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Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2021
Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2021
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eBook542 Seiten5 Stunden

Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2021

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Über dieses E-Book

Wussten Sie, dass der Maler Albin Egger-Lienz auch Gedichte schrieb? Oder dass eine Frau, Josepha von Tannenberg, als Pionierin des Klaviers in Tirol gilt?
Das "Wissenschaftliche Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2021" präsentiert in gewohnter Weise einen abwechslungsreichen und spannenden Mix aus wissenschaftlichen Beiträgen, die in der Forschungsarbeit der Tiroler Landesmuseen gründen.
Sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Tiroler Landesmuseen als auch externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich 2021 mit den Beständen der Tiroler Landesmuseen auseinandergesetzt und Artikel zu ihren Forschungsergebnissen verfasst. Die Texte beschäftigen sich u. a. mit der Tiroler Künstlerin Anna Stainer-Knittel und ihren Werken im Ferdinandeum, italienischen Holzschnitten aus der Grafischen Sammlung, der "Wiener Retusche", der Avifauna rund um das Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen in Hall, dem Distelwidderchen in Tirol, dem Tag der Artenvielfalt in Tirol 2021 u.v.m.
Eingeleitet wird die Publikation von einem literarisch-essayistischen Text des österreichischen Schriftstellers Bodo Hell zum Thema Museum.
SpracheDeutsch
HerausgeberStudienVerlag
Erscheinungsdatum3. Dez. 2021
ISBN9783706561938
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    Buchvorschau

    Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2021 - StudienVerlag

    KUNSTGESCHICHTLICHE

    SAMMLUNGEN

    HOLZSCHNITTE AUS DEM 15. JAHRHUNDERT IN DER GRAFISCHEN SAMMLUNG DER TIROLER LANDESMUSEEN: EINE FALLSTUDIE*

    Elisa Lonigro

    Abb. 1: Leonhard Scherhauff (Leonhard von Brixen), Kreuzigung mit Porträt der Äbtissin Verena von Stuben als Stifterin und Hl. Vigilius, ca. 1459, Öl auf Leinwand, 103,2 x 191,5 cm, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ältere kunstgeschichtliche Sammlung, Inv.-Nr. Gem/844.

    © Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

    ABSTRACTS

    The Tyrolean State Museum Ferdinandeum conserves a group of five woodcuts in fragmentary condition. These prints were found glued to the back of a painting by the artist Leonhard von Brixen, an unusual usage that raises questions as to their function. The research aims to trace the material history of these prints and to appraise their particular value as works pertaining to the borderland between Germany and Italy. In effect, as far back as the fifteenth century, in the production of woodcuts these two countries were centres of a wide network of exchange that gave rise to hybrid figurative models. These and other issues – such as the original arrangement of the prints on the painting and the replication of iconographic models – allow us to critically reconsider the antique woodcut in the Alpine areas.

    Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum bewahrt eine Gruppe von fünf fragmentarisch erhaltenen Holzschnitten. Die Drucke wurden aufgeklebt auf der Rückseite eines Gemäldes des Künstlers Leonhard von Brixen gefunden. Der Fund deutet auf eine ungewöhnliche Verwendung hin und wirft Fragen nach der Funktion der Drucke auf. Ziel der Forschungsarbeit ist es, die Materialgeschichte dieser Druckgrafiken zurückzuverfolgen und ihren besonderen Wert als Werke des Grenzgebiets zwischen Deutschland und Italien aufzuzeigen. Tatsächlich galten diese beiden Länder bereits im 15. Jahrhundert in der Produktion von Holzschnitten als Zentren eines breiten Austauschnetzwerks, das hybride Formen figurativer Darstellungen hervorbrachte. Diese und weitere Aspekte – wie die ursprüngliche Anordnung der Drucke auf dem Gemälde oder ihre Nachbildung ikonografischer Vorbilder – bilden die Basis dieser kritischen Neubetrachtung der antiken Holzschnitte aus dem Alpenraum.

