Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Freedom: Actiongeladener Urban Fantay Einzelband
Freedom: Actiongeladener Urban Fantay Einzelband
Freedom: Actiongeladener Urban Fantay Einzelband
eBook337 Seiten4 Stunden

Freedom: Actiongeladener Urban Fantay Einzelband

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

"Du bist also erneut bereit, für etwas zu sterben? Wäre es nicht mal schön, für etwas zu leben?"

Ein Brief, geschrieben von ihrer kürzlich verstorbenen Mutter, führt Hope Tremblay an die Küste der Hudson Bay. Dort trifft sie ihren Onkel Andrew und wird unerwartet in dunkle Familiengeheimnisse eingeweiht.
Plötzlich findet sich die junge Frau inmitten von Gestaltwandlern wieder. Konfrontiert mit tödlichen Gefahren, muss Hope ihre eigene Stärke finden. Dabei stößt sie auf längst vergessenes Wissen und damit auf eine starke Verbündete im Kampf um Freiheit.
Denn dunkle Mächte haben seit Jahrzehnten die Bucht ihrer Vorfahren im Griff.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum29. Juli 2022
ISBN9783910615540
Freedom: Actiongeladener Urban Fantay Einzelband

Ähnlich wie Freedom

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Freedom

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Freedom - Meike Piechota

    Freedom.jpg

    Copyright 2022 by

    Dunkelstern Verlag GbR

    Lindenhof 1

    76698 Ubstadt-Weiher

    http://www.dunkelstern-verlag.de

    E-Mail: info@dunkelstern-verlag.de

    ISBN: 978-3-910615-54-0

    Alle Rechte vorbehalten

    Für Adrian

    Für deine mutige Frage „Warum nicht?",

    die der Anfang von allem war.

    Für Frieda

    Für deine Freundschaft,

    die mir immer eine Inspirationsquelle ist.

    Inhalt

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7 – Drei Jahre später

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Epilog

    Danksagung

    Triggerwarnung

    Prolog

    Sie konnte es nicht fassen. Er war wirklich so weit gegangen. Verärgert schlang Abigail die Arme um ihren Bauch. Sie spürte, wie sich ihre Tochter darin bewegte. »Keine Angst, Liebes! Dein Dad und Andrew werden das schon schaffen.« Sie strich liebevoll über ihre Wölbung. Auch wenn diese Geste beruhigend auf das ungeborene Kind wirken sollte, konnte sie die Angst in ihrer Stimme nicht verbergen. Als das Poltern und Brüllen aus dem unteren Geschoss lauter wurden, presste die zierliche Frau ihren Rücken enger gegen die Wand. Das Holz kratzte an ihrem Shirt. Den Blick auf die geschlossene Tür ihres Schlafzimmers gerichtet, spannte sie ihre Kiefermuskeln an.

    Sie hatte gewusst, dass ihre Liebe zu Logan Schwierigkeiten mit sich bringen würde. Doch dass ihr Vater so weit gehen und Männer schicken würde, um sie zu holen? War ihm sein Ego wichtiger als das Glück seiner Tochter? Erkannte er denn nicht, wie glücklich sie mit Logan war? In das Poltern mischte sich wildes Knurren, und Abigail glaubte, die Krallen der Kämpfenden über den Boden scharren zu hören. Anscheinend war ihr Ungehorsam für ihren Vater eine solche Schmach, dass er wirklich vor keinen Mitteln zurückschreckte. Wie hätte sie einen anderen Mann heiraten können, nachdem Logans Lachen sie so verzaubert hatte? Ein Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht. Sie hatten sich auf einem Dorffest kennengelernt, in einem kleinen Ort am Rande der Bucht. Sie war ihm vom ersten Blick an komplett verfallen gewesen. Sein Charme, sein Humor, dieses Lächeln. Auch das Flüstern ihrer besten Freundin, dass er ein Tremblay sei und sie bloß die Finger von ihm lassen sollte, hatte sie nicht davon abbringen können, die ganze Nacht mit ihm zu reden. Danach war alles sehr schnell gegangen. Ihr Umzug in das Haus der Tremblays, ihre Heirat und schließlich ihre Schwangerschaft. Doch an keiner dieser Entscheidungen hatten die beiden je gezweifelt.

