Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Viele Tode - ein Leben: Harmonie und Glück - ein Lernprozess
Viele Tode - ein Leben: Harmonie und Glück - ein Lernprozess
Viele Tode - ein Leben: Harmonie und Glück - ein Lernprozess
eBook265 Seiten3 Stunden

Viele Tode - ein Leben: Harmonie und Glück - ein Lernprozess

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Dies ist ein Buch über Harmonie und Liebe, Glück und Zufriedenheit. Der Autor erlebt während eines Komas die Begegnung und Gespräche mit berühmten Männern wie Dante und Goethe, aber auch Frauen wie Kaufmann oder Arendt. Dazu gesellen sich Bekannte aus dem persönlichen Umfeld des Genesenden. Diese illustren Gesellschaften diskutieren über die großen Themen des Lebens wie Freiheit, Demokratie, Kriminalität, Sterben und Wahrheit. Sie diskutieren aber auch darüber, warum man Romane lesen und das Schöne suchen sollte. Aus dem Koma erwacht beginnt für den Protagonisten ein anderes Leben.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum31. Mai 2021
ISBN9783347337268
Viele Tode - ein Leben: Harmonie und Glück - ein Lernprozess
Autor

Holger Kiefer

Holger Kiefer Dozent und Mental Health Master Coach Holger Kiefer ist ein renommierter Experte im Bereich der Populärwissenschaftlichen Medizin mit umfangreicher Erfahrung in der Vermittlung komplexer medizinischer Konzepte an ein breites Publikum. Als Dozent und Mental Health Master Coach hat er sich darauf spezialisiert, medizinische und mentale Themen auf verständliche und fesselnde Weise zu präsentieren, um Menschen dabei zu unterstützen, ein besseres Verständnis für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu entwickeln. Ebenso untersuchte er die Finanzmärkte. Seine Finanz-Ratgeber bilden die Grundlage für ein umfassendes Verständnis der Märkte im Finanzsektor. Mit seinen Kinderbüchern wie z.B. "Horace das Einzigartige Nilpferd Eine Geschichte über Selbstakzeptanz" greift er Themen auf, die eine frühkindliche Entwicklung psychologisch didaktisch fördern. Mit seiner Enthüllung über operative Tätigkeiten des CIA, für Erwachsene, setzt er einen neuen Markstein des Interesses an psychologische Manipulation zur Gewinnung von Informanten und Spionen und zeigt die Auswirkungen auf die gegenwärtige und zukünftige Politik der USA, China und Europa. Das historische Buch über die Schildbürger setzte der Autor und Publizist in moderne und zeitgemäße Sprache um. Die weiteren zukünftigen Ausgaben der Schildbürger decken irrationale Entwicklungen in Gesellschaft und Politik mit dem hintergründigen Humor der Schildbürger auf. Seine weiteren Schildbürger-Bücher bieten Ironie verbunden mit Gesellschaftskritik humorvolle satirische Abbilder der gegenwärtigen Zeit. Ebenfalls aus seiner Feder stammen die Bücher über die Prophezeiungen der Hopi: - Planet X und die Hopi-Prophezeiung: Enthüllung der Zukunft unserer Welt Wenn Wissenschaft auf Prophezeiung trifft - Die Hopi-Prophezeiungen - 10.000 Jahre alte Botschaften der amerikanischen Ureinwohner - HOPI PROPHEZEIUNG - Zwei Pfade: Zerstörung oder Überleben - Thomas Banyacya Spiritueller Ältester Die Rede von 1972 über die Gefahr und Zukunft jetzt aktuell - Die Hopi Geschichte und Prophezeiung New Mexico PBS aus dem Jahre 2009 jetzt aktuell Die Bücher von Holger Kiefer befassen mit populärwissenschaftlich aufgearbeiteten Themen der Gesundheit Spiritualität, aber auch mit Psychologie, Philosophie und Religion, kurzum mit dem, was uns Menschen in bestimmten Lebensphasen interessiert und uns wichtig ist.