    Der erste Wissenschaftler, der auf die ungewöhnliche Gruppe antiker Holzschnitte aufmerksam machte, die auf der Rückseite eines 1893 vom Ferdinandeum erworbenen Gemäldes gefunden wurden, war 1936 Paul Heitz.1 Laut Heitz umfasste die Gruppe acht Holzschnitte, von denen heute nur noch fünf erhalten sind. Er erwähnt insbesondere einen Holzschnitt, die „Passionsszenen, die er (auf Anregung von Werner Cohn) der italienischen Produktion um 1470 zuschreibt (Abb. 3). Der Urheber scheint stilistisch dem des in der Albertina in Wien aufbewahrten Blattes mit dem „Heiligen Benedikt nahe (Schr. 1268).2 1938 schlug Cohn vor, dass die anderen Holzschnitte der Gruppe aus Südwestdeutschland stammen, und datierte sie um 1430.3 Das Gemälde, auf dessen Rückseite die Holzschnitte geklebt waren, wird dem Südtiroler Künstler Leonhard von Brixen zugeschrieben. Um 1459 entstanden, zeigt es die „Kreuzigung mit Porträt der Äbtissin Verena von Stuben als Stifterin und Hl. Vigilius (Inv.-Nr. Gem/844; Abb. 1) und stammt aus dem Refektorium des Benediktinerklosters Sonnenburg nahe Bruneck in Südtirol.4 Die Kaufleute dieses Gebiets hatten im Allgemeinen Zugang zu italienischen und deutschen Druckgrafiken, und die wechselseitige Beeinflussung italienischer und nordischer Vorbilder im Bereich des Holzschnittes ist bereits in einigen der ältesten italienischen Blätter bezeugt, die zwischen Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts gedruckt wurden.5 In Deutschland blieb ein emblematisches Beispiel der Koexistenz deutscher und italienischer Druckgrafiken bis heute erhalten.6 Es handelt sich hierbei um ein Triptychon, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts für den Altar des Katharinenklosters Nürnberg gefertigt wurde.7 Es besteht aus 89 geklebten Holzschnitten, die zwischen 1440 und 1455 teils in Venedig, teils in Nürnberg gedruckt wurden. Der mittlere Teil des Triptychons stellt den Zyklus der „Passion Christi dar, der vom Maler und Buchmaler Cristoforo Cortese (ca. 1399– 1445) geschaffen wurde. Mehrere deutsche Holzschnitte sind als minderwertige Ergänzungen zur „Passion zu betrachten, während andere Drucke auf die klösterliche Handschriftenproduktion Nürnbergs verweisen. Die druckgrafische Serie, die sowohl die Innen- als auch Außenseite des Triptychons einnahm, wurde von ihrer ursprünglichen Unterlage entfernt und wird heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt. In der Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg bei Salzburg ist ein Diptychon mit einem rückseitig aufgeklebten Holzschnitt mit „Madonna und Heiligen (Schr. 1148m) erhalten, das von Franz Martin und Heitz Norditalien zugeschrieben und um 1460 eingeordnet wird.8 Der Fall ähnelt folglich den in dieser Arbeit untersuchten Holzschnitten, wobei die einzigen vorhandenen Belege leider nur aus einzelnen Studien des frühen 20. Jahrhunderts stammen; der Druck selbst scheint verloren. Drucke auf die Rückseite von Gemälden zu kleben, ist ungewöhnlich und aus heutiger Sicht nur schwer nachzuvollziehen. Es ist denkbar, dass die Drucke im Laufe der Zeit zu besonderen Anlässen nach und nach angebracht wurden oder vielleicht sogar als Schutz für das Gemälde selbst dienten. Das Gemälde hing im Refektorium, einem Ort, zu dem alle Nonnen Zugang hatten, aber wir wissen nicht, ob die Drucke selbst dabei sichtbar waren oder nicht. Während Restaurierungsarbeiten im Jahr 1977 wurden die Drucke abgelöst. Die von ihnen hinterlassenen Abdrücke blieben auf der Tafel sichtbar. Das bei der letzten Restaurierung im Jahr 2007 aufgenommene Foto der Rückseite (Abb. 2) zeigt fünf Bereiche im Mittelteil und noch nicht entzifferte handschriftliche Inschriften.9

    Betrachtet man nun die einzelnen Holzschnitte der Gruppe, setzen sie sich wie folgt zusammen: 1. „Heiliger Georg, der Drache und die Prinzessin (Inv.-Nr. AD/46); 2. „Heilige Anna mit Madonna und Jesuskind in den Armen (Inv.-Nr. AD/47); 3. „Passionsszenen (Inv.-Nr. AD/48); 4. „Tod der Jungfrau (Inv.-Nr. AD/49); 5. zehn Fragmente, bei einem von denen (links) davon ausgegangen werden kann, dass der Druck eine „Geißelung" (Inv.-Nr. AD/50) darstellt.10 Wichtig in diesem Kontext ist die Frage, in welchen der oben genannten fünf Bereiche genau die einzelnen Holzschnitte platziert waren. Es existieren drei von Cohn 1938 veröffentlichte Fotos, die drei Holzschnitte aus der Gruppe – „Heilige Anna, „Heiliger Georg und die „Passionsszenen – zeigen, als sie noch aufgeklebt waren. Eine eingehende Betrachtung der Maserung der Tafel lässt mit großer Sicherheit feststellen, dass die Drucke wie folgt angeordnet waren (von links nach rechts und von oben nach unten gesehen): „Geißelung, „Heiliger Georg, „Tod der Jungfrau, „Heilige Anna und „Passionsszenen.

