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Lüste und Leichen
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eBook182 Seiten2 Stunden

Lüste und Leichen

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Über dieses E-Book

Madsen erzählt eine durchgehende Geschichte, die vier Stilebenen hat, wobei eine Stilebene unmerklich zur anderen wechselt: Vom Kriminalroman zum Liebesroman, vom Pornoroman zum Science-Fiction-Roman. Die Trivialstruktur dieses Bandes ist bis in die Adjektivumkehrungen der Sätze durchgeführt. Auswechslung von Subjekt und Objekt, die Verselbstständigung der Teile und ein jeweils um ein Haar Danebentreffen von Verb und Adjektiv kennzeichnen diesen brillanten Roman, der nach anfänglichen Leseschwierigkeiten zu einem grotesk spannenden Buch wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberMÄRZ Verlag
Erscheinungsdatum28. Feb. 2023
ISBN9783755050209
Lüste und Leichen
Autor

Svend Åge Madsen

Svend Åge Madsen, 1939 in Aarhus geboren, wo er lebt und wo auch die meisten seiner Romane spielen. Neben Romanen, Krimis und Jugendbüchern verfasste er zahlreiche Hörspiele und Theaterstücke. Er gilt als einer der meistgelesenen dänischen Autoren unserer Tage.

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    Buchvorschau

    Lüste und Leichen - Svend Åge Madsen

    Die Sonnen scheinen auf B. R., als er aus der Tür tritt, und veranlassen ihn, nach ihnen hochzublicken, erst nach der einen, die offenbar nicht die Absicht hat, sich zu verbergen, dann nach der anderen, die mit der ersten um die Wette scheint, darauf lässt B. R. seine Blicke von den Sonnen zum Nachbarhaus gleiten, welches sich nicht sonderlich verändert hat, seit er es zuletzt sah, und vom Nachbarhaus die Straße hinauf, sodass der Blick über verschiedene Hindernisse fast den Platz erreicht, während B. R. mit einer nur durch langjähriges Training erreichbaren Selbstverständlichkeit seine Tür abschließt, indem die eine Hand sich zum Schlüsselloch vortastet, die andere den Schlüssel hineinsteckt, ohne dass er dem besondere Aufmerksamkeit schenken muss. Worauf B. R. die Straße überquert, weil ihn die Sonnen dort leichter erreichen können, auf der Höhe von Chabis Haus abbiegt und die schwach abfallende Straße hinaufgeht, parallel, wenn auch in einigem Abstand von der einen Häuserreihe. Sodass Haus an Haus an ihm vorbei nach hinten abgeht, während er sich dem Marktplatz nähert, überzeugt, dass alles wie normal vor sich gehen wird, oder ziemlich normal, mit den geringfügigen Abweichungen, die unausbleiblich von Mal zu Mal eintreffen, ohne dass sie jedoch zu einer Abweichung im eigentlichen Sinne führen, überzeugt, dass alles normal vor sich gehen wird, ohne die geringste Ahnung, was ihm heute bevorsteht. Weshalb B. R., als er den Platz erreicht hat, ihn gelassen wie gewöhnlich überquert, in Richtung dessen grünen Teils, in Richtung des großen Baums, an dem der zerrissene Papierfetzen schlaff herabhängt, ohne dass der Wind stark genug wäre, ihn in Bewegung zu versetzen, in Richtung der leeren Bank, deren eines Ende von den Sonnen beschienen wird, während das andere sich in dem tiefen Schatten befindet, den der große Baumstamm wirft, ohne dass B. R. jedoch die Einladung der Bank annimmt, sondern sich in dem dunkelsten Schatten anbringt, den der große Baum wirft, den Rücken dessen Stamm zugewandt, all dies, während er sein Taschenmesser aus seiner Jackentasche genommen hat, und damit beschäftigt ist, es zu öffnen, die Nägel der einen Hand in der Klingenrille vergraben, und seine Augen über den Platz wandern, wo sie an einem Ende an der Melonenfrau vorübergehen, die unermüdlich an ihrem Stand steht, und an ihrem Kunden, und wieder zurück über das holprige Pflaster des Platzes, bis sie vor seinen Füßen innehalten, und er will sich gerade bücken, das Messer, das jetzt offen ist, in der Hand, als er die schon begonnene Bewegung plötzlich abbremst, vielleicht hat er doch eine Ahnung von etwas Ungewöhnlichem, vielleicht sah er auch, als er vorher den Platz überquerte, ohne genauer darauf zu achten, einen Schimmer von etwas Weißem unter der Bank, das dort nichts zu suchen hat, sodass diese Ahnung oder vielleicht auch jener flüchtige Schimmer ihm jetzt erst richtig zu Bewusstsein gekommen ist, darum wird die schon begonnene Bewegung abgebremst, und er bleibt stehen, auch das in dieser Situation befremdlich unnütze Messer in der Hand, bleibt einen Augenblick stehen, bevor er sich zur Lostbank unter dem zerfetzten Plakat hindreht und einen Schritt nähertritt, und sich darauf herabbückt, und sofort eines Armes ansichtig wird, der unter dieser ungewöhnlichen Stelle hervorschaut. Und überrascht bemerkt, als er die fremde Hand in die Hand nimmt, um den dazugehörigen Menschen aus dessen Versteck zu ziehen, dass die Hand sich kalt und starr anfühlt, und vor Verblüffung über diese unerwartete Wahrnehmung loslässt, sich dann aber noch entschließt, sie zu ergreifen, und mit beiden Händen den Körper von etwas losreißt, was Widerstand leistet, und den schweren, unhandlichen Körper heraushievt in sein Tageslicht, nur dadurch, dass er an der Hand zieht, die sich zuerst darbot. Und während er gleichzeitig feststellt, dass der Körper, der nun verkrümmt daliegt, dass der Körper ein Mann gewesen war, den er kannte, und sich gleichzeitig nach einer Fortsetzung dieses Geschehens umblickt, weil er sich in einem Handlungsvakuum befindet, in dem nichts weiter geschehen will und nur von Weitem der Frau am Stand ansichtig wird, deren Aufmerksamkeit nicht dieser Richtung zugewandt ist, und auf seine Hände schaut, die noch immer, nutzlos, den leblosen Arm umklammern, der mit einem unnatürlichen Laut herunterfällt, als seine Hände loslassen, weil er sich entschließt, die wenigen Schritte bis zum nächsten Haus zu gehen, in dem Finder wohnt, um ihn hinzuziehen, damit sie gemeinsam einen Beschluss fassen können, überzeugt, dass der Körper in ein paar Sekunden, die jene Handlung beanspruchen wird, nicht den Platz verlassen wird und auch nicht irgendwie rascher wiederbelebt werden kann, wenn er überhaupt noch wiederbelebt werden kann, denn ihm fällt im Augenblick keine brauchbare Behandlungsmethode ein, weshalb er mit der einen Hand an Finders Tür hämmert, und mit der anderen ausdauernd auf die Klingel drückt.

