Akonos Berg
Von Weibel Peter
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Über dieses E-Book
Die Hoffnung, dass Akono dorthin zurückgekehrt sein könnte, zerschlägt sich. Nur Spuren seiner Anwesenheit sind zu finden, darunter ein vergilbtes altes Heft. Die Worte darin versteht Jonas nicht, er kennt noch nicht einmal die Schriftzeichen. Aber die Zeichnungen erzählen eine Geschichte, Bilder einer Flucht, schließlich eine Gestalt mit weit ausgebreiteten Armen, oben auf einem Berggipfel. Als Sara eintrifft, beginnt die Suche.
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Buchvorschau
Akonos Berg - Weibel Peter
1
Einer muss es tun, einer muss gehen – mit einem Satz, mit einem einzigen Satz beginnt eine Geschichte.
Jonas erinnert sich, diesen Satz schon einmal gehört zu haben, wann war es? Du kannst es sein oder auch nicht, du brauchst es nicht zu sein – du kannst es vorbeiziehen lassen oder packen. Er weiß, dass das, was wirklich verändert, immer schlagartig geschieht. In einem Augenblick, manchmal in wenigen Stunden, schnell.
Dass in diesen Tagen etwas geschieht, hat Jonas nicht erwartet. Eigentlich mag er die Ruhe der Spätherbstzeit. Er liebt es, wenn alles anders wird. Wenn die Tage langsam werden. Das Gebirg wirft sein Schweigen ins Tal herab, die Gäste bleiben aus. Etwas geht zu Ende, lässt Spuren zurück, es wird still im Dorf. Er liebt die Übergänge, das leise Verschwinden der Betriebsamkeit. Die Zwischenräume, in denen die Veränderungen nicht außen, aber im Inneren stattfinden.
Einer muss es tun. Glauser sagt es nicht sofort, erst später, erst beim zweiten oder dritten Glas. Er ist spät am Abend noch gekommen, Jonas hat ihn nicht erwartet, er weiß nicht, was der Besuch des Obmanns zu dieser Stunde zu bedeuten hat. Eigentlich kennt er Glauser nur flüchtig, nicht gut genug, aber er mag ihn. Er schätzt die Besonnenheit des Älteren, wenn die Bergführer des Dorfes zusammensitzen. Wenn eine drohende Gefahr, wenn eine schwierige Bergrettung zu einer Entscheidung zwingt. Glauser war schon eine Instanz im Dorf, als sich Jonas an die ersten Seillängen im Klettergarten gewagt hat. Als seine Freunde gelacht haben, wenn er gesagt hat, auch ich will Bergführer werden.
Der Berg als Leidenschaft, als großer Gesang vom Leben. Der Berg und die Menschen, die Jonas jetzt hinaufführt. Menschen mit ihren Geschichten, die sie mitbringen, die der Berg mit ihnen schreibt. Glücksmomente, Begeisterung. Erschütterungen.
Glauser kommt lange nicht zur Sache. Er will wissen, wie es Jonas geht, wo er im Leben steht. Redet von den Alltagssorgen, von den Ansprüchen, der mangelnden Ausrüstung der Touristen. Es geht schon gegen Mitternacht, als er unvermittelt sagt, einer ist aus der Asylunterkunft ausgerissen, sie befürchten dort das Schlimmste. Man hat ihn noch oben bei der Karhütte gesehen, dann nicht mehr, seit drei Tagen ist er verschwunden. Und dann sagt Glauser mit einer Heftigkeit, die Jonas bei ihm nicht erwartet hat, es gibt Kollegen von dir, die sich da heraushalten. Ich habe nur wenige erreicht, viele sind weg, aber es gibt Kollegen, die sich für einen Asylanten nicht abmühen wollen – sie sagen es nicht offen, sie denken es. Sie denken, Migranten tragen den Tod im Gepäck, flüchtige Migranten müssen wissen, dass sie auch am Berg sterben können. Man kann das so sehen, sagt Glauser bitter, aber wer so denkt, hat vieles aufgegeben. Und er verstößt gegen die Charta der Bergrettung, die für alle Menschen gilt. Einer muss gehen - wenn keiner geht, haben wir viel zu verlieren.
Eine Zeit lang schweigen beide, es ist so still, dass man nur das rhythmische Ticken einer Uhr hört. Warum bist du gerade zu mir gekommen? Du hast ein großes Herz, sagt Glauser, viele wissen das, und du bist der beste Alpinist, den wir haben. Wer die Karwand im Alleingang schafft, findet fast überall eine Lösung, auch da, wo andere keine mehr finden.
Diese Bilder, die auf Jonas einstürzen, er kann sie nicht einordnen. Ein verzweifelter Flüchtiger droben im Kargebirge, seit Tagen. Vielleicht