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So! Schaffen wir das: Neue Wege für einen klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft, mehr Wohnungen, die Herausforderungen der Migration und den Erhalt unseres Vermögens
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eBook381 Seiten5 Stunden

So! Schaffen wir das: Neue Wege für einen klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft, mehr Wohnungen, die Herausforderungen der Migration und den Erhalt unseres Vermögens

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Über dieses E-Book

Hans Albrecht, erfahrener und erfolgreicher Investor, kennt die Mechanismen der Finanz- und Kapitalmärkte und der Wirtschaft in- und auswendig. In seinem Buch räumt er mit zahlreichen Missverständnissen auf, die zentrale Fehlentwicklungen der letzten Jahre in Deutschland begleiten.


- Wie könnte Deutschland zum Nutzen aller in Südeuropa und anderswo investieren, ohne einen einzigen Cent neues Geld auszugeben?
- Wie lässt sich das Ungleichgewicht zwischen den Euro-Volkswirtschaften ausgleichen und die EZB auf ihr eigentliches Geschäft beschränken?
- Wie der Fachkräftemangel beheben und der Migrationsdruck nach Europa verringern?
- Wie das Problem steigender Mieten lösen?
- Und was sollte man tun, wenn man daran zweifelt, dass das eigene Geld hierzulande nicht sicher angelegt werden kann, aufgrund all dieser Probleme?
Erfrischend offen, direkt und allgemein verständlich antwortet Hans Albrecht auf diese Fragen.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum5. Dez. 2022
ISBN9783451828164
So! Schaffen wir das: Neue Wege für einen klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft, mehr Wohnungen, die Herausforderungen der Migration und den Erhalt unseres Vermögens

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    Buchvorschau

    So! Schaffen wir das - Hans Albrecht

    Einleitung

    Es gibt viel zu tun in Deutschland, in der Europäischen Union und auch bei unseren Nachbarn südlich und östlich von Europa. In Deutschland brummte zwar die Wirtschaft bis zur Coronakrise noch, aber kein Aufschwung währt ewig, und trotz der langen Reihe wirtschaftlich guter Jahre sind unsere Investitionen in die heimische Infrastruktur und unsere Zukunftsfähigkeit unzureichend. Die Staus auf unseren Autobahnen werden immer länger, unsere Brücken sind marode, und im Hinblick auf die digitale Infrastruktur und schnelles Internet für Stadt und Land müssen wir uns von ehemals armen Nachbarn vorführen lassen, was Zukunftsfähigkeit bedeutet. Hinsichtlich unserer Bildung besteht zwar Einigkeit, dass eine optimale Bildung die Voraussetzung für Chancengleichheit und Zukunftsfähigkeit ist, dennoch fehlt es auch hier allerorts an Investitionen. Und das sind nur einige der wichtigsten Mängel.

    In den südlichen Mitgliedstaaten der EU türmten sich schon vor der Coronakrise die Schuldenberge, die Jugendarbeitslosigkeit verharrt dort in schwindelerregender Höhe, und bei den Nachbarn im Süden und Osten der EU sind sowohl die Sicherheitslage als auch die wirtschaftliche Situation derart miserabel, dass es sehr verständlich ist, wenn hier immer mehr Menschen von einem besseren Leben im reichen Norden Europas träumen.

    Diese Themen möchte die Ampelkoalition nun angehen, und an Rezepten, diese Zustände zu verbessern, mangelt es nicht, nur leider erfordern alle diese Rezepte Geld, und dieses fehlt uns angeblich, obwohl unsere Wirtschaft bis vor Kurzem brummte wie nie. Und nun fehlt uns wegen der Coronapandemie und dem Ukrainekrieg noch mehr Geld, das in der nahen Zukunft sicher durch Steuererhöhungen und alle möglichen anderen Belastungen der Sparer und Steuerzahler und natürlich über hohe Inflationsraten eingetrieben werden wird. Inflationsraten übrigens, die natürlich jetzt wohlfeil dem Ukrainekrieg angelastet werden, in Wirklichkeit aber aufgrund der Politik der EZB in den letzten Jahren auch ohne den Krieg über kurz oder lang unvermeidlich gewesen wären.

