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Die Leute vom Hellemyr, Band 2: Zwei Freunde
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Die Leute vom Hellemyr, Band 2: Zwei Freunde
eBook200 Seiten1 Stunde

Die Leute vom Hellemyr, Band 2: Zwei Freunde

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Über dieses E-Book

»Der Himmel war vom Meer nicht zu unterscheiden, alles war in dichte graue Schwaden gehüllt. Das Schiff taumelte wie ein Spielball zwischen den hohen Seen hin und her.«

Amalie Skram (1846–1905) verfasste mit »Zwei Freunde« die Fortsetzung von »Die Leute vom Hellemyr«. Sivert Jensen, der Enkel von Sjur Gabriel und Oline aus dem ersten Band, wird darin zur Hauptfigur. Er heuert als Schiffsjunge auf der ›Zwei Freunde‹ an und fährt zur See. In mitreißenden Szenen über Unwetter auf dem Meer und das Geschehen auf dem Schiff sowie im Hafen von Kingston auf Jamaika berichtet Amalie Skram von dem jugendlichen Sivert, der bis zur gegenüberliegenden Seite der Weltkugel segelt, ohne den Ballast seiner familiären Herkunft hinter sich lassen zu können.
SpracheDeutsch
HerausgeberGuggolz Verlag
Erscheinungsdatum13. Feb. 2023
ISBN9783945370698
Die Leute vom Hellemyr, Band 2: Zwei Freunde

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    Buchvorschau

    Die Leute vom Hellemyr, Band 2 - Amalie Skram

    I

    Eines Nachmittags im August Anfang der Fünfzigerjahre kam eine bäuerlich gekleidete Frau den Ladegårdsbakke bei Bergen hinaufgestakst.

    Sie war so dünn und klein, dass sie von weitem aussah wie ein Kind. Erst aus der Nähe erkannte man, dass es sich um eine alte Frau handelte. Ihr Oberkörper war von der Hüfte aufwärts schräg nach vorn gebeugt. In ihrem aschfahlen, flachen Gesicht saß die rote Nase wie ein geschwollener Klumpen. Die Unterlippe hing bis zum Kinn hinunter und schien zu schwer zu sein, als dass sie an ihrem natürlichen Platz gehalten werden konnte. Mitten im Unterkiefer ragten zwei lange, schmale Zähne hervor, die schräg auseinander gewachsen waren und eine Lücke bildeten. Sonst waren keine Zähne zu sehen. Die kleinen brauenlosen Augen funkelten mit einem rötlichen Schimmer, der an abgegriffene Kupferschillinge erinnerte.

    Auf dem Hügel angekommen, blieb sie stehen und strich sich mit Daumen und Zeigefinger die Schweißtropfen von der Nase. Die Sonne schien ihr mitten ins Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen und wandte den Kopf zur Seite.

    Vor ihr lag der holprige Sandviksvei mit seinen tiefen, sandigen Radspuren, der in die Stadt führte. Zu ihrer Rechten erstreckte sich das offene Feld mit der langen, teerigen Reeperbahn bis zu den Lagerhäusern unten am Wasser. Über deren rote Dächer hinweg sah man jenseits der weiß glänzenden See die Spitze der Nordneslandzunge mit der Festung, deren Fahne sich hin und wieder hob, wenn der schläfrige Wind sie erfasste. Links zog sich eine Geröllhalde voller Himbeerbüsche und Gräser den Berg hinauf. Dann kam tief unten ein Flussbett mit einem schmalen Streifen Wasser zwischen kleineren und größeren Felsvorsprüngen. Ein Stück weiter, näher zur Stadt hin, waren die graue Steinmauer und die schwarzen und weißen Grabkreuze auf dem Friedhof der Freikirche unter einer dunstigen, weißlichen Nebelschicht zu erkennen.

    Nach einem Moment des Verweilens schlurfte die Frau weiter. Sie war betrunken und bewegte sich in Schlangenlinien von einer Straßenseite zur anderen. Zwischendurch stolperte sie, konnte sich aber immer wieder mit rudernden Armen und schaukelndem Oberkörper fangen.

