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Salltal-Saga: Die Geschichte der Familie Bauer aus Mainhardtsall und die Sozialgeschichte Hohenlohe-Frankens 1879 - 2016
Salltal-Saga: Die Geschichte der Familie Bauer aus Mainhardtsall und die Sozialgeschichte Hohenlohe-Frankens 1879 - 2016
Salltal-Saga: Die Geschichte der Familie Bauer aus Mainhardtsall und die Sozialgeschichte Hohenlohe-Frankens 1879 - 2016
eBook763 Seiten8 Stunden

Salltal-Saga: Die Geschichte der Familie Bauer aus Mainhardtsall und die Sozialgeschichte Hohenlohe-Frankens 1879 - 2016

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Über dieses E-Book

Die Geschichte der Familie Bauer aus Mainhardtsall und die Sozialgeschichte Hohenlohe-Frankens 1879 - 2016
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Feb. 2018
ISBN9783734597084
Salltal-Saga: Die Geschichte der Familie Bauer aus Mainhardtsall und die Sozialgeschichte Hohenlohe-Frankens 1879 - 2016

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    Buchvorschau

    Salltal-Saga - Prof. Dr. med. Friedrich Eckhard Bauer

    1. Stammbaum der Familien Bauer (ab 1645) und Denner (ab 1692)

    Ein Stammbaum ist der Pfad einer Familie in die Vergangenheit. Er beschreibt die Nachkommen des ältesten bekannten Vorfahr, der Stammvater oder Ahnherr gnannt wird. Bei der Familie Bauer, Mainhardtsall, ist dies Bartel Bauer aus Vogelsberg bei Künzelsau, der um 1645 dort geboren wurde. Nach ihm sind in absteigender Reihenfolge seine Nachkommen dokumentiert. Dabei wird von der Vergangenheit ausgehend die väterliche Linie bis in die Gegenwart verfolgt. Wird nur die Erbfolge in der Vaterlinie dargestellt, so spricht man von Stammlinie oder Stammliste. Hier fehlen jeweils die Vorfahren der Mutter sowie die Geschwister der Erbsöhne/-Töchter und deren Nachkommen. Im vorliegenden Fall des Bartel Bauer fehlen die Vorfahren der Mutter, die Geschwister der Erbsöhne/-Töchter sind aber teilweise dargestellt. Bei dem Stammbaum des Bartel Bauer handelt es sich also streng genommen um eine Mischung aus Stammbaum und Stammlinie.

    Die Nachfahren des Stammvaters der Familie der Magdalene Bauer, geb. Denner, Mainhardtsall, sind in Form einer reinen Stammlinie dargestellt, denn ausgehend vom Stammvater Jacob Denner, Mangoldsall, (Heirat 1692) handelt es sich um eine alleinige Darstellung der männlichen Nachfahren in der Väterlinie.

    Das Einzelkind Magdalene Denner heiratete 1879 den Goggenbacher Georg Bauer, wodurch die Dennersche Linie in Mainhardtsall ausstarb. Meine väterliche Linie geht also bis zu Bartel Bauer, Vogelsberg, um das Jahr 1645 zurück, meine urgroßmütterliche bis zu Jacob Denner, Mangoldsall, um 1692.

    1.1 Der Ursprung der Familie Bauer, Mainhardtsall

    ¹

    Der Stammvater der Familie Bauer, Bartel Bauer, ist mit seiner Geburt um 1645 in Vogelsberg bei Künzelsau zu verorten (Abb. 1a-e). Sein Sohn, Hans Kasper Bauer, kam durch Heirat mit Anna Abel 1684 in den Nachbarort nach Lassbach, in dem seine Nachfahrren die nächsten drei Generationen lebten. Sein Ur-Ur-Enkel, Johann Christian Bauer I heiratete 1812 Marie Barbara Schmidt aus Goggenbach und lebte seit seiner Eheschließung als Bauer und Gemeinderat in Goggenbach, Haus Nr. 2. Dessen Sohn Johann Christian Bauer II heiratete 1850 Katherine Kotzel, die Tochter des Goggenbacher Löwenwirts, Haus Nr. 19 und begründete um diese Zeit im Haus Nr. 2 das Gasthaus zum Lamm. Er war Bauer und Lammwirt. Dessen Sohn war Georg Christian Friedrich Bauer. Er ist 1854 in Goggenbach geboren und heiratete am 27. Mai 1879 Rosine Magdalene Denner, die einzige Tochter des Bauern Andreas Denner aus Mainhardtsall. Er ist der Stammvater der Bauers in Mainhardtsall. Sein elterliches Anwesen in Goggenbach übernahmen seine 1856 geborene Schwester Katherine Barbara Hachtel, geb. Bauer und ihr Mann Georg Michael Hachtel. Der Bruder Karl Christian Bauer, 1870 geboren, heiratete 1896 die Witwe des Kronenwirts, Magdalene Mebus, geborene Hübner, aus Eschental, die die Gaststätte ursprünglich von der Hübner-Seite in die Ehe einbrachte. Er ist der Stammvater der Bauers in Eschental. Dann gab es noch die Schwester Barbara Magdalene Bauer, geboren 1852, die 1873 den Bauern Georg Friedrich Graf aus Fessbach heiratete und die Schwester Barbara Rosine Bauer, 1859 geboren, die 1886 den Bauern Johann Heinrich Stock aus Rudelsdorf bei Wolpertshausen ehelichte.

    Auf dem Haus Nr. 2 in Goggenbach ging der Familienname Bauer 1882 bis 1895 auf den Namen Hachtel über. Dieser verkaufte seinen Hof 1895 einem Herrn Feucht. 1900 fand der Namenswechsel zu Frenz statt. Er war der letzte Lammwirt. Der Name blieb bis mindestens 1949 erhalten. Später wechselten die Namen zu Baumann und Scholz. Aus der Zeit des Johann Christian Bauer I existiert noch eine Inschrift der Jahreszahl „1820" über dem Scheuneneingang des Hofes Nr. 2. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Wohnhaus zerstört und 1949 neu aufgebaut. Davon berichtet noch die Inschriftentafel über dem Hauseingang des Hauses Nr. 2:²

    Durch Kriegsereignisse zerstört am

    11. April 1945. Wieder aufgebaut

    von Hermann Frenz und Frieda,

    geborene Feucht, 1949.

    Abb. 1a: Stammbaum der Familie Bauer, Übersicht I: 1645-1850.

    Abb. 1b: Stammbaum der Familie Bauer, Übersicht II: 1850-1923.

    Abb. 1c: Stammbaum der Familie Bauer, Linie Mainhardtsall 1913-2016.

    Abb. 1d: Nachfahren von Rosa Bauer, Linie Mainhardtsall 1883-2004.

    Abb. 1e: Nachfahren von Lina Bauer, Linie Mainhardtsall 1880-2009.