    In diesem Büchlein zeige ich auf, dass dies alles nicht „alternativlos und die Meinung, es fehle an Geld, ziemlich weitgehend falsch ist, weil Deutschland Hunderte von Milliarden gespart hat, ohne sich dessen bewusst zu sein, und – anders als vielerorts angenommen – dieses Geld auch nutzen und zum Wohle unseres Landes, Europas und unserer Nachbarn investiv einsetzen kann. Bereits vor einigen Jahren wies der damalige Direktor des ifo Institutes, Professor Hans-Werner Sinn, darauf hin, dass die deutsche Volkswirtschaft einen Großteil ihrer Exporte in die EU „auf Kredit geliefert hat, weil sie dafür nicht mit Euros bezahlt wurde, über die sie frei verfügen kann, sondern mit Forderungen der Bundesbank gegen die EZB, über die Deutschland eben nicht frei verfügen kann. Und die kann es angeblich weder für Investitionen im Sinne Deutschlands oder Europas einsetzen noch gar zur Steigerung des Konsums der deutschen Bevölkerung nutzen. Versuche, dies zu ändern, wie etwa die Forderung, TARGET-Salden in Bonds der EZB zu tauschen, um diese handelbar und somit für Deutschland nutzbar zu machen, wurden als quasi unanständiges Ansinnen abgetan.

    In diesem Büchlein wird dargelegt, dass dies ungerechtfertigt ist, weil diese TARGET-Salden die redlich verdiente Gegenleistung für deutsche Exportüberschüsse innerhalb Europas sind, über die Deutschland deshalb das Recht haben muss, frei verfügen zu können. Und dass dies auch – anders als weithin angenommen – recht einfach möglich ist, ohne hierzu um die Zustimmung unserer Schuldner betteln zu müssen. Durch sehr einfache Maßnahmen kann Deutschland mehr als 1000 Milliarden Investitionsmittel mobilisieren und zum Nutzen künftiger Generationen anlegen oder investiv zur Behebung der unzähligen Investitionsstaus in unserem Lande, zur Bekämpfung der Folgen der Coronakrise und des Ukrainekrieges, zur Steigerung der Produktivität und Reduktion der Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa und zur effektiven Bekämpfung der Ursachen der Migrationswelle von Europas südlichen und östlichen Nachbarn einsetzen, ohne dass hierdurch der Staatshaushalt oder unsere Sparer und Steuerzahler belastet werden.

    Um dies verständlich zu machen, werde ich im Folgenden zunächst darlegen, dass der Euro zwar in der Tat gut für Deutschland war, weil wir seit seiner Einführung unsere Exportüberschüsse innerhalb Europas noch erhöht und unsere Unternehmen dadurch Umsatz, Gewinn und Beschäftigung gesteigert haben. Dass aber leider aufgrund eines Konstruktionsfehlers des Euro – obwohl alle südeuropäischen Käufer ihre Rechnungen bei ihren deutschen Lieferanten vollständig bezahlt haben – Deutschland als Volkswirtschaft eben dennoch „auf Kredit" geliefert hat und – anders als die Unternehmen, die die Waren verkauft haben – dafür eben nicht bezahlt wurde. Das mag zunächst verwirrend klingen, aber leider ist es tatsächlich so, dass die Individualperspektive der Unternehmen, die vollständig bezahlt wurden, und die kollektive Perspektive der Volkswirtschaft, die eben leider nicht bezahlt wurde, aufgrund von technischen Abläufen des Eurozahlungsverkehrs auseinanderlaufen, was eben genau der Grund dafür ist, dass hinsichtlich TARGET & Co. so viel Unverständnis und Verwirrung besteht. Im ersten Kapitel des Buches bemühe ich mich, hier allgemeinverständlich Licht ins Dunkel zu bringen.

    Anschließend wird erläutert, warum dieser Konstruktionsfehler und die darauf beruhenden Missverständnisse den langfristigen Bestand des Euro, die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten der Eurozone und damit letztendlich auch die Europäische Union gefährden. Nach all diesen „bad news" wird im Anschluss beschrieben, wie man jedoch zum Glück aus der Not eine Tugend machen kann, weil es eben in der TARGET-Falle – anders als weithin angenommen – eine Hintertür gibt. Diese Hintertür lässt sich noch dazu glücklicherweise recht leicht öffnen, sodass die ungeheuren, auf diesen TARGET-Konten zwangsgesparten und eingefrorenen Mittel doch recht einfach aus dieser Falle befreit und für das deutsche, europäische und internationale Gemeinwohl genutzt werden können.

    Aus bedauerlichem aktuellen Anlass habe ich anschließend einige Kapitel eingefügt, in denen erläutert wird, was die zuvor aufgezeigten Zusammenhänge für die europäischen Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Coronakrise bedeuten und wie sich die beschlossenen Hilfsmaßnamen in Europa (leider) auswirken werden.