    Abb. 2: Leonhard Scherhauff (Leonhard von Brixen), Kreuzigung mit Porträt der Äbtissin Verena von Stuben als Stifterin und Hl. Vigilius (Rückseite), ca. 1459, Öl auf Leinwand, 103,2 x 191,5 cm, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ältere kunstgeschichtliche Sammlung, Inv.-Nr. Gem/844. © Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

    Abb. 3: Unbekannt, Passionsszenen, 1426–1450, Holzschnitt-Fragment, 31,5 x 35,7 cm, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. AD/48. © Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

    Die Drucke liefern einige interessante Details über die frühen Holzschnitte, insbesondere in Bezug auf den Dialog zwischen nordischer und italienischer Kunst.

    Abb. 4: Unbekannt, Heilige Anna mit Madonna und Jesuskind in den Armen, 1426–1450, Holzschnitt-Fragment, 34,5 x 29 cm, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. AD/47. © Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

    Abb. 5: Unbekannt, Jungfrau und Kind mit heiliger Anna, 1426–1450, Handkolorierter Holzschnitt, 40,8 x 27,2 cm, London, The British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1849,0512.941. © The Trustees of the British Museum

    Eine Situation der Osmose bringt stilistische Hybride hervor, was auch im Falle dieses Gemäldes, auf dem die Holzschnitte aufgefunden wurden, zu beobachten ist. Der Künstler, Leonhard von Brixen, war ein Maler und Schnitzer, dessen Wirken zwischen 1438 und 1476 urkundlich belegt ist. Sein künstlerischer Status wird durch die offensichtliche technische Vielseitigkeit bestätigt. Der eklektische Stil seiner Werke umfasst sowohl realistische Ansätze als auch sanfte, gotische Züge und kombiniert folkloristische Elemente mit einer hellen Farbpalette. Seine Künstlerwerkstatt florierte in der Brixner Malereiproduktion des 15. Jahrhunderts und rühmte sich mit einer großen Anzahl von Gehilfen.11 Betrachtet man nun die „Passionsszenen (Abb. 3; 31,5 x 35,7 cm) näher, so sind folgende Szenen zu beobachten: das „Letzte Abendmahl, das „Gebet im Garten Gethsemane, der „Judaskuss, die „Festnahme Jesu, die „Geißelung, die „Kreuzigung (sehr fragmentiert), die „Kreuzabnahme (ebenso fragmentiert) und die „Auferstehung (nur der linke Rand vorhanden).12 Die Szenen sind durch einen Rahmen aus Rauten mit stilisierten Blumen in der Mitte voneinander abgetrennt, während einige Bereiche innerhalb der Drucke Farbspuren in Rot und Schwarz aufweisen. Cohn identifiziert den venezianischen Ursprung der Holzschnitte und weist insbesondere auf die Darstellung der Gesichtszüge mit langen Augenlidern und die zarten Umrandungen des Blattwerkes hin. Dieser Druck lässt sich unter anderem mit „Dreifaltigkeit und Heilige (Schr. 749) vergleichen, einem venezianischen Holzschnitt, der in der Biblioteca Classense in Ravenna aufbewahrt wird (Inv.-Nr. 45).13 So lässt sich auch auf den italienischen Kontext des Innsbrucker Druckes schließen, der weiters auf Venetien eingegrenzt werden kann.14

    Die anderen vier Drucke hingegen sind deutschen Ursprungs und weisen sowohl stilistisch als auch in der Gravurtechnik Ähnlichkeiten auf. Cohn berichtet von einem weiteren Exemplar des Druckes der „Heiligen Anna" (Abb. 4; 34,5 x 29 cm), das im British Museum aufbewahrt wird (Abb. 5; Inv.-Nr. 1849,0512.941; 40,8 x 27,2 cm),15 wobei Schreiber den Druck südostdeutscher Produktion zwischen 1450 und 1460 zuschreibt. Der Londoner Holzschnitt ist in Rot-, Gelb-, Grün- und Grautönen koloriert, während das Innsbrucker Exemplar eine braune Färbung aufweist. Das Bild zeigt die heilige Anna, wie sie unter einem gotischen Baldachin thront. Auf ihrem rechten Knie hält die edle Gestalt die Jungfrau Maria, die dem auf dem anderen Knie der heiligen Anna sitzenden Jesuskind eine Birne reicht. Der Kult der heiligen Anna ist im Etschtal besonders verbreitet und es findet sich dort eine umfangreiche Produktion von Werken mit entsprechender Ikonografie.16 Peter Schmidt weist darauf hin, dass der Druck des British Museum aus einem anderen Block gefertigt wurde als der Innsbrucker Druck: Die Linienschraffierungen unterscheiden sich und es finden sich auch Unstimmigkeiten in den Details der Gesichter der Figuren und im Heiligenschein der Jungfrau. David Landau vermutet, dass die Innsbrucker Version eine Kopie der Londoner sein könnte, aber es ist schwer festzustellen, welcher der beiden nun tatsächlich als Vorlage diente. Ein Exemplar wie das aus London dürfte wohl in einer alpinen Werkstatt verwendet worden sein, um – mit leichten Abweichungen vom Originalblock – den Block zu schaffen, mit dem der Innsbrucker Druck hergestellt wurde. Weiters gibt es zumindest ein weiteres erhaltenes Exemplar vom „Tod der Jungfrau" (Abb. 6; 29,5 x 45 cm), das im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt wird (Abb. 7; Inv.-Nr. H2; 26,3 x 37,5 cm).17