    Hastige Schritte im Flur ließen sie aus ihren Erinnerungen hochschrecken. Instinktiv griff sie nach dem Baseballschläger neben sich. Sie würde sich nicht kampflos geschlagen geben! Schützend umschlang sie mit einem Arm ihren Bauch. Als Antwort trat das Ungeborene kraftvoll dagegen.

    Die Tür wurde aufgerissen. Statt eines Angreifers schob sich Andrew ins Zimmer hinein und warf das Holz hinter sich ins Schloss. Das sonst so freundliche Gesicht des Mannes wirkte seltsam ausdruckslos. Blut und Schweiß bedeckten seinen gesamten Körper. Abigail erkannte die Wunden, die die Krallen und Zähne der Wölfe gerissen hatten. Sie umklammerte den Baseballschläger fester. »Was ...«, weiter kam sie nicht.

    Ihr Schwager kam hastig auf sie zu, griff nach ihr und riss sie unsanft auf die Füße. »Du musst hier weg!« Während er sie mit sich zum Fenster zog, schnappte er sich ihre Handtasche vom Bett.

    »Was passiert da unten?« Abigail sah ihn verwirrt an.

    Schreie drangen zu ihnen nach oben. Ein besonders lautes Dröhnen, welches das ganze Haus erschütterte, ließ die beiden innehalten.

    Andrews Zähne mahlten aufeinander, und seine Finger um ihren Arm verkrampfte sich. Abigail sah, wie das Fell unter seiner Haut tanzte. Er musste kämpfen, um nicht die Kontrolle zu verlieren.

    »Die Verstärkung wird nicht rechtzeitig hier sein.« Mit diesen Worten riss Andrew das Fenster auf und warf einen prüfenden Blick in die Tiefe. »Sobald wir den Boden erreicht haben, rennst du zum Auto. Egal, was passiert, du läufst zum Van und fährst! Verstanden?« Er durchwühlte ihre Tasche, zog den Wagenschlüssel daraus hervor und versuchte, ihn ihr in die Hand zu drücken. Achtlos ließ er dabei den Beutel fallen.

    Aber die Schwangere hielt noch immer den Baseballschläger umklammert. Wütend reckte sie ihm ihr Kinn entgegen. »Ich soll also abhauen?«

    »Willst du dich mit diesem Zahnstocher einem ausgewachsenen Gestaltwandler stellen?« Mit gekräuselter Stirn musterte er den Schläger.

    Irgendetwas ging im Haus klirrend zu Bruch. Jaulen mischte sich in den Lärm.

    »Ich werde euch nicht im Stich lassen!«

    »Du musst hier weg! Verstehst du das nicht?« Andrew packte sie an den Schultern. »Dein Vater wird erst Ruhe geben, wenn Logan und das Baby tot sind! Wenn du das Leben der beiden retten willst, musst du fliehen und die Bucht verlassen!«

    Tränen stiegen in ihr hoch und nahmen ihr die Sicht. Seine Worte waren hart, aber die Wahrheit darin sickerte allmählich zu ihr durch. Klappernd fiel der Baseballschläger zu Boden. »Was ist mit Logan?«

    Dumpfes Knurren drang durch die verschlossene Tür zu ihnen. Die Angreifer waren auf dem Weg zu ihnen.

    »Los jetzt!« Andrew schwang sich über die Fensterbank in die Nacht hinaus und landete mit beiden Beinen auf dem Vordach der Veranda.

    So schnell Abigail mit ihrem Bauch konnte, erklomm auch sie die Fensterbank. Im selben Moment zerbarst hinter ihr die Tür. Sie konnte noch die Umrisse eines Wolfes in der Wolke aus Holzsplittern erkennen, bevor Andrew sie ins Freie zog.

    Mit wenigen Sprüngen brachte der junge Mann die beiden vom Vordach auf die Veranda, welche sich hinter dem Haus der Tremblays erstreckte.