    Für diejenigen Leser, die gern die Buchungs- und Zahlungsflüsse der hier angesprochenen Themen genauer nachvollziehen möchten, befindet sich im Anhang ein Link zu einer detaillierten, aber leicht nachvollziehbaren Darstellung in T-Konten.¹

    In den verbleibenden Kapiteln des Buches schließlich wird versucht, mit einigen anderen Missverständnissen und Populismen aufzuräumen, die derzeit meines Erachtens zu drastischen politischen Fehlentscheidungen geführt haben und weiterhin führen werden. Ich versuche, allgemeinverständlich zu erklären, was die wahren Ursachen der jüngsten Finanzmarktkrisen sind, was in den Finanzmärkten im Argen liegt und wie man diese Probleme adressieren kann. Und was die Konsequenzen daraus sein werden, dass statt sinnvoller Korrekturen hier nur wirkungslose oder gar kontraproduktive, dafür aber populistisch gut verkaufbare Maßnahmen getroffen wurden und werden.

    Ich bemühe mich weiterhin darzulegen, warum unsere „Willkommenskultur im Hinblick auf die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 keineswegs so human war, wie wir sie gemeint und empfunden haben. Dass wir uns im Gegenteil gegenüber vielen Menschen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas weiter in wirtschaftlicher Not und großer Unsicherheit leben, keineswegs ausreichend engagieren, obwohl wir dies leicht und ohne wirtschaftliche Einbußen unsererseits tun könnten. Dass dies aber nicht geschehen kann, indem man einige wenige Glückliche aus Krisengebieten zu uns fliehen lässt, sondern nur dadurch, dass wir vor Ort helfen und die Produktivität in den Krisengebieten steigern, indem wir dort investieren und notfalls auch Produktivität dorthin abgeben. Dass also bei wegen „Facharbeitermangel verwaisten Maschinen nicht ein „Mann zur Maschine geholt werden sollte, sondern viel besser die „Maschine zum Mann abgegeben werden sollte.

    Ebenso versuche ich zu erklären, warum das viel beklagte „Auseinandertreiben von Arm und Reich bei uns zwar real ist, aber eben nicht an den Machenschaften gieriger „Bankster, „Miethaie oder Ähnlichem liegt, sondern auf Regulierungsversagen zurückzuführen ist und nicht durch Rückfall in alte Umverteilungsmechanismen, sondern nur durch Investitionen gelöst werden kann. Es wird dargelegt, warum wir trotz unserer demografischen Entwicklung und des viel beklagten „Facharbeitermangels eigentlich diesbezüglich gar kein Problem haben, wenn wir nur unser Blatt richtig ausspielen. Und vor dem Hintergrund der immer übleren Populismen, mit denen derzeit die Wohnraum- und Klimadebatte geführt werden, und der nie endenden Diskussionen über „gerechte" Renten sollen auch drei Kapitel zu diesen Themen nicht fehlen. Im Kapitel zum Wohnraum wird dargelegt, dass unser Wohnraumproblem erstens eigentlich gar keines ist und zweitens viel effizienter und schneller durch eine Wohnraumverbrauchsabgabe gelöst werden kann als durch Mietpreisbremse oder -deckel oder gar Enteignungen oder staatliche Belegungsagenturen. In dem Kapitel zum Umweltschutz, das mir besonders am Herzen liegt, wird erklärt und vorgerechnet, warum nur ein wirklich konsequenter Zertifikatehandel das effiziente und schnelle Erreichen von konkreten Zielen im Umweltschutz ermöglicht, und im Kapitel zu Renten und Facharbeitermangel schließlich wird erklärt, warum z. B. eine Einkommensteuerbefreiung aller Arbeitseinkommen über 65 – bei fortbestehender Sozialversicherungspflicht! – nicht nur sehr viel schneller unser Facharbeiterproblem massiv reduzieren würde als alle anderen hierzu bisher vorgeschlagenen Maßnahmen, sondern darüber hinaus auch noch unsere Renten sehr viel sicherer machen würde.

    Ich bin und bleibe Optimist. Aber ich verschließe die Augen nicht vor der Wirklichkeit, wie sie nun einmal ist. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben meinen Glauben daran erschüttert, dass die politisch Verantwortlichen die noch immer vorhandenen Möglichkeiten nutzen, um zum Besseren umzusteuern. Darum entwerfe ich im Schlusskapitel ein Worst-Case-Szenario und lege dar, wie sich die Bürgerinnen und Bürger schützen können, um materiell nicht allzu sehr zu leiden, wenn die europäische Politik den Karren doch vor die Wand fahren wird.

