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Zum Bösen verurteilt
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eBook361 Seiten5 Stunden

Zum Bösen verurteilt

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Über dieses E-Book

Ein Ereignis. Eine Entscheidung. Ein Fehler. Und das Leben wird nie wieder so sein wie zuvor.Ein Haus auf Kredit, ein kleines Unternehmen und eine liebevolle Frau – das ist das Leben von Wiktor Hauke. Doch eines Tages verliert er all dies aufgrund eines einzigen Fehltritts ...Durch eine unüberlegte Entscheidung macht sich Wiktor erpressbar, wird zu einem Sklaven, der die verqueren Launen eines anderen erfüllen muss. Ein willenloser Akteur, der von einem sadistischen Regisseur gesteuert wird.Wird Wiktor es schaffen, seinem Peiniger zu trotzen? Was wird er opfern müssen, um das zu retten, was ihm am meisten am Herzen liegt? Oder ist das Ergebnis dieses grausamen Spiels vielleicht schon vorbestimmt?-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum8. Dez. 2022
ISBN9788728530351
Zum Bösen verurteilt

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    Buchvorschau

    Zum Bösen verurteilt - Adrian Bednarek

    Adrian Bednarek

    Zum Bösen verurteilt

    Saga

    Zum Bösen verurteilt

    Titel der Originalausgabe: Skazany na zło

    Originalsprache: Polnisch

    Copyright © 2022, 2022 Adrian Bednarek und SAGA Egmont

    Alle Rechte vorbehalten

    1. ISBN: 9788728530351

    1. E-Book-Ausgabe

    Format: EPUB 3.0

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

    www.sagaegmont.com

    Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

    Für Daria

    Dank dir schmeckt das Abenteuer eines Schriftstellers so köstlich

    Alles zu retten, muss alles gewagt werden.

    Friedrich von Schiller

    Prolog

    An diesem Frühlingstag musste die ganze Welt seine Abwesenheit akzeptieren und er hatte keine Absicht irgendwem Rede und Antwort zu stehen. Heute ignorierte der Regisseur alle alltäglichen Angelegenheiten. Die Kunden, die ihn jeden Tag quälten, mussten warten. Die Gläubiger, die immer noch das ihnen zu Recht zustehende Geld von ihm forderten, mussten warten. Die Frauen, die ihn nicht vollständig zu befriedigen wussten, mussten warten. Zugegeben, er hatte sich offiziell keinen freien Tag genommen – er konnte es nicht, das Geschäftstelefon hörte nicht auf zu klingeln –, aber er ignorierte konsequent alle Anrufe. Von dem Moment an, als er seine Augen öffnete, spürte er ein angenehmes Kribbeln in seinem Inneren. Heute würde er endlich aufhören, in Erinnerungen zu schwelgen. Er würde sein nächstes großes Theaterstück beginnen. Das Einzige, das seine Begierde vollständig befriedigen konnte.

    Frühmorgens begann er seine Reise. Die Anfahrt zum bewaldeten Stadtrand seines geliebten Krakaus, in das ihn sein Schicksal nach jahrelangem Umherirren verschlagen hatte, dauerte fast zwei Stunden. Er entschied sich, sein Auto in der Garage zu lassen. Das tat er immer an dem Tag, den er „die erste Szene" nannte. Er war mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist: dreimal umsteigen plus fünf Kilometer Fußmarsch. Um Viertel vor neun war er da. An diesem besonderen Tag war er nicht wie er selbst gekleidet. Er trug eine weite Tarnhose, Armeestiefel, ein grünes T-Shirt und eine khakifarbene Jacke. Sein dunkles Haar war wie immer zu einem Pferdeschwanz gebunden, aber heute versteckte er es ausnahmsweise unter einer schwarzen Schirmmütze. Auf den ersten Blick sah er wie ein Soldat aus. Er betrat das mehrere Quadratkilometer große Waldgebiet. Er suchte die richtige Stelle. Der Regisseur wusste, dass der von ihm ausgewählte Schauspieler heute in diesem Wald erscheinen würde. Er musste nur vorhersehen, welche Stelle er genau wählen würde. Er hatte einen großartigen Schauspieler gefunden, nur hatte er leider noch nicht die passende Rolle für ihn geschrieben. Bisher hatte der Schauspieler freie Hand zum Improvisieren gehabt. Der Regisseur wusste, er würde mit dem Auto kommen, sodass mehr als drei Viertel des Gebiets wegfallen würden, weil sie unpassierbar waren. Er versuchte, sich in den Schauspieler hineinzuversetzen, wie ein Schauspieler zu denken, sich wie ein Schauspieler zu verhalten, von dem angeregt zu sein, wovon ein Schauspieler angeregt ist. Er wollte für einen Moment ein erbärmliches Wesen werden, das unfähig ist die primitivsten Schwächen zu bekämpfen, das alles und jeden zerstört, die ihm wichtig waren. So schätzte er den Schauspieler nach fast zweimonatiger Beobachtung ein.