    Abigail spürte das kalte Metall des Autoschlüssels in ihrer Hand. Energisch schob Andrew sie zu der kleinen Treppe. Sie wollte gerade die ersten Stufen nehmen, da ließ sie ein ohrenbetäubendes Klirren zusammenzucken. Dort, wo vor wenigen Sekunden noch das Fenster ihres Schlafzimmers gewesen war, brachen die Gestalten zweier Wölfe durch die Hauswand. In einem Regen aus Glas- und Holzsplittern schlugen die ineinander verkeilten Leiber auf dem Boden auf. Gefletschte Zähne wurden in weiches Fleisch gegraben. Fell und Haut riss unter Krallen.

    Unter dem Aufprall der Kämpfenden vibrierte die Veranda unter Abigails Füßen. Erschrocken schrie sie auf und ließ beinahe den Schlüssel fallen. Ihr Schrei ging in neuem Knirschen unter. Ein drittes Tier brach durch die hintere Verandatür aus dem Wohnzimmer ins Freie. Seine Pranken rasten auf die junge Frau zu, während sie mit aufgerissenen Augen den Kampf vor sich beobachtete.

    »Lauf!« Ein wildes Knurren verschluckte Andrews Rufen. Ein Flirren ging durch die Gestalt des Mannes, und dort, wo gerade ihr Schwager gestanden hatte, warf sich ein weiterer Wolf ihrem Angreifer entgegen. Seine Krallen gruben sich in dessen Flanken und schleuderten ihn einige Meter zurück gegen die Mauer, was das ganze Gebäude erneut erzittern ließ.

    Das Wanken des Hauses riss Abigail aus ihrer Schockstarre. Sie rannte die Stufen hinab und lief, so schnell sie ihre Beine trugen. In ihrer Panik stolperte sie über ihre eigenen Füße. Der Weg zum Van kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Wildes Brüllen hinter ihr ließ sie zusammenzucken in der Erwartung, dass sich jeden Moment Klauen in ihren Rücken graben würden.

    Als sie den Wagen erreichte, drehte sie sich ein letztes Mal um. Ein Bild aus Schmerzen bot sich ihr. Das Blut der Wölfe bildete Lachen auf dem hellen Holz der Veranda. Dunkle Spritzer sprenkelten die aufgebrochene Fassade des Hauses. Immer noch gruben die Tiere ihr Reißzähne in Fleisch und rissen Haut auf. Lautes Jaulen klingelte in ihren Ohren.

    In all dem Leiden erhaschte sie den Blick eines sterbenden Wolfes. Er war gezeichnet von Liebe und brannte sich auf ewig in ihre Seele ein.

    Kapitel 1

    Das Grün der Bäume und das Braun ihrer Stämme verschwammen vor dem Fenster des Busses zu einer massiven Wand.

    Mit einem Seufzen rieb sich Hope die Augen. Seit Stunden saß sie in den hinteren Reihen des schwerfälligen Gefährts, welches sich über die Landstraße schlängelte. Sie hätte nicht gedacht, dass sich die letzte Etappe ihrer Reise so in die Länge ziehen würde.

    Der Sitz unter ihr quietschte, als sie sich darin zurückfallen ließ. Vor ihr flogen die Reihen der Bäume vorbei. So viel Natur hatte es in ihrer Wohnung im Londoner Stadtviertel Greenwich eindeutig nicht gegeben.

    Hope schnürte es die Kehle zu, denn fast 20 Jahre lang waren diese zwei Zimmer ihr Zuhause gewesen, bis sich vor sechs Monaten alles geändert hatte. Nachdem die Ärzte bei ihrer Mutter Krebs im Endstadium diagnostiziert hatten, war alles sehr schnell gegangen. Trotz aller Bemühungen und dem Kampfgeist ihrer Mom hatte am Ende die Krankheit gesiegt. Eine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel und rollte ihre Wange hinab. Ihre Mom war alles gewesen, was sie an Familie gehabt hatte.