    Als Letztes gilt es noch anzumerken, dass dieses Büchlein nicht den Anspruch hat, eine wissenschaftliche Abhandlung zu sein, sondern lediglich einige wesentliche Probleme und Zusammenhänge allgemeinverständlich – also auch für den ökonomisch nicht vorgebildeten Laien begreifbar – darzulegen. Hierzu werden viele Sachverhalte vereinfacht dargestellt und mit allgemein verständlichen Beispielen anstatt durch komplizierte Formeln aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erläutert. Das bietet gewiss hier und da auch Anlass zur Kritik. An der grundsätzlichen Richtigkeit der Darstellung der Zusammenhänge ändert das aber nichts. Ebenso gibt es zu den vielen in diesem Büchlein adressierten Themen sicher eine Unmenge wissenschaftlicher und anderer Literatur. Ich habe diese – abgesehen von dem Buch „Die TARGET-Falle" von Hans-Werner Sinn und den vielfältigen Einlassungen meines ehemaligen Kollegen Daniel Stelter weitestgehend nicht gelesen – man möge mir dies verzeihen. Ebenso möge man mir verzeihen, dass es sich bei meinen Fußnoten nicht um Quellenangaben im wissenschaftlichen Sinne handelt, sondern im Wesentlichen um Anmerkungen, die einzelne Punkte erläutern sollen, die im Text zu weit führen würden, aber dennoch relevant sind. Weiterhin möge man mir verzeihen, dass ich mich an manchen Stellen wiederhole. Dies liegt daran, dass ich glaube, dass viele Leser nur ausgewählte Themen interessieren, daher müssen gewisse Grundlagen in einzelnen Kapitel wiederholt werden, um sie auch einzeln verständlich zu halten. Gleiches gilt für die Zusammenfassungen, da ich vermute, dass viele Leser nur diese lesen werden. Und schließlich möge man mir verzeihen, dass manche Beispiele nicht mehr so aktuell sind. Das liegt daran, dass dieses Buch aus Artikeln, Aufsätzen und Diskussionsbeiträgen entstanden ist, die ich zu diesen Themen großteils schon vor mehreren Jahren verfasst und auf die ich hier zurückgegriffen habe, um all dies anlässlich des 100. Geburtstages meiner Mutter einmal zusammenzufassen. An dem Fortbestand der Gültigkeit aller hier verwandten Beispiele ändert dies aber (leider) nichts.

    Statt auf umfangreiches Literaturstudium stützen sich meine Analysen und Hypothesen auf die Erfahrungen und Einsichten, die ich in meiner nunmehr fast 30-jährigen Tätigkeit als Finanzinvestor und in meiner langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender von Global Bridges – einer deutschen Nichtregierungsorganisation zur Förderung der Völkerverständigung, der ich übrigens auch alle Einnahmen aus dem Verkauf dieses Buches spende – gewonnen habe. Diese Erfahrungen haben mich nicht nur die Finanzkrisen von 1997 und 2007 vorhersehen lassen, sondern auch die schon damals als unausweichlich erkennbaren Probleme mehrerer Banken wie z. B. der UBS und der Deutschen Bank. Ich habe seinerzeit meine Bedenken vorgebracht, lang bevor diese Probleme jeweils eintraten oder anderen Ortes vorhergesagt wurden. Damals hat mir das ebenso viel Kopfschütteln eingebracht, wie meine Thesen dies heute teilweise tun. Es würde mich sehr freuen, wenn diesmal Kritiker, die mich für überängstlich, eine Kassandra oder gar für spinnert halten, recht behielten und es in Wahrheit – Friede, Freude, Eierkuchen – keinen Anlass zur Sorge gäbe. Leider bin ich mir aber auch heute meiner Sache wieder genauso sicher wie damals! Darum kann ich angesichts der Gefahren für unser aller Ersparnisse und den sozialen Frieden und Zusammenhalt in Europa den politisch Verantwortlichen und meinen Mitbürgern nur – frei nach „Gorbi" – zurufen: Wer jetzt nicht handelt, den bestraft das Leben!

    1. Kapitel: TARGET – das größte Sparbuch der Welt

    Das große Missverständnis: Die Euroeinführung war „gut für Deutschland", weil wir so viel mehr nach Europa exportiert haben – nur leider wurden wir als Volkswirtschaft bisher großteils dafür nicht bezahlt!

