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Damals ist vorbei
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eBook201 Seiten2 Stunden

Damals ist vorbei

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Über dieses E-Book

In einem kleinen Auenwald unweit der Donau lernen sich die beiden gleichaltrigen Jungen Martin und Thomas kennen und treffen sich dort auf einem abgelegenen Friedhofsgelände immer wieder. Die beiden finden aneinander das, was sie in ihrem Elternhaus nicht bekommen: Geborgenheit, Freude und Liebe. Sie stürzen sich in einen emotionalen und sexuellen Rausch, der nur einen Sommer währt, denn Martin kommt mit der Vorstellung, sich als schwul zu outen, nicht zurecht. Zweiundzwanzig Jahre später treffen die beiden Männer erneut aufeinander. Thomas führt ein Leben als offener Schwuler, Martin hat mittler¬weile eine Studienkollegin geheiratet und ist Vater von zwei Kindern. Das Glück, nach dem sich beide Männer sehnen, hat sich aber nur bedingt ein¬gestellt. Wie damals fängt alles wieder mit einem Kuss an, doch nach all der Zeit ist es für Thomas und Martin nicht einfacher, ihren Weg zu finden ... In seinen beiden Romanen 'Eine ganz andere Liebe' und 'Narben' befasste sich Paul Senftenberg mit jugendlichen Protagonisten auf ihrer Suche nach sich selbst und dem Mut, gegenüber einer oft intoleranten Gesellschaft zueinander und zu ihren Gefühlen zu stehen. 'Damals ist vorbei', die vom Autor überarbeitete Neuausgabe seines erfolgreichen Erstlingsromans aus dem Jahr 2009, nimmt eben diese Konstellation von Figuren und Ideen wieder auf und führt sie weiter ins Erwachsenenleben - mit der Erkenntnis, dass nichts einfacher geworden ist. Auf diese Weise entsteht eine thematische Trilogie um Abzweigungen im Leben und Entscheidun¬gen, deren Konsequenzen man akzeptieren muss, denn auch wenn alle Beteiligten versuchen, gegenseitige Verletzun¬gen zu ver¬meiden, können diese letztlich nicht ausbleiben. Einfühlsam, intensiv, hochdramatisch und dann auch wieder ganz still und zart erzählt Paul Senftenberg die wildromantische Liebesgeschichte zweier Jungen und das unverhoffte Wiedersehen im Erwachsenenalter aus ver¬schiedenen Perspektiven und mit Zeitsprüngen. In der Dreiecksgeschichte zwischen Thomas, Martin und Martins Frau Margit erlebt der Leser die Ängste und Sehnsüchte der Figuren und erkennt, dass gewisse Fragen eine Entscheidung benötigen, ob nun heute oder damals.
SpracheDeutsch
HerausgeberHimmelstürmer
Erscheinungsdatum1. Jan. 2014
ISBN9783863614041
Damals ist vorbei

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    Buchvorschau

    Damals ist vorbei - Paul Senftenberg

    Zweiundzwanzig Jahre

    Zweiundzwanzig Jahre früher, an einem späten Nachmittag im Sommer, fiel Martin etwas auf, das aussah wie ein im Wasser tanzendes Stück Holz. Beim Näherkommen aber entpuppte sich das Stück Holz als ein Junge. Wie in einem Lasso gefangen, hing der Junge an einem Seil. Das Seil war an einem dicken Ast befestigt, der am Ufer ein Stück über den Fluss ragte, und dem Jungen straff unter den Achseln um die Brust geschlungen. Der Junge trieb so auf dem Rücken und mit seitwärts weggestreckten Armen in der Donau. Das tiefe Licht streifte in winzigen Blitzen über das, was vom Körper dieses Jungen aus den Wellen ragte. Teile des Gesichts, der Brust, der Arme und Beine und ab und an die nackten Zehen tauchten auf und verschwanden einen Moment darauf bereits wieder im Wasser; es flirrte und flackerte um den Jungen herum und über ihn hinweg, dass Martin ganz schwindelig wurde.