    1.2 Der Ursprung der Familie Denner, Mainhardtsall (mütterliche Linie des Christian Bauer)

    ³

    Der Stammvater der Denners aus Mainhardtsall ist Jacob Denner aus Mangoldsall; von ihm ist nur bekannt, dass er am 7. Juni 1692 geheiratet hat (Abb. 2). Von der Ehefrau kennen wir nur der Vornamen Margarethe und dass sie die Tochter eines Bauern aus Orendelsall war. Ihr Sohn Albrecht Leonhard Denner, am 28. Februar 1696 in Mangoldsall geboren, heiratete am 3. Oktober 1724 Regina Barbara Eberlein aus Großhirschbach. Das Paar übernahm dann den Hof in Mainhardtsall. Albrecht Leonhard Denner war also der Stammvater der Denners in Mainhardtsall. Da beide nicht aus Mainhardtsall stammten, bleibt nur die Schlussfolgerung, dass sie den Hof in Mainhardtsall entweder gekauft oder geerbt haben. Beide lebten in Mainhardtsall und verstarben auch dort, Albrecht Leonhard am 13. Dezember 1749, seine Frau starb am 21. April 1785 an „Schlagfluss [Schlaganfall]. Der erste in Mainhardtsall geborene Denner war ihr Sohn Johann Andreas Denner I, geboren am 20. August 1725 in Mainhardtsall. Er verstarb am 10. Januar 1798 an „Schlagfluss [Schlaganfall] an seinem Geburtsort Mainhardtsall. Sein Sohn Georg Leonhardt Denner (geb. 1755), sein Enkel Johann Andreas Denner II (geb. 1788) und sein Ur-Enkel, Johann Andreas Denner III (geb. 1827) führten den Familienbetrieb in direkter Linie weiter. Johann Andreas Denner III heiratete am 17. Oktober 1848 in Kirchensall Rosine Katherine Löchner (geb. 1825) aus Langensall. Das Paar hatte insgesamt sechs Kinder, jeweils drei Söhne und drei Töchter, die mit Ausnahme des vierten Kindes, der Tochter Rosine Magdalene Denner (geb. 1856) alle kurz nach ihrer Geburt gestorben sind. Rosine Magdalene Denner heiratete dann 1879 Georg Christian Friedrich Bauer aus Goggenbach, der zusammen mit seiner Frau den Hof seines Schwiegervaters in Mainhardtsall übernahm. Er wurde damit zum Stammvater der Bauers in Mainhardtsall und so führte das Paar den Hof in die nächste Generation.

    Abb. 2: Stammbaum der Familie Denner um 1670 -1918.

    Christian Friedrich Bauer ist der erste in Mainhardtsall geborene Bauer und mein Großvater.

    2. Das Leben im Kaiserreich (1879 - 1918)

    2.1 Der Hof in Mainhardtsall und der Namenswechsel von Denner zu Bauer im Jahr 1879

    Mit der Heirat des Goggenbacher Georg Christian Friedrich Bauer mit Rosine Magdalene Denner aus Mainhardtsall am 27. Mai 1879 ging der Hofname von Denner auf Bauer über, da Georg und seine Frau den Hof übernahmen. Somit war ein neuer Bauer ins Dorf gekommen, was zu dem Hausnamen „Neubauer führte. Hiermit wurde die Hofstelle des Andreas Denner jetzt belegt. Solche Namen sind sehr langlebig: Noch 140 Jahre später, in den Zeiten seines Ur-Enkels Eckhard ist der Name „Neubauer immer noch in Gebrauch.

    Ein Generationswechsel in der Führung eines Hofes zog auch damals bereits eine gewisse Bürokratie nach sich, die erhalten blieb und hier dargestellt werden soll. Im 19. Jahrhundert war die Dokumentation von Rechten und Besitz noch ganz anders geregelt als in unseren Tagen. Es gab eine Reihe von Büchern, in denen die verschiedensten Rechtsverhältnisse separat erfasst waren. Der Grund dieser Dokumentationen war im wesentlichen der gleiche wie heute. Es ging um Rechtssicherheit, Vermeidung von Erbstreitigkeiten und um die Grundlagen zur Erhebung von Steuern. Eine kurze Einführung sei deshalb vorangestellt.

    2.2 Inventuren und Teilungen der Eheleute Magdalene und Georg Bauer

    Zwei Zäsuren im Lebenszyklus der Menschen sind die Heirat und der Tod. Bei der Heirat kommen die Vermögen der Eheleute zusammen. Die detaillierte Vermögenserfassung der Eheleute zum Zeitpunkt der Heirat war die Inventur. Nach dem Tod geht es um die (Auf-)Teilung des Vermögens des Verstorbenen unter seinen Nachfahren. Die Erfassung dieses Sachverhaltes war die Aufgabe der Teilungen. Die gesetzliche Grundlage hierfür schaffte Herzog Christoph von Württemberg bereits 1555 mit dem damals erschienenen Ersten Landrecht. Inventuren und Teilungen sind ein Teil des württembergischen ehelichen Güter-, Erb- und Vormundschaftsgerichts. Inventuren und Teilungen umfassten die Alltagskultur und die Lebenswelt der Menschen vor Ort.

    Von Form und Inhalt her gab es drei Arten von Inventuren und Teilungen:

    Die Beibringensinventur: Hier wurde das von den Brautleuten eingebrachte Vermögen erfasst („beigebracht"). Sie beginnen mit Ort und Datum, dem Namen der Eheleute und dem Zeitpunkt der Verheiratung. Dann folgt die Vermögensbeschreibung des Ehemannes und dann die der Ehefrau. Beide haben am Schluss das Inventar zu unterschreiben. Diese Erfassungsform lag bei den Eheleuten Georg und Magdalene Bauer vor.

    Die Eventualteilung: Hier wurden die Erbteile nicht wirklich geteilt (abgetrennt), sondern nur der Anteil der (weichenden) Erben ermittelt und festgeschrieben. In der Landwirtschaft bedeutete dies, dass der älteste Sohn den Hof bekam, ohne dass dadurch Teile für die Geschwister davon abgetrennt wurden (Anerbenrecht). Seine Geschwister hatten das Anrecht auf den in der Teilung festgeschriebenen Anteil. Ursprünglich waren dies meist Naturalien. Später wurde das Problem so gelöst, dass die Schwestern eine Aussteuer und die weichenden Brüder einen Geldbetrag oder eine „wertvolle" (z. B. akademische) Ausbildung erhielten. Die Eventualteilung war die Regelung, die für Hohenlohe galt.

    Die Realteilung: Hier wurde das Vermögen wirklich geteilt. Hatte ein Hof 21 Hektar und waren es drei Kinder, so erhielt jeder 7 Hektar. Diese Regelung galt nicht in Hohenlohe, sondern in anderen Teilen des Landes.

    Zur Dokumentation von Besitztümern einer Person dienten die Güterbücher. Sie waren auch die Grundlage für die Erhebung von Steuern. Für die Landwirtschaft bedeutete dies die Erfassung der Hofstelle mit allen Gebäuden und Gelassen und allen Parzellen mit Namen, Parzellennummern und -Größe. Die Servitutenbücher beinhalteten alle Dienstbarkeiten, die auf einem Grundstück lagen. Für die Landwirtschaft war die Grunddienstbarkeit die wichtigste. Dies ist eine Belastung, die der Eigentümer dulden muss. Zu dieser gehört beispielsweise das Wegerecht (Duldung der Überfahrt) oder Leitungsrechte, wie das Verlegen der Kanalisation (gegen einmalige Entschädigung). Mit der Grunddienstbarkeit nicht zu verwechseln ist der Nießbrauch. Hier handelt es sich um das Recht zur Nutzung fremden Eigentums. Gängig war der Nießbrauch der „Ausdingerwohnung", nachdem das alte Bauernpaar Haus und Hof an die Familie des Sohnes weitergegeben hat. Hier wohnten die Eltern des jungen Bauern unentgeltlich in seinem Eigentum. Diese Regelung wurde auch bei der Familie Bauer umgesetzt. Dann gab es noch die Kaufbücher. Hierin wurden die Kaufverträge über ein Grundstück eingetragen. Sie dienten gleichzeitig als Grundlage für die Eintragung ins Güterbuch. Die gesamte Pflege all dieser Rechtsgeschäfte lag in den Händen der Notariate.