Mehr von Holger Kiefer lesen

Ähnlich wie Viele Tode - ein Leben

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Viele Tode - ein Leben

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Viele Tode - ein Leben - Holger Kiefer

    1. Töten und genießen – sich selbst und andere

    Drei Tage lang lag ich im Koma. Ich wurde auf dem Weg auf die andere Straßenseite an der Fußgängerampel, die auf Grün umgesprungen war, von einem LKW erfasst, dessen Fahrer seine Gelbphase noch schaffen wollte. Das Letzte, was ich vor dem Aufprall sah, war das weiße Frontblech, das plötzlich mein gesamtes Blickfeld einnahm. Dann war alles dunkel – eine ungewisse Dauer lang. Doch nach einiger Zeit sah ich wieder etwas – fremde und gewohnte Umgebungen und Personen, die ich teilweise persönlich kannte, teilweise nur von Fotos oder der Lektüre nach, mit der ich mich irgendwann einmal in den vergangenen fünfzig Jahren beschäftigt hatte.

    Nach einer kurzen Phase der Orientierung fand ich mich zum Beispiel auf der Finca Vigía wieder, dem Anwesen auf Kuba, das einst der US-amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway zuerst mit Martha Gellhorn und dann mit Mary Welsh bewohnte. Oder sollte ich besser ‚bewohnt‘ schreiben? Denn als ich dort ankam und auf die Veranda ging, saß er mit Aristoteles und einer jungen, hübschen Frau, die ich zuerst nicht erkannte, um einen runden Tisch und aß mit ihnen zu Mittag. Es gab in Knoblauchöl gebratene Forellen, gekochte Kartoffeln und gegrillte Tomaten. Hemingway sah mich von weitem kommen und winkte mich lächelnd heran.

    Er sprach mich auf Italienisch an, was ich ohne Probleme verstand. Doch aufgrund der verschiedenen Sprachen, die ich im Laufe meines Komas mit den verschiedenen Personen sprach, übersetze ich hier alles auf Deutsch, da ich von kaum einem Leser erwarten kann Italienisch, Spanisch, Aramäisch, Russisch, Latein, Altgriechisch, Dänisch, Französisch und Englisch gleichermaßen perfekt zu beherrschen. Ich habe in meinem Leben nur einen kleinen Teil dieser Sprachen gelernt; aber im Koma verstand ich sie alle.

    „Komm ran, fremder Mann!, sagte also Hemingway. „Setz dich und iss mit uns die besten Forellen, die es auf Kuba gibt! Wie heißt du?

    „Mein Name ist Holger Kiefer. Ich komme aus Deutschland."

    „Oh, della Germania. Ich war einmal dort. Ist schon lange her. Und es war nicht schön. Österreich hat mir besser gefallen. Aber egal. Komm, setz dich! Darf ich dir meine große Liebe vorstellen: Contessa Adriana Ivancich. Und zu meiner Linken, den kennst du vielleicht: Aristoteles. Ich nenne ihn aber meistens nur Aris – nicht zu verwechseln mit dem Airmarshal Harris. Das war ein Schwein; hat Tausende von Frauen und Kindern ermorden lassen. Das macht man als guter Soldat nicht. Aber er hat es gemacht. Nein, das ist Aris. Wir sagen hier alle ‚du‘ zueinander. Also: Adriana, Aris und Ernest. Dabei zeigte er bei jedem Namen mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf die entsprechende Person. „Adriana und Aris! Das ist Holger.

    Wir begrüßten uns lächelnd, während ich mich zwischen Adriana und Aris setzte. Ernest ließ von einem Bediensteten noch ein Service bringen und schenkte mir einen leichten Rosé ein. Wir prosteten uns alle zu und aßen die restlichen Forellen. Ich war sehr erstaunt darüber, dass ich hier mit Hemingway und Aristoteles zusammen an einem Tisch saß, verhielt mich daher zunächst ruhig und genoss das Essen. Die Sonne schien, und es zogen ein paar weiße Wolken am Himmel vorüber. Es war angenehm warm – vielleicht 24°C – und die leichte Brise erfrischte das Gesicht und ließ die Blätter der Weinpflanzen an den Stützen und auf dem Dach der Pergola, unter der wir saßen und so vor dem direkten Sonnenlicht geschützt waren, hin und wieder rascheln. Aus dem Haus klang leise und unaufdringlich kubanische Musik zu uns heraus.