    Er hatte ihn nur einmal persönlich getroffen. Es war ein versehentliches, ein paar Sekunden anhaltendes und für den Schauspieler nicht wahrnehmbares Treffen gewesen. Schon der erste Augenkontakt überzeugte ihn davon, die richtige Person für die Rolle in seinem neuen Theaterstück gefunden zu haben. Der Schauspieler hatte davon keine Ahnung und der Regisseur konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn anonym zu begleiten. Er wurde der unsichtbare Zeuge des schwersten Kampfes seines Lebens. Zeuge eines mörderischen Duells, das der Schauspieler erstaunlicherweise langsam begann zu gewinnen, was wiederum den Regisseur noch mehr von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugte. Dass er mit einer solchen Gebrechlichkeit kämpfte, gab dem erbärmlichen kleinen Mann die Ehre, ein Anwärter auf wirklich oscarreife Rollen zu sein. Danach war es so einfach wie immer. Es reichte aus, eine neue Schwachstelle zu finden, sich mit ihr vertraut zu machen und auf den richtigen Moment zu warten. Der Regisseur war nicht gerade überrascht, dass es ihm einfach fiel, sich auf diese Schwäche einzulassen. Wer würde sie ablehnen? Ein schwacher Mann mit einem starken Willen beschloss, von dieser Gelegenheit Gebrauch zu machen, wodurch sich sein Leben für immer grundlegend ändern würde. Der Gedanke, dass der ganze Prozess gerade von vorne beginnen würde, erregte den Regisseur enorm. Er fühlte ein Kribbeln im Magen und einen angenehmen Juckreiz im Schritt.

    Das kommende Glück genießend, erreichte er eine kleine Lichtung an einem von Bäumen umgebenen Forstweg. Auf der anderen Seite des Weges wuchs hohes Gras.

    „Was für eine hervorragende Kulisse für einen romantischen Kurzurlaub für Verliebte, selbst ich hätte keine bessere wählen können", urteilte er in Gedanken.

    Sein Gefühl sagte ihm, dass er am richtigen Ort war. Er hatte alles schon lange geplant, und jetzt, im kulminierenden Moment, als sein Stück begann, war er auf den Zufall angewiesen. Es ärgerte ihn ein wenig, aber er wusste, dass er dank seiner überdurchschnittlichen Intelligenz, Erfahrung und seines Instinkts genau die richtige Stelle gewählt hatte. Um auf Nummer sicher zu gehen, lief er mehrmals über die Lichtung und kam über den Forstweg, der in eine Schotterstraße mündete, zur Ausfahrt aus dem Wald zurück.

    Er verlor sich in seinen Fantasien. Er war wieder dieser kleine, erbärmliche Mensch. Er analysierte seine Gedanken und Absichten. Der Spaziergang bekräftigte ihn in der Richtigkeit seiner Entscheidung. Wenn der Schauspieler sie in den Wald mitnimmt, wird er genau an dieser Lichtung Halt machen. Salbungsvoll stellte er den schweren Militärrucksack mit der notwendigen Ausrüstung auf den Boden. Endlich konnte er seinen vom stundenlangen Tragen schmerzenden Rücken entlasten. Während er dem Rucksack seine Ausrüstung entnahm, erinnerte er sich an das erste, einzigartige Mal. Wie viele Jahre schon vergangen waren … Wie viele Erfahrungen er in dieser Zeit schon gesammelt hatte … Er schaute in die Glaslinse seiner Kamera, die Zeugin mehrerer Stücke gewesen war. Seine Slideshows waren im Stande, dem Regisseur ungeahnte Freude zu bereiten.