    Im Jahr 1900 wurden all diese separaten Bücher im Grundbuch zusammengefasst und vereinfacht.

    Im Anhang zum Kapitel „Kaiserreich" gebe ich die wörtliche Übersetzung der Beibringensinventur, des Güterbuchs und des Kaufbuchs der Eheleute Georg Christian Friedrich Bauer und seiner Ehefrau Rosine Magdalene, geborene Denner wieder. Hier im laufenden Text erfolgt lediglich eine kurze Zusammenfassung mit einer Ableitung zur damaligen Lebenswelt.

    Nachdem die jungen Eheleute am 27. Mai 1879 geheiratet hatten, erfolgte die Verhandlung der Beibringensinventur ⁵ vor Notar, Schultheiß und einem Gemeinderatsvertreter am 19. September 1879 auf dem Notariat in Forchtenberg. Zunächst erfolgte das Beibringen des Ehemanns.

    In der Rubrik Liegenschaft wird auf den Kaufvertrag sämtlichen Liegenschaftsbesitztums von den Eltern seiner Ehefrau vom 19. Dezember 1878 Bezug genommen. Hier wird erwähnt, dass der Kaufvertrag erst nach der Eheschließung rechtskräftig wird. Die Eheleute treten gemeinsam als Käufer auf. Kaufpreis 24.000 Mark. Fahrnis [beweglicher Besitz] hat der Ehemann nicht. Bargeld bringt er 10.285,71 Mark mit. Dann folgt eine Auflistung von Büchern, Kleidung und Bettwäsche. Am Schluss die Erwähnung „schuldenfrei."

    Anschließend folgt das Beibringen der Ehefrau:

    Die Liegenschaft ist analog zum Ehemann. Fahrnis hat sie auch nicht. Bargeld hat sie im Wert von 13.714,28 Mark. Anschließend folgt die Auflistung von Gold und Silber, Bücher, Kleidung und Bettwäsche. Wiederum endet das Beibringen mit dem Hinweis „schuldenfrei."

    Dann gibt es den Beschluss, den Vorgang im Güterbuch vorzumerken; dies wurde am 22. Dezember 1880 vollzogen. Im Anschluss folgt die Kostenrechnung.

    Ganz zum Schluss folgte das Bürgerersuchen von Georg Christian Friedrich Bauer. Er stammt aus Goggenbach, somit aus einer fremden Gemeinde. Nachdem er seine Frau geheiratet hatte und sich entschied, in Zukunft in Mainhardtsall zu leben, war es notwendig, ihn in der Gemeinde Kirchensall als Neubürger aufzunehmen. Der Gemeinderat und der Bürgerausschuss beschlossen seine Aufnahme gegen die Entrichtung der gesetzlichen Aufnahmegebühren und von „Sporteln" [Entgelt für Amtshandlungen duch Beamte]. Dies geschah am 30. Dezember 1879 (Anhang I).

    Diese Beibringensinventur wurde dann in das Güterbuch ⁶ aufgenommen und die vollendete Umschreibung des Güterbuches in das seit 1900 obligate Grundbuch mit Datum vom 24. April 1903 bestätigt. Hier werden alle Parzellen mit Güternummern versehen aufgeführt und der einzelne Steuerbetrag in Gulden und Kreuzer ermittelt (Anhang II).

    Die Aufnahme des Kaufvertrages in das Kaufbuch⁷ ist am 19. Dezember 1878 geschehen und wurde am 25. Juni 1879 dort eingetragen. Hier verkauften Andreas und Katharina Denner ihr sämtliches Liegenschaftsbesitztum an ihre Tochter Magdalene Denner und deren Verlobten Georg Christian Friedrich Bauer. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 57,80 Mark. Im Güterbuch sind verzeichnet: Die Hofstelle mit allen Gebäuden, Hofraum, Gemüsegärten und Baumgärten mit einer Gesamtfläche von 2 Hektar, 12 Ar und 39 Quadratmeter. Anschließend wird der Kaufpreis von 24.000 Mark und der abzuziehende Kaufschilling von 15.714,28 Mark als Heiratsgut (Mitgift) erwähnt. Die Jungen müssen also nur die Differenz von 8.285,72 Mark bezahlen. Weiter wird aufgeführt, wie viel Anteil an Vieh- und Fahrnis der Käufer erhält. Der Rest bleibt für den Verkäufer (Altengeneration). In diesem Status ist die Altengeneration noch Miteigentümer an Vieh- und Fahrnis. Möchte sich die Altengeneration von diesem Status trennen (z. B. wegen Gebrechlichkeit), wird ihr Teil auch gleich in ein Leibgeding umgerechnet. Das sind im wesentlichen bestimmte Mengen an Naturalien, die aber auch mit einem Geldbetrag bewertet werden. Außerdem behielten sich Andreas und seine Frau eine Ausdingerwohnung im Bauernhaus in Form eines Nießbrauchs zurück. Zusätzlich sind die Jungen verpflichtet, die Wäsche der Alten zu waschen und bestimmte Nebenkosten der Alten zu tragen (Anhang III). Auf diese Art und Weise wurde die alte Generation im fortschreitenden Alter umsichtig abgesichert.

    Beibringens-Inventur, Güterbuch und Kaufbuch belegen, dass es sich bei den Familien Denner/Bauer in Mainhardtsall um einfache, aber für die Zeit durchaus wohlhabende Bauersleute handelte. Ihr Hof gehörte zu den größeren Höfen der Region und sie haben ihre einzige Tochter mit einer guten Aussteuer ausgestattet. Milieu- und zeitbedingt legten die Eltern keinen großen Wert auf Bildung, auch festzumachen an der Tatsache, dass die Tochter als einziges Buch nur ein Gesangbuch hatte. Diese Tatsache scheint darauf hinzudeuten, dass eine feste Verankerung in der Kirche bestand; dies war zeitbedingt der Normalfall. Der Ehemann der Tochter entstammte dem gleichen Milieu und kam aus dem 10 km entfernten Goggenbach. Für den Bildungsstand (auch er besaß als einziges Buch ein Gesangbuch) galt das gleiche wie für seine Frau. Auch die Familie des Ehemanns war nicht arm, brachte er doch ca. 10.000 Mark an Mitgift mit. Als ältester Sohn hätte er das Anrecht als Goggenbacher Hoferbe gehabt. Die Hofgröße in Goggenbach ist jedoch kleiner als in Mainhardtsall und die Rahmenbedingungen waren auch nicht so gut. Beides waren die entscheidenden Gründe, weshalb er sich für den Standort Mainhardtsall entschied und seinen elterlichen Hof seiner Schwester Katherine Barbara Hachtel, geb. Bauer und ihrem Mann überließ.

    Dass der Umzug von Goggenbach nach Mainhardtsall ein kostenpflichtiges Bürgerersuchen nach sich zog erscheint in der heutigen Zeit doch eher befremdlich. Dies machte eine Abstimmung des Gemeinderats und des Bürgerausschusses über Georg Bauers Antrag notwendig, der theoretisch auch abgelehnt hätte werden können. Im Verständnis der Zeit war der ganze Vorgang aber ein wichtiges Element des Gemeindelebens.