    Hier im Auwald unweit des Alberner Hafens befand sich der so genannte Friedhof der Namenlosen, hier hatte man über lange Zeit die aufgedunsenen Leiber von Selbstmördern begraben. Die meisten von ihnen waren in ihrer Seelenpein von der nahen Reichsbrücke gesprungen, einige an einer anderen, privateren Stelle ins Wasser gegangen. Eine als Wechsel bekannte Strömung die Donau abwärts hatte sie gepackt und ziemlich genau an dieser Stelle angeschwemmt.

    Kein Wunder also, dass Martin im ersten Moment an ein Stück Treibholz, dann an eine Wasserleiche gedacht hatte. Doch dieser Junge war nicht tot. Das stellte sich heraus, als Martin nach dem Seil griff und nur einmal kurz daran ruckte und sogleich Leben in den Körper kam: wie ein Fisch an einer unsichtbaren Angelschnur zuckte er nach links und rechts, sodass auch Martin einige Spritzer Donauwasser abbekam, als er das Seil packte und den Jungen zu sich ans Ufer zog.

    Dort rappelte sich der Junge hoch und wand sich mit hastigen Bewegungen aus dem Seil. Triefend nass, mit zerstrubbelten Haaren, nacktem Oberkörper, nackten Beinen und einer kurzen Hose, die ihm an den Oberschenkeln klebte, stand er vor Martin, leicht vornübergebeugt und die Finger ständig in Bewegung. Martin sah die Zornesfalten zwischen den Brauen des Jungen, als dieser ihm auch schon mit beiden Händen einen Stoß versetzte, der ihn rücklings zu Boden warf.

    Was er denn glaube, schrie der Junge von oben auf Martin hinunter, und seine Stimme kippte dabei. Er lief drei, vier fahrige Schritte weiter, bevor er sich wieder umdrehte. Ob er vielleicht glaube, dass er sich umbringen wollte? Und bevor Martin etwas sagen konnte: „Will ich aber nicht. Mit dem trotzigen Nachsatz: „Und wenn ich’s wollte, dann würde ich mich schön bedanken, wenn da einer daherkommt und sich als Held aufspielt!

    Weg war er mit diesen Worten, und Martin lag im Gestrüpp im Auwald, das hier am Donauufer so hoch wucherte, dass ihn weder ein Spaziergänger an Land, noch ein Ruderer auf dem Wasser bemerkt hätte. Martin blieb einige Zeit lang so liegen. Über ihm tanzte das Sonnenlicht zwischen den Blättern wie vorhin auf den Wellen. Die Worte des Jungen, die er mit seiner rauen Stimme hervorgestoßen hatte, klangen in seinen Ohren noch nach. Dabei hatte er nicht die leiseste Ahnung, was er über diesen seltsam zornigen Jungen, der keine Leiche war, denken sollte. Aber aufhören, an ihn zu denken, konnte er nicht.

    Wolkenherden

    Die Angst, nicht wieder aufzuwachen, hatte Thomas vor dem Einschlafen abgehalten, und so war er bereits in der ersten Morgendämmerung in Wien losgefahren. Lang hatte er am Rand eines Weizenfelds gehalten, das sich in einem weiten Schwung einen Hügel hinabzog: ein Tableau aus gelben und braunen Tönen und darüber ein hoher blauer Himmel, nur ein paar vereinzelte Wolkenballen in völliger Windstille.

    Jetzt, gegen Mittag, trieb ein trockener Wind solche Wolkenballen wie eine Herde weißer Tiere über das graue Dach des Gebäudes dahin, vor dem Thomas seinen Wagen parkte. Thomas stand vor dem ehemaligen Lichtspieltheater, das jetzt gleichermaßen als Buchhandlung und Galerie diente, und schaute still auf die Fassade des Gebäudes oder wohl doch eher schräg an den Schornsteinen und Giebeln des Daches vorbei in den Himmel mit diesen Wolken und dachte an den siebzehnjährigen Jungen, den er damals, fast auf den Tag genau zweiundzwanzig Jahre zuvor, auf dem Friedhof am Ufer der Donau kennen gelernt hatte. Eine Internetrecherche nach Galerien in Wien und Umgebung, die auch unbekannte Künstler ausstellten, hatte ihn durch Zufall auf einen Namen gebracht, der ihm unvermittelt das Herz zusammenzog, und dann auch auf die Adresse in der kleinen Stadt.