    Er folgte immer einem bestimmten Szenario. Die ersten Rollen der Schauspieler waren spontane, fast theatralische Improvisationen. Die Folgenden wurden dann nach einem streng festgelegten Plan ausgeführt, mit einer Prise wunderbarer Unberechenbarkeit … Dazu kamen seine Beobachtungen und die Stunden in einem kleinen dunklen Zimmer, das nur mit einem Bett und einem großen Fernseher an der Wand ausgestattet war. Er erinnerte sich nostalgisch daran. Anfangs war es noch angenehm, dann wurde das Gefühl alt und verging mit der Zeit komplett. Seit einem Jahr litt er an Depressionen. Er brauchte ein neues Stück mehr als je zuvor. Die Magie von Krakau regte ihn wie ein Aphrodisiakum an. Heute würde er prüfen, ob er den richtigen Schauspieler ausgesucht hatte. Er analysierte andere mögliche Varianten der ersten Improvisationsszene des kleinen Mannes. Ehrlich gesagt überließ der Regisseur ihm die Wahl, aber er hatte ein Gefühl, wofür der Schauspieler sich entscheiden würde. Menschen wie er stellten ihr Wohlergehen immer über das Wohlergehen Anderer. Mit wachsender Erregung machte er sich an die Arbeit.

    Er brauchte zwei Stunden, um sich vorzubereiten. Danach aß er ein aus drei Butterbroten mit Käse und Lachs bestehendes Abendbrot, das er mit Kaffee aus seiner Thermoskanne herunterspülte. Gesättigt legte er sich ins Gras, in sicherer Entfernung von der Lichtung. Das Militäroutfit maskierte perfekt seine Präsenz, er war wie verschmolzen mit dem Grün. Er wartete und sog die Düfte des Frühlings auf. Das Gras wuchs, die Bäume blühten, Spinnenweben, so genannter Altweibersommer, schwebten in der Luft und er begann sein neuestes Stück. Dank der Natur konnte er alles aus nächster Nähe beobachten. Sie war sein Verbündeter. Diese perfekte Kulisse wurde durch die vom Wind und dem Gesang der Vögel durchsetzte Stille abgerundet. Seit heute Morgen hatte er keine Menschenseele getroffen. Es war noch lange nicht Zeit für Ferien, also verbrachten die Kinder ihre Zeit in der Schule und spaßhungrige Erwachsene entschieden sich meistens für Hotels in der Stadt. Sie sind dem intimen Kontakt mit der Natur entwachsen. Im Gegensatz zum Schauspieler. Der lebte gerade seine zweite Jugend und war romantisch; das war etwas, das dem Regisseur sehr gefiel. Sein Hang zur Romantik würde nämlich bald auf eine echte Probe gestellt werden.

    Er überprüfte noch einmal die gesamte Ausrüstung. Er liebte technologische Innovationen. Jedes Jahr steigerten sie seine Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Dank dieses Fortschritts konnte er vollere, greifbarere Genüsse erforschen. Er machte sich keine Illusionen, er war anders als alle anderen. Niemand verstand ihn und er wollte überhaupt nicht verstanden werden. Seine Andersartigkeit machte ihn einzigartig. Zufrieden mit seinen Arbeitsgeräten kehrte er in die Liegeposition zurück und begann sich einer Aktivität zu widmen, die er liebte – dem Beobachten.

    Gegen halb sechs verscheuchte das Surren eines mächtigen Dieselmotors die Vögel und übertönte die magische Melodie der Natur. Der Regisseur verspürte eine angenehme Spannung, er war vom bloßen Geräusch des Wagens erregt. Ohne darüber nachzudenken, berührte er seinen Schritt, wonach er sich flach auf das Gras legte, das ihm half, unsichtbar zu werden. Der Schauspieler quetschte sich mit seinem Auto durch den engen Waldweg, bereit, seine erste große Rolle zu spielen.

    1

    Ich verließ mit meinem schwarzen Audi Q7 den Schotterweg – nicht die schlechteste Straße übrigens – und bog auf einen holprigen Waldweg ab. Als ob es nicht schlimm genug gewesen wäre fünfzig Kilometer pro Stunde zu fahren, musste ich jetzt auf zwanzig verlangsamen. Auf der Suche nach dem richtigen Stückchen Wald, mit ein bisschen baumfreiem Platz, dachte ich über meine Reisegefährtin nach, die auf dem Beifahrersitz saß und provozierend ihr schulterlanges blondes Haar kämmte.