    Abb. 6: Unbekannt, Tod der Jungfrau, 1426–1450, Holzschnitt-Fragment, 29,5 x 45 cm, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. 49. © Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

    Abb. 7: Unbekannt, Tod der Jungfrau, 1426–1450, Handkolorierter Holzschnitt, 26,3 x 37,5 cm, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Sammlung Druckgraphik-Zeichnungen, Inv.-Nr. H2. © Germanisches Nationalmuseum, Foto: Monika Runge

    Abb. 8: Unbekannt, Der heilige Georg, der Drache und die Prinzessin, 1426–1450, Holzschnitt-Fragment, 26,5 x 44,5 cm, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. AD/46. © Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

    Der Innsbrucker Druck, der mitunter große Lücken zeigt, fällt durch seine braune Kolorierung auf, während der Nürnberger Druck in Violett, Gelb, Blau, Grau, Braun und Grün gefärbt ist. Rainer Schoch stellt bei der Analyse des Nürnberger Exemplars fest, dass seine Herkunft umstritten ist. Es konnte bisher keine Einigkeit darüber gefunden werden, ob der Druck nun aus Schwaben, Nürnberg oder Regensburg stammt. Laut Wasserzeichen kann der Druck jedoch der Zeit vor 1422 zugeordnet werden. Die traditionelle Komposition spiegelt die der Altarbilder von Wennigsen und Würzburg wider, während die Figuren der Apostel der böhmischen Malerei entstammen.18 Bei seinem Vergleich der beiden Versionen zeigt Schmidt auf, dass beim Druck des Innsbrucker Exemplars der Block in einem etwas besseren Zustand gewesen sein muss. Zudem wurde mehr Tinte in einer dichteren Lösung verwendet, was das Vorhandensein von Linien erklärt, die etwas dicker und rauer erscheinen. Die Lücken entlang des Rahmens im Nürnberger Exemplar lassen einen fortgeschritteneren Verfall des Blocks vermuten, was die Hypothese stützt, dass der Innsbrucker Holzschnitt der ältere ist. Der „Heilige Georg, der Drache und die Prinzessin (Abb. 8; 26,5 x 44,5 cm) stellt einen besonders feinen Druck dar, für den es bisher jedoch nicht möglich war, ein konkretes Vorbild zu identifizieren. Der Holzschnitt weist rote Farbspuren auf, die das Blut des verwundeten Drachen symbolisieren. Betrachtet man die noch gut erhaltenen Elemente des Drucks – den Mantel des Heiligen, die Mähne und das Geschirr des Pferdes, die Schuppen des Drachen, die Prinzessin und den Engel –, so lassen die stilistischen Ähnlichkeiten erkennen, dass der Druck aus derselben Werkstatt stammen muss, die auch den Holzschnitt der „Heiligen Anna produzierte. Cohn glaubt, dass die Details beider Drucke Einflüsse der Kunst des französisch-burgundischen Hofes widerspiegeln. Stilistische und ikonografische Ähnlichkeiten finden sich in mehreren Buchmalereien in den „Stundenbüchern" des Herzogs von Berry, die in Chantilly und Brüssel aufbewahrt werden. Dies würde eine Produktion in Basel vermuten lassen, aber Cohn führt sie auf Süddeutschland zurück.19 Die Gesichter der Jungfrau und der Prinzessin in den beiden Drucken ähneln sich genauso wie die Darstellungen der Draperie. Zum Vergleich mit diesen Drucken eignet sich die Darstellung der „Heiligen Dorothea und Heiligen Margareta (Schr. 1404m) eines deutschen Holzschnittes aus dem Zeitraum zwischen 1420 und 1430, der in der Albertina aufbewahrt wird (Inv.-Nr. DG1950/569).20

    Der letzte Druck der Gruppe (Abb. 9) zeigt Rot- und Braunfärbungen. Zwei Fragmente zur linken Seite aus der Sicht des Betrachters zeigen das Lendentuch, das um die gekreuzten und blutenden Beine des offensichtlich gegeißelten Christus gewickelt ist.