    Hanne Schäfer hat eine gute Erziehung genossen, etwas streng, aber immer gerecht. Regelmäßigkeit war dabei eines der Grundprinzipien. Deshalb will sie in diesem Augenblick spazieren gehen, so wie sie es sich zur Gewohnheit gemacht hat. Sie hat sich zurechtgemacht und das Haus ein bisschen in Ordnung gebracht. Es ist nicht nett, etwas zu verlassen, wenn man keine Lust hat, wieder dahin zurückzukehren. Sie schaut sich noch einmal um und überzeugt sich, dass sie ihr Haus mit gutem Gewissen verlassen kann. Das Haus ist nicht groß, aber gut eingerichtet, und daher für Hannes Bedürfnisse ausreichend. Es hat ein gemütliches Wohnzimmer, das einen warmen und anheimelnden Eindruck macht, sobald man es betritt. Die Küche ist ein bisschen eng, aber doch groß genug für die einfachen Mahlzeiten, die sie sich selbst zubereitet. Es muss zugegeben werden, dass das Schlafzimmer auch nicht besonders geräumig ist, aber für die paar Handlungen, die man in diesem Raum ausführt, reicht es dennoch völlig aus. Sie hat darin Platz sowohl für ihr Bett als auch für einen Kleiderschrank, sowie für einen kleinen Toilettentisch in einer Ecke, so praktisch angebracht, dass sie sich genau vor dessen Spiegel befindet, wenn sie am Fußende des Bettes sitzt.

    Es wird offenbar warm. Schon jetzt kann sie bequem mit dem dünnen Mantel auskommen, den sie über dem warmen Kleid trägt, das sie kürzlich selbst genäht hat. Bei jedem Schritt, den sie macht, spürt sie, dass ihre Schenkel aneinanderreiben, nur durch die dünnen Strümpfe voneinander getrennt, weil sie diesmal ausnahmsweise keine wollenen Unterhosen unter dem Kleid anzog. Ihr Weg mündet geradewegs in den großen Platz. Als sie ihn erreicht, sieht sie, dass er fast völlig leer ist. Zu ihrer Rechten errichtet die Melonenfrau ihren Stand für den bevorstehenden Verkauf. Drüben, am anderen Ende, sieht sie, dass Finder vergessen hat, seine Haustür zu schließen.