    Sie hieß Monika, war zwanzig Jahre alt, wir kannten uns kaum. Vom ersten Tag an, als wir leidenschaftlich unserer Begierde in ihrer Wohnung nachgegangen waren, konnte ich ihr den eher unehrenhaften Titel einer Geliebten geben. Ich hatte es nicht geplant. Es war mir schon klar, dass selbst das Wort Geliebte normalerweise Schwierigkeiten prophezeite.

    Monika erschien wie ein vom Himmel gesandter Engel, der mir dabei helfen sollte, mit dem Trinken aufzuhören; etwas, worüber meine Frau sich immerzu beschwerte. Sie kam auf mich zu, während ich an einem Glas Wasser in einer der vielen Bars auf dem Kazimierz nippte. Wir tranken einen Kaffee, sie lud mich zu sich ein und, später im Bett, tat sie alles, was ich von ihr wollte. Sie hatte sich so überzeugend verhalten, dass ich ihr nicht widerstehen konnte. Sie sprach nicht viel über sich selbst. Sie wusste, dass ich eine Frau hatte und es schien ihr egal zu sein. Zuerst dachte ich, dass sie einen Sponsor suchte, denn mit meiner Körpergröße von einem Meter und fünfundsiebzig Zentimetern, minimalem Übergewicht, schwarzen, über der Stirn hängenden Haaren, Dreitagebart und achtundzwanzig Jahren auf dem Buckel, konnte ich ihr wohl kaum gefallen. Jedenfalls im Gegensatz zu meinem Audi, den trendigen Klamotten und einer ziemlich teuren Longines-Uhr. Obwohl sie in einer nicht sehr gehobenen Wohnung lebte, in der die Ausstattung des Kleiderschranks höherwertiger war als das Mobiliar, zahlte sie immer für sich selbst. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sie mich ganz einfach mochte und als ich es nach einer kurzen Funkstille nicht mehr lassen konnte, schlug ich ein Picknick im Wald ein paar Dutzend Kilometer südöstlich von Krakau vor.

    „Schau, Wiktor, die auf der linken Seite ist perfekt!, schrie sie mit sexy heiserer Stimme und zeigte mit dem Finger auf etwas. Sie riss mich aus meinen Gedanken über sie. Anstatt darauf zu schauen, was sie mir zeigen wollte, sah ich sie an. Für unser erstes gemeinsames Picknick hatte sie eine hellblaue ausgefranste Jeans, weiße Turnschuhe und ein blaues T-Shirt mit einer weißen Aufschrift in der Mitte angezogen. All dies betonte ihre überdurchschnittliche Figur. „Wie findest du die? Eignet die sich?

    „Sicher, passt gut." Endlich sah ich, worauf sie zeigte, und ich musste zugeben, dass sie recht hatte. Wir standen an einer typischen Forststraße zwischen einer Wiese mit hohem Gras auf der linken Seite und einer wunderschönen Lichtung, die an eine entzückende Insel inmitten des Waldes erinnerte, auf der Rechten. Die Natur schien dieses diskrete Fleckchen speziell für uns entworfen zu haben. Es standen Bäume rund um die Insel, eine echte Rarität in unseren Augen.

    „Endlich eine Stelle, wo wir etwas Platz haben. Bleiben wir hier?

    Ich antwortete nicht, stellte nur den Motor ab. Wir standen mitten auf dieser Forststraße, die, nach der Höhe des Grases und der vom Wind verwehten Äste zu urteilen, schon lange niemand mehr besucht hatte. Wir waren am Ende der Welt, in einem von Menschen verlassenen Kaff, wo man von Mobiltelefon-Empfang nur träumen konnte. Ein Ort einsamer Zweisamkeit, wie gemacht für diskrete Liebhaber.

    „Natürlich bleiben wir, noch so eine verlassene Insel finden wir nicht", antwortete ich.

    Lächelnd holte Monika einen Picknickkorb aus dem Kofferraum und ich breitete die rot-schwarz karierte Decke aus, die ich morgens speziell für diesen Anlass gekauft hatte.