    Unter Berücksichtigung stilistischer Aspekte wie der Gestaltung der Kleiderfalten, der Darstellung der Gesichter und der Linienführung können die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Druckgrafiken in das zweite Viertel des 15. Jahrhunderts datiert werden. Trotz ihrer Verschiedenheit kann festgehalten werden,21 dass die Blätter noch vor der Schaffung des Gemäldes produziert wurden. Ihre Wiederverwendung in späteren Zeiten ergab sich wohl aus einem anhaltenden Interesse an ihren ikonografischen Themen und ihrer Andachtsfunktion und damit an Elementen, welche die Bedeutung der stilistischen Aktualisierung in den Hintergrund drängten.

    Abb. 9: Unbekannt, Geißelung, 1426–1450, Holzschnitt-Fragment, o. M., Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. AD/50. © Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

    Es gibt viele Aspekte, die uns daran hindern, die Namen der Urheber der Holzschnitte aus derart frühen Jahren ausfindig zu machen. Zum einen wird eine genaue Zuordnung erschwert durch den teilweisen Verlust der Werke, die wohl mehr wie Gebrauchsgegenstände als Kunstwerke behandelt wurden. Weiters kommt hinzu, dass es sich bei den genannten Drucken nicht um Reproduktionen von Werken berühmter Künstler handelt, weswegen sie auch in ihren nachfolgenden Jahrhunderten nicht von den Sammlern von Grafiken erworben wurden.22 Trotz ihrer Bedeutung sind diese frühen Arbeiten, die sich stilistisch in Grenzgebiete (Savoyen, Schweiz und Österreich) einordnen lassen, wenig erforscht. Weiterführende Forschungsarbeiten sind anzudenken, um etwa Aufschluss über die Ursprünge dieser speziellen Gruppe von Holzschnitten zu geben.

    Aus dem Englischen übersetzt von Svenja Grabner, www.svenjagrabner.at.

    *Mein Dank gilt Silvia Urbini, Giovanni Maria Fara, David Landau, Peter Schmidt, Björn Blauensteiner, Astrid Flögel, Ulrike Hofer, Ralf Bormann und Lorenzo Gigante.

    1Heitz, Paul: Italienische Einblattdrucke in den Sammlungen Berlin, Braunschweig, Cambridge (Mass.), Cortona, Innsbruck, London, Maihingen, New York, Tamsweg, Wien und andere, deren Aufbewahrungsorte unbekannt, T. 5, Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts, Bd. 83, Straßburg 1935, Nr. 90. Das digitale Archiv „Census of Italian Renaissance Woodcuts" zählt diese Holzschnitte zu jenen, die im Alpenraum produziert wurden.

    2Schreiber, Wilhelm Ludwig: Handbuch der Holz- und Metallschnitte des XV. Jahrhunderts, 8 Bde., Leipzig 1926–1930. Nachfolgend zitiert als (Schr. gefolgt von der entsprechenden Nummer); S. Urbini, Census of Italian Renaissance Woodcuts, ALU.0381, URL: http://archivi.cini.it:80/cini-web/storiaarte/detail/20098/stampa-20098.html , ISBN 978-88- 96445-24 2.

    3Cohn, Werner: Holz- und Metallschnitte aus öffentl. in- und ausländischen Sammlungen und Bibliotheken in Innsbruck, Salzburg, Wien, Delsberg, Neuenstadt, St. Gallen, Lyon, Paris, Straßburg, Tunbridge Wells, Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts, Bd. 93, Straßburg 1938, Nr. 1–3.

    4Schmidt, Peter: Gedruckte Bilder in handgeschriebenen Büchern. Zum Gebrauch von Druckgraphik im 15. Jahrhundert, Wien–Köln–Weimar 2003, S. 80, Fußnote 311.

    5Bellini, Fiora/Borea, Evelina (Hg.): Xilografie italiane del Quattrocento da Ravenna e da altri luoghi, Katalog Istituto Nazionale per la Grafica 1987–1988, Ravenna 1987, Nr. 2.

    6Gigante, Lorenzo: Incontri, scontri, confronti: Appunti sulla ricezione della xilografia nordica in Italia tra XV e XX secolo, in: Argan, Giovanni/ Radaelli, Maria/Timonina, Alexandra (Hg.): Taking and Denying. Challenging Canons in Arts and Philosophy, Venedig 2020, S. 146 f., URL: http://doi.org/10.30687/978-88-6969-462-2/007 (Zugriff: 26.8.2021).