    Nachdem alle ihr Besteck auf die Teller gelegt hatten, fragte Ernest, ob es geschmeckt habe und alle satt seien. Wir bestätigten und lehnten uns zurück. Ich fragte, ob ich eine Zigarette rauchen dürfe und bot nach der Erlaubnis des Hausherrn Adriana und Aris eine an. Adriana lächelte mich freundlich an und zog eine aus der ihr dargebotenen Schachtel. Dabei betrachtete ich ihr feines und schönes Gesicht. Sie hatte einen schmalen, ovalen Kopf, der mir bei Frauen so gefällt. Ihr Mund war eher klein, und die Lippen schmal, doch fehlte der kleine Amorbogen in der Oberlippe nicht. Ihre Nase war schmal und gerade mit einer unscheinbaren Wölbung, die ihre aristokratische Herkunft verriet. Vom Mittelscheitel wellten ihre dunklen Haare zu beiden Seiten bis knapp über die Ohren. Ihre Augenbrauen waren dunkel und verliefen schmal und symmetrisch. Nachdem Adriana die Zigarette in den Mund gesteckt hatte, ließ sie sich von mir Feuer geben und schaute mir während der gesamten Prozedur offen und direkt in meine Augen. Ich erwiderte ihren Blick und verbrannte mir dabei fast die Finger. Ernest und Aris winkten ab. Sie waren beide Nichtraucher.

    „Holger, hast du schon einmal einen Menschen getötet?, fragte Ernest. Auch Adriana und Aris blickten mich jetzt erwartungsvoll an. Ich war überrascht und überlegte, ob ich wahrheitsgemäß antworten sollte. Das dauerte zwei oder drei Sekunden, aber dann sagte ich: „Ja, aus Versehen.

    „Aus Versehen?", fragte Adriana nach.

    „Ja. am Ende stellte der Richter ‚Notwehr‘ fest und sprach mich frei."

    „Wie ist das passiert?", fragte Ernest.

    „Also: Es war auf einer Party. Der Andere machte sich an meine Freundin heran und wollte sie küssen. Als sie ihn abwehrte, wurde er grob, packte meine Freundin kräftig im Nacken und presste ihr seine Lippen auf ihren Mund. Ich stand ein paar Meter von ihnen entfernt und unterhielt mich gerade mit einem Bekannten, als ich die kurzen Aufschreie von zwei umstehenden Mädchen wahrnahm und mich umdrehte. Ich ging natürlich sofort zu ihm und riss ihn von meiner Freundin weg. Daraufhin lächelte er mich nur verächtlich an und begann sofort auf mich einzuschlagen. Allerdings konnte ich seine Angriffe immer abwehren. Als er nicht aufhörte, gelang es mir mit den ausgestreckten Fingern meiner rechten Hand einen Volltreffer unter sein Sternum zu platzieren."

    „Autsch.", sagte Ernest.

    „Ja. Leider., fuhr ich fort. „Er öffnete seinen Mund und bekam keine Luft mehr. Einen kurzen Moment stand er starr vor mir und glotzte mich stumm an. Dann fiel er nach vorne über und blieb liegen. Die gerufene Ambulanz stellte nur noch seinen Tod fest.

    „Das tut mir wirklich leid.", sagte Adriana.

    „Ja, mir tut es auch leid.", antwortete ich.

    „Ich meine: Es tut mir Leid um dich, nicht um ihn.", verdeutlichte sie.

    „Nicht um ihn?", vergewisserte ich mich.

    „Nein. Er hat doch angefangen, nicht wahr? Ich nickte. „Na also. Wenn der Provokateur stirbt, ist es nicht schade um ihn; und es muss auch keinem leidtun.