    Thomas zwang sich aus seiner Bewegungslosigkeit und holte zwei Gemälde aus dem Kofferraum. Er stellte sie vorsichtig auf der Straße ab und schloss den Kofferraum. Die Gemälde waren ziemlich wuchtig, zum Schutz waren sie in trübes Plastik gepackt. Thomas hielt sie an dem rohfaserigen, weiß getünchten Holzrahmen, der seiner Meinung nach gut zu den Bildern passte. Sie zeigten großflächige Gestalten, mit groben, dicken Ölstrichen gemalt. Nicht nur aufgrund der Verpackung erkannte man in den Gesichtern keine Einzelheiten.

    Mit den Bildern legte Thomas den kurzen Weg von seinem Wagen zu dem Gebäude zurück. Eine Grünfläche mit alten Kastanienbäumen, die jetzt in Blüte standen, umgab das ehemalige Lichtspieltheater. Auch wenn Thomas im Internet keine Informationen über das Haus gelesen hätte, wäre der Schriftzug aus Neonröhren immer noch ein Hinweis auf die ursprüngliche Nutzung gewesen. Dieser Schriftzug verlief schräg über dem Eingangsbereich, der mit seinen Säulen und dem Kapitell einem antiken Tempel nachzueifern schien, und ließ keinen Zweifel an der einstigen Bestimmung des Gebäudes. Die Türen standen weit offen, rechts davon gab es Kaffeehaustische und Korbsessel im Gras, dazu Sonnenschirme aus Holz und Leinen, doch die waren momentan nicht aufgespannt. Gäste waren auch keine zu sehen; die Mittagshitze lag auf der Szenerie und hätte die Aktionen von Anwesenden so verlangsamt wie jene von Thomas, der sich dem Eingang näherte. Leise Musik drang aus einem unsichtbaren Lautsprecher, eine französische Beschwörung des Meeres, die selbst in dieser heißen Luft nicht deplaziert wirkte, weil sie die Geräusche des Windes in den Kronen der Kastanienbäume aufnahm. Thomas hatte das Gefühl, als würden ihn diese Geräusche vor sich hertreiben wie vorhin der Wind die Wolken. So steuerte er geradewegs auf die offenen Türen des ehemaligen Lichtspieltheaters zu.

    Thomas blieb einen Augenblick lang stehen, abermals schaute er sich genau um. Er presste die Lippen zusammen und atmete tief ein, dann ließ er wieder locker. Er nickte, als gäbe er sich selbst die Erlaubnis zum Weitergehen. Er setzte sich erneut in Bewegung und war sich dabei ungewiss, ob er, wie befürchtet oder erhofft, auf einen Punkt zuging, der dem seiner Vorstellungen während der Nacht ähnelte, als er in seinem Bett lag und nicht einschlafen konnte, weil er Angst hatte, nicht wieder aufzuwachen.

    Der Friedhof der Namenlosen

    Martin versuchte den ganzen Vormittag, nicht an den Jungen zu denken, den er aus der Donau gezogen hatte. Scheinbar ziellos streifte er durch das Areal des Frachthafens, versteckte sich vor den Arbeitern hinter den Ecken der Hallen, lauschte von seinem Versteck aus ihren Stimmen und schaute immer wieder zu den Kränen hoch; stellte sich vor, dort oben zu sitzen und das ganze Gelände im Blick zu haben. Er kickte Steine quer über die Gassen zwischen den Baracken, immer aus dem Schatten in den nächsten Schatten quer über die prallen Sonnenrinnen. Er zog sich das T-Shirt aus, als es immer heißer wurde, und band es sich um den Kopf wie ein Wüstenbewohner. Er stahl eine kleine Flasche Cola, die im Schatten neben einer geschlossenen Tür eines Verwaltungsgebäudes stand, schlug den Verschluss am Fenstersims daneben ab und trank die Flasche in einem Zug leer, ohne sich dabei Gedanken wegen der scharfen Glaskanten zu machen. Die ganze Zeit gab er sich Mühe, nicht an den seltsamen Jungen vom Vortag zu denken, aber gerade deshalb dachte er die ganze Zeit an ihn.