    2.3 Die Kinder von Georg und Magdalene Bauer: Christian, Lina und Rosine

    Der 3. August 1889 war ein herrlicher Sommertag in der arbeitsreichsten Zeit eines Bauernhofes, denn er fällt in die Mitte der Getreideernte. Trotzdem war es dieses Mal anders als in den Jahren davor, denn die junge Bauersfamilie erwartete zum dritten Mal Nachwuchs. Nach zehn Jahren Ehe und der Geburt von zwei Töchtern warteten Georg Christian Friedrich und seine Frau Magdalene sehnlichst auf einen Stammhalter, der natürlich später einmal den Familiennamen weiter tragen und den Hof übernehmen sollte. Obwohl es niemand aussprach, war es den werdenden Eltern und den Großeltern klar, dass dies die letzte Gelegenheit hierzu war, denn Magdalene war mit inzwischen 33 Jahren eigentlich schon zu alt, um nochmals Mutter zu werden. Als sich die Schwangerschaft ankündigte, haben alle dafür gesorgt, dass sich Magdalene einigermaßen schonen konnte, was aber nicht bedeutete, dass sie nicht jeden Tag gearbeitet hätte. Als dieses Jahr die Ernte anstand, hat ihr Mann Georg dafür gesorgt, dass sie von jeglicher Außenarbeit freigestellt wurde. Dies war ein Privileg, das ihr nur einmal in ihrem arbeitsreichen Leben zu Teil werden sollte. Das Schicksal meinte es gut mit den beiden: Bei einer problemlosen Haus-Geburt unter der Leitung der erfahrenen Gemeindehebamme kam dann am 3. August 1889 endlich der ersehnte Stammhalter zur Welt. Auf alle Eventualitäten vorbereitet, hatten die Eltern Namen beiderlei Geschlechts parat. So kam es, dass der Sohn auf den Namen Christian Friedrich getauft wurde. Beide Vornamen hatten Tradition in der Familie und die Weitergabe von mindestens einem dieser Vornamen bei jeder neuen Generation war obligat. Im Fall des Neubürgers Christian kamen gleich beide zum tragen. Im ersten Überschwang der Gefühle ging weitgehend unter, dass es ein kleines, schwächliches Kind war. Gleich fing man an, sich Sorgen um die Gesundheit des Stammhalters zu machen. Am Ende überwog aber die Zuversicht, dass durch intensive Zuwendung und Pflege und guter Nahrung die beklagten Nachteile zumindest weitgehend wettgemacht werden könnten. Der 3. August 1889 war einer der ganz großen Glückstage im Leben der Familie Bauer.

    Georg Bauer hatte Glück, dass er sich in die einzige Tochter des Andreas Denner verliebt hatte. Dies gab ihm die Chance eine überdurchschnittlich auskömmliche bäuerliche Existenz für sich und seine junge Familie zu begründen. Mit einer Betriebsgröße von 25,75 Hektar war der Dennersche Hof der größte im Ort und Georg Bauer konnte sich fortan zu den „großen Bauern zählen. Im Vergleich zu seiner Schwester, Katherine Barbara Hachtel, geb. Bauer, die mit ihrem Mann den elterlichen Hof in Goggenbach übernommen hatte, hatte sich Georg verbessert. Aber auch Andreas Denner und seine Tochter Magdalene konnten zufrieden sein, denn Andreas bekam einen umgänglichen Schwiegersohn, mit dem er ein gutes Auskommen hatte, der mit Tatkraft und Geschick den Hof mehr und mehr übernahm. Andreas war deshalb froh, dass er kurz nach der Hochzeit die Leitung des Hofes auf Georg übergeben konnte, zumal er mit Anfang fünfzig von der vielen harten Arbeit schon deutlich gezeichnet war und ihm bei der harten Arbeit die Glieder zunehmend Schmerzen bereiteten. Auch seine Frau Rosine empfand das so, so dass auch sie sich mit dem Start der jungen Familie etwas zurücknehmen konnte und dabei ihre Tochter Magdalene zunehmend die Rolle ihrer Mutter übernahm. Magdalene hatte all diese strategischen Gedanken nicht im Blick, sie war einfach nur glücklich, dass sie mit ihrem Georg einen „rechtschaffenen und liebenswürdigen Ehemann aus gutem Hause bekam und mit ihm zusammen gerne die Aufgabe übernahm, den Hof in die nächste Generation zu führen.

    Auf einem Jungbauern-Paar dieser Zeit ruhte der „imaginäre Druck, die Erbfolge für die nächste Generation möglichst frühzeitig zu sichern. Oft war es auch so, dass die Hofüberschreibung auf die junge Generation erst erfolgte, wenn diese bereits Kinder hatten, eine Praxis, die sich auch in den Folgegenerationen bewähren sollte. Für Magdalene und Georg gab es dieses Problem glücklicherweise nicht, denn bereits ein Jahr später im Jahr 1880 wurde ihr erstes Kind, Tochter Lina geboren. 1883 folgte die kleine Schwester Rosine. Damit war zwar die nächste Generation gesichert, aber eine Hofüberschreibung an eine Tochter war für die damalige Zeit lediglich eine Notlösung, die man, wenn es irgend ging, vermeiden wollte. Jetzt mit der Geburt von Christian ging auch dieser Kelch an Magdalene und Georg vorüber und das Familienglück war perfekt. Magdalene kümmerte sich rührend um ihren kleinen Sohn, so dass er gut gedieh und die ursprünglichen Sorgen bald verflogen waren. Da drei Generationen unter einem Dach lebten, war auch die Großmutter in die Kinderbetreuung eingebunden. Dies bereitete ihr große Freude und sie liebte ihre neue Rolle als Oma. Auch eine Magd war noch im Haus, die wenn es „Not an Frau war, auch auf den Kleinen aufpassen konnte. Und dann waren da ja noch die beiden älteren Schwestern, die sich ebenfalls gerne um den kleinen Christian kümmerten. Insbesondere Lina war es, die als älteste Schwester sich um den kleinen Bruder mehr und mehr kümmerte. So erhielt Christian bis zu seiner Schulzeit, wie es für die Zeit in einem Bauernhaushalt üblich war, eine reine Frauenerziehung.

    Eine Bauersfamilie in jener Zeit war in erster Linie eine Arbeitsgemeinschaft, denn alles drehte sich um den Hof. Natürlich liebte man seine Kinder, aber Kinder liefen in jener Zeit nebenher und erzogen sich zu einem Großteil gegenseitig. Von den Erwachsenen, insbesonders der Männerwelt, erhielten sie bei weitem nicht die Aufmerksamkeit und Zuwendung wie es 100 Jahre später üblich geworden war. Die Kindheit von Christian auf dem elterlichen Hof war für ihn ein großes Abenteuer. Jeden Tag gab es für ihn etwas Neues zu entdecken. Während der Vorschulzeit hatte es sich eingebürgert, dass die älteren Schwestern mit seiner Betreuung beauftragt waren, dies immer wieder auch zu ihrem eigenen Leidwesen, denn sie hatten natürlich auch eigene Pläne, wie sie ihren Tag gestalten wollten. Aber da sie zu zweit waren, konnten sie sich in Bezug auf diese Pflicht auch abwechseln. Hinzu kam allerdings noch, dass sie auch im Haus mithelfen mussten. Es war damals üblich, dass Schulkinder in irgendeiner Form in die Arbeit auf dem Hof eingebunden waren. Im ausgehenden 19. Jahrhundert galt es als wichtiger Teil der Erziehung und Sozialisation, Kinder frühzeitig an die Arbeitswelt heranzuführen, einzubinden und ihnen Verantwortung zu übertragen, denn nur so konnten sie auf den Ernst des Lebens richtig vorbereitet werden. Kinderarbeit war also im Gegensatz zu heute positiv besetzt und wurde als wichtig und vorteilhaft angesehen. Noch im Jahr 1916 belief sich die durchschnittliche Kinderarbeit auf sechs Stunden pro Tag!