    Die wenigen Leute, die ihr begegneten, blieben stehen und sahen ihr nach. Hier unten war kaum jemand unterwegs. Erst als sie am Friedhof vorbei war und Hütten und Häuschen in kleinen, von Bleichwiesen und Trockenplätzen aufgelockerten Ansammlungen die Landstraße hinunter bis zum Vorort Stølen säumten, wurde es allmählich etwas belebter um sie herum.

    »Säuferline! Da is ja die olle Säuferline!«, ertönte es plötzlich von links aus einer Gruppe barfüßiger Kinder, die vor einem etwas abseits auf einer Anhöhe gelegenen gelben Arbeiterhaus mit vielen kleinen Fenstern ein Singspiel spielten. »Juhuu, Säuferline!«, und jubelnd stürmten sie der Bauersfrau nach.

    Kaum war der Ruf erklungen, kamen aus allen Richtungen Kinder angerannt. Von einem Moment auf den nächsten war aus dem spielenden Grüppchen eine ganze Horde geworden. Kichernd und johlend hängten sie sich an die Fersen der Alten.

    Säuferline aber wankte weiter, ohne die geringste Regung in ihrer dumpfen, starren Miene. Nur wenn die Kinder ihr an der Jacke zupften oder nach ihrem Kopftuch schlugen, wandte sie sich plötzlich um und fauchte die Störenfriede an wie eine Katze. Dann erschraken die Kinder und wichen ein paar Schritte zurück, doch sobald ihnen die Alte wieder den Rücken zugekehrt hatte, machten sie weiter wie zuvor.

    »Da kommt auch Tippe Tue! Ui, ui, ui, das gibt ja was!«, rief einer der ältesten Jungen mit greller Fistelstimme und deutete auf die Abzweigung nach Skuteviken weiter unten.

    Alle Blicke folgten seinem ausgestreckten Finger, und im nächsten Moment erbebte die Luft vom durchdringenden Freudenschrei der vielen Kinderstimmen.

    Eine Gruppe Landstreicher kam auf sie zu, Männer und Frauen, kleine und große. Allen voran lief ein betrunkener Schauermann, der ausgelassene Sprünge machte und die Arme bewegte, als kämpfte er sich durch eine Menschenmenge. Hin und wieder hielt er an und sprach zu der Schar hinter ihm, die applaudierte, tobte und grölte.

    Wenig später waren sich die beiden Menschenzüge so nah gekommen, dass es kaum mehr eine Minute dauern konnte, bis sie aufeinandertrafen. Säuferline torkelte weiter, sie schien weder etwas zu hören noch zu sehen. Plötzlich bekam sie einen Knuff in den Rücken und taumelte geradewegs dem Schauermann in die Arme, der zunächst kurz stehen geblieben war, seinen Kumpanen etwas gesagt hatte, was einen Sturm des Gelächters auslöste, sich aber genau in dem Moment zum Weitergehen umdrehte.

    Tippe Tue schlang die Arme um Säuferline, beugte sich mit einem breiten erstaunten Grinsen zu ihr hinunter und rief: »Na so was – Olinchen!«

    »Die kössn sich, Tippe Tue un Säuferline kössn sich!«, kam es von den Zuschauern. »Solln wir euch das Aufgebot bestelln? Was fürn stattliches Paar!«

    Tippe Tue löste seine Umarmung und suchte nach Olines Hand. »Na, drehn wir ne Runde, Mütterchen?«, säuselte er. »Du weißt schon, ek un du, Oline. Wo haste denn dein Patschehändchen?«

    Mit einem heiseren Grunzen streckte Oline die Hand aus. Dann gingen die beiden Händchen haltend nebeneinanderher, mit ausgedehnten Schlenkern nach links und nach rechts, mal vor, mal zurück, zwischendurch auch im Kreis.