    Doch ein einziger Brief in den Unterlagen ihrer Mutter hatte diese Gewissheit geändert und ihr neue Hoffnung gegeben. Was sie dazu bewegt hatte, ohne groß nachzudenken, den nächsten Flug nach Kanada zu nehmen. Entschlossen wischte Hope sich über das Gesicht. Der Umschlag war an Andrew Tremblay adressiert. Oak Lane 8, Chesterfield. Andrew Tremblay. Tremblay. Der Familienname, den sie trug und den ihre Mutter bei ihrer Hochzeit angenommen hatte. Sie ballte ihre Finger um das zerknitterte Schreiben in der Tasche ihres Hoodies. Sie wusste nicht, wer dieser Andrew war. Aber sie war an die Hudson Bay gekommen, um genau dies herauszufinden.

    Trotzig schürzte sie die Lippen und wandte sich wieder dem vorbeiziehenden Grün vor ihrem Fenster zu.

    In diesem Augenblick brach der Wald auf und gab den Blick in die Bucht frei. Überrascht zog Hope die Luft ein und richtete sich in ihrem Sitz auf.

    Glitzernde Weite erstreckte sich eingebettet inmitten der dicht bewaldeten Hänge der Berge. Unbändig wogten die Wassermassen gegen das felsige Ufer. Die vielen Schaumkronen der Wellen leuchteten in der Sonne, die sich über dem Horizont erhob. Sie fühlte die salzige Gischt förmlich auf ihrem Gesicht, spürte den Wind an ihren Haaren zerren, hatte den Geruch von Algen in der Nase. Der Anblick der Bucht ließ sie erschaudern und wohlige Wärme legte sich wie eine Decke um ihr Herz.

    Mit einem Kopfschütteln wischte sie dieses Gefühl aus ihrem Körper. Sie warf sich erneut in den quietschenden Sitz unter sich, während sie ihre Kopfhörer tiefer ins Ohr schob. Eindeutig zu viel Natur!

    Der Kies knirschte unter den Reifen des Busses, als dieser an der Haltestelle stoppte. Die gelangweilte Stimme des Fahrers erklang durch den Lautsprecher. »Chesterfield!«

    Mit einem dankbaren Nicken und ihrem Rucksack über der Schulter nahm Hope die wenigen Stufen aus dem Fahrzeug. Kaum hatten ihre Sneaker den Boden berührt, ging hinter ihr die Tür klappernd zu, und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Eine schwarze Wolke aus Auspuffgasen hüllte Hope ein. Sie blickte dem Bus hinterher, bevor sie sich dem Ort zuwandte.

    Der asphaltierte Weg vor ihr führte einen leichten Abhang hinunter und endete direkt am Ufer der Bucht. In der Ferne konnte Hope einen breiten Steg ausmachen, der das Ende des Dorfes markierte. Links und rechts daneben schaukelten Boote auf dem aufgewühlten Wasser hin und her.

    Na gut! Sie nahm auch den zweiten Tragegurt über ihre Schulter und zog ihn fester. Dann finden wir diesen Andrew!

    Während sie mit gemächlichen Schritten die Hauptstraße entlang schlenderte, ließ sie ihren Blick über die Ansammlung von Holzhäusern schweifen. Es war Mittagszeit an einem Wochentag. Aber Hope schätzte, dass selbst zu einem anderen Zeitpunkt hier nicht mehr los sein würde. Keine Menschenseele war bei den Hütten oder auf der Straße zu sehen. Gelegentlich war das Bellen eines Hundes zu hören oder das entfernte Brummen eines Motors. Ansonsten wirkte der Ort mit den rustikal gezimmerten Veranden und Vans in den Einfahrten wie ein verschlafenes Nest.