    7Field, Richard S.: A fifteenth-century picture panel from the Dominican monastery of Saint Catherine in Nuremberg, in: in: Parshall, Peter (Hg.): The Woodcut in Fifteenth-Century Europe = Proceedings of the International Symposium (Washington, 18–19 November 2005), Studies in the History of Art 75, 2009, S. 204–237.

    8Martin, Franz: Tamsweg, in: Österreichische Kunsttopographie 22, 1929, S. 261, Abb. 327; Heitz: Einblattdrucke (siehe Anm. 1), Nr. 92.

    9Die Abmessungen (von links nach rechts und von oben nach unten) betragen: 35 x 44,5 cm; 42 x 32 cm; 30 x 44,5 cm; 33,5 x 28 cm; 31 x 37 cm.

    10 Schreiber zitiert zwar nicht die Innsbrucker Holzschnitte, listet aber zum Teil ähnliche Exemplare: „Heilige Anna (Variante in Schr. 1190), „Heiliger Georg (Variante in Schr. 1442a), „Tod der Jungfrau" (Kopie in Schr. 705).

    11 Spada, Silvia: Leonardo da Bressanone, in: Zeri, Federico (Hg.): La Pittura in Italia. Il Quattrocento, Bd. 2, Mailand 1987, S. 662.

    12 S. Urbini, Census, ALU.0380.

    13 S. Urbini, Census, ALU.0058.

    14 Bellini/Borea: Xilografie (wie Anm. 5), S. 32, Fußnote 19.

    15 The British Museum: The Virgin and Child with St. Anne, URL: https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1849-0512-941 (Zugriff: 26.8.2021).

    16 Rosenauer, Artur/Plieger, Cornelia/Andergassen, Leo (Hg.): Michael Pacher und sein Kreis. Ein Tiroler Künstler der europäischen Spätgotik, 1498–1998, Katalog Augustiner-Chorherrenstift Neustift 1998, Bozen–Lana 1998, Nr. 16.

    17 Germanisches Nationalmuseum: Der Tod Marias, URL: https://objektkatalog.gnm.de/wisski/navigate/20608/view (Zugriff: 26.8.2021).

    18 Parshall, Peter/Schoch, Rainer (Hg.): Die Anfänge der europäischen Druckgraphik: Holzschnitte des 15. Jahrhunderts und ihr Gebrauch, Katalog National Gallery of Art und Germanisches Nationalmuseum 2005–2006, Nürnberg 2005, Nr. 84.

    19 Cohn: Metallschnitte (wie Anm. 3), S. 7.

    20 Albertina: Heilige Dorothea und heilige Margareta, URL: https://sammlungenonline.albertina.at/?query=search=/record/objectnumbersearch=[DG1950/569]&showtype=record (Zugriff: 26.8.2021).

    21 Schmidt, Peter: Rhin supérieur ou Bavière? Localisation et mobilité des gravures au milieu du XVe siècle, in: Revue de l’Art 120, 1998, S. 68–88, URL: http://doi.org/10.3406/rvart.1998.348388 (Zugriff: 26.8.2021).

    22 Aldovini, Laura/Landau, David/Urbini, Silvia: Rinascimento di carta e di legno: Artisti, forme e funzioni della xilografia italiana fra Quattrocento e Cinquecento, in: Saggi e Memorie di Storia dell’Arte 40, 2016, S. 7–27.

    ANNA STAINER-KNITTEL UND DAS FERDINANDEUM

    Ulrike Hofer

    Abb. 1: Anna Stainer-Knittel, Selbstporträt in Lechtaler Tracht, 1863, 83,5 x 67,2 cm, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ältere kunstgeschichtliche Sammlung, Inv.-Nr. Gem 1760. Foto: Tiroler Landesmuseen

    ABSTRACTS

    In 1863, the Ferdinandeum bought the first work by the artist Anna Stainer-Knittel: Self-Portrait in Lechtal Costume. The purchase marks the beginning of the professional career of the Tyrolean painter, who was decidedly emancipated for her time. The present text first traces the institutional framework and possibilities of funding and support from the museum, which were important for the female artist, especially in the early years, in order to gain a professional foothold in Innsbruck. The works and objects of Stainer-Knittel, which are now in the collection of the Ferdinandeum, as well as several paintings from a private collection that have been made available for research through the museum’s agency will then be discussed. Finally, the question of what role the Ferdinandeum as an institution might have in research and the reception is examined as a basis for future research.