    Deutschland wird gemeinhin als der „Hauptprofiteur des Euro" dargestellt, da es nach Einführung des Euro seine Exportüberschüsse innerhalb der Eurozone nochmals massiv steigern konnte. Unsere Unternehmen haben ihren Umsatz und ihre Erträge gesteigert, und alle – wie es neudeutsch heißt – Stakeholder haben davon profitiert. Es wurden Arbeitsplätze geschaffen, Dividenden und Ausschüttungen erhöht und auch einiges investiert, kurzum, Deutschland ging es prächtig.

    Eines aber ist merkwürdig: Wenn ein Land mehr exportiert, als es importiert, dann häuft es i. d. R. Forderungen gegen die Länder an, in die exportiert wurde. Wenn z. B. China mehr I-Pads nach Nordamerika liefert, als es Burger aus den USA kauft, dann häuft sich in China ein großer Berg „Zettel"² an, und im Falle von Exportüberschüssen in die USA sind diese Zettel grün und man nennt sie Dollar.

    Und die ganze Welt weiß in etwa, wie hoch dieser Haufen Zettel gerade ist und wer was damit macht, denn die Devisenreserven Chinas werden von der SAFE – der State Administration of Foreign Exchange der Chinesischen Nationalbank – verwaltet, die diese Zahlen auch gelegentlich veröffentlicht.

    Da Deutschland ja so sehr vom Euro profitiert hat, weil es seine Exportüberschüsse innerhalb der EU seit Einführung des Euro so stark steigern konnte – wir waren zwar leider nur selten Europameister im Fußball, aber immer im Exportieren innerhalb der Eurozone –, müsste sich in Deutschland ja eigentlich auch ein solcher Berg von Zetteln angehäuft haben, es fragt sich nur wo. Ich habe in den vergangenen Jahren oft Politiker und auch viele Manager gefragt, wo denn dieser Zettelberg, den wir aufgrund unserer Exportüberschüsse doch ebenso haben müssten wie alle anderen Länder, die hohe Exportüberschüsse erzielen, denn nun sei. Und wie hoch er denn sei? Und welche Farbe denn die vielen Zettel haben bzw. wie sie heißen? Und wer über sie verfügen kann? Und wer eigentlich entscheidet, ob etwas und, falls ja, was mit ihnen unternommen wird?

    Meistens habe ich als Antwort nur verwunderte Blicke bekommen, weil es doch klar sei, wo das Geld sei, auf den Konten der Exporteure natürlich, die doch für ihre Exporte bezahlt worden seien. Das Dilemma ist, dass diese Antwort natürlich richtig ist – aus der individuellen Perspektive der jeweiligen Exporteure. Nur klaffen hier eben Individual- und Kollektivperspektive auseinander, denn als Volkswirtschaft sind wir leider für unsere Exporte großteils nicht bezahlt worden, sondern haben – obwohl die Verkäufe tatsächlich sofort und vollständig bezahlt wurden – auf Kredit geliefert.

    Das erscheint auf den ersten Blick widersinnig. Genau deshalb wurde und wird das Risiko (und die Chancen!) dieser gigantischen Kreditvergabe weithin nicht erkannt. Das Risiko hat vor einigen Jahren zum ersten Male Hans-Werner Sinn beschrieben, damals Direktor des ifo Institutes. Er hat dieses Risiko und sein Buch darüber „Die TARGET-Falle"³ genannt. Seine Studie hat die grundlegenden Zusammenhänge sehr präzis erklärt; aber seine Erkenntnisse hatten leider keine politischen Konsequenzen, und sie sind erst recht nicht Teil der wirtschaftlichen Allgemeinbildung geworden. Darum versuche ich im Folgenden, allgemeinverständlich noch mehr Licht in das Dunkel zu bringen, das in Sachen TARGET-Salden leider noch immer vorherrscht.