    Im Gehen holte Hope ihr Smartphone aus dem Rucksack und überprüft ihren Standort. Inzwischen war sie nicht mehr weit von der Oak Lane entfernt. Aufregung rumorte in ihrem Magen, sodass sie ihren Hoodie enger um die Schultern zog. Der vertraute Geruch des Stoffes half etwas. Zuletzt zog sie die Kapuze über ihren Kopf und versuchte, ihre unbändige Mähne darunter zu verstecken. Während sie gegen ihre Locken kämpfte, huschte eine lieb gewonnene Erinnerung durch ihre Gedanken. Ihre Mom war stets an ihren Haaren verzweifelt. Diese Mähne hast du von deinem Vater geerbt. Aber deine wunderschönen, braunen Augen hast du von mir! Ihr freudiges Lachen verklang in Hopes Ohren und versetzte ihrem Herzen einen kleinen Stich.

    Als Hope in die Oak Lane einbog, knirschte der Kies der schmalen Straße unter ihren Schritten. Je näher sie dem doppelgeschossigen Haus kam, umso nervöser wurde sie. Der Anblick der meterhohen Fichten, die lange Schatten auf das Gebäude warfen, halfen nicht dabei, ihre Nerven zu beruhigen.

    Sie blieb vor dem Zaun stehen, der nur mit Mühe die wild wuchernde Hecke unter Kontrolle hielt. Das Haus hatte eindeutig schon einmal bessere Tage gesehen. Die Farbe blätterte an vielen Stellen von der Holzfassade ab, die Regenrinne konnte aufgrund von fehlenden Stücken ihre Aufgabe nicht mehr wirklich erfüllen und einige Fensterläden hingen schief in ihren Angeln.

    Hope verzog verärgert die Lippen. Denn die filigranen, geschwungenen Verzierungen am Geländer der überdachten Veranda und der Fassade zeigten, dass dem Gebäude einst viel Liebe zuteilgeworden war, es nun allerdings vernachlässigt wurde.

    Die Scharniere des Gartentors quietschten, als Hope es aufschob und das Grundstück betrat. Am unteren Treppenabsatz zur Veranda blieb sie stehen und blickte erneut die Außenwand vor sich hoch. Ihre Hände wurden schwitzig bei dem Gedanken, gleich diesem Andrew gegenüberzustehen. Vielleicht war es nicht richtig gewesen, herzukommen. Ihre Mutter musste damals Gründe gehabt haben, den Kontakt zu ihrer Familie abzubrechen. Was, wenn dieser Andrew Hope überhaupt nicht sehen wollte? Oder eine Rechnung mit ihrer Mom offen hatte?

    Wütend presste sie die Zähne aufeinander. Fuck! Hope, reiß dich zusammen! Du bist nicht den weiten Weg aus London gekommen, um auf den letzten Metern zu kneifen!

    Als sie die erste Stufe der Treppe nehmen wollte, klackte das Schloss der Haustür. Erschrocken fuhr Hope zusammen und erstarrte mitten in der Bewegung.

    Die Scharniere knarzten, als die schwere Holztür aufschwang. Im größer werdenden Spalt erschien das Gesicht eines Mädchens. Hope schätzte sie auf zwischen zwölf und sechzehn Jahren. Sie konnte Skepsis, aber auch eine Spur Neugierde im Blick der Jugendlichen erkennen, während diese sie von oben bis unten musterte.

    »Kann ich dir irgendwie helfen?«

    »Ich ... äh ... ich bin auf der Suche nach Andrew. Andrew Tremblay.« Hope stolperte die wenigen Stufen hinauf und zog mit zittrigen Fingern den Umschlag aus ihrer Tasche. Sie hielt das Papier mit der Anschrift hin. »Aber vielleicht bin ich hier auch falsch?«

    Das Mädchen lehnte sich ein Stück aus dem Türrahmen, um besser lesen zu können. Mit gerunzelter Stirn entzifferte sie die Adresse, bevor sie Hope erneut skeptisch musterte. »Und warum genau suchst du Andrew?«

    Erleichtert atmete Hope auf. Anscheinend hatte sie das richtige Haus gefunden. »Na ja, der Brief ist für ihn.«

    »Wie jemand von der Post siehst du aber nicht aus.«

    »Das stimmt, aber ich wollte ihn persönlich überbringen.«

    »Und, warum das?«

    Als Hope antworten wollte, erklang ein Poltern aus dem Inneren des Hauses. »Harper, was lungerst du an der Tür herum?«

    Die raue männliche Stimme ließ Hopes Hände erneut schwitzig werden.

