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Die Pegasus-Schwestern: Flucht in die Unterwelt
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Die Pegasus-Schwestern: Flucht in die Unterwelt
eBook261 Seiten3 Stunden

Die Pegasus-Schwestern: Flucht in die Unterwelt

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Über dieses E-Book

Zwei Jahre sind inzwischen Vergangen, seit die Schwestern Bella und Nora das vierzig Jahre alte Springpferd Pegasus bekommen und sein wirkliches Wesen erkannt haben. Bella ist inzwischen eine erfolgreiche Springreiterin, während Nora lieber als Pferdeflüsterin im Hintergrund bleibt.
Beim Versuch, das erfolgreiche Springpferd zu stehlen, löst sich der Vollblutaraber vor den Augen der Diebe auf. Nora verliert jeden Kontakt zu ihm und wird immer wieder von Alpträumen geplagt. Könnte der einst zerstörte Olymp wieder existieren? Alles deutet darauf hin, dass sich Pegasus dorthin geflüchtet haben könnte, aber von Gorgonen und Harpyien an der Rückkehr gehindert wird.
Die Schwestern Bella und Nora begeben sich mit ihren Freunden auf eine gefährliche Reise, um Pegasus wieder nach Hause zu holen. Sie durchschreiten das Portal in eine eisige fremde Welt und wagen es, die gewaltigen Wasserfälle zu überwinden und in die Unterwelt hinabzusteigen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. Sept. 2023
ISBN9783347970861
Die Pegasus-Schwestern: Flucht in die Unterwelt
Autor

Bernhard Kürzl

Bernhard Kürzl wurde in Frankfurt am Main geboren und veröffentlichte sein erstes Buch 1997, das Pferde-Fantasy-Abenteuer "Mac Mountain". 2007 erschien die Fantasy-Geschichte "Prinzessin Sina" und 2010 das spirituelle Abenteuer "Der Lichtgarten von Helgoland". Nach einer kompletten Überarbeitung kam Der "Lichtgarten von Helgoland" 2016 in einer neuen Version heraus. 2019 beteiligte Bernhard Kürzl sich mit einer Kurzgeschichte an der Weihnachtsanthologie der Rosenheimer Autoren. 2019 Erschien der erste Band der Science-Fiction-Reihe "Rebekkas Erbe" mit dem Untertitel "Das Luftschiff".

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    Buchvorschau

    Die Pegasus-Schwestern - Bernhard Kürzl

    1. Unerwartete Begegnung

    Langsam nahm die Leuchtkraft der Scheinwerfer ab. Anna-Lena saß zwischen ihren Eltern in der fünften Reihe auf der Seitentribüne der Showhalle und beobachtete gebannt, ob sich etwas in der fast vollkommenen Dunkelheit auf der Reitfläche tun würde. Die Musik setzte ein, Anna-Lena zuckte zusammen. Wie mit einem Dimmer kehrte das Licht langsam wieder zurück. Ein Schimmel galoppierte in den Showring. Unter tosendem Applaus drehte er eine Runde und blieb schließlich an der Stirnseite der Arena stehen. Ein Mädchen, vielleicht um die dreizehn Jahre alt, in einem dunkelbraunen Wildlederanzug mit Fransen, ging auf den Hengst zu, blieb aber genau in der Mitte des Showrings stehen. In ihren Haaren steckte eine braunweiße Vogelfeder. Ein Spot richtete sich auf sie, ein weiterer auf den weißen Hengst. Das Mädchen lächelte, schloss die Augen und breitete die Arme aus. Die Musik stoppte. In dem Moment galoppierte der Schimmel an, geradewegs auf sie zu. Außer den Hufschlägen auf dem sandigen Boden hörte Anna-Lena nichts mehr. Sie hielt den Atem an. Kurz bevor das Pferd das Mädchen erreicht hatte, sprang es ab. Wie über ein Turnierhindernis flog der Hengst so knapp über ihren Kopf, dass er ihr mit seinen Hufen die Feder vom Kopf streifte. Das Mädchen riss lachend die Arme hoch und drehte sich zu dem Pferd. Die Halle schien zu beben. Applaus, Getrampel, Begeisterungspfiffe, aber der Schimmel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern ging im Schritt wieder auf den Teenager zu.

