Im Sonnenthau
Von Karl May
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Über dieses E-Book
Karl May
Karl May wurde am 25. Februar 1842 als fünftes von vierzehn Kindern einer bitterarmen Weberfamilie in Hohenstein-Ernstthal in Sachsen geboren. Ein durch Not und Elend bedingter Vitaminmangel verursachte eine funktionelle Blindheit, die erst in seinem fünften Lebensjahr geheilt wurde. Nach der Schulzeit studierte May als Proseminarist an den Lehrerseminaren Waldenburg und Plauen. Seine Karriere als Lehrer endete bereits nach vierzehn Tagen, als die Anzeige durch einen Zimmergenossen wegen angeblichen Diebstahls einer Taschenuhr zu einer Verurteilung führte und May aus der Liste der Lehramtskandidaten gestrichen wurde. In der Folge geriet er auf die schiefe Bahn und verbüßte wegen Diebstahls, Betrug und Hochstapelei mehrere Haftstrafen. Von 1870 bis 1874 saß er im Zuchthaus Waldheim. Nach seiner Entlassung wurde er im Alter von 32 Jahren Redakteur einer Zeitschrift und begann Heimaterzählungen und Abenteuergeschichten zu schreiben. Sein stetes literarisches Schaffen war ungewöhnlich erfolgreich und machte ihn bald zum bedeutendsten Autor von Kolportageromanen und Trivialliteratur des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Seine Abenteuerromane, die an exotischen Schauplätzen im Wilden Westen und im Orient spielen, wurden in 33 Sprachen übersetzt. Durch seine archetypischen Wildwest-Helden Winnetou und Old Shatterhand erlangte Karl May literarische Unsterblichkeit und wurde zum meistgelesenen Autor deutscher Sprache. Mays letztes Lebensjahrzehnt war von einer beispiellosen Hetze wegen seiner früheren Straftaten und vermeintlicher Unsittlichkeiten in seinen Kolportageromanen überschattet. Zermürbende Verleumdungs- und Urheberrechtsprozesse, in die er sich verstrickte, vermochten seinen tief verwurzelten christlichen Glauben, von dem sein literarisches Werk von Anfang an durchdrungen ist, aber nicht zu erschüttern. Mit den letzten beiden Bänden des Romans Im Reiche des silbernen Löwen und seinem dem Surrealismus nahestehende Symbolroman Ardistan und Dschinnistan schuf er in seinen letzten Jahren ein heute literarisch hochgeachtetes mystisches Spätwerk. Jubelnde Anerkennung erlebte er am 22. März 1912, als er auf Einladung des Akademischen Verbands für Literatur und Musik in Wien einen Vortrag Empor ins Reich der Edelmenschen hielt. Eine Woche später, am 30. März 1912, starb Karl May in seiner Villa Shatterhand in Radebeul bei Dresden an Herzversagen.
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Buchvorschau
Im Sonnenthau - Karl May
Karl May
Im Sonnenthau
Sharp Ink Publishing
2023
Contact: info@sharpinkbooks.com
ISBN 978-80-282-8305-6
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Text
Im Sonnenthau
Es war gegen Abend. Ein Wanderer, das volle Ränzchen auf dem Rücken und den Knotenstock in der Hand, schritt jugendlich elastischen Schrittes die Bergstraße dahin, welche in zahlreichen Windungen das Plateau der Höhe zu erreichen suchte. An einer Stelle, wo ein schmaler Waldpfad in die Chaussee mündete, blieb er nachdenkend stehen.
„Das muß der Steg sein, der grad’ auf die Forstschenk’ führt. Ich werd’ ihn geh’n, denn dann schneid’ ich eine gute Viertelstund’ von der Wanderung ab!"
Er sprang über den Chausseegraben und betrat den Wald, der hier frei von Unterholz war, so daß man dem Steige, welcher in grader Richtung emporstieg, gut zu folgen vermochte. So einsam es hier auf und zwischen den Bergen zu sein pflegte, nach einiger Zeit vernahm er entgegenkommende Schritte. Der biedere, treuherzige Gebirgsbewohner schreitet selbst an den Fremden nicht gern schweigsam vorüber; er muß wenigstens einen theilnehmenden Gruß mit ihm wechseln. Der Kommende war ein alter Mann, welcher den steilen Abhang nur mühsam hinabzusteigen vermochte.
„Grüß Gott, Alter!"
„Grüß Gott! Wohin, junger Mann?"
„Nach Gründorf hinauf."
„Da hast’ noch anderthalb Stund’ zu gehn. Mach’ schnell, eh’ der Abend kommt, damit Dir nix passirt!"
„Nix passirt? Ist denn Gefahr dabei?"
„Kann sein! Bist wol fremd in der Gegend?"
„Ich war mehrere Jahr’ net hier."
„So weißt’ auch nix von dem Grenzmeister?"
„Nein. Was ist mit ihm? Vor zwanzig Jahr’n hat er ’mal sein Wes’n hier gehabt."
„Und jetzt nun wieder. Die Schmuggler und Wildfänger sind ihm unterthan; Niemand weiß, wer er eigentlich ist; aber er macht seine Sach’ so schlimm und verweg’n, daß der König sogar Militair hergeschickt hat, um ihn zu fangen. Beim Wies’nbauer in Gründorf liegt der Offizier."
„Habt Dank für die Warnung! Geht dieser Steg zur Forstschenk’ hinauf?"
„Ja. Wirst dort Gesellschaft find’n. Der Offizier sitzt da, um von dem Umgang auszuruhn, und bei ihm der blinde Thorbauer aus Gründorf. Er ist in der Stadt gewes’n. Kannst vielleicht noch mit Platz find’n auf seinem Rollwägele. Gut’ Nacht!"
„Gut’ Nacht!"
Der Jüngling stieg von Neuem bergauf. Nachdem er mit dem Pfade mehrere Straßenkrümmungen durchschritten hatte, stand er auf der Höhe und sah die Forstschenke vor sich liegen. Er nahte ihr von der Waldseite und trat durch die Hinterthür ein, um sich von der anwesenden Wirthin ein Glas Bier geben zu lassen.
Er nahm in der Nähe des offenstehenden Fensters Platz und bemerkte einen draußen haltenden Korbwagen, an welchem der theilnahmslos vor sich hinblickende Knecht lehnte. An dem vor der Thür in die Erde eingemauerten Tische saßen die Beiden, von denen der Alte gesprochen hatte. Der Lieutenant war einer