    Auf diese Weise kam es, dass Christian den Hof für sich mehr und mehr entdeckte. Er stöberte durch die Ställe, die Tennen, kroch auf den Heuboden und durchkämmte Feldscheuer, Schuppen und Hühnerstall, denn hier ließ es sich mit den Schwestern und Nachbarskindern vortrefflich „Verstecken" spielen. Der ihm vertraute Bereich wurde von Tag zu Tag größer. Es wurden Höhlen im Heu oder im Stroh gebaut. Bald stöberte die Truppe an der Sall entlang und erkundete die nähere Umgebung. Die Vorschulzeit war für Christian die Zeit, in der er seine frühe Kindheit so ausleben konnte wie er wollte, ohne dass er irgendwelche Pflichten gehabt hätte und der Hof und die nähere Umgebung waren für ihn ein großer Abenteuerspielplatz. Es war für ihn eine sehr glückliche Zeit.

    Für einen kleinen Jungen hat sich die Faszination des Lebens auf einem Bauernhof über Generationen erhalten. Ich empfand das in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts noch ebenso. In diesem „Erlebnis-Sinn" ist die Zeit sozusagen stehen geblieben.

    2.4 Die Regionalgeschichte des Salltals

    ¹⁰ ¹¹

    Die Sall ist ein ca. 20 Kilometer langer Fluss im nördlichen Baden-Württemberg, der bei Kupferzell-Waldsall entspringt und in nordwestlicher Richtung flußabwärts bei Sindringen in den unteren Kocher mündet. Von Waldsall bis Mainhardtsall ist das Gelände flach; ab Hohensall schneidet die Sall aber tiefer ins Gelände ein und bildet hier ein ca. 60 Meter tiefes Tal mit bewaldeten Hanglagen.

    Mainhardtsall hatte weder damals noch heute einen Dorfstatus sondern war und ist ein Weiler. Es taucht als „Meinhartes Salle erstmals um 1290 in den Annalen auf. Der Ortsname leitet sich von seinem Gründer oder ersten Lehensinhaber Mainhard ab. Seit dem 16. Jahrhundert ist der Name Mainhardtsall. Um 1890 hatte es 95 Einwohner und lag genau in der Mitte des Salltals, direkt auf der Südseite des Sallbachs. Die Höfe waren entlang der Straße im Sinne eines Straßendorfes angeordnet. Der Ort unterteilte sich in ein vorderes und ein hinteres Weiler, dazwischen lagen einige Wiesen und Weiden. Georg Bauer hatte den ersten Hof des hinteren Weilers. Bis zum Dreißigjährigen Krieg gab es nur wenige hundert Meter südlich des vorderen Weilers noch einen Ort mit dem Namen Lutzmannsdorf, welcher in den Kriegswirren unterging. Vermutlich haben die Überlebenden später unmittelbar am Sallbach dann eine neue Existenz begonnen, das heutige vordere Weiler. Dies würde auch die Unterteilung des Dorfes in ein vorderes und hinteres Weiler erklären. Heute erinnert noch der Flurnamen „Litzle an den untergegangenen Ort. Eine Straße durchzog das vordere Weiler bis ins hintere Weiler am Hof von Georg vorbei und führte dann auf eine große Kreuzung, welche „Ortsstock" genannt wurde. Von hier aus gab es Verbindungsstraßen in die nähere Umgebung. Die Ost-West-Verbindung führte von Kirchensall nach Metzdorf. Ein nordwestlicher Abzweig ging vom Ortsstock über Orbachshof nach Wohlmuthausen und ein nördlicher nach Göltenhof, Kirchensall oder Neureut. Entlang dieser Abzweigungen fanden sich die einzelnen Höfe. Die Verbindung nach Süden führte über Kleinhirschbach und Weinsbach in die Kreisstadt Öhringen, die ca. 8 km entfernt war. Die Wege nach Kleinhirschbach und Metzdorf waren vom Ortsstock aus zunächst metertief einschneidende Hohlwege, an der tiefsten Stelle sicher 4 Meter tief. Auch der Weg nach Metzdorf begann mit einem metertiefen Hohlweg, gefolgt von einer Hecke, dann ebenfalls beidseitige Baumreihen. Es handelte sich um ein geschottertes Wegenetz. Gröbere und feinere Schotterteile wurden durch die Wagenräder verdichtet und stellten dadurch einen festen Untergrund dar. Die Regel war, dass sich links und rechts der Wege je eine Reihe von Birnen- oder Äpfelbäumen befanden, die im Sommer bei den Feldarbeitspausen wohltuenden Schatten spendeten und im Herbst mit ihren Früchten ein wichtiges Element der eigenen Mostherstellung bildeten.

    Die Sall ist mehr ein Bach als ein Fluss und entspringt bei Waldsall, etwa 12 km östlich von Mainhardtsall. Die Sall war in der Frühzeit ein beliebtes Siedlungsgebiet und so kam es, dass eine ganze Reihe von Orten entlang der Sall entstanden, die alle den Namen des Baches im Ortsnamen trugen. Von Ost nach West waren dies: Waldsall, Mangoldsall, Langensall, Kirchensall, Mainhardtsall, Hohensall, Tiefensall und Orendelsall (Abb. 3). Nach Orendelsall nimmt die Sall noch den Hirschbach auf und mündet vor Sindringen in den Kocher. Von Waldsall bis Mainhardtsall ist das Tal flach, was für die landwirtschaftliche Nutzung ein Vorteil ist. Westlich von Mainhardtsall schneidet die Sall tiefer ein, so dass hier der Anteil an bedingtem Grünland direkt am Bach beginnt. Ab Hohensall sind die Talhänge beidseits z. T. mit Wald bewachsen.

    Kirchensall war der größte Ort der Gemeinde mit Sitz des Schultheiß, sowie einer Kirche mit Rathaus und Schule. Unter dem Namen „Salle wurde er erstmals am 13. Februar 1239 urkundlich erwähnt. Hier verkaufte Konrad von Krautheim einen Teil seines Besitzes, u.a. Kirchensall, an seinen Schwager, Gottfried von Hohenlohe. Eine „ecclesia in Salle wird erstmals am 3. Januar 1246 in einer Urkunde von Papst Innozenz IV. genannt. Ab 1266 lautete der Ortsname „Chirchensalle" und ab 1347 Kirchensall. Das Kloster Gnadental hatte Patronatsrechte über die Marienkirche zu Kirchensall. Durch die 1556 von Kilian Nuß initiierte Reformation erlosch das Gnadentaler Patronat und fiel an das Geschlecht der Hohenlohe als den bisherigen Schirmherren des Klosters. Die Hauptlandteilung des Hohenlohergeschlechts im Jahre 1553 führte dazu, dass das Patronatsrecht der Kirchensaller Kirche auf die Linie Hohenlohe-Neuenstein überging und bis zum Tod des Fürsten Christian Kraft im Jahr 1926 fortbestand.

    Abb. 3: Darstellung der Dörfer des Salltals und ihre Umgebung.