    »Da stockt einem doch glatt der Atem«, tönte der Sprecher über die Lautsprecheranlage. »Das war der Abschluss unserer kleinen Show der Pferdeflüsterin Nora mit ihrem Araber Pegasus. Und heute Abend können Sie Pegasus noch einmal in der großen HOP TOP Show bewundern. In diesem Fantasyabenteuer mit den besten Showreitern der Welt wird Pegasus von Noras Schwester, der Springreiterin Bella, geritten.«

    Wie ein Insektenschwarm strömten immer mehr Besucher der Equitana Richtung Ausgang. Bald würde die größte Pferdemesse der Welt ihre Pforten schließen. Dann blieben nur noch ein paar tausend für die Abendshow. Einen kurzen Moment ließ sich Nora von der Masse mitziehen, bog dann aber Richtung Ställe ab. Sie musste Pegasus fertigmachen. Bella war noch bei der Anprobe eines Kleides, das sie in der HOP TOP Show auf Pegasus tragen sollte. Für Noras kleine Nachmittagseinlage wollte sie eigentlich bei einfacher bequemer Reitkleidung bleiben. Allerdings hatte ein Sponsor darauf bestanden, ihr diese moderne Designerversion eines teuren Trapper-Outfits zu überlassen. Sie fühlte sich in dem Schickimicki-Aufzug etwas fremd, aber auch zehn Zentimeter größer. Ja, sie war keine unbedeutende Reitschülerin eines unbekannten Reiterhofes mehr. Sie gehörte jetzt zu den Reitstars, auch wenn sie das Rampenlicht eigentlich nicht mochte. Ihre Schwester war da ganz anders.

    Zielstrebig ging sie durch den menschenleeren Stall zu Pegasus‘ Box, als sie plötzlich durch Stimmen irritiert wurde, und stehenblieb. Wo war das hergekommen? Links, klang es vertraut in ihrem Kopf. Sie folgte der Eingebung und bog ab. In einer Box sah sie vier Jugendliche. Was machten die da? Dann erkannte sie, wie ein kleinerer von zwei der Jungs hinter dem Pferd festgehalten wurde, während der dritte an der Schulter stand.

    »Fertig?«, fragte der dritte.

    »Nein, bitte nicht!«, schrie der kleinere Junge und versuchte sich aus den Griffen zu befreien.

    »Wir treiben dir deine Klugscheißerei schon aus«, sagte einer der beiden Jugendlichen, die ihn festhielten. »Oder besser, der Gaul wird sie dir raustreten.« Dabei lachten alle drei.

    Nora erkannte das Vorhaben. Das Pferd sollte austreten und den Jungen treffen! So wie er stand, wahrscheinlich in den Bauch. Das konnte tödlich ausgehen!

    Plötzlich boxte der Jugendliche an der Schulter mit seiner rechten Faust in die Flanke des Pferdes. Es zuckte heftig und sah zu Nora. Dann schnaubte es und legte sich hin.

    »Äh, was ist denn das jetzt?« Der Jugendliche, der das Pferd geschlagen hatte, zog die Augenbrauen hoch und rümpfte kopfschüttelnd die Nase.

    »Hast du es k. o. gehauen?«, fragte einer der beiden anderen.

    Noch unbemerkt stand Nora vor der Boxentür und schob sie so plötzlich auf, dass alle vier Jungs zusammenzuckten und sie anstarrten.

    »Blutige Nase, blaue Eier oder ausgerenkte Finger? Was darf ich euch Vollidioten antun?«

    »Nora!«, rief der kleinere und lächelte endlich etwas.

    Nora sah den leicht korpulenten Jungen fragend an. »Kennen wir uns?«

    »Ja! Amrum, vor zwei Jahren!«

    Nora überlegte kurz. Klugscheißer? Kannte sie keinen, aber eine Lästerbacke. »Ben?«

    Ben nickte und grinste. Die beiden Jugendlichen an seinen Seiten machten keine Anstalten, ihn loszulassen. Der dritte, der den Schlag ausgeführt hatte, ging auf die einen Kopf kleinere Nora zu und schubste sie so kräftig an der Schulter, dass sie ein Stück zurücktaumelte.

    »Ich nehme das als Antwort, dass du die Vollbehandlung möchtest«, sagte Nora gelassen. Schnell wie ein Heupferd sprang sie nach vorne, rutschte zwischen die Beine des Jugendlichen und verpasste ihm von unten einen heftigen Tritt gegen seine empfindlichste Stelle. Mit einem Schrei krümmte der sich zusammen. Nora rollte zwischen seinen Beinen hinter ihm wieder hervor, drehte sich blitzschnell um und sprang ihm in den Rücken. Mit einem weiteren Schmerzschrei drehte er sich zu Nora und erntete einen kräftigen Schlag auf seine Nase. »Wie viele Finger soll ich dir ausrenken? Alle zehn?«

    Augenblicklich ließen die anderen beiden Jugendlichen Ben los und stürzten sich auf Nora. Wie ein Aal entwischte sie ihren Fingern, packte aber genau einen von diesen und drehte ihn weiter, als es die Anatomie vorgesehen hatte. Mit einem Schrei ging Nummer zwei in die Knie. Dem dritten Jugendlichen lief der Angstschweiß von der Stirn, als er dem grinsenden Supergirl gegenüberstand, das beide Fäuste in die Hüften stemmte.