    Aristoteles schaltete sich ein: „Ich finde, Adriana hat Recht. Jeder kann wütend werden. Doch nicht immer ist so eine Reaktion wie bei dir angebracht. Man sollte sich natürlich unter Kontrolle haben. Aber dieser Andere hat nicht nur deine Freundin – überhaupt eine Frau, die wohl schwächer als er war – sexuell belästigt und genötigt, sondern auch dich körperlich angegriffen. Und du hattest das Recht deiner Freundin Nothilfe zu leisten und dich zu verteidigen. Du musstest ihn vielleicht nicht gleich töten; aber es ist nun einmal passiert. Mir scheint, dass in dieser Situation Ort, Zeit und Anlass zugleich gegeben waren, um einen Angreifer rechtmäßig unschädlich zu machen. Was denkst du, Ernest?"

    „Stimme vollkommen zu, Aris. Ein klassischer Verteidigungsfall, bei dem nun einmal der Schwächere, aber Aggressivere verloren hat. Sein Pech, wenn er die Lage nicht einschätzen kann. Du hast vollkommen richtig gehandelt, Holger. Mach dir keine Sorgen! Es gibt Schweinemenschen auf dieser Welt. Und dieser Andere war einer davon. Es ist nicht schade um ihn. Ich habe im Krieg zwölf Menschen getötet – töten müssen, weil sie mich töten wollten. Also auch eine Art von Notwehr. Die ist im Krieg ein Dauerzustand für alle Beteiligten."

    „Aber Kriege sollte es überhaupt nicht geben.", warf Adriana ein.

    Alle stimmten sofort zu. Aristoteles fügte noch an:

    „Das Bedauerliche an Kriegen ist eigentlich immer, dass sich die Soldaten im Grunde genommen gegenseitig nichts vorzuwerfen haben, außer dass sich manchmal die gegnerischen Armeen auf fremdem Gebiet aufhalten, wo sie ja nichts zu suchen haben. Aber das ist schon der zweite oder dritte Schritt. Den ersten Schritt haben immer die Politiker zu verantworten – und das sind oft auch nicht immer die Politiker, die einen Krieg beginnen, sondern oft genug diejenigen, die einen anderen Staat provozieren oder durch Zwang unter Druck setzen. Man müsste die Politiker aller beteiligten Staaten zur Rechenschaft ziehen und nicht nur diejenigen, die am Ende den Krieg verlieren. Es würden sich alle Politiker dreimal überlegen, ob sie einen Krieg provozieren – egal ob sie ihn allein oder mit Alliierten gewinnen können."

    „Mal wieder auf den Punkt gebracht, Aris., sagte Ernest. „Politik ist heutzutage leider oft genug ein mieses, verkommenes Geschäft, das zu Lasten der normalen und friedliebenden Bürger praktiziert wird. Aber lasst uns über etwas Anderes reden! Schließlich sind wir hier auf der Finca Vigía – keine Politiker, keine Lügen, keine Kriege.

    In dem Moment kam mein Bruder Ralf – wie ich vor einer guten Stunde – die Treppe zur Veranda herauf und begrüßte uns lächelnd.

    „Hey, Ralfi! Schön dich zu sehen.", rief Ernest; und ich wunderte mich, dass er meinen Bruder, den ich hier nicht erwartet hatte, bereits kannte. Es stellte sich heraus, dass die beiden sich einmal beim Angeln kennen gelernt hatten und danach in der Floridita-Bar nach einigen Daiquiris gemeinsam abgestürzt waren. Das erzeugt eine gewisse Bindung – sowohl bei Männer als auch bei Frauen – sowohl das Angeln als auch der gemeinsame Absturz in einer Bar.

    Ralf brachte außer sich selbst und einer Flasche irischen Whiskey noch eine junge, zierliche Frau mit. Sie reichte ihm bis an die Schultern und hatte langes, glattes, flachsblondes Haar und blaue Augen, ein schmales Gesicht und ein sehr hübsches und freundliches Lächeln. Sie trug ein weißes, knielanges Kleid mit weitem Ausschnitt, so dass ihre wohlgeformten, hellbraunen Brüste bis auf die Warzen für jeden Menschen sichtbar waren – ein Anblick für die Götter, aber auch für alle Anwesenden einschließlich Adriana, die Linda besonders lange und wohlmeinend in Augenschein nahm.