    »Hier ist jemand für dich.« Mit diesen Worten trat der Teenager einen Schritt zurück, öffnete damit die Tür und gab den Blick auf einen groß gewachsenen Mann frei, der sich die verschlafenen Augen reibend die Treppe vom ersten Stock hinab kämpfte.

    Hope vergaß beinahe zu atmen, während sie gebannt jede noch so kleine Bewegung beobachtete.

    »Für mich?« Er schob das Mädchen zur Seite, trat in den Eingang und musterte Hope interessiert. Als er die Locken erblickte, die unter der Kapuze hervorquollen, erstarrte er. Sein Mund öffnete sich langsam, und unwillkürlich fasste er sich an den Kopf, wo sich ebenfalls eine zwar kurze, aber dennoch genauso wilde Mähne kräuselte wie bei Hope.

    Sie wagte ein zaghaftes Lächeln.

    »Du ...« Andrew schien seine Sprache schneller wiedergefunden zu haben. »Du bist Abigails Tochter, oder?«

    Hope schaffte es, zögerlich zu nicken, bevor Andrew sie an den Schultern ergriff und sie mit einem leisen Fluchen ins Innere des Hauses zog. Er sah sich mit einem prüfenden Blick nach draußen um, bevor er die Tür hinter ihr ins Schloss warf.

    Hope stolperte einige Schritte in den halbdunkeln Flur des Hauses. Schnell fand sie ihr Gleichgewicht wieder und fuhr zu dem Mann herum. Sie wollte ihn wütend einen Fluch entgegenschleudern, doch der Satz blieb ihr im Hals stecken. Panik gefror ihre Glieder. Ihr Fluchtweg war versperrt, denn mit funkelnden Augen baute sich Andrew vor ihr auf. »Hat dich jemand auf dem Weg hierher gesehen? Hast du mit jemanden gesprochen?«

    Seine Fragen drangen nicht zu ihr vor. Mit offenem Mund starrte sie den wütenden Mann an. Warum war sie allein hergekommen? War sie wirklich so dumm gewesen?

    »Ob dich jemand gesehen hat?« Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er machte einen Schritt auf sie zu und unwillkürlich wich sie zurück. Sie stieß mit dem Rücken gegen eine Kommode. Die unzähligen Bilderrahmen darauf klirrten und ein Porzellanfigürchen schob sich bedrohlich dicht an den Rand der Platte.

    »Boah, Andrew! Was soll der Scheiß? Siehst du nicht, dass du ihr Angst machst?« Schnaubend schob das Mädchen die Figur einige Zentimeter in Sicherheit. Sie lehnte sich neben Hope an das Möbelstück und blickte den Mann vor ihnen mit geschürzten Lippen an.

    Mit einem verblüfften Blinzeln ließ Andrew die Schultern sinken. Seine verkrampften Hände lösten sich und er atmete durch. »Sorry. Harper, du hast recht. Bitte entschuldigt. Ich wollte nicht ...« Er wankte zurück. Schweiß stand ihm auf der Stirn, und seine Gesichtsfarbe hatte ein ungesundes Grau angenommen. »Sorry ... ich muss kurz ... frische Luft!« Mit diesen Worten verschwand er taumelnd im Flur. Wenig später hörte Hope, wie eine Tür zuschlug.

    »Was ist denn in den gefahren?« Kopfschüttelnd blickte Harper ihm nach, bevor sie Hope neben sich einen prüfenden Seitenblick zu warf. »Alles in Ordnung bei dir?«

    »Ja ... Nein ... Keine Ahnung.« In Hopes Kopf drehte sich alles. Andrews aggressive Reaktion hatte sie bis ins Mark erschreckt. Auch die eigene Dummheit allein herzukommen. Sie krallte ihre Finger um den Brief, den sie noch immer in der Hand hielt.