    »Entschuldigung, tut mir leid, äh …« Damit hastete er an Nora vorbei und ergriff die Flucht. Mühsam folgten ihm seine Freunde.

    »Was ist denn das für eine verrückte Kampftechnik?«, staunte Ben.

    »Eigenbau. Ich bin klein und so flink, dass mich niemand kriegt, es sei denn er macht Karate oder etwas in der Art. Ich bin ganz schön überrascht, dich hier zu treffen. Und wie ich sehe, machst du dich immer noch mit deinen Sprüchen unbeliebt.«

    Ben sah schuldbewusst auf den Boden. »Ja, irgendwie kann ich nicht anders.«

    »Ach so, klar. Dich hat Gott als Arschloch erschaffen, also musst du immer eins bleiben.«

    »Äh …« Ben starrte sie mit offenem Mund an und brachte kein weiteres Wort heraus.

    »Jeder hat die Wahl, wie er sein will. So, ich will zu Pegasus, kommst du mit?«

    »Ja, gerne.«

    Nora streichelte das liegende Pferd, worauf es sich sofort wieder aufrichtete. »Danke!«, flüsterte sie in sein Ohr. Sie zupfte ihre Lederjacke zurecht und richtete sich wieder an Ben. »Willst du auch die Show sehen?«

    »Ja, deswegen bin ich ja überhaupt gekommen. Meine Eltern sind noch im Hotel. Ich treffe sie hier kurz bevor es losgeht.«

    Nora schloss die Tür hinter Ben und ging mit ihm durch die Stallgasse. »Die Show ist schon super.«

    »Also eigentlich … eigentlich will ich ja nur euch sehen. Der Rest interessiert mich weniger.«

    Nora sah ihn schmunzelnd an. »Oh, du bist ein Fan?«

    »Ich … ich wollte halt mal sehen, was aus euch und Pegasus so geworden ist, wie ihr euch entwickelt habt.«

    »Wir werden dich nicht enttäuschen. So, das ist Pegasus‘ Box.«

    »Aber da steht doch White Madagascar!«

    »Tarnung! Wir wollten nicht so viele Sicherheitsleute einsetzen. Offiziell steht er in einem anderen Stall. Da ist aber nur ein normaler Schimmel, der von jede Menge Fans belagert wird, nur weil auf dem Türschild Pegasus steht. Die meisten merken nicht mal, dass es kein Araber ist.« Nora lachte, dann öffnete sie die Tür der Box. »So hat unser Schatz wenigstens ein bisschen Ruhe.«

    »Was ist er denn wert?«

    »Unbezahlbar. Aber sein Marktwert liegt jetzt bei etwa fünf Millionen.«

    »Wow! So viel Geld für ein so altes Pferd?«

    »Wieso alt? Pegasus ist doch erst neun Jahre alt.« Nora lachte laut los, als hätte ihr jemand den besten Witz seit langem erzählt. Ben sah sie nur verwundert an. »Frag nicht«, sagte sie, während sie in die Box ging. »Das mit seinem Alter versteht sowieso niemand. Du kannst mir Putzen helfen.«

    »Ich wusste gar nicht, dass Springpferde so teuer sein können.«

    »Für Rennpferde ist es nicht ungewöhnlich.«

    »Rennpferde?«

    »Pegasus ist eigentlich ein Rennpferd, das hervorragend springen kann. Aber wir lassen ihn nur auf die Rennbahn, wenn wir Geld brauchen.«

    »Und wer von euch reitet ihn dann?«

    »Keiner. Wir haben keine Ahnung vom Rennsport, aber dafür einen Jockey, der von Pegasus akzeptiert wird.«

    »Ihr müsst Pegasus fragen ob er einverstanden ist?«

    »Klar! Schließlich ist er der Star. Ohne seine Zustimmung funktioniert nichts.« Nora warf Ben eine Bürste zu, die er ungeschickt zu fangen versuchte, kurz berührte, dann aber doch fallen ließ.