    Mit dem „Selbstporträt in Lechtaler Tracht" erwirbt das Ferdinandeum 1863 das erste Werk der Künstlerin Anna Stainer-Knittel. Der Ankauf markiert den Beginn der beruflichen Laufbahn der für ihre Zeit bereits emanzipiert handelnden wie lebenden Tiroler Malerin und ihrer Beziehungen zum Museum. Der vorliegende Text zeichnet zunächst die institutionellen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Förderung von Seiten des Museums nach, welche für die Künstlerin insbesondere in den frühen Jahren wichtig waren, um beruflich in Innsbruck Fuß zu fassen. Des Weiteren werden die Werke von Stainer-Knittel, die sich mittlerweile in der Sammlung des Ferdinandeums befinden sowie Werke aus Privatbesitz vorgestellt, die durch Vermittlung des Museums gesichtet werden konnten. Zum Abschluss wird der Frage nachgegangen, welche Rolle die Institution Ferdinandeum für die Erforschung und Rezeption der Künstlerin spielen kann.

    Im Jahr 1863 erwarb das Ferdinandeum für 44 Gulden das „Selbstporträt in Lechtaler Tracht" der 22-jährigen, damals noch unverheirateten Anna Rosa Knittel (1841–1915) (Abb. 1).1 Diese präsentiert sich selbstbewusst im Drei -viertel porträt, festlich in Tracht gekleidet vor einem dunklen, braunen Hintergrund. Sicher demonstriert sie ihr Können im zartrosa Inkarnat ihres Gesichtes, im Durchexerzieren der verschiedenen Stoffe und der glänzenden Anmutung der goldenen Schmuckelemente. „Anna Knittel. Malerin, 1863. informiert das auf dem schweren, dunklen Rahmen befestigte Schild. Mit dem stolzen Zusatz „Malerin wird Anna Knittel infolge auch ihre Briefe unterschreiben.2 In Ermangelung an anderen Modellen hatte sie sich selbst porträtiert. Den dazugehörigen Rahmen schuf ihr Vater.3

    Das Gemälde wurde nach Innsbruck geschickt und in der am Marktplatz gelegenen Kunsthandlung Unterberger ausgestellt. Mit dem Verkauf an das Ferdinandeum konnte sich Anna Knittel nun nicht nur den Umzug in die Landeshauptstadt leisten, sondern dieser markiert auch den Beginn ihrer Beziehungen zum Museum und ihres Lebens als Berufsmalerin.4 Ihr Ausbildungsweg und ihre Professionalisierung waren zur damaligen Zeit für eine Frau in Tirol eine Besonderheit. So studierte sie, zunächst als einzige Frau, an der Vorschule der Akademie in München und gründete später in Innsbruck eine eigene Zeichen- und Malschule für Damen.5 Mit ihrer Kunst erwirtschaftete sie nach ihrer Hochzeit mit dem Gipsformator Engelbert Stainer 1867 die Hälfte des Einkommens für ihre bald sechsköpfige Familie, trug ihre Haare kurz und nahm den Doppelnamen Stainer-Knittel an. Heute ist die Malerin jedoch weniger für ihre Kunst als für eine Episode aus ihrer Jugend als sogenannte „Geier-Wally" bekannt. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welchen Anteil die Institution Ferdinandeum als das Tirolisch-Vorarlbergische Kunstmuseum am Werdegang und Erfolg der Künstlerin hatte und welche Rolle es weiterhin für die Rezeption und Erforschung der Künstlerin spielen kann. Zu diesem Zweck werden abschließend die Werke, die sich heute in der Sammlung befinden und weitere Werke aus Privatbesitz vorgestellt.

    Anna Knittel wurde am 28. Juli 1841 in Untergiblen im Tiroler Lechtal geboren. Die Tochter des Büchsenmachers und Kleinbauern Josef Anton Knittel war von diesem früh in ihrem Wunsch bestärkt worden, Malerin zu werden. In ihrer Familie gab es bereits zwei Künstler, den berühmten, zwei Jahre vor ihrer Geburt in Rom verstorbenen Josef Anton Koch und Josef Alois Knittel, einen in Freiburg lebenden Bildhauer. Die angehende Malerin verfügte früh über entscheidende Kontakte, die sie förderten. Entscheidend war für sie Johann Anton Falger, dessen Zeichenschule in Elbigenalp sie besuchte. Er war ein umfassend gebildeter und gut vernetzter Mann. Er stellte sie auch dem Maler Mathias Schmid vor, der in München zusammen mit Franz von Defregger und Alois Gabl schließlich zum „Tiroler Kleeblatt" gezählt werden sollte, und verfügte über gute Verbindungen zum Ferdinandeum.6 Mit der finanziellen Unterstützung ihrer Eltern, von Falger und von Schmid, ging Knittel 1859 für das Studium an der Vorschule der Akademie nach München.7 Die bayerische Hauptstadt galt damals als das bedeutendste Kunstzentrum im Deutschen Reich und stellte für österreichische Künstler*innen – aufgrund der geographischen Nähe insbesondere von Tirol aus – ein wichtiges Zentrum der Ausbildung dar.8 Der Besuch der offiziellen Kunstakademie war Frauen zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht erlaubt.9 In den drei Jahren von Anna Knittels Studiums an der Vorschule der Akademie lag ihr Ausbildungsschwerpunkt auf der Porträt- und Genremalerei. Sie kopierte auch Alte Meister in der Pinakothek in München, „um andere Technik und Farbengebung kennen zu lernen", wie sie in ihren Lebenserinnerungen schreibt.10