    Tippe Tues massiger, aufgedunsener Körper wirkte neben der dünnen, kleinen Oline noch wuchtiger. Schräg auf dem großen, verbeulten Kopf trug er die Reste eines Panamahuts. Die Krempe hatte sich fast vollständig vom Kopfteil gelöst, in dem sich riesige, ausgefranste Löcher befanden. Über die zerlumpte Hose, deren langes Gesäßteil tief hinunterhing, hatte er einen graugesprenkelten Wollpullover gezogen. Von der Schulter baumelte ihm ein Schauermannsseil über den schiefen, runden Rücken.

    Sie bogen in die holprige Stølegate mit den niedrigen, spitzgiebeligen Häusern verschiedenster Formen und Größen. Auf der einen Straßenseite drängte sich die Häuserreihe dicht an den Fløyberg und stand zum Teil direkt am Hang. Einige Häuser ruhten vorn auf zehn, zwölf Fuß hohen Granitmauern, mit Treppen, die parallel zur Straße verliefen oder zu ihr hinführten, während andere ebenerdig lagen. Von den Küchen auf der Rückseite gelangte man mit nur einem Schritt in die winzigen Hinterhöfe, vor denen sich der mit Grünalgen überzogene Berg wie eine Wand erhob.

    Als sie ein Stück gegangen waren, blieb Tippe Tue stehen und griff mit zwei Fingern in seine Westentasche.

    »Ek glaub, ek hab hier noch vier Schilling«, sagte er. »Tuste auch was dazu, Oline? Dann machn wir uns n nettn Abend.«

    »Die teiln ihre Siebensachen, die tun sich zesammen! Hurra, Tippe Tue un Säuferline!«, riefen die Kinder um sie herum, und in ihrer Ausgelassenheit knufften sie Oline und zogen an Tippe Tues Seil.

    Oline schlug schwerfällig nach den Nächststehenden und streckte ihre unnatürlich lange Zunge heraus.

    »Scher dich nich um das Pack – pfui!« Tippe Tue spuckte in die Horde Kinder. »Hak dich bei mich unter, Olinchen, dann gehn wir sicherer!«

    Oline tat, was er sagte. Sie trottete in einem Dämmerzustand, den Blick starr geradeaus gerichtet, egal ob es ostwärts oder westwärts mit ihnen ging.

    »Du kommst mir so trübetümpelich vor, Oline«, sagte Tippe Tue in liebevoll mahnendem Ton. »Wir müssn irgendwo einkehrn un uns die Kehle kühln.«

    »Ick hab keen Geld«, antwortete Oline.

    »Wohnt da nich deine Tochter?«, fragte Tippe Tue und blieb mitten im Rinnstein stehen.

    »Doch, da.« Oline deutete quer über die Straße auf ein langgestrecktes, einstöckiges, braungestrichenes Haus mit vier Fenstern, zwei auf jeder Seite der Eingangstür, und vorstehenden Giebelgauben in dem roten Ziegeldach.

    Tippe, Tippe Tue,

    mit die zerrissne Schuhe,

    dein Vater war n feiner Mann!,

    sangen die Kinder um sie herum. Und der Schauermann stimmte grölend mit ein:

    Tippe, Tippe Tue,

    mein Frau die war ne Gute,

    ihr Hemdchen in der Truhe,

    den Liebsten in der Stube!

    »Euch Schweinepack werd eks zeign!« – Mit einem Mal überkam ihn die Wut. Er schwang sein Schauermannsseil und stürmte erhobenen Armes in die Menge, die sich zerstreute und die Flucht ergriff, nur um sich kurz darauf wieder zu sammeln.

    »Na komm, Mütterchen«, sagte Tippe Tue zu Oline, »jetz gehn wir zwei ers mal rauf un machn der Madam Tønnesen unsre Komplimente. – So heißt se doch, deine Tochter?«

    »Denk schon, ihr Mann heeßt Tynnis.«

    Tippe Tue zog Oline mit über die Straße, und dann stapften sie eine steile Treppe hinauf, deren Holzgeländer mit zweireihig angeordneten Durchbrüchen in S-Form verziert war. Immer wieder stolperten sie, und ein paar Mal sah es fast gefährlich aus, doch sie schafften es wohlbehalten nach oben und standen schließlich auf einem schmalen, überdachten Laubengang, der an der Frontseite des Hauses entlangführte und mit einem ellenhohen Geländer wie dem an der Treppe versehen war.