    Als die Sonne direkt über ihm stand, fand er sich auf dem Friedhof wieder. Dieser schloss gleich an das Hafengelände an; in einer Art Senke neben der Böschung zum Auwald, am Fuße einer Treppe aus steinernen Stufen, die von einer kleinen Kapelle herabführten, befanden sich die Gräber der unglücklichen Verstorbenen. Hier gab es auch eine Wasserleitung, die senkrecht aus dem Boden ragte und nach zwei Wendungen in einen Hahn mündete. Martin riss sich das Shirt vom Kopf, drehte das Wasser voll auf und hielt Gesicht und Schulter darunter. Er schüttelte den Kopf, Wassertropfen spritzten von seinen kurzen dunklen Haaren wie von einem Fell nach allen Seiten. Anschließend streunte er, tropfnass wie er war, über den Friedhof, betrat vorsichtig die schmalen Erdwege zwischen den Gräbern und suchte schließlich im Schatten der alten Bäume, die den Friedhof wie eine Wand umgaben, Schutz vor der Sonne. Dort saß er im Efeu, zurückgelehnt an einen Stamm, und hatte vor den geschlossenen Augen noch ein Grab im Sinn, dessen Inschrift ihm gleich aufgefallen war, weil sie vom Tod eines Elfjährigen, „ertrunken durch fremde Hand", im Jahre 1904 berichtete.

    Diese Inschrift las eine Stimme plötzlich laut vor, als Martin so dasaß, ein Stück weit in den Schlaf getragen durch das stille Hitzeflirren des Mittags um ihn herum, sodass ihm die näher kommenden Schritte nicht aufgefallen waren. Doch die Stimme, rau und laut und gar nicht so feierlich wie Stimmen üblicherweise auf einem Friedhof, riss ihn unvermittelt aus dem Halbschlaf.

    „Bist du wieder da", stellte die Stimme abschließend fest, nicht als Frage betont.

    Martin sah auf und blickte direkt ins Gesicht des Jungen vom Vortag. Er rappelte sich hoch, fuhr sich durch die Haare, in denen selbst hier im Schatten der Schweiß klebte, und sagte trotzig: „Bin ich."

    „Und wieso?"

    „Wieso nicht?"

    „Wieso gestern und heute schon wieder und vorher noch nie."

    „Das kannst du ja nicht wissen, ob ich vorher schon einmal da war."

    „Kann ich doch. Weil ich meistens da bin."

    „Aber sicher nicht immer."

    „Fast immer."

    „Na und? Jetzt bin ich halt da. Stört es dich?"

    „Warum sollte es mich stören?"

    „Warum redest du dann so, wenn es dich nicht stört?"

    „Red keinen Scheiß."

    „Ich red keinen Scheiß. Du redest Scheiß."

    „Du kannst auch tauchen gehen, wenn du nicht dein Maul hältst."

    „Darin hast du ja Übung. Ich hätte dich gestern ersaufen lassen sollen."

    „Ich wäre nicht ersoffen, Idiot."

    „Selber Idiot, du Depp."

    „Selber Depp. Oberdepp."

    Die zwei Jungen, beide hitzig im Gesicht und die Zähne zusammengebissen, beide mit geballten Fäusten und ihr Gewicht auf dem rechten, nach vorn gestreckten Bein abgestützt, beide so einander gegenüberstehend und wie auf dem Sprung.