    Betrachten wir zunächst den Handel zwischen zwei benachbarten Staaten, die regen Warenaustausch treiben, wo also Bürger eines jeden der beiden Staaten sich täglich gegenseitig Waren verkaufen. Wie würden Sie den Zahlungsverkehr zwischen diesen beiden Staaten gestalten? Für jeden einzelnen Handel jeweils einen Umschlag oder auch Kisten oder Koffer voller Geld in das andere Land schicken? Das würde eine riesige Menge von Transporten hin und her bedeuten, die zudem zum Großteil sinnlos wären, weil die Zahlungen sich ja weitgehend gegenseitig ausgleichen. Das Land A schickt z. B. 1 Million „Geld" an das Land B für Käufe, die es dort getätigt hat, und umgekehrt schickt das Land B 1 Million an das Land A für Einkäufe, die Land B dort getätigt hat. Vielleicht begegnen sich dann sogar die Geldtransporter mit je 1 Million hin und 1 Million her an der Grenze und die Fahrer können sich bei ihrer eigentlich überflüssigen Tätigkeit fröhlich zuwinken.

    Dass Derartiges keinen Sinn ergibt, wurde schon zu Zeiten der Cowboys und Indianer bemerkt, deshalb hat man früher in den USA nicht das Geld für jeden Kauf über Bundesstaatsgrenzen hin- und herkutschiert, sondern nur ab und zu den Saldo, der sich nach Aufrechnung der gegenseitigen Forderungen und Zahlungsverpflichtungen ergab, ausgeglichen. Man muss sich das vorstellen wie beim Skatspielen. Da werden ja i. d. R. auch nicht nach jedem Spiel die Pfennige hin- und hergeschoben, sondern stattdessen die Punkte aufgeschrieben und erst am Ende des Spiels „abgerechnet und dann der Saldo von den Verlierern an die Gewinner bezahlt. Und genauso wurde es seinerzeit in den USA gemacht. Die Banken haben sozusagen „aufgeschrieben, was zwischen den Bundesstaaten hin- und hergekauft wurde, und ab und zu wurde abgerechnet und dann eine Kutsche voller Gold von den Staaten (bzw. Banken), die woanders mehr eingekauft hatten, als sie dorthin verkauft hatten – die also sozusagen ein Außenhandelsdefizit hatten –, an diejenigen geschickt, die Exportüberschüsse hatten.

    Aufgrund der Probleme mit diesen Goldtransporten per Postkutsche, die zumindest in meiner Jugend noch Stoff für viele spannende Geschichten aus dem Wilden Westen waren, wurde das System nach Schaffung des amerikanischen Zentralbanksystems (Federal Reserve System, kurz Fed) mit seinen zwölf regionalen Feds geändert und kein Geld oder Gold mehr hin- und herkutschiert, sondern stattdessen Zahlungsverpflichtungen und Ansprüche auf sogenannten Interstate Settlement Accounts (ISA) der regionalen Feds festgehalten. Die sich auf diesen ISA-Konten ergebenden Salden wurden dann einmal jährlich durch Gold ausgeglichen, später auch durch Anleihen, die diejenigen mit negativen ISA-Salden an diejenigen mit Haben-Salden auf ihren ISA-Konten zahlen mussten. Inzwischen wurde auch dies nochmals vereinfacht, indem diese Konten periodisch anstatt durch Zahlungen durch die Verschiebung von Anteilen an einem settlement portfolio, einer Art gemeinsamem Schatz, der mit 6 Prozent verzinst wird, ausgeglichen werden. Wer bei einer Abrechnung zahlen muss, dessen Anteil an dem gemeinsamen Schatz sinkt, wer Geld erhalten soll, dessen Anteil an dem gemeinsamen Schatz steigt. Das war’s dann leider mit den Postkutschen und den spannenden Geschichten dazu, aber das Ganze wurde natürlich sehr viel praktikabler und die Welt zukunftsfähiger, denn jedem dürfte klar sein, dass die industrialisierte und globalisierte Welt, in der wir heute leben, nicht funktionieren würde, wenn ständig Geld oder Gold um die ganze Welt hin- und hertransportiert werden müsste.