    „Nachdem du dich so lange nicht gemeldet hast, dachte ich schon, dass du gar nicht mehr anrufen würdest." Sie wies auf die Funkstille hin, die ich in unserer – sagen wir mal ruhigen – Beziehung eingeführt hatte. Sie rief mich immer als Erste an und plötzlich dann nicht mehr. Sie hatte den Kontakt abgebrochen und offensichtlich darauf gewartet, dass ich mich melden würde. Ich hatte lange gebraucht, um mich dazu zu entscheiden anzurufen, was ich nie hätte tun sollen. Meine Geilheit erwies sich als stärker als der gesunde Menschenverstand und so waren wir am Ende der Welt, in der Pampa, gelandet. „Ich hab gedacht, dass du für immer zu deiner Frau zurückkehrst, und hier, na gucke mal, was für eine schöne Überraschung." Sie betonte die Worte Frau und Überraschung.

    Sie war für einen solch jungen Menschen ziemlich dreist, aber ich gab ihr keine Anzeichen, dass es mich störte. Ich kannte bessere Wege, um mit so einer gehässigen Persönlichkeit umzugehen.

    „Ja doch, ich kehre zu ihr zurück, aber erst heute Abend." Ich mochte es, sie zu necken. Dank dieser bedeutungslosen verbalen Austausche vergaß ich den Alltag, der jeden Tag komplizierter wurde. Ich griff nach Kondomen im Handschuhfach, ohne meine Absichten vor Monika zu verbergen.

    „Ich sehe, Vorsorge ist besser als Nachsorge. Nur wie kannst du dir so sicher sein, dass du die auch benutzen wirst?", fragte sie mich neckisch und setzte sich auf die Decke. Sie nahm eine Flasche Wein, einen Korkenzieher und ein Weinglas aus Plastik aus dem Picknickkorb. Sie wusste von meinem sogenannten Alkoholproblem, aber sie genierte sich keineswegs vor mir zu trinken.

    „Unser letztes Treffen hat genau so geendet. Der Wahrscheinlichkeitsrechnung nach sind die Chancen, dass das heutige Treffen ein anderes Ende nimmt, ungefähr gleich Null", erklärte ich ihr und sie kicherte unschuldig. Ich setzte mich neben sie.

    „Immerhin ist das ja auch der einzige Grund, warum du dich mit mir triffst, oder?, fragte sie. Ich öffnete die Flasche und füllte das Plastikimitat von einem Weinglas mit der rubinroten, dicken Flüssigkeit. „Für Gespräche hast du ja deine Frau, ich diene etwas ganz anderem. Sie nahm einen großen Schluck Wein.

    Sie wurde unruhig, vorher hatte sie meine Frau nicht so oft erwähnt. Ich hatte keine Absicht, die Fakten zu leugnen. Aber anscheinend meinte Monika nach den paar Tagen der Trennung, dass sie ein Gespräch zu führen brauchte, ohne welches es unmöglich war, das zu tun, worauf ich gehofft hatte. Sie wartete darauf, dass wir mit dem Picknick beginnen, um endlich ihren Unmut zu zeigen, wie wenig sie lediglich eine Dame zu Unterhaltungszwecken sein wollte. Ich wusste aber, wie ich ihre Knie weich lassen werden konnte.

    „Es ist also höchste Zeit, etwas zu ändern, antwortete ich mit einem Lächeln und warf die Gummis in die Ecke der Decke. „Warum erzählst du mir nicht etwas von dir? Sie wollte nicht wie ein Ersatzspieler behandelt werden. Sie kämpfte um einen Platz im ersten Kader. Ich musste ihr das Gefühl geben, ein wichtiger Teil meines Lebens zu sein.

    „Na endlich fragst du mich etwas. Sie trank noch einen Schluck Wein. In ihrer heiseren Stimme war wieder ein fröhlicher Unterton erkennbar. „Bis jetzt hat dich meine Welt ja überhaupt nicht interessiert.

    „Ich dachte, du wolltest sie von mir fernhalten."

    „Nein, es war dir einfach egal, aber … Sie ging zum Picknickkorb, um ein weiteres Plastikglas zu holen. „Da wir uns in eine neue Phase begeben, die Phase des sogenannten Fragenstellens, sollten wir darauf anstoßen. Sie platzte wieder vor Freude und reizte mich mit einem Glas Wein.

    Ich dachte einen Moment über das Angebot nach. Ich, sie und nur ein kleines Glas dieses Trunkes. Es klang himmlisch, vor allem nach vier Monaten kompletter Abstinenz. Ich konnte mich kaum zurückhalten, aber der Kampf mit dem Alkoholismus war eine gute Ausrede für mein Gewissen. Falls ich etwas trinken würde, würde ich anfangen zu bereuen, eine Geliebte zu haben. Vielleicht war solch eine Erklärung unsinnig, aber sie funktionierte.

