mit seinem Leben und dem Tod.

Gemeinsam mit der Autorin Saskia Jungnikl-Gossy stellt Peter Simonischek seine Lebensthemen auf den Prüfstand. Er kommt sich und seinem Publikum näher – und schenkt uns ein mutiges Buch über das Weitermachen.
SpracheDeutsch
HerausgeberMolden Verlag
Erscheinungsdatum5. Okt. 2023
ISBN9783990407387
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    Buchvorschau

    Kommen Sie näher - Peter Simonischek

    SECHS MONATE ZUVOR, Jahreswechsel 2023. Wir treffen einander in Wien. Peter Simonischek sitzt im Kaminzimmer seiner Wohnung, der Tisch steht in einem Erker.

    Es gab Zeiten, da hab ich zu meiner Frau gesagt, wir haben so viel Glück. So unglaublich viel Glück. So einfach kommt doch niemand davon. Irgendwer wird die Scheiße auslöffeln müssen.

    Simonischek rührt Kandiszucker in seinen Schwarztee. Draußen beginnt es zu dämmern.

    Wer hätte gedacht, dass ich das selbst bin, oder?, fragt er dann.

    Peter Simonischek ist einer der vielseitigsten Schauspieler im deutschen Sprachraum, einer der letzten großen Stars. Er steht auf dem Zenit seines Schaffens, erntet, was er die Jahre zuvor gesät hat. Er hat viel gesehen, noch mehr erlebt und ja, er hatte im Leben richtig viel Glück – und plötzlich großes Pech.

    Im Jänner 2022 hat Simonischek Corona. Im April noch einmal. Sein langjähriger vertrauter Arzt sagt: Machen wir doch sicherheitshalber ein Lungenröntgen, nach zweimal Corona, nur um zu schauen, ob da eh nichts ist. Auf dem Röntgen sieht man auf dem rechten Lungenflügel einen hellen Fleck.

    Das muss nichts heißen, sagt der Arzt.

    Ich hab mir überhaupt nicht gedacht, dass es etwas Arges sein könnte, sagt Simonischek.

    Glück.

    Er soll Cortison nehmen, eine hohe Dosis, 50 Milligramm am Tag. Nach sechs Wochen ist der Schatten noch immer da. Die Untersuchungen werden ausgeweitet.

    Die Ärztin sitzt ihm gegenüber, sie sagt: Lungenkrebs. Inoperabel. Chemotherapie, Immuntherapie.

    Waaaaas??!

    Peter Simonischek sieht mich an.

    Das hab ich geantwortet. Einfach nur ein langgezogenes, lautes: Waaaas??

    Was soll man da begreifen?

    SIMONISCHEK SCHENKT TEE NACH. Draußen ist Winter, drinnen ist es angenehm warm. Die Wohnung, in der Simonischek und seine Frau Brigitte Karner wohnen, ist gemütlich. Auf jene Art, wie Wohnungen gemütlich sind, wenn man ihre Bewohner darin erkennt. In einer Ecke steht ein Kamin. Das Feuer brennt herunter, ich soll Holz nachlegen, Simonischek beobachtet mich genau. Er dirigiert die Anordnung der Scheite. Zum Glück bin ich auf einem Bauernhof aufgewachsen, Feuer machen kann ich. Er ist zufrieden.

    Wir treffen einander heute zum ersten Mal persönlich. Bisher war Simonischek für mich ausschließlich Burgschauspieler, Jedermann, Theaterstar. Ich habe ihn auf der Bühne gesehen und im Fernsehen. Ich mochte ihn, aber ich kannte ihn nicht.

    In den kommenden Monaten werden wir einander oft treffen und sehr viel miteinander reden. Ab heute wird es persönlich.

    Im Raum ist es still, man hört nur das Knacken und Knistern des Feuers. Simonischek sieht gut aus. Selbst jetzt. Ein bisschen eingefallen, er hat im vergangenen Jahr über 15 Kilogramm abgenommen. Schlohweiße Haare, Fünftagebart. Er ist fast zwei Meter groß.

    Eine enorme Präsenz.

    Einnehmende, kluge, wache Augen. Sein Lachen wirkt ehrlich und sarkastisch zugleich. Er trinkt seinen Tee ohne Milch, nur mit etwas Kandiszucker.

    Die Hand mit der massiven Teekanne zittert.

    Vielleicht ist die Kanne schwer, vielleicht hat er sie unglücklich in die Hand genommen, vielleicht ist es einfach nur die Müdigkeit. Vielleicht ist das Zittern nicht echt.

    Ich frage mich das, zumindest am Anfang, als ich ihn noch nicht gut kenne. Es ist keine Unterstellung, es ist ein Kompliment.

    Simonischek kann sein, wer immer er mag.

    Für die anderen.

    Seit fast sechzig Jahren ist er Schauspieler. Was macht das mit einem? Simonischek sollte Zahntechniker werden, das war zumindest die Vorstellung des Vaters. Doch der Teenager wusste, was er machen wollte: Schauspielen. Er hat diese Karriere durchgesetzt, ist heimlich nach Graz in die Schauspielschule gegangen, gegen den Widerstand der Eltern. Und was für eine Karriere das war.

    Er beendet die Schauspielschule nach zwei Jahren, ein Jahr vor Ende, weil er ein Engagement in St. Gallen hat. Anschließend wechselt er oft und rasch die Theater, zwei Jahre Bern, zwei Jahre Darmstadt, drei Jahre Düsseldorf – und schließlich der Sprung nach Berlin zu Peter Stein an die legendäre Schaubühne. 1999 geht er nach Wien, ans Burgtheater, wo er Ensemblemitglied, 2019 Ehrenmitglied wurde. Ihm gelingt, was kaum jemandem gelingt, nämlich sowohl als Theater- und auch als Filmschauspieler zu bestehen.