    Harpers anfängliche Skepsis schien verschwunden zu sein, und aufrichtige Besorgnis spiegelte sich in ihre Miene. Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Vielleicht hilft ein Kaffee?«

    Hope konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie zitterte leicht, als das Adrenalin ihre Muskeln erreichte. Was wäre passiert, wenn Harper nicht da gewesen wäre? War Andrew der Grund, warum ihre Mutter damals die Bucht verlassen hatte? Hope schluckte. Doch dann nickte sie. »Was Warmes klingt nicht schlecht. Mein Name ist übrigens Hope.«

    »Harper. Falls du es nicht schon mitbekommen hast.« Grinsend schob sich die Jugendliche an ihr vorbei.

    Nach diesem Schock wirkte die Wohnküche, in die sie Harper führte, auf geradezu absurde Weise heimelig. Auf Harpers einladende Geste hin zwängte Hope sich hinter einen wuchtigen Eichentisch und nahm auf dem Sofa dahinter Platz. Ihren Rucksack stellte sie daneben ab.

    Harper ging auf die Arbeitszeile zu, welche die gesamte Längsseite des Raumes einnahm, und hantierte an einer altmodischen Kaffeemaschine herum.

    Hope betrachtete die feinen Verzierungen an den Türen der Hängeschränke. Doch auch diese kunstfertigen Arbeiten waren mit Vernachlässigung gestraft worden. Die Regale und Arbeitsflächen waren vollgestopft mit allerlei Hausrat, und die Lackierung des Holzes war durch eine dicke Staubschicht ermattet. Aus einer Ecke erklang das leise Dudeln eines Radios.

    »Andrew hat sich wirklich komisch benommen. So kenne ich ihr gar nicht.«

    Während sie Harper dabei beobachtete, wie diese die Maschine in Gang brachte, griff Hope nach einer Haarsträhne und zwirbelte diese zwischen ihren Fingern. »Du ... du lebst also hier mit Andrew?«

    »Ja!« Harper ließ sich auf einen Stuhl ihr gegenüber fallen. Erst jetzt bemerkte Hope die zierliche Statur und die dunklen Augen des Teenagers, welche sie aufmerksam musterten.

    »Ist er dein Dad?«

    Bei der Frage lachte Harper laut auf, sodass ihr die schwarzen, langen Haare ins Gesicht fielen. Mit einem letzten Prusten strich sie die Strähnen hinter ihr Ohr. »Nee! Also nicht mein Leiblicher. Er hat mich bei sich aufgenommen, nachdem meine Mutter mich weggegeben hat. Da war ich aber noch ein Baby.«

    »Das tut mir leid.«

    »Muss es nicht. Meine Mutter war selbst noch ein Kind, als sie mich bekam.«

    Ein leises Klicken signalisierte, dass der Kaffee fertig durchgelaufen war. Kurze Zeit später stellte Harper eine Tasse vor Hope auf den Tisch. In ihren eigenen Kaffee rührte sie einen ansehnlichen Löffel voll Zucker und einen noch größeren Schuss Milch.

    Nachdenklich beobachtete Hope, wie der Dampf aus dem Becher emporstieg. Noch immer hielt sie den Brief für Andrew unter dem Tisch in den Händen. Das Papier brannte förmlich auf ihren Fingerspitzen. Andrew hatte ihr zwar einen gehörigen Schrecken eingejagt. Aber sie musste mit ihm reden. »Weißt du, wann Andrew wiederkommt?«

    Harper zuckte mit den Schultern. »Ne. Ich schätze, er lungert irgendwo im Garten oder auf der Terrasse herum. Das macht er immer gerne, um nachzudenken.« Fragend hielt sie Hope die Schale mit Zucker hin. »Auch was?«

    »Also, um ehrlich zu sein: Ich mag gar keinen Kaffee.«

    Die Arme vor der Brust verschränkt stand der ungefähr fünfzigjährige Mann auf der Veranda und starrte den Waldrand an, der sich in einigen Metern Entfernung um das Haus zog. Auch wenn sein Bart und seine Haare an einigen Stellen bereits ergraut waren, musste Hope anerkennen, dass sich eine kräftige Statur unter seinem Flanellhemd abzeichnete.