    »Heda!«, rief Tippe Tue der Menschenschar unten auf der Straße zu und legte seine blauen Pranken auf das Geländer. »Jetz is Tippe Tue auffer Kanzel, jetz sollter mal hörn, wie schön er predign kann.«

    »Ja, Tippe Tue auffer Kanzel! Hurra, hurra, hurra!«

    »Liebe Miterlöste«, begann Tippe Tue und entblößte seinen Kopf, auf dem sich das graue Haar zu einem einzigen Knäuel verfilzt hatte. »Wenn ihr nich werdet wie die Kinder un Trunkenbolde, so kommt ihr nich ins Himmlische Reich. Ihr glaubts vielleicht nich, ihr Rindviecher, was? Seht hin auf die Vögel des Himmels – un genauso isses mit mir. Kaum bin ek ausm Tvangen raus, ham se schon wieder neue Arbeit für mich. Was andres traun se sich nich, die ham Angst vor meiner großn Klappe, hi, hi, hi.« Er kniff die Augen zusammen und lachte heiser. »Diese vermalledeite neumodische Instettuschon, dieser Mist mit der Zwangsarbeit, damit wollnse doch nur Gottes Geschöpfe drangseliern. Aber ek lass mich nich unterkriegn. Nich mit mir, sagte der Teufel, als er auffer Kanzel stand«, er schlug mit der Faust aufs Geländer, warf den Oberkörper zurück und stieß ein grölendes Gelächter aus.

    »Herrjemine, was is der übermütich geworn in letzter Zeit«, entfuhr es einem Dienstmädchen mit einem Korb am Arm, die unter den Zuschauern stand. »Seit in der Zeitung stand, Tippe Tue wär der gewitzteste Rumtreiber von Bergen, meint er, er könnt sich wer weiß was erlaubn.«

    »Ja, es is schrecklich, was der da oben mitansehn muss«, lispelte eine alte, zahnlose Frau in einem kurzen geflickten Unterrock, die ein gelbumrandetes Tuch wie einen Turban um den Kopf gewickelt hatte und ein Paar aufgeschlitzte Männerstiefel an den Füßen trug. Mit glanzlosen Augen schaute sie nach oben und schüttelte den Kopf. »So benimmt der sich jetz schon seit dreißich Jahrn, will ek meinen, un trotzdem hat ihn unser Herrgott in seiner Langmütichkeit verschont.«

    Oline hatte sich im Laubengang auf den Boden gesetzt, die Knie bis zum Kinn herangezogen und die Arme um die Beine geschlungen.

    »Wo is denn Säuferline?«, rief nun jemand, der sich auf die Zehen gestellt hatte, um nach ihr Ausschau zu halten. »Säuferline soll die Kirchdienerin sein. Vergess bloß nich das Amen, Säuferline!«

    In diesem Augenblick ging hinter Tippe Tue die Tür auf, und eine burschikose Frau mit Schürze, langen Ohrringen und seidenbandbesetzter Tüllhaube auf dem glänzenden braunen Haar kam zum Vorschein.

    »Darf ek fragn, was hier los is?«, sagte sie mit kräftiger Stimme und hochroten Wangen, die sogleich erblichen, als ihr Blick auf Oline fiel.

    Tippe Tue wandte sich um.

    »Dürft ek fragn, ob ek die Ehre hab, mit Madam Tønnesen ze sprechn?«, sagte er und versuchte, eine ehrerbietige Haltung einzunehmen.

    »Ek geb dir gleich Ehre, du elendes Suffschwein! Seh zu, dass du hier wechkommst, un zwar sofort. – Lauf runter zum Kai un frag, ob Tønnesen nich bald mal nach Hause kommen kann!« Den letzten Satz rief sie durch die halbgeöffnete Tür ins Haus.