    2. Die HOP TOP Show

    Eigentlich fühlte sich Bella sicher, aber in den letzten Minuten vor der Show war ihr kotzübel. Sie saß ruhig auf Pegasus und hielt ihre Augen geschlossen. In Gedanken ging sie noch einmal den Ablauf durch. Tief und ruhig atmete sie die kühle Luft ein und roch den feuchten Sand. Noch eine Minute bis zu ihrem Auftritt. Nora stand vor Pegasus, lehnte ihre Stirn an seinen Nasenrücken und schien sich mit ihm in Gedanken zu unterhalten. Oder vielleicht beruhigte sie ihn nur. Das sollte sie lieber bei ihr machen. Als hätte Nora ihren Gedanken aufgefangen, spürte Bella deren Hand auf ihrem Bein. Bella öffnete die Augen und lächelte ihrer Schwester zu.

    »Du schaffst das«, sagte Nora.

    Bella ließ ihre Mundwinkel wieder hängen und verdrehte genervt die Augen. »Na sicher!« Wie konnte Nora daran überhaupt zweifeln? Bella hob ihren Kopf und streckte den Rücken. War sie jetzt zu unfreundlich gewesen? Sie konnte den Gedanken nicht weiter folgen. Der Vorhang teilte sich. Jetzt musste sie zuerst allein auf die Reitfläche, und die war verdammt groß. Mit leichtem Schenkeldruck setzte sie Pegasus in Bewegung, gleichzeitig nahm Nora ihre Hand weg und ging einen Schritt zurück. Ohne Sattel und Zaumzeug galoppierte Pegasus los und stürmte in den Showring. Bella wurde von tosendem Applaus empfangen. Sie strahlte und breitete ihre Arme aus. Für einen Moment schloss sie ihre Augen, bis Pegasus die Runde beendete. Sechs weitere Reiter, ebenfalls alle auf Schimmel, galoppierten auf die Fläche. Mehrere Hindernisse entlang der mittleren Längsachse standen in Flammen. Nicht nur das Feuer knisterte. In der Luft lag eine gigantische Spannung, die Bella anspornte, ihr Bestes zu geben.

    »Los Pegasus, der Spaß beginnt. Die Leute wollen sehen, was wir draufhaben.«

    Zwei Stunden später fiel der Vorhang, die Show war vorbei. Nora brachte Pegasus zurück in die Box und versorgte ihn. Ihr war das ganz recht, sich nicht im Trubel der anschließenden Party mit Small-Talk und freundlichem Lächeln herumschlagen zu müssen. Sie war gerne mit Pegasus allein. Es war ein merkwürdiges Gefühl, so ganz ohne Mama, Papa oder Bellerophon unterwegs zu sein. Einerseits war da unterschwellig eine Angst, plötzlich ganz ohne Beschützer zu sein, andererseits war es ein tolles Gefühl der Freiheit. Darin war sie sich mit Bella einig gewesen: Dieses tolle Wochenende einmal ohne Eltern! Dafür hatten sie Betreuer im Showteam, die sich zwar nicht ständig um sie kümmerten, aber immer mal wieder nach ihnen sahen und ihnen bei Problemen und Fragen zur Seite standen. Mama und Bellerophon waren bei einigen der Proben dabei gewesen und kannten eigentlich schon alles – nur eben ohne Publikum.

    Nora schmiegte sich an Pegasus. Ja, er war ihr eigentlicher Beschützer, falls sie überhaupt einen brauchte. Und er verstand sie am besten. »So, mein Liebling. Ich will mich jetzt doch auch mal ins Partygetümmel werfen. Ist nicht ganz mein Geschmack, aber so ein bisschen Stimmung kann ich jetzt gebrauchen. Ist das für dich in Ordnung?« Sie spürte die Liebe des Vollblutarabers und hörte seine Stimme in ihrem Kopf. »Alles klar, Danke! Eine gute Nacht und bis morgen.« Sie küsste ihn auf die Nüstern und machte sich auf den Weg zur Party in der Showhalle.

    Bella stand mit einigen ihrer Showkollegen an der Bar, trank, lachte und plauderte. Mit ihren erst vierzehn Jahren war sie nicht nur der Liebling der Zuschauer. Auch hier war sie schnell zum Mittelpunkt geworden. Nora schob sich zwischen den vielen Akteuren der Show bis zur Bar durch. »Na, besäufst du dich mit Limo?«

    »Limo?« Bella sah ihr Getränk an, lachte kurz und nahm einen Schluck. »Ist sicher auch dabei.«

    »Wir passen schon auf sie auf«, sagte Robert, einer der Reiter, und legte seinen Arm um Bella. Nora zuckte innerlich zusammen. Sie kannte zwar das ganze Team und vertraute auch allen, aber der Anblick von ihrer Schwester mit dem Mittdreißiger irritierte sie. Erst als sie auch Roberts Freundin direkt hinter ihm sah, entspannte sie sich wieder. Robert drehte seinen Kopf von Bella weg, ohne seinen Arm von ihr zu nehmen, und küsste seine Freundin.