    Das Scheppern des Fliegengitters hatte ihr Kommen zwar angekündigt, dennoch zuckte er leicht zusammen, als sie sich ihm näherte. Sie versuchte sich an einem schüchternen Lächeln und trat mit etwas Abstand neben ihn. »Hi.«

    Nach der ersten Schrecksekunde wandte er sich ihr ebenfalls mit einem Grinsen zu. »Hi.«

    Stille trat ein, während der er sie ansah. Sein Blick verharrte einige Zeit auf ihren Haaren. Mit einem Lachen strich er sich durch seine eigenen. »Ich schätze, dass man unsere Verwandtschaft nicht leugnen kann, oder?«

    Sie brachte keine Antwort zustande, sondern starrte ihn mit fragenden Augen an.

    »Abigail hat nicht viel über mich oder die Bucht erzählt, nehme ich an?«, deutete Andrew ihre Reaktion richtig.

    Hope nickte stumm.

    »Dein Dad war mein großer Bruder. Und Abigail ... Abi gehörte schnell zu meinen engsten Freunden, nachdem Logan sie hergebracht hatte. Ich schätze, dass du hier aufgetaucht bist, bedeutet, dass ihr etwas zugestoßen ist?«

    Erneut nickte Hope nur, obwohl die Erkenntnis, dass er ihr Onkel war, in ihren Fingerspitzen kribbelte.

    »Darf ich fragen, was?«

    »Krebs.«

    »Sie hat es nicht geschafft?«, murmelte er, während er sie mit traurigen Augen musterte.

    Wieder ein Nicken.

    Er seufzte und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. »Und ich Vollidiot benehme mich so daneben! Es tut mir ehrlich leid! Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich freue mich tatsächlich sehr, dass du hier bist und ich dich endlich kennenlernen kann!«

    Freundlichkeit blitzte in seinen Blick auf, woraufhin Hope sich etwas entspannte. Seine warmen Augen nahmen ihr die Angst. Dennoch brauchte sie einen tiefen Atemzug, bevor sie ihre Stimme wiederfand. »Entschuldigung angenommen. Ich habe meinen Besuch ja auch nicht angekündigt.«

    »Ja, eine Brieftaube wäre schon drin gewesen!« Er zwinkerte ihr zu.

    Bei seinem Spruch musste sie lächeln. Dann senkte sie den Kopf und musterte den Umschlag in ihrer Hand.

    »Ist der von Abigail?« Andrew war ihrem Blick gefolgt.

    »Er hat mich zu dir geführt.« Sie reichte ihm das abgegriffene Dokument.

    »Hast du ihn gelesen?«

    »Nein. Was auch immer darin steht, wollte sie dir sagen und nicht mir.«

    Überrascht zog er seine Augenbrauen hoch und griff nach dem Brief. Er las die Adresse und strich andächtig über Abigails Handschrift. »Du weißt wirklich nichts über uns?«

    »Nein.« Sie zögerte. »Ich habe früh gelernt, dass Fragen nach meiner Herkunft Mom immer sehr aufwühlten. Ich habe dann immer Ärger bekommen. Also habe ich irgendwann aufgehört zu fragen. Als ich dann den Umschlag in ihren Unterlagen fand, dachte ich, dass du sie mir vielleicht beantworten kannst.«

    »Bestimmt.« Nachdenklich drehte er das Schriftstück in seinen Händen. Dann atmete er durch und steckte den verschlossenen Umschlag in die Tasche seiner Jeans. Anschließend blickte er in den Himmel, an dem nur vereinzelte Wölkchen zu sehen waren.

    »Hör zu, Hope. Deine Mom hat dir die Antworten aus gutem Grund verwehrt. In der Vergangenheit ist einiges vorgefallen, sodass gewisse Leute sicher nicht gut auf deine Ankunft reagieren werden. Lass mich bitte

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1