    »Dass ne feine Dame wie Ihr mit so nem grobn Mundwerk daherredet! Besinnt Euch doch n bisschn, Madam«, mahnte Tippe Tue.

    »Runter von meine Treppe, du versoffener Zwangsarbeiter, oder ek mach dir Beine!« Madam Tønnesen packte ihn mit ihrer großen, breiten Hand an der Schulter.

    Tippe Tue riss sich los.

    »Wollt Ihr etwa gegen nen Verkünder des Wortes handgreiflich wern?«, schrie er. »Ja, ek bin nämlich jetz Pastor, will ek Euch sagn. Da is meine Gemeinde«, er deutete hinunter auf die Straße. »Ho, ho, Madam! Fragt die ruhich mal, ob ek nich genauso gut predige wie der Probst, den se letzte Woche zu Grabe getragn ham.«

    »Jawoll, jawoll!«, grölten die Zuschauer im Chor.

    »Da hört Ihrs, Madam.«

    Madam Tønnesen wusste nicht wohin mit sich. Ihre Nasenflügel bebten, und ihre Lippen, die sie vergeblich zusammenzupressen versuchte, glitten immer wieder auseinander.

    »Will nich mal irgendwer die Pollezei holn?«, rief sie plötzlich über das Geländer hinweg.

    »O nein, o nein!«, grölte die Menge zu ihr hinauf.

    »Was sagt Ihr da, die Pollezei, Madam?« Tippe Tue stützte die Hände in die Hüften und sah sie kopfschüttelnd an. »Sie wern doch wohl nich im Ernst ihr eigen Fleisch un Blut …«

    »Hier, jetz haltet schon den Mund, Tippe Tue, und geht einfach.«

    Madam Tønnesen hatte, an beiden Armen zitternd, ein Geldstück aus der Tasche geholt, es dem Schauermann in die Hand gedrückt und seine Finger darum geschlossen.

    »Wusst eks doch, dass Ihr vernünftich werdet, man muss Euch nur aufm richtichen Fuß erwischn«, sagte Tippe Tue triumphierend.

    »Aber nun geht doch endlich«, bat Madam Tønnesen. »Son Getöse vorm Haus is wörklich unschön.«

    »Herrje, ja, ek geh ja schon. Wiedersehn, Madam, Wiedersehn.« Er verbeugte sich ein paar Mal, und seine Stimme schmolz geradezu vor Sanftmut. »Besten Dank, un auf bald. – Danke, danke, wir sehn uns.« Er drehte sich um und wankte die Treppe hinunter, ohne nach Oline zu sehen, die unverändert dasaß und von dem, was um sie herum geschehen war, allem Anschein nach nichts mitbekommen hatte. Ihr trüber Blick war auf nichts Bestimmtes gerichtet, und ihr Kiefer bewegte sich auf und ab, als würde sie kauen oder mit sich selbst reden.

    »Du auch, wech mit dir, scher dich zu deim Trabanten«, sagte Madam Tønnesen mit gedämpfter Stimme durch die zusammengepressten Zähne, beugte sich hinunter und packte die Mutter von hinten an den Schultern. Dann drückte sie ihr das Knie in den Rücken und schob sie zur Treppe, während Oline die angezogenen Beine losließ und wild mit den Armen um sich schlug. Sie bewegte den Kopf auf und ab, vor und zurück, um herauszufinden, was ihr gerade widerfuhr. Plötzlich wandte sie sich um und schlug ihre zwei langen Zähne in die Hand an ihrer Schulter.

    Madam Tønnesen riss die Hand ruckartig an sich und schüttelte sie. Dann versetzte sie Oline einen letzten Stoß mit dem Knie, so dass die Alte die Treppe hinunterrutschte. Auf halbem Weg überschlug sie sich und landete schließlich sitzend unten auf der Straße.

    »Ha! Säuferline macht ne Rolle vorwärts! Die steht Kopf!«, schrien die tobenden Zuschauer.

    »Ihr schubst Eure eigne Mutter die Treppe runter?«, rief Tippe Tue. »Schämt Euch

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