    So könnte man jetzt sein Leben in diesem Buch erzählen. Als Abfolge seiner Erfolge, derer es genügend gibt.

    Und doch ist das nur selten richtig. Denn das Leben ist viel mehr, und vor allem ist es das Dazwischen. Es sind die Tiefen, die Schwierigkeiten, das Hadern und Wiederaufstehen, das zeigt, wer man ist.

    Glück. Unglück.

    Was sicher ist: Simonischek ist ein großer Komödiant. Ihm zuzuhören ist ein Vergnügen und das gilt selbst, wenn er die banalsten Dinge erzählt. Da sitzen Worte, Gestik, Mimik, Lautmalerei. Manchmal betont er Wörter, indem er mit seinem Gehstock im Takt auf den Boden klopft. Der Mann weiß um Dramatik. Ein Mensch, der die Bühne der Festspiele in Salzburg beherrscht, der als Jedermann den ganzen Domplatz aufweckt und in Spannung hält, so ein Mann beherrscht doch sicher einen einzelnen Tisch in seiner Wohnung mit nur einem Gegenüber. Und doch: Vielleicht ist das sogar schwieriger.

    Wer ist Peter Simonischek, wenn ihm die Bühne genommen wird?

    Absicht und Absichtslosigkeit.

    Davon wird das Schauspiel beherrscht, und Simonischek weiß das wie kaum ein anderer. Wenn man keine Absicht im Spiel mehr erkennt, wenn es einfach läuft, dann, sagt Simonischek, steigt das Herz eine Etage höher, dann euphorisiert es Spieler und Zuseher, dann ist es magisch.

    Wie man dorthin kommt?

    Ich weiß es nicht, sagt Simonischek. Und wieder taucht der Gedanke auf: Kann man ihm das glauben?

    Peter Simonischek als Jedermann

    Salzburger Festspiele, 2002–2009

    Es ist das Wesen des Schauspiels, dass es ein Publikum braucht. Der Schauspieler braucht sein Gegenüber. Ein Schauspiel ohne Zuseher läuft ins Leere, eine Darstellung braucht ihre Resonanz, die wohlwollende, die ablehnende. Ein Witz braucht ein Lachen, sonst gilt er als keiner, oder?

    Simonischek ist kein Freund davon, den Zusehenden auf der Bühne alle Arbeit abzunehmen. Manchmal versteht das Publikum eben nicht gleich. Muss auch nicht gleich verstehen. Manchmal braucht es ein bisschen, um zu begreifen.

    Doch dann, wenn man es gut macht, werden die Hälse im Zuschauerraum immer länger. Simonischek streckt den Hals in die Länge. Diese Aufmerksamkeit muss erarbeitet werden. Aber wenn man sie hat! Er klopft mit seinem Stock auf den Boden. Dann muss man nur in der Situation sein. Dann muss man nur spielen.

    Also spielt er. Simonischek schlüpft in Rollen, als wären sie seine zweite Haut. Wenn er Geschichten erzählt, ist er einmal der Erzähler. Dann plötzlich verkörpert er innerhalb seiner Geschichte die Rolle eines alten steirischen Männchens. Abgelöst von einer herrischen Frau. Wieder der Erzähler. Er wechselt von einer Rolle zur nächsten und man folgt ihm nach, denn was er erzählt und wie er es macht, es ist alles real.

    Wann ist Simonischek er selbst?

    Man glaubt ihm den Tiroler Bergdörfler, Nathan den Weisen und einen Berliner Geschäftsmann innerhalb weniger Momente. Was ist wahr? Und bei manchen Dingen, die er erzählt, bleibt man hängen, weil man nicht genau weiß, was man glauben soll.

    Wie trennt man Simonischek, den Menschen, von Simonischek, dem Tragöden? Ist das überhaupt möglich?

    Simonischek kann weinen, wenn er möchte, lachen, wenn er sich danach fühlt, und Unsicherheit vortäuschen, wo keine ist. Es ist schwierig, ihn zu durchschauen.

    Und natürlich kann er zittern, wenn er das möchte.

    Vielleicht möchte er aber gar nicht.

    Denn Simonischek ist auch, wer er im Moment ist.

    Für sich selbst.

    Da geht es ihm wie jedem anderen Menschen. Er ist auf sich zurückgeworfen. Da gab es diese Diagnose und dann gab es Fachbegriffe, Ärztevokabular, Krankenhauszimmer, Infusionen, Chemotherapie, Immuntherapie. Es ist der Anfang vom Ende und er weiß das.

    Was zählt, wenn man mit der Endlichkeit konfrontiert wird?

    Simonischek muss sich dem Tod stellen, seiner Endlichkeit, und diesmal ist es kein Spiel auf der Bühne. Diesmal verhandelt er mit sich selbst.

    Das hier ist die Geschichte einer Annäherung.

    Der unsrigen an ihn.

    Und der von Simonischek an sich selbst.

    Simonischek als Winfried in „Toni Erdmann" mit seiner Filmtochter Sandra Hüller

    Bester Darsteller – Europäischer Filmpreis, 2016

    IM JAHR 2016 steht Peter Maria Simonischek auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

    Vermutlich gibt es kein richtiges Alter, um den Zenit seines beruflichen Schaffens zu erreichen,

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