    Bald nach der Übernahme Hohenlohes durch Württemberg im Jahre 1806 kam es 1818 zur Neubildung der Gemeinde Kirchensall. Sie umfasste die Orte Mangoldsall, Füßbach, Langensall, Kirchensall, Neufels, Neureut, Mainhardtsall und Göltenhof. 1827 trennten sich die östlich gelegenen Orte Mangoldsall, Füßbach und Langensall ab und bildeten eine eigene Gemeinde. Langensall kehrte später nach Kirchensall zurück. Kirchensall war eine Gemeinde 3. Klasse. Der Ort hatte um 1870 243 Einwohnern, Mainhardtsall zählte 95 und Göltenhof 40 Einwohner. Der Göltenhof war im Spätmittelalter ein Einzelhof des Fürsten von Hohenlohe, der ihn später an drei Bauern verkaufte. Kirchensall hat drei Siedlungsteile: Den nordwestlichen alten Dorfkern am Hang rechts der Sall mit der Kirche, direkt anschließend nach Osten finden sich Reste des alten Wittumshofes (Nr. 20), der um 1594 entstand. Das Gut wurde im 18. Jahrhundert an drei Bauern verkauft. An ihn schließt sich ein zweiter östlicher Siedlungsteil auch auf der rechten Sallseite an. Der dritte Siedlungsteil, der „Gießhübel", (1415: Gysubel) liegt südlich auf der linken Sallseite. Der Name geht auf die häufigen Überschwemmungen der Sall in diesem Bachteil zurück. 1835 errichteten die Bürger unmittelbar westlich der Kirche ein stattliches Schulhaus. Der Schultheiß hatte um 1900 sein Dienstzimmer im eigenen Wohnhaus und übte sein Amt neben seinem eigentlichen Beruf aus, wiederholt waren es Landwirte. 1908 entstand in der Talaue des alten Ortskerns die Hohenloher Wein- und Obstbrennerei von Christian Grupp, von der später noch die Rede sein wird.

    2.5 Die Geschichte der Marienkirche zu Kirchensall

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    Die Geschichte beginnt mit einer Legende, die der Langenburger Hofprediger und Historiker Johann Christian Wibel (1711-1772) erzählte. Die Marienkirche zu Kirchensall hätte ursprünglich auf den „Kappelsäcker, einem Flurstück zwischen Langensall und Mangoldsall, gebaut werden sollen. Doch auf unerklärliche Weise verschwand eines nachts das dort angefahrene Baumaterial. Es fand sich anderntags auf dem heutigen Platz der Kirche in Kirchensall fein säuberlich aufgestapelt wider. Das Baumaterial wurde wieder nach Langensall gefahren und des Nachts eine Wache aufgestellt. Anderntags war das Material wieder in Kirchensall, ohne dass die Wachen irgendetwas bemerkt hätten. Nachdem sich der Vorgang ein 3. Mal wiederholte, sahen die Menschen diesen Vorgang als „Fingerzeig des Himmels und bauten die Kirche in Kirchensall, so wie „Gott es wollte.

    Die 1246 erbaute „ecclesia in Salle" war eine kleine Dorfkirche aus Holz, die Maria, der Mutter Gottes, geweiht war. Das Holz vermoderte jedoch bald, so dass noch mindestens zwei weitere Kirchenbauten vor der heutigen Kirche folgten. Für einen dieser Neubauten schrieb der Bischof von Würzburg 1337 einen Ablass-Brief aus. Wer seine Sünden erlassen haben wollte, musste zum Knochenhaus (Ossuarium) nach Kirchensall pilgern und wurde dort gegen eine Spende seiner Sünden ledig. Im Gefolge entstand eine einschiffige Chorturmkirche. 1610 erhält der Forchtenberger Baumeister Georg Kern (1583-1643) den Auftrag zu einem Kirchenerweiterungsbau. 1769 legte der Steinhauer und Hofmaurer Andreas Laidig aus Cappel einen Kostenvoranschlag für einen Kirchenneubau vor, der von der Gemeinde genehmigt wurde. Der Plan sah eine Länge von 62 Schuh (ca. 21 m) und eine Breite von 46 Schuh (ca. 15 m) vor. Mit dem Abbruch der alten Kirche wurde sofort begonnen. In der Zeit von 1769-1772 wurde dann die heutige Kirche erbaut. Fürst Ludwig Friedrich Karl zu Hohenlohe NeuensteinÖhringen unterstützte den Kirchenbau finanziell, forderte aber auch Frondienste der Bürger hierzu ein. 1771 baute der Wachbacher Orgelbaumeister Adam Ehrlich die Orgel und der Künzelsauer Künstler Johann Andreas Sommer die Altarfiguren einer Kanzelaltarwand, hier einer Markgräfler-Wand. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass über dem Altar die Kanzel und darüber die Orgel angebracht ist. Die Markgräfler-Wand ist der typische protestantische Kanzelaltar, mit der die neue Wertigkeit im gottesdienstlichen Geschehens zum Ausdruck kam. Nicht mehr der Altar (Ort der Wandlung) war der Hauptträger des Geschehens, sondern die Kanzel (Verkündigung des Wort Gottes) stand jetzt gleichwertig an seiner Seite. Die erste Kanzelwand dieser Art stand in Schmalkalden in Thüringen. Die Markgrafschaft Ansbach hatte diesen Stil dann übernommen. Seither wurde diese Art der Kanzelwand in Hohenlohe und Württemberg als Markgräfler Wand bezeichnet. Der Taufstein stammt aus dem Jahr 1773. Insgesamt hat die Kirche drei Glocken. Eine davon wurde während des Zweiten Weltkrieges aus Materialbeschaffungsgründen eingeschmolzen. Am 10. April 1945 wurde der Kirchturm bei dem Fliegerangriff auf Kirchensall auf der Nordseite zwar getroffen, aber glücklicherweise kein großer Schaden angerichtet. 1959 konnte wieder eine neue Glocke angeschafft werden. Zu diesem feierlichen Anlass war ich ebenfalls anwesend. Ich erinnere mich noch, dass Emil Hermann (Schlempen-Emil) hierbei Schillers Glocke völlig frei vortrug. Die letzte Kirchenrenovierung fand 2012 statt. Die Pfarrkirche in Kirchensall ist ein Kleinod einer protestantischen Landeskirche der zu Ende gehenden Rokoko-Zeit.

    Der Friedhof lag ursprünglich bogenförmig um die Kirche herum, wurde aber 1594 an die Ausfallstraße nach Langensall verlagert und 1787 ummauert.

    Noch vor dem Neubau der Kirche wurde 1763-1765 ein neues Pfarrhaus nach den Plänen des Hofzimmermeisters Georg Peter Schillinger gebaut.

    2.6 Bäuerlicher Alltag im Salltal im ausgehenden 19. Jahrhundert

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    Im Hohenlohischen des auslaufenden 19. Jahrhundert gehörte Georg Bauer mit einer Hofgröße von 25,75 ha zu den „großen Bauern, war aber hier im unteren Drittel angesiedelt, da die Grenze zu den mittelgroßen Betrieben an diese Größe heranreichte. Ein mittelgroßer Bauer hatte eine Hofgröße von über 5 und weniger als 25 ha Land. Ein Kleinbauer war jemand, der weniger als 5 ha sein Eigen nannte. In Mainhardtsall gab es 13 Höfe. Georg Bauer war der einzige „Großbauer im Ort. Dann gab es 10 weitere Höfe mittlerer Größe und 2 Kleinbauern. Auch ein Korbmacher wohnte in Mainhardtsall und ging seinem Gewerbe nach. Die Profession ernährte den Mann mit seiner Familie. Auf Bauernhöfen brauchte man eine ganze Reihe von Körben, sowohl bei der täglichen Arbeit als auch als Vorratsgefäße. Hinzu kam, dass auch einige Obstbau betrieben, ein Betriebszweig, der nochmals zusätzlich Körbe benötigt.