    Stattdessen wird eben seit Langem global angeschrieben und verrechnet. Was i. d. R. auch sehr gut funktioniert, sodass immer klar ist, wer wem was schuldet. Zwischen zwei Staaten mit unterschiedlichen Währungen kann man dies leicht an den sogenannten Devisenreserven erkennen, über die Länder mit Exportüberschüssen verfügen: Wenn z. B. ein chinesisches Unternehmen Waren in die USA verkauft, erhält es dafür Dollars. Damit kann es seine Löhne und andere Ausgaben in den USA bezahlen oder dort investieren oder das Geld auch an Amerikaner verleihen und, was übrig bleibt, nach Hause überweisen. In China kann es mit Dollars aber weder seine Mitarbeiter bezahlen, noch Rohmaterialien einkaufen oder Gewinne ausschütten. Um dies zu tun, muss es die verdienten Dollars bei der Peoples Bank of China in Yuan tauschen, bei der sich dann eben Dollars aus Exportüberschüssen anhäufen. Diese Devisenreserven werden von der SAFE – der State Administration of Foreign Exchange der Peoples Bank of China – verwaltet und teilweise in Anleihen der Länder investiert, aus denen diese Devisen stammen – Bunds, T’s⁴ usw., wodurch die Chinesische Nationalbank u. a. der größte Gläubiger der USA geworden ist. Zum Teil werden diese Devisenreserven aber auch im Interesse Chinas über diverse Staatsfonds im In- und Ausland investiert und damit U-Bahnen oder Autobahnen gebaut, Rohstoffquellen erworben, die Neue Seidenstraße finanziert usw. Die chinesische Zentralbank weiß also jederzeit sehr genau, wie hoch der Zettelberg ist, den die chinesische Volkswirtschaft durch ihre Exportüberschüsse angehäuft hat, wer über diese Zettel verfügt und was er damit macht. Und sie verdient ordentlich Geld daran, und China und auch seine Nachbarn und andere Staaten profitieren von diesen im In- und Ausland getätigten Investitionen, die nicht nur heutigen, sondern auch künftigen Generationen zugutekommen. China sichert so seine Zukunftsfähigkeit und zukünftigen Generationen eine bessere Ausgangsbasis.

    Deutschland ist wie gesagt auch Exportmeister. Es hat diesbezüglich mehr Weltmeistertitel eingefahren als unsere Fußballnationalmannschaft und sogar noch viel mehr Europameistertitel als die Bayern deutsche Meisterschaften. Also müsste Deutschland doch eigentlich auch über einen ähnlich riesigen Zettelberg verfügen wie China. Das tut es aber nicht, und deshalb stellt sich die Frage, woran das liegt.

    Zum einen liegt das daran, dass deutsche Unternehmen relativ viel im Ausland investieren, was dann ja, wie bereits erläutert, den Betrag reduziert, der nach Hause überwiesen werden kann. Zudem verleihen deutsche Banken relativ viele Devisen an Ausländer, was ebenfalls die Beträge reduziert, die zurücküberwiesen werden. Im Fachjargon wird hier davon gesprochen, dass die Kapitalbilanz (das, was im Ausland investiert oder an das Ausland verliehen wird) ganz oder teilweise einen Leistungsbilanzüberschuss (das, was mit Exportüberschüssen verdient wurde) ausgleicht.

    Dennoch bleibt einiges über, was man bei Fremdwährungen – analog zu China – an den Devisenreserven der Deutschen Bundesbank erkennen kann. Hier handelt es sich aber um Dollars & Co., also um Währungen und Zahlungen von außerhalb des Euroraumes. Wo also ist der Zettelberg, den wir doch für unsere riesigen Exportüberschüsse ins Euroland – seit Einführung des Euro in Summe bald 2000 Milliarden Euro! – haben müssten?

    Um den zu finden, muss man sich leider die Mühe machen zu verstehen, wie genau das System funktioniert, das wir heute innerhalb des Euroraumes statt der ursprünglich in den USA genutzten Postkutschen anwenden, um auszurechnen, wer wem was schuldet, und um etwaige Ungleichgewichte auszugleichen. Denn wir benutzen ja auch keine Postkutschen, und auch die Geldtransporter, die man ab und zu auf unseren Straßen sieht, fahren nicht hin und her, um Zahlungen zwischen Staaten der Eurozone abzuwickeln. Wenn sie das tun würden, hätten unsere Autobahnen und Grenzübergänge längst den Verkehrsinfarkt erlitten! Zum Glück aber tun sie das nicht, sondern sie sichern vor allem unsere inländische Bargeldversorgung an Geldautomaten und Bankschaltern. Die Zahlungsströme zwischen den Staaten der Eurozone hingegen werden bargeldlos abgewickelt. Es wird nichts hin- und hertransportiert, sondern – wie beim Skat oder wie zwischen den Bundesstaaten der USA – nur angeschrieben. Und zwar bei der EZB, die hier sozusagen die Rolle desjenigen innehat, der beim Skatspielen zum Anschreiben auserkoren wurde.