    „Das klingt verlockend, Engel. Leider weißt du, dass ich das nicht kann. Ich umhüllte das offene Ende des Glases mit meiner Handfläche. „Wasser, bitte.

    Sie reichte mir eine Plastikflasche mit säuerlicher Miene.

    „Na ja, okay, obwohl ich deine alkoholische Askese nicht so recht verstehe. Das Leben ist zu kurz, um sich ein Vergnügen zu verweigern. Innerlich gab ich ihr recht. „Auf unsere nächste Phase. Sie trank einen soliden Schluck Wein und schloss die Augen, um das Vergnügen noch mehr auszukosten. Ich musste mich mit Wasser zufrieden geben. „Also … Sie würgte ein wenig. „Frag, was du willst.

    Monika hat mich wirklich fasziniert. Vorher hatte ich nicht zu tief gehen wollen, hatte versucht, unser Abenteuer lediglich als unschuldigen Spaß zu behandeln. Aber jetzt, ohne ein ehrliches Gespräch, konnte ich nicht darauf zählen, zum Highlight des Programms zu kommen – Sex unter freiem Himmel. Ich zuckte unbekümmert mit den Schultern und begann mit den dringendsten Fragen.

    „Woher kommst du? Wahrscheinlich die richtige Frage für den Anfang des großen Verhörs", ich zwinkerte ihr zu. Monika versuchte zu lachen, aber ihre Lippen, anstatt sich zu einem Lächeln zu krümmen, zuckten unter dem Einfluss eines weiteren Keuchanfalls.

    „Es geht. Bin aus Węgorzewo. Die Antwort wurde von einem weiteren, lauteren Husten begleitet. „Noch ein Glas, bitte.

    „Warum lebst du allein?" Diese Frage beschäftigte mich seit Anfang an. Normalerweise leben Zwanzigjährige nicht allein in einem Altbau in Podgorze. Normalerweise haben sie Mitbewohner oder so.

    „Weil ich …, sie hustete noch zweimal, „ein unabhängiges Mädchen bin. Sie wollte wieder lächeln, doch der nächste Keuchanfall erlaubte es ihr nicht. Sie hörte nicht auf zu husten. Ich dachte, sie hätte sich verschluckt.

    „Monika, geht’s dir gut? Fragte ich leicht erschrocken. Ich bekam keine Antwort und der Husten wurde schlimmer. Sie war nicht mehr in der Lage zu sprechen. Sie krümmte sich und umklammerte ihre Lungen mit den Händen. Der Wein war bestimmt nicht in ihre Luftröhre geraten. Das Husten und Keuchen dauerte länger als bei normalem Verschlucken der Fall war. Es sah aus wie ein Asthmaanfall oder eine andere Atemwegserkrankung. „Bist du krank? Dies hätte meine erste Frage sein sollen, nicht die Vierte.

    Sie schüttelte den Kopf, während sie weiter hustete. Sie zeigte mit zitternder Hand auf das Auto. Erst nach einer Weile verstand ich, was sie meinte. Ich riss mich von der Decke und rannte zum Auto, um ihre Handtasche, die auf dem Rücksitz lag, zu holen. Ich kippte den ganzen Inhalt der Tasche auf die Decke. Monika hörte währenddessen nicht auf zu husten.

    „Nimmst du irgendwelche Medikamente? Bitte, zeig mir, wonach ich suchen soll.

    Mit vom plötzlichen Adrenalinschub zitternden Händen versuchte ich, etwas, das Tabletten, einem Injektionsset oder einem Inhalator ähnelte, zu finden. Ich wusste nicht, was sie brauchte. Ihr Zustand verschlechterte sich von einer Sekunde zur Nächsten. Sie hatte ernste Atembeschwerden. Aus ihrer Nase trat ein dickflüssiger, weißer Schaum. Ihre Augen erinnerten einen nicht mehr ans azurblaue Meer. Sie verwandelten sich in das Rote Meer, in das bläuliche Blitze einschlugen. Mit einer Hand hielt sie ihren Hals fest, mit der anderen versuchte sie etwas Hilfreiches unter den auf der Decke liegenden Dingen zu finden. Plötzlich fiel sie um.