    Die Höfe der Region wurden in Familienverbänden nach dem „Drei-Generationen- unter- einem- Dach- Prinzip betrieben. So war es auch bei den „Neubauers in Mainhardtsall. Georg und Magdalene waren als die jungen Hofbesitzer das tragende Element dieser Gemeinschaft. Georgs Schwiegereltern, Andreas und Katharina Denner, waren die „Ausdinger, die alte Generation, die den Hof an die Jungen abgegeben hatten und sich bei der Hofübergabe notariell ein „Leibgeding zusichern ließen. Dies beinhaltete kostenlose Unterkunft und Verpflegung und einen gewissen monatlichen Bargeldbetrag. So war es üblich in der ganzen Region. Die Familie, die unter einem Dach wohnte, bestand also aus 7 Personen. Damit konnte damals aber ein Hof dieser Größe nicht betrieben werden. Deshalb gab es noch zwei festangestellte Knechte und eine Magd. Zu Spitzenzeiten wie bei der Heu- und Getreideernte und der Obst- und Rübenernte half zum Teil auch noch der eine oder andere Tagelöhner mit aus. Dies war eine willkommene Gelegenheit für die Kleinbauern, sich hier für Tage oder die eine oder andere Woche als Tagelöhner zu verdingen und so das Einkommen aufzubessern. Gelegentlich kam es auch vor, dass Tagelöhner von außerhalb einsprangen.

    In der damaligen Kaiserzeit gab es noch die Klassengesellschaft und die soziale Stellung „oben und unten war genau definiert, wobei die Dreiklassengesellschaft nur den groben Rahmen darstellte. Im Mainhardtsaller Dorfleben war die „Klasse drei komplett unter sich. Hier schlug sich aber das System der Feinabstufungen innerhalb der Klassen nieder. Alles wurde damals klassifiziert. Alles hatte seinen Platz in der Gesellschaft. Die Menschen lebten in der Dorfgemeinschaft friedlich in guter Nachbarschaft zusammen. Trotzdem waren nicht alle „Brüder und es gab feine Abstufungen, obwohl es nicht ausgesprochen, aber respektiert wurde. So stand der Großbauer Georg ein bisschen über den anderen. Die Kehrseite war, dass er von diesen in seinem Tun auch besonders beäugt wurde. Bereits damals zählte sich ein „Großbauer wie Georg zum Mittelstand. Es sollte später einmal Christian sein, der in seiner Zeit die Feinabstimmung zu Gunsten seiner Familie geradezu kultivierte und seine Familie heraushob und dadurch ein bisschen „adelte". Davon wird noch die Rede sein.

    Ganz allgemein war damals soziale Kontrolle innerhalb der Gemeinschaft ein nicht zu unterschätzendes Element des Zusammenlebens. Es war die Zeit, als Begriffe wie Ehre und guter Ruf noch einen hohen Stellenwert bei den Menschen hatten. Jeder war darauf bedacht, diese Attribute für sich mit Fug und Recht in Anspruch nehmen zu können. Das galt für alle, auch für Knechte und Mägde. Gesinde, das etwas auf sich hielt, hat z. B. nicht irgendwann die Stelle gewechselt, sondern nur zu „Lichtmess, dem 2. Februar eines jeden Jahres. Dieser Termin war sehr weise gewählt, denn er lag ausgangs des Winters, einer noch arbeitsarmen Zeit, so dass ein neuer Knecht noch mindestens vier Wochen hatte, um sich auf dem neuen Hof einzuarbeiten, bevor dann im März mit der Saat wieder die arbeitsreiche Zeit begann. Knechte und Mägde waren auch im Bauernhaus untergebracht und hatten das, was man „Familienanschluss nannte und gehörten gewissermaßen zur Familie dazu. So war es auch auf dem Neubauerschen Hof, im Haus waren also dauerhaft 10 Personen untergebracht. Das Haus war ein klassisches Bauernhaus der Region mit spitzem bis auf das Erdgeschoss heruntergezogenem Satteldach, das mit einer Stirnseite zur Straße nach Süden wies. An der westlichen Breitseite befand sich der etwas zur Straße hin versetzte Haupteingang zum Haus, der vom direkt westwärts gelegenen Hof aus betreten wurde. Ein kleiner, von einem Metallzaun umsäumter Vorgarten begrenzte im Süden das Haus zur einzigen Straße des Dorfes. Ein riesiger Kastanienbaum spendete im Sommer den im Freien sitzenden Personen seinen kühlenden Schatten.

    Wenn man das Haus betrat, lagen links auf der Westseite die große Küche mit abgetrennter Speisekammer und direkt nebenan das Esszimmer, in dem in Spitzenzeiten bis zu 15 Personen verköstigt werden mussten. Gegenüber befanden sich ein Wirtschaftsraum, ein Waschraum und die Sanitäranlagen. Rechts des Haupteinganges lag „die gute Stube", das Wohnzimmer und hiervon vis-a-vis das Schlafzimmer der jungen Bauersleute. Im ersten Stock begann bereits die Mansarde. Hier waren die Großeltern, die Kinder und die Magd untergebracht und im zweiten Stock, direkt unter dem Dach, die beiden Knechte (Abb. 4).

    Abb. 4: Die Hofstelle der Familie Bauer in Mainhardtsall 1907.

    Das Bild zeigt das alte Wohnhaus und den alten Stall. Bei dem älteren Paar links des Baumes handelt es sich um die Bauersleute Georg und Magdalene Bauer. Bei dem junge Mann neben dem Pferd am Gartenzaun um Sohn Christian. Bei den beiden jungen Frauen mit den weißen Schürzen rechts des Baumes handelt es sich höchstwahrscheinlich um die Töchter Rosa und Lina.

    Diese Postkarte schrieb Lina Bauer (später Betz, Klumpenhof), die Schwester von Christian Bauer, am 30. Dezember 1907 als Geburtstagskarte an die Notarfamilie Feucht in Calw. Damit Notar Feucht das Bild besser einordnen konnte, markierte er es mit dem Zusatz: „Hof von Neubauers."

    Christian Bauer errichtete an identischer Stelle im Jahr 1922 ein neues Wohnhaus im Stil einer Landhausvilla. Der alte Stall brannte am 26. Dezember 1962 ab und wurde durch ein neues Wirtschaftsgebäude ersetzt.

    Nördlich, im rechten Winkel zum Wohnhaus, parallel zur Straße stand das Wirtschaftsgebäude. Der Stall war in der Mitte. Links und rechts davon schloss sich jeweils eine Tenne mit jeweils einem riesigen seitlich anschließenden Barn als Lagerraum an. Beide Tennen waren befahrbar und dienten dazu, im Sommer das Grünfutter abzuladen und im Winter das Heu vom Barn her vorzubereiten. Über Luken wurden dann die Tiere im Stall gefüttert. Die Fläche über dem Stall diente als Lagerraum für das Heu. Die seitlichen Barne waren kombinierte Lagerräume für Getreidegarben und Stroh. Zwei riesige Scheunentore schlossen die Tennen gegenüber dem Hof nach Süden ab. Die westliche Tenne ging über in das Göpelhaus, ein Rundbau mit einem Durchmesser von 12 Metern, der schräg vis-a-vis mit einer großen Tür versehen war. Das Göpelhaus wurde 1882 auf der Nordseite an die westliche Tenne angebaut.