    Nach der Übersiedelung nach Innsbruck und dem Verkauf ihres Selbstporträts an das Ferdinandeum erhielt Knittel wichtige Porträtaufträge, war aber weiterhin auch als Kopistin tätig. So fertigte sie Kopien nach Werken aus der Ferdinandeumssammlung an. Laut der Korrespondenz in den Museumsakten wurde ihr sogar ab 1863 mehrmals die Erlaubnis erteilt, Gemälde für einige Tage mit in ihre Wohnung zu nehmen, um sie dort schneller kopieren zu können.11 Die Beschäftigung mit künstlerischen Vorbildern war für sie Quelle des Studiums und Verdienstmöglichkeit zugleich. Sie beschreibt wiederholt, welchen Eindruck die Betrachtung von Kunst auf sie gemacht hat. So bringt sie in der Schilderung eines Besuches der Pfarrkirche von Schwarzenberg ihre Bewunderung für die bereits zu Lebzeiten äußerst erfolgreiche Angelika Kauffmann zum Ausdruck, deren Altarblätter sie dort gesehen hat: „Da ist mir ein kaltes Riesele aufgestiegen, eine Frau und so ein schönes farbenprächtiges Bild. Da bat ich den lieben Hergott, wenn es doch sein wollte, dass ich auch einmal etwas Aehnliches zuwege brächte! Und von da an schwebte mir immer ein Ziel vor, aber weit in der Ferne!12 Zu dem Zeitpunkt, als das „Selbstporträt in Lechtaler Tracht für das Ferdinandeum angekauft wurde, gab es in der Gemäldesammlung bereits mehrere Selbstbildnisse von Angelika Kauffmann, so z. B. das „Selbstporträt in Bregenzerwälder Tracht (Abb. 2). Die beiden Künstlerinnenselbstporträts ähneln sich in der Wahl des Brustbildes, der traditionellen Tracht mit Hut und dem dunklen Hintergrund. Eine direkte Bezugnahme von Knittel auf das konkrete Werk im Ferdinandeum lässt sich zwar nicht belegen, ist aber gut vorstellbar.13 In ihren Lebenserinnerungen berichtet die Malerin, dass sie nach dem Ende des Sommersemesters 1861 u. a. gemeinsam mit ihrem Onkel Josef Alois Knittel und dessen Frau in Innsbruck die „schönsten Sachen und Merkwürdigkeiten besichtigte.14 Es scheint naheliegend, dass sie sich bei diesem Anlass – so wie die Künstlerin dies von anderen Reisen beschreibt – gemeinsam Kunst angesehen haben und das vermutlich nicht zuletzt in dem in der Landeshauptstadt so prominenten Ferdinandeum.

    Abb. 2: Angelika Kauffmann, Selbstporträt in Bregenzerwälder Tracht, 1781, 61,4 x 59,2 cm, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Ältere kunstgeschichtliche Sammlung, Inv.-Nr. Gem 301. Foto: Tiroler Landesmuseen

    Die große Wertschätzung und das Vertrauen von Seiten des Ferdinandeums in die Malerin wird auch durch ein bisher unbeachtetes Empfehlungsschreiben vom 29. April 1864 zum Ausdruck gebracht, welches für die Künstlerin vom Vorstand des Museums, Johann von Ebner, für die Bewerbung für ein staatliches Stipendium verfasst wurde. In diesem betonte er, dass das Selbstporträt der Großnichte des Malers Josef Anton Koch für „würdig befunden wurde, angekauft und in seine [des Ferdinandeums] Kunstsammlung aufgenommen zu werden".15 Darüber hinaus sprach er sich für eine finanzielle Förderung der Künstlerin aus. Die Unterstützung in Form des Schreibens ist umso erstaunlicher, als bei den bis zum Jahr 1829 vom Museum offiziell vergebenen Künstlerstipendien Frauen noch keine Berücksichtigung gefunden hatten.16 Wie aus dem Zeugnis hervorgeht, dürfte das

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