    Eigentlich hatte sich Nora gefreut, ihre Abneigung gegenüber Partys einen Moment abgelegt zu haben und mit den anderen Reitern ein bisschen Quatschen zu können. Aber Roberts Aufdringlichkeit, und dass Bella Alkohol trank, ließ ihre Stimmung sofort kippen. »Wann können wir gehen? Es ist schon spät, und morgen geht’s wieder nach Hause.«

    »Dann geh doch!«, fauchte Bella, als hätte Noras Frage ihre Freundlichkeit mit einem Faustschlag zertrümmert. »Ich brauche keinen Babysitter, der mich abholt. Du hast hier sowieso nichts zu suchen. Hier ist nur das Showteam, die Profis eben.« Die grinste dämlich und schien mit offenem Mund nach Worten zu suchen. »Du sprichst hier mit der besten Reiterin der Show. Geh spielen oder schlafen. Es ist ja schon peinlich, so eine Schwester zu haben.« Damit wandte sie sich von Nora ab, drehte sich zu Robert, seiner Freundin und einigen anderen der Show und plauderte strahlend weiter.

    Einige Leute drängten sich zwischen sie und Bella. Sie konnte ihre Schwester nicht mehr sehen, nur ihr Lachen hören. Ja, hier im Mittelpunkt fühlte sie sich wohl. Nora wurde übel. Nur schnell hier raus.

    »Stopp!«

    Nora blieb erschrocken stehen und drehte sich um. Vor ihr stand Gabriele, eine der Betreuerinnen. »Willst du ins Hotel?«

    Nora nickte. »Ja, aber da finde ich schon allein hin. Da kann ich ja hinspucken.«

    »Ihr seid im Atlantic?«

    »Ja!«

    »Das steht ja direkt am Parkplatz. Aber einer von uns muss dich begleiten. Hier tragen wir die Verantwortung.«

    Schweigend gingen sie nebeneinander zum Ausgang des Messegeländes. »Habt ihr Stress?«, fragte Gabriele.

    Nora brummelte erst unverständlich. »Hm. Sie ist genau das geworden, was sie immer gehasst hat.«

    »Und das wäre?«

    »Eine arrogante Zicke.«

    »Das glaube ich nicht. In der Zeit, in der wir zusammengearbeitet haben, war sie supernett und hilfsbereit.«

    »Ja, ist sie ja auch. Aber jetzt hält sie sich für was Besseres.«

    »Ihr Reitstil ist jetzt nicht perfekt, aber mit Pegasus liefert sie eine super Show.«

    »Und ich nicht?« Nora lief eine Träne herunter.

    »Doch natürlich! Du machst eine grandiose Bodenarbeit. Und selbstverständlich gehörst zu genauso zum Team. Aber sie genießt momentan diese Aufmerksamkeit. Das gibt ihr ungeheure Energie. Ich glaube, sie hat Angst, dass du ihr die wegnimmst. Sie muss erst lernen, dass sie die Energie auch anders bekommen kann.«

    »Wie?«

    »Oh, das Thema würde den Abend sprengen.« Gabriele lachte kurz. »Das können ja nicht einmal viele Erwachsene. Einfach ausgedrückt geht es um Achtung, Aufmerksamkeit und Liebe zu anderen. Wenn du das aussendest, ohne etwas zu wollen, bekommst du es noch stärker zurück. Die Energie fließt. Es ist kein Energieraub, wie bei vielen unglücklichen Beziehungen. Du machst es doch selbst.«

    »Ich? Wie?«

    Gabriele ging mit Nora durch das Eingangstor und weiter die große Freitreppe hinunter zum Atlantic Congress Hotel. »Du brauchst keine große Aufmerksamkeit von anderen um glücklich zu sein.«

    »Ich habe Pegasus.«

    »Genau! Du hast eine viel stärkere Beziehung zu ihm als Bella. Du liebst ihn, und es ist dir vollkommen egal, was andere über dich denken. Pegasus gibt dir diese Liebe gerne zurück. Bei ihm geht es dir gut. So, wir sind da. Ich wünsche dir eine gute Nacht! Morgen versteht ihr euch bestimmt wieder super.«

    Gabriele wollte schon wieder gehen, da drehte sie sich noch einmal zu Nora um: »Ach, da fällt mir noch ein, Bella

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