    „Monika, bitte, gib mir ein Zeichen!

    Panisch durchsuchte ich den Inhalt der Tasche. Handy, Wohnungsschlüssel, Notizbuch, Schminkset, kein medizinisches Zubehör. Mir gingen die Optionen aus. Ich hatte nie einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Mir wurde klar, dass Monika professionelle Hilfe brauchte.

    „Ich rufe einen Krankenwagen, informierte ich sie und griff nach meinem Handy. „Verdammt! Ich warf das Telefon panisch auf den Boden. Ich hatte vergessen, dass man die Notrufnummer ohne Empfang anrufen konnte. Außerdem war ich hier mit meiner Geliebten!

    Erschwerend kam hinzu, dass sie immer seltsamere Geräusche von sich gab. Sie hustete nicht mehr, sondern zischte nur wie eine sich vor Schmerzen windende Schlange. Ich schaute ihr ins Gesicht. Ihr Mund war offen, ihre Nase war mit Schaum bedeckt und ihre Augen waren blutrot. Die Situation sah, egal aus welchem Blickwinkel betrachtet, sehr pessimistisch aus. Ich hatte Angst und wusste nicht, was ich tun sollte. Sie hatte einen Schüttelkrampf, ihre Körpertemperatur sank ebenfalls. Sie umarmte sich mit den Händen.

    „Oh Gott, Monika, was soll ich nur tun?! Ich schrie vor Entsetzen. Aus ihrem Mund traten einzelne Blutstropfen. Sie wurde zuerst braun und nach einiger Zeit bläulich, ihre Haut wechselte die Farbe mit der Geschwindigkeit eines Chamäleons. Endlich verharrte sie in Embryonalstellung. Sie bewegte sich nicht, ihre Augen immer noch offen. „Monika, Monika, nein! Ich packte ihr Gesicht. Alle Schönheit war ausgebrannt wie ein Feuer in einem Kamin. Es blieb nur ein blaues, geisterhaftes Gesicht ohne Anzeichen eines Bewusstseins. „Wach auf, zum Teufel, wach auf!, schrie ich und schüttelte ihren Kopf, aber sie gab keine Antwort. „Nein, nein, nein! Den Kopf fest zu drücken, brachte nichts, das Mädchen schwieg immer noch.

    Als ich in ihre leeren, seelenlosen Augen blickte, wurde mir klar, dass Monika tot war.

    Ich stand auf und sah auf sie herab. Voller Naivität glaubte ich, dass sie sich noch bewegen würde. Ich war in einem echten Schockzustand.

    Ich ging im Kreis, die Arme im Nacken verschränkt. Ich versuchte, die Fakten zu leugnen. Vor meinen Augen erschienen dunkle Flecken. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hatte. Zurück in der Realität fühlte ich mich wie nach einer harten, alkoholreichen Nacht. Ich kam langsam wieder zu mir und erinnerte mich daran, welche Exzesse ich in meiner Trunkenheit begangen hatte. Viele solcher Momente hatte ich schon in meinem Leben gehabt, aber eine tote Liebhaberin – das war mir im Zustand völliger Abstinenz passiert.

    Ich hob mein Handy auf. Es war nicht nötig, einen Krankenwagen zu rufen. In der aktuellen Situation wäre die Polizei nützlicher gewesen. Allein der Gedanke an uniformierte Beamte jagte mir eisige Schauer über den Körper. Langsam wurde es dunkel und ich konnte nicht ewig an der Seite der toten Monika warten. Ich musste etwas tun, wusste nur nicht was. Eines war sicher: Ich musste jemanden anrufen. Entweder die Polizei oder einen Freund, denn diese Option hatte ich auch berücksichtigt. Dies bedeutete, ich musste die Leiche im Wald zurücklassen. Und was, wenn jemand sie finden würde? Vielleicht sollte ich Monika mitnehmen und ins Krankenhaus bringen? Nervöse Gedanken kreisten in meinem Kopf. Letztendlich entschied ich mich dazu, die Leiche liegen zu lassen und wickelte nur die karierte Decke um sie. Ich dachte kurz darüber nach, sie tiefer in den Wald zu ziehen, aber ich wollte sie nicht mehr anfassen. Ich packte den Inhalt ihrer Tasche, startete das Auto und machte mich auf die Suche nach Empfang.