    Im Stall konnten etwa 20 Tiere, 3 Pferde, 8 Kühe und ca. 10 Stück Jungvieh gehalten werden. Die Miste befand sich auf der Südseite des Gebäudes in zentraler Lage des eigentlichen Hofes und diente als Blickfang für jeden, der den Hof betrat. Das hat die Menschen damals allerdings nicht gestört und war auf Höfen häufig anzutreffen. Direkt unter der Miste war die Güllegrube, in die die Gülle aus dem Stall eingeleitet wurde. Die Grubendecke bestand aus Eichenbalken und stellte zugleich den Mistboden dar, auf den dann der Mist aufgehäuft wurde. Eine stationäre etwa 2½ Meter hohe Handpumpe diente dazu, die Gülle per Hand ins Güllefass zu pumpen, um sie als Düngung auf die Felder zu bringen. Der westliche Abschluss des Wirtschaftsgebäudes war etwa 10 Meter von dem Verbindungsweg nach Göltenhof, der Brunnengasse, entfernt. Direkt am Gebäude entlang gab es noch einen Schotterweg, so dass man auf dem eigenen Grund hinter das Gebäude fahren konnte, ohne den öffentlichen Weg über die Brunnengasse benutzen zu müssen. Auf der Ostseite des Wirtschaftsgebäudes schloss sich direkt ein größerer Schuppen an, der zur Hofseite hin offen war. In der Mitte dieses Schuppens befand sich eine Obstspindel, die von Hand betrieben werden konnte. Hiermit stellte die Familie ihren eigenen Most her. Im Anschluss an diesen Schuppen fand sich ein riesiger handgetriebener Schleifstein, an dem Messer und Äxte geschliffen wurden.

    Parallel zum Bauernhaus mit der Stirnseite zur Straße schloss sich auf der Ostseite noch die Obstbrennerei an, an die auch die Backstube und der Hühnerstall angebaut war. Etwa 20 Meter weiter östlich fand sich dann noch eine Feldscheune. Sie diente neben dem Abstellen von landwirtschaftlichem Gerät auch zur Lagerung von Getreidegarben.

    Zum Betreiben dieses 25 Hektar-Hofes standen zur Verfügung: Georg, sein Schwiegervater Andreas und die beiden Knechte, später auch Christian. Sie waren schwerpunktmäßig für den Außenbetrieb zuständig. Für das Haus und Teile des Innenbetriebes waren Magdalene, ihre Mutter Katharina und die Magd zuständig. Im Verlauf dann auch zunehmend die beiden Töchter. Zu Spitzenzeiten (Ernten) gehörte aber auch die Mitarbeit auf dem Feld zu ihren Pflichten.

    Ein landwirtschaftlicher Betrieb im auslaufenden 19. Jahrhundert wurde bereits nach der verbesserten Dreifelderwirtschaft betrieben. Die ursprüngliche Dreifelderwirtschaft kannte im ersten Wirtschaftsjahr die Winterung: das waren der Anbau von Weizen, Roggen und Dinkel. Im zweiten Jahr folgte die Sommerung, das waren der Anbau von Gerste und Hafer. Das dritte Wirtschaftsjahr war die Brache, also keinerlei Anbau und diente der „Bodenerholung. Bei der verbesserten Dreifelderwirtschaft wird die Brache bewirtschaftet („Besommerung der Brache) und zwar mit Hackfrüchten; hierzu zählen Rüben und Kartoffeln. Bei beiden wird mit dem Ziel der Bodenpflege zur Ertragssteigerung der Boden „gehackt" (deshalb Hackfrüchte). Auch der Kleeanbau gehört in diese Gruppe, obwohl hier keine Hackarbeiten erfolgen. Klee hat insofern eine gewisse Sonderstellung weil er als Mitglied der Familie der Leguminosen über stickstoffbindende Bakterien verfügt, die dem Klee selbst und der nachfolgenden Frucht Nährstoff in Form von Stickstoff zuführt. Klee gilt deshalb als besonders bodenverbessernde Fruchtfolge. Nach dem Prinzip der verbesserten Dreifelderwirtschaft ist auch Georg mit seinem Hof verfahren.

    2.6.1 Das Wirtschaftsjahr auf dem Hof Bauer um die Jahrhundertwende

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    Das Wirtschaftsjahr begann im März, hier war die Frühjahressaat auszubringen. Es galt zu beachten, dass die spezifische Arbeit einer jeden Vegetationsperiode natürlich auch an die Routine des Innenbetriebes angepasst werden musste. Wer Kühe und Schweine hatte, musste dreimal täglich füttern und zweimal täglich melken. Der größte Teil dieser Innenbetriebsarbeit fand vor bzw. nach den Arbeiten im Außenbetrieb statt. Dies bedeutete, dass für Georg Bauer und seine Leute der Tag um 5 Uhr begann. Nach dem Aufstehen wurden umgehend und ohne Frühstück die Tiere versorgt. Ein Knecht hatte die Kühe von Hand zu melken. Der andere hatte zu misten und wieder einzustreuen. Georg und Andreas sorgten für die Fütterung der Tiere, die Futtervorbereitung und das Angeschirren der Pferde. Magdalene und die Magd versorgten die Schweine und Hühner und bereiteten hierzu auch das Futter vor. Oma Rosine machte das Frühstück und versorgte die Kinder für die Schule.

    Ab Mai kamen die Kühe tagsüber auf die Weide und wurden abends vor dem Melken wieder in den Stall geholt. Auch die Fütterung im Stall erfolgte jetzt nicht mehr mit Heu sondern mit Grünfutter aller Art, dazu gehörte auch Klee. Dies bedeutete, dass täglich zwei Personen morgens früh auf die Felder fuhren, Gras oder Klee mähten, das Futter aufluden und auf den Hof zur Viehfütterung brachten.

    Um sieben Uhr war die Stallarbeit weitestgehend fertig. Zu dieser Zeit musste das Melken beendet sein, da jetzt der Milchkutscher mit dem pferdebespannten Pritschenwagen kam und die Milchkannen vom Sammelplatz einsammelte und in die Molkerei nach Kirchensall brachte. Dann gab es endlich Frühstück. Es gab Zinnober-Kaffee, Milch, Schwarzbrot, Butter, Marmelade, Quark, gelegentlich auch etwas Wurst. Spätestens nach 30 Minuten war das Frühstück beendet und jetzt ging für die Männer die Arbeit im Außenbetrieb an. Vorher wurde den Kühen der Futtertrog nochmals gefüllt. Die Frauen waren mit der Hausarbeit beschäftigt wie Waschen, Bügeln, Nähen, Brotbacken, Nahrungsmittel konservieren, Kochen und immer wieder Putzen. Um 9 Uhr gab es eine kurze Vesper bestehend aus Schwarzbrot, Butter, Wurst und Quark, z. T. variiert um Rettiche und Tomaten. Ab dieser Vesper tranken die Menschen zu jeder Mahlzeit auch Most. Ab dieser Mahlzeit wurden von der Hausfrau den einzelnen Mitgliedern Wurstwaren und Butter portionsmäßig zugeteilt. Nachschlag war möglich. Das Mittagessen begann um 12.30 Uhr und dauerte maximal eine Stunde. Hier gab es die gesamte Breite der regionalen Küche: Gelegentlich Fleisch, Braten, Königsberger Klöpse, „Fleischküchle", Dampfnudeln, Kartoffeln, Spätzle, Nudeln, Kohl, Kraut und Salate. Auch hier wurde das Fleisch zugeteilt. Danach setzten die Männer ihre Außenarbeit und die Frauen ihre Hausarbeit fort. In der Saison mussten sie allerdings auch im Außenbetrieb mithelfen. Um 16:30 Uhr gab es wieder eine Vesper; danach begann wieder die Stallarbeit mit Melken, Misten und Füttern. War die Familie auf den Feldern, so wurden die Vesper auf dem Feld eingenommen. Die Lebensmittel waren dafür in speziellen

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