    Als ihr Weg sie jedoch näher an den großen Baum führt, entdeckt sie, dass ihre Annahme, jener Teil des Platzes sei völlig leer, falsch war, denn auf der Lostbank liegt ein Mann und schläft.

    Sie macht noch ein paar Schritte, bleibt dann aber stehen, aus Furcht, sie könne sich wieder getäuscht haben, als sie annahm, der Mann schlafe, denn seine Lage ist für einen Schläfer recht ungewöhnlich.

    Deshalb wendet sie sich ein wenig nach links und strebt nun direkt auf den Mann vor der Bank zu. Ihr fällt auf, dass dies außerdem eine recht merkwürdige Stelle ist, um sich schlafen zu legen.

    Als sie sich erneut umblickt, wird ihr klar, dass Finder offensichtlich nicht vergessen hat, seine Haustür zu schließen, sondern sie geöffnet hat, um durch sie hinauszugehen, denn gerade in diesem Augenblick kommt er mit großer Geschwindigkeit die Treppe herunter. Und hinter ihm B. R., der es anscheinend ebenfalls sehr eilig hat.

    Sie sieht, dass die beiden Männer auf den Schläfer zustreben, genau wie sie selbst es tut. Ein paar Schritte, bevor sie den Körper erreicht, bleibt sie stehen und sieht, dass dies Tolb ist, der da auf der Erde liegt, und dass er nicht schläft, denn sein Hemd ist von etwas gefärbt, was nur Blut sein kann.

    Finder hat seinen Krug genommen und ist dabei, seine Treppe herunterzukommen.

    Er macht sich Mut, damit ihn der Anblick, dem er entgegengeht, nicht erschrecken wird.

    Das, was er zuerst zur Ansicht auswählt, kann niemanden erschrecken. Kurz vor der Lostbank trippelt und starrt Hanne Schäfer mit den Augen und auf die Beine.

    Hinter Finder kommt B. R. laut und vernehmlich die Treppe herunter, außer Atem.

    Finders Haus ist an diesem Tag praktisch am Platz angebracht, dergestalt, dass sich nur ein paar Schritte zwischen ihm und der Bank befinden.

    Als sie die Bank erreichen, liegt ein Mann davor. Der Mann ist Tolb, der genau am anderen Ende des Platzes wohnte, solange er lebte. Denn er hat sich vor die Bank gelegt, weil er tot ist, weshalb Blut aus ihm herausgelaufen ist und sein Hemd gefärbt hat, grünlich.

    – Er ist tot, sagt Hanne.

    Sie kann spüren, wie der Wind in ihrem kurzen Nackenhaar spielt, aber hoffentlich richtet er kein Unheil an.

    – Er lag unter der Bank, als ich hierherkam, sagt B. R.

    Hanne Schäfer nickt. Finder stellt seinen Krug auf die Bank, beugt sich über Tolb und nickt.

    – Und streckte nur eine Hand heraus, damit ich ihn sehen konnte und daran herausziehen, obwohl sie ganz starr war, und er festhing.

    Finders Hände und Augen untersuchen von Weitem Tolbs Körper, der sich tot und unbeweglich verhält.

    Als seine Hand über die tote Brust streicht, wo sich das meiste Blut angesammelt hat, hält er inne und blickt nach oben und nach unten und nach oben.

    – Hier in der Brust fehlt ein Messer, sagt er.

    B. R. bückt sich herab und nimmt den Körper vor ihm in Augenschein, um selbst festzustellen, dass des Toten Blut, das sich über dessen Hemd ausgebreitet hat, von dem Loch herrührt, auf das Finder deutet, unter dem Hemd des Toten, das Finder anhebt, um deutlich das Loch in des Toten Brust vorweisen zu können, welches er behauptet gefunden zu haben und von dem offensichtlich das Blut herausgeströmt ist und große Teile vom Hemd des Toten gefärbt hat.

    – Das sieht fast so aus, als ob man ein Messer oder etwas Ähnliches in den da gestochen hat, sagt B. R.

    – Hat jemand ein Messer aus ihm herausgezogen?, sagt Hanne.

    Sie blieb aufrecht stehen, obwohl die beiden Männer sich herabgebeugt hatten. Sie hat sich nie etwas aus Gewalt gemacht, sondern friedlichere Beschäftigungen vorgezogen, ihren Garten und ihr Nähzeug. Die beiden Männer blicken sich an, schauen wieder unter Tolbs Hemd, dessen Knöpfe am Hals offen sind.