    ***

    Die Abfahrt des Schauspielers verursachte im Regisseur ein erwartetes Gefühl von Unsicherheit. Bisher lief alles nach Drehbuch. Die erste Szene hatte der Schauspieler brillant gespielt, selbst diesen Schockmoment, die Verleugnung – es kam alles so natürlich. Niemand zuvor hatte jemals so kalt reagiert, geradezu emotionslos. Die Meisten brachen zusammen und gewöhnten sich nur langsam an ihre neue Realität. Der neue Schauspieler wartete nicht, er beschloss zu handeln. All die Romantik, die er für diese Frau empfand, platzte wie eine Seifenblase, die ihr Leben umschloss. Als der verängstigte Mann das tote Gesicht berührte, fühlte der Regisseur das sofortige Bedürfnis sich zu befriedigen. Das Blut schoss vom Kopf geradewegs in seinen Schritt. Im letzten Moment hielt er sich zurück. Die richtige Zeit, um den Genuss voll auszukosten, würde noch kommen.

    Mit der Entscheidung zu gehen, begann der Schauspieler zu improvisieren. Der Regisseur war entnervt wegen des fehlenden Einflusses auf die Entwicklung des Geschehens. Er verlor nicht gern die Kontrolle. Er hatte ein paar mögliche Szenarien vorhergesagt und positionierte die jeweils passenden Geräte. Er hoffte, dass der Schauspieler in dieser bahnbrechenden Szene seine wahre Berufung unter Beweis stellen würde. Wenn er ohne Sirenenbegleitung zurückkehrt, wird sein Stück auf einem höheren Niveau aufgeführt werden. Vorerst konnte der Regisseur aber nur warten. Er zoomte mit der Kamera auf die in der Decke umhüllte Leiche und begann, die erste Szene noch einmal zu durchleben.

    2

    Ich war drei Kilometer mit dem Handy in der rechten Hand gefahren. Ich bemühte mich, meine Gedanken auf die Straße zu fokussieren und darauf zu warten, dass auf dem Display wenigstens ein kleiner Balken auftauchte, der mich über den zurückkehrenden Empfang informieren würde. Mein Unterbewusstsein flüsterte mir zu, es wäre am besten, wenn die magische Aufschrift kein Signal nie verschwinden würde. Leider war ich nach zwei weiteren Kilometern wieder in der Zivilisation auf einer Asphaltstraße und hatte die Möglichkeit mobil mit der Welt in Kontakt zu treten.

    Ich parkte das Auto am Straßenrand und starrte auf den durch bunte Icons verdeckten Handy-Bildschirm, auf dem eine attraktive, grünäugige Frau mit langen roten Haaren und verlockenden, üppigen Kurven abgebildet war. Sie saß auf einer Felsenklippe, ein grau gepunktetes luftiges weißes Kleid mit Schulterträgern tragend. Im Hintergrund waren die majestätischen Wellen des Mittelmeers zu sehen. Als ich mir das Bild anschaute, verstand ich, dass ich, falls ich die Polizei riefe, wahrscheinlich nie wieder einen Sommer in Griechenland mit dieser Frau verbringen würde. Vielleicht würde ich sogar die Gelegenheit, ein gemeinsames Abendessen zu verzehren, verpassen – oder selbst eine so undankbare Aktivität wie das Abbezahlen eines Hauskredits würde mir entgehen. Iga war keine dieser vor Akzeptanz strotzenden Ehefrauen – und erst recht nicht, wenn es darum ging, ihrem Mann einen Seitensprung zu verzeihen. Auch wenn das mit meinem Alkoholproblem helfen sollte. Nachdem die Polizei mit eingebunden war, würde es schwer werden, diese Tatsache vor ihr zu verbergen. Meinen besten Freund anzurufen, garantierte auch keinen Erfolg. Ich bewunderte ihre vom Wind verwehte Haarpracht, während ich darüber nachdachte, diese verfluchte Nummer – 112 – zu wählen. Meine Überlegungen wurden von einer SMS von Iga unterbrochen. Die Nachricht tauchte nur wenige Augenblicke nach der Wiedererlangung des Empfangs auf. Der Inhalt war aussagekräftig:

    „Wiktor, wo bist du? Ich versuche seit einer Stunde durchzukommen, es geht immer die Ansage los; der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. Du hast doch nicht

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