    „Oh, und wen bringst du da mit?"

    „Das ist Linda. Sie kommt aus Spanien und promoviert hier in Havanna in Medizin."

    „Und mit welchem Schwerpunkt?", fragte Aristoteles.

    „Palliativmedizin und Methoden des sanften Freitods.", antwortete Linda mit einem sanften Lächeln.

    „Dann müssen wir uns später unbedingt darüber unterhalten. Das interessiert mich sehr."

    „Mich auch.", warf Ernest ein.

    „Mich auch.", sagte ich

    „Und mich auch.", ergänzte Adriana.

    „Mich natürlich auch., sagte mein Bruder lächelnd. „Aber vorher lasst uns etwas trinken! Was trinkt ihr gerade?

    Er stellte die mitgebrachte Flasche Whiskey auf den Tisch und ließ sich und Linda von dem Bediensteten zwei Weingläser und eine neue Flasche Rosé bringen. Gegessen hätten sie schon, begegnete er Ernest auf seine Frage nach ihrem Hunger. Und deswegen konnte der Bedienstete die Teller abräumen und den Käse und die Weintrauben auftischen.

    Wir unterhielten uns zunächst darüber, was wir am vergangenen Tag und in der vergangenen Nacht gemacht hatten. Ralf und Linda waren angeln gegangen, hatten sich am Gestade außerhalb Kubas mehrmals körperlich geliebt – also gefickt – und nebenbei ein paar herrliche Soffrados gefangen, die sie am Abend im Garten gegrillt hatten, wonach sie im Freien eingeschlafen und erst mit dem Ruf des Sonnenvogels gegen fünf Uhr aufgewacht waren. Aristoteles erzählte, dass er früh zu Bett gegangen sei und einen Traum gehabt habe: Er hatte von einer Weltkonferenz der Philosophen geträumt, deren Ziel es wäre Kriege unter den Völkern für alle Zeiten auszuschließen. Er habe vorgeschlagen einen Weltsicherheitsrat zu installieren, der jegliche Art von militärischer Auseinandersetzung mit Todesstrafe belegen solle. Außerdem müsse es einen Weltwirtschaftsrat geben, der die Weltwirtschaft gerecht regelt und dafür sorgt, dass alle Länder auf der Welt gerecht behandelt werden. Es würde zwar beide Instanzen schon geben, erklärte er. Aber so, wie sie arbeiteten, gäbe es keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Beide wären durchgängig korrupt und würden ihren Aufgaben geschweige denn den Belangen der Menschen nicht gerecht.

    Adriana und Ernest hatten den ganzen Tag mit dem Boot auf dem Meer verbracht: angeln, schlafen, lesen, sprechen – was man ebenso zu zweit auf einem Boot macht. Ich konnte mich nicht erinnern. Alles war wie ausgelöscht. Damit war ich der Einzige, der nichts an Erfahrung von gestern beitragen konnte. Das war mir irgendwie unangenehm. Aber die anderen gingen nicht weiter darauf ein. Stattdessen sollte nun Linda erläutern, was sie genau in ihrem Beruf tut. Und sie erzählte:

    „Also in der Palliativmedizin geht es darum, den sterbenden Menschen mit schweren, in der Regel unheilbaren Krankheiten so lange wie möglich ein schmerzfreies Leben zu ermöglichen. Wir kümmern uns um ihn."

    „Was heißt ‚kümmern‘?", fragte ich.

    „Naja, es geht natürlich in erster Linie darum, die Schmerzen, die er durch seine Krankheit hat, zu lindern. Dafür gibt es eine ganze Reihe an Medikamenten, also Schmerzmitteln. Aber wir versuchen auch die Menschen zu beschäftigen und psychisch zu betreuen. Vor allem ist das Ziel ihnen ihre Ängste und Verzweiflung zu nehmen."

    „Ja, das ist sehr wichtig., sagte Aristoteles. „Die Angst vor dem Tod und dem Sterbenmüssen ist bei den meisten Menschen die größte. Man muss sich halt mit ihm anfreunden.

    „Anfreunden?", fragte Adriana überrascht.