    – Das gibt eine Menge Ärger, wenn das herauskommt, sagt B. R.

    – Ja, wenn es herauskommt, sagt Finder.

    – Obwohl es eigentlich nicht viele gibt, die ihn vermissen werden, sagt B. R. Er war ja nicht gerade der angenehmste Zeitgenosse.

    Finder sieht, dass B. R.s letzte Worte Hannes Wangen färben, leicht gelblich.

    Hanne fängt Finders Blick auf, sie spürt, wie ihre Wangen heiß werden.

    – Nein, es gibt sicher viele, die allen Grund haben, mit dem was passiert ist, zufrieden zu sein, sagt sie.

    Finder ist inzwischen damit beschäftigt, den übrigen Körper zu untersuchen. Offenbar entdeckt er nichts Weiteres.

    – Wenn es herauskommt, sagt er.

    – Aber so gesehen ist es ja herausgekommen, sagt B. R., ich habe den Arm ergriffen, der hervorschaute und das hervorgezogen, was versteckt unter der Bank gelegen hatte.

    Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, die Sonnen wärmen und kein Wind rührt sich, die Luftbewegung ist so gering, dass das Reglement an dem großen Baum schlaff herunterhängt, ohne zu flattern. Er richtet sich auf und sieht, dass die Melonenfrau in eine andere Richtung sieht, sie hat offensichtlich nichts außergewöhnliches bemerkt, ansonsten liegt der große Platz verlassen da, bis auf die Frau, die herumsteht und bleich aussieht und den alten Tolb betrachtet, den man für schlafend halten könnte, wenn nur das Hemd nicht so blutig gewesen wäre, und den Mann, der gerade dabei ist, sich wieder aufzurichten, nachdem er das Hemd wieder in Ordnung gebracht hat, und der über dieses oder jenes redet.

    – Wenn wir ihn nur einfach irgendwo unterbringen, wo er niemandem im Weg ist, dann sparen wir vielen eine Menge Ärger, sagt Finder.

    Er hat seinen Krug ergriffen, den er vorher auf die Lostbank gestellt hatte, zu der er bald hätte gehen müssen, um sich mit Chabi zu treffen.

    Er schaut sich um. Drüben in Karens Haus war vielleicht gerade ein Schatten gewesen, der sie gesehen haben könnte. Das könnte der Hausgeist gewesen sein, der oft dasitzt und herausschaut, als hätte er Lust, sich in der Welt umzusehen.

    Die Frau am Stand packt offensichtlich gerade zusammen, sie kann also auch nichts gesehen haben. Sodass sich B. R. plötzlich dabei ertappt, wie er sich, schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit, mit Tolbs kalten Armen abmüht, diesmal jedoch mit sicherem Griff um beide, Tolb, auf dessen Bauch Finders Krug angebracht ist, denn als er zunächst versuchte, Tolbs Beine mit seinem Krug in der Hand anzuheben, entglitt ihm das eine Bein und fiel mit dem gleichen unnatürlichen Laut zur Erde, den B. R. hörte, als er den Arm losließ, nachdem er den Körper aus dessen Versteck gezerrt hatte, sodass Finder daraufhin den Krug ein wenig respektlos auf dem Bauch des Toten anbrachte, woraufhin er wieder dessen Beine anhob, diesmal jedoch ohne sie wieder loszulassen, sodass sie nun vorwärtsgehen, er zuerst, Finder zuletzt und der Tote dazwischen, und etwas vorneweg Hanne Schäfer, die sie warnen soll, falls jemand auftaucht, der diesen merkwürdigen Umzug besser nicht sehen sollte, zu Hannes Haus, weil es sich sicher nicht vermeiden ließe, dass sie jemand sähe, falls sie den Toten in dessen eigenes Haus trügen, und weil Finders Haus als zu unsicher und unberechenbar angesehen werden musste, als dass sie es wagen könnten, dort eine Leiche unterzubringen, sodass die einzig verbleibende Möglichkeit Hannes Haus war, das nur ein kleines Stück oberhalb der engen Gasse liegt.

    Finder bemerkt, dass die Beine schon eine Zeit lang drohen, aus seinen Händen zu gleiten. Der Krug schaukelt, bringt aber nicht den Mut auf, mit einem fürchterlichen Getöse herunterzufallen. Hanne hat die Ecke erreicht, welche ihre Straße mit dem Marktplatz verbindet. Er wählt festzustellen, dass

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