    Noch bevor die Streithähne übereinander herfallen konnten, kam der alte Friedhofswärter die paar Stufen vor der Kapelle herunter, weißhaarig und mit einer roten Nase und in der einen Hand eine Gießkanne, in der anderen den Schlüssel für das kleine Haus in der hintersten Ecke des Friedhofes, in dem die Toten aufgebahrt lagen. Er rief ihnen etwas zu, das sie nicht verstanden, weil sie in ihrer Wut nur Ohren für das Rauschen ihres eigenen Blutes hatten, aber seine Anwesenheit entging ihnen nicht und wie auf eine stumme Absprache, als wären sie einander zumindest in diesem einen Punkt einig, rannten sie quer über den Friedhof, die Stufen zur Kapelle hinauf und auf der anderen Seite die Böschung wieder hinunter in den Auwald. Dort verschwanden sie zwischen den Bäumen; und das Ganze so schnell, dass dem Friedhofswärter nicht einmal Zeit geblieben war, sich nach ihnen umzuschauen.

    Gesichtslos

    Das Innere des Gebäudes war als Buchhandlung mit einem kleinen Café in einer Ecke eingerichtet. Rundum verliefen raumhohe Regale. An den Wänden aber, an denen es keine gab, hingen großformatige Fotos, die ein kurzer Text nahe beim Eingang als extreme Detailansichten von Alltagsgegenständen erklärte, von einem jungen Künstler gestaltet, der das hiesige Gymnasium besuchte und soeben erst die Matura abgelegt hatte. Nur eine Kundin stöberte in einem der Regale herum. Ob sie ihm helfen könne, rief ihm eine zweite Frau zu. Sie saß am hintersten der Kaffeehaustische. Vor ihr standen eine Tasse und eine Flasche Mineralwasser, aus der sie sich eingoss, als Thomas auf sie zuging. Die Frau erschien Thomas an die vierzig, sie hatte kurze braune Haare und einen dunklen Teint. Sie war recht füllig, fast hatte es den Anschein, als lägen ihre Brüste auf der Tischplatte auf. Sie trug ein weites schwarzes Shirt und dazu eine schwarze Hose aus dünnem Stoff und hatte die Beine seitlich vom Sessel, auf dem sie saß, abgestreckt. Sie machte auf Thomas einen offenen, ja leutseligen Eindruck. Obwohl sie ihren Kaffee austrank, während Thomas sich vorstellte und sein Anliegen erklärte, wirkte sie sehr interessiert.

    Sie deutete mit der Gabel auf die Bilder, die Thomas mitgebracht hatte: „Lassen Sie mal sehen!"

    Thomas hatte die Bilder an einen Tisch gelehnt, nun nahm er eines hoch und löste die Klebestreifen an der oberen Seite. Er klappte die Plastikverpackung weg und zog das Bild heraus, nahm es in beide Hände und hielt es vor sich. Das Bild verdeckte Thomas’ Kopf und Oberkörper und zeigte eben diesen Teil einer Gestalt ohne erkennbare Gesichtszüge. Eine flache fleischfarbene Fläche starrte die Betrachterin an, in braunem Gewand vor einem braunen Hintergrund. Einsam stand diese Gestalt in einer Umgebung, zu der sie genauso wenig Bezug zu haben schien wie zu einer zweiten Gestalt ein Stück abseits und ein paar Schritte zurückgerückt. Das Gewand dieser zweiten Figur ging ins Bläuliche, insofern hob sie sich vom Rest des Bildes ab und zog den Blick des Betrachters wie die Gedanken der ersten Figur auf sich.

    Die Frau musterte das Gemälde eine Zeit lang, dann sagte sie: „Ist das Ihre Sicht von Menschen?"

    „Das ist meine Sicht von Menschen aus meinen Erinnerungen, antwortete Thomas. Er ließ das Bild ein Stück sinken, sodass Blickkontakt zu der Frau entstand. „Aus den Flashbacks meines Lebens sozusagen.

    Die Frau lächelte. Sie heiße Margit, sagte

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