    Ein konkretes Beispiel: Nehmen wir an, ein Grieche, nennen wir ihn Alexis, entscheidet sich, mit dem Geld, das er redlich mit dem Betrieb eines Ausflugdampfers verdient hat, einen Mercedes zu kaufen.⁵ Dazu überweist er von seinem Konto bei seiner Bank in Griechenland 50.000 Euro auf das Konto der Daimler AG in Stuttgart. Seine Bank führt diesen Auftrag aus. Am Ende hat Alexis das Auto und Daimler den Kaufpreis erhalten.

    Die hier involvierten Banken nehmen für diese Überweisung aber keinen Koffer voller Euros und transportieren diesen zu Daimlers Bank nach Stuttgart, sondern erledigen dies bargeldlos per Anschreiben – wir leben ja schließlich nicht mehr in der Zeit der Postkutschen!

    Wie läuft dies ab? Wie gesagt führt – ähnlich wie beim Skat – hier nicht jeder Spieler einen Zettel darüber, was er jedem anderen Spieler schuldet oder von diesem bekommt, sondern man hat sich sozusagen auf einen zentralen Aufschreiber geeinigt, eben die EZB. Konkret läuft dies wie folgt ab:

    Alexis’ griechische Bank sagt der Griechischen Nationalbank: „Schreib mal bitte 50.000 Euro für mich an und schicke die weiter zu Daimler in Stuttgart." Das macht die Griechische Nationalbank und danach schuldet also Alexis’ Bank der Griechischen Nationalbank 50.000 Euro, weil sie bei dieser angeschrieben hat.

    Die Griechische Nationalbank wiederum nimmt auch keinen Koffer und trägt das Geld zu Daimler, sondern lässt ebenfalls anschreiben. Sie sagt zur EZB: „Schreib mal 50.000 Euro für uns an, und schick diese 50.000 zu Daimler in Stuttgart." Die EZB macht das und danach schuldet also die Griechische Nationalbank der EZB 50.000 Euro. Diese Schuld wird als TARGET-Soll-Saldo der Griechischen Nationalbank gegenüber der EZB bezeichnet.

    Und so geht es munter weiter:

    Die EZB nimmt ebenfalls keinen Koffer und trägt ihn zu Daimler, sondern bittet ihrerseits die Deutsche Bundesbank: „Bitte schreib mal eben 50.000 Euro für mich an, und schick das Geld zu Daimler bei der Deutschen Bundesbank in Stuttgart." Nach dieser Transaktion schuldet also die EZB der Bundesbank 50.000 Euro, weil die EZB diese bei der Bundesbank angeschrieben hat. Dies ist der berühmt-berüchtigte TARGET-Haben-Saldo der Bundesbank gegenüber der EZB.

    Die Bundesbank wiederum nimmt – Sie ahnen es schon – auch keinen Koffer und trägt ihn zu Daimler, sondern sagt zu Daimlers Bank in Stuttgart: „Bitte schreibt mal 50.000 Euro gegen uns an, und schreibt diesen Betrag dem Konto gut, das Daimler bei euch hat." Nach diesem letzten Schritt der Überweisungskette hat also Daimlers Bank eine Forderung gegen die Bundesbank⁷, Daimler „die Kohle am Konto"⁸ und Alexis bekommt seinen Mercedes. Sobald er den erhalten hat, ist das Geschäft abgeschlossen. Alexis hat sein Auto und Daimler den Kaufpreis dafür erhalten, weil Alexis diesen mit redlich verdientem Geld sofort wie vereinbart an Daimler überwiesen hat. Aus der Individualperspektive wurde hier NICHT auf Kredit geliefert! Und zwar weder aus Sicht von Daimler noch aus Sicht von Alexis!

    Und genau das ist das Problem, denn aus Sicht der deutschen Volkswirtschaft sieht die Sache leider ganz anders aus:

    Diese hat nämlich – weil die Griechische Nationalbank und die EZB jeweils nicht per Gold- oder Geldtransport, sondern per Anschreiben bezahlt haben – für diesen deutschen Export zunächst lediglich eine angeschriebene Forderung erhalten, und zwar genau das, was die EZB bei der Bundesbank hat anschreiben lassen: Ihren TARGET-Haben-Saldo.

    Für eher buchhalterisch orientierte Leser sind die hier erläuterten Abläufe in T-Konten dargestellt, die sich über einen Link am Buchende abrufen lassen.

    Hieraus sollte klar werden, dass hier leider die Individualperspektive – Daimler wurde aus seiner Sicht vollständig bezahlt und Alexis hat redlich seinen Kaufpreis beglichen – und die Kollektivperspektive – die deutsche Volkswirtschaft hat bis zu diesem Zeitpunkt von der griechischen

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