    Ja, anfreunden., wiederholte Aristoteles. Wir müssen uns mit ihm beschäftigen, und zwar nicht erst, wenn er schon vor der Tür steht, sondern am besten ein ganzes Leben lang."

    „Aristoteles hat Recht., sagte Linda. „Viele Menschen sind zunächst so verzweifelt, weil sie den Gedanken an den Tod ihr ganzes Leben lang zur Seite geschoben haben. Und nun steht er plötzlich unwiderruflich da und lässt sich nicht mehr abwimmeln. Und dann bekommen die Menschen Angst.

    Linda erzählte noch eine Weile von den Leuten, mit denen sie zusammenarbeitet: Psychologen, Theologen, Physiotherapeuten und Pflegern – und natürlich den Angehörigen, soweit diese dazu bereit sind.

    „Also geht es auch um Beschäftigung und Beistand.", warf Ernest ein.

    „Ja, so ist es.", antwortete Linda.

    „Sei mir nicht böse, Linda!, fuhr Ernest weiter fort. „Aber ist das nicht etwas für Menschen, die keine eigenen Ideen haben?

    „Wie meinst du das?", fragte Linda nach.

    „Na ich meine: Ich brauche keinen Freizeitplan – auch nicht, wenn ich sterbe. Erstens konnte ich mich stets selbst beschäftigen. Und wenn es dann so weit ist – ich meine, wenn ich nichts Vernünftiges mehr machen kann, weil die Schmerzen zu groß werden oder ich mein Augenlicht verliere oder andere aussichtslose Situationen eintreten, dann habe ich meine Winchester, um dem Graus ein Ende zu setzen."

    „Du kannst aber nicht jedem Alten eine Winchester schenken, Ernest, damit er sich erschießt. Oder?", gab Adriana zu bedenken. Ich musste kurz prusten.

    „Nein. Du hast Recht, Liebes. Erstens kann damit auch nicht jeder umgehen. Und zweitens bezweifle ich, dass die meisten den Mumm haben auch abzudrücken."

    „Aber dafür habt ihr doch auch eine Lösung, oder?", sprach Ralf und lenkte das Gespräch damit in die andere Richtung.

    „Ja, für den Exitus gibt es natürlich auch Medikamente. Und wenn der Kunde es wünscht, bekommt er sie auch. Wir setzen ein Schriftstück auf, das seinen unwiderruflichen Willen bezeugt, fügen die Beweisschrift eines Arztes hinzu, indem es heißt, dass der Kunde entgegen des ärztlichen Rates es vorzieht sofort zu sterben, und dann können wir ihm die Mittel zur Verfügung stellen. Wann er sie im Endeffekt einnimmt, ist ihm überlassen. Manche machen es sofort; manche lassen noch ein paar Tage vergehen."

    „Entschuldige, Linda!, meldete sich Aristoteles. „Du sprichst von ‚Kunden‘ und nicht von ‚Patienten‘?

    „Ja., antwortete Linda. „Das hat sich bei uns so durchgesetzt, weil die Menschen es so wollen. Sie wollen keine Patienten sein. Das Wort ‚Patient‘ hört sich oft so an, als lägen die Leute im Krankenbett und bedürften intensiver Pflege, weil sie fast alles nicht mehr selbst erledigen können – wie ein Patient mit gebrochenen Extremitäten zum Beispiel. Aber die meisten leben ihr Leben ja weiterhin selbstständig – gehen zur Toilette und waschen oder duschen sich, essen, trinken, machen Spaziergänge und so weiter. Sie bezahlen ja auch für alles. Und wenn die Krankenkassen bezahlen, haben sie vorher die Krankenkassen bezahlt. Also verlangen sie auch die gewünschte Leistung, die den Freitod beinhaltet.

    „Eine Dienstleistung also?", fragte Adriana.

    „Ja, wenn du so willst.", antwortete Linda.

    „Das finde ich gut., bemerkte ich. „Viele Leute möchten sterben, wissen aber nicht wie. Und, wie Adriana schon sagte, haben die meisten keine Winchester oder keine Pistole oder verfügen nicht über die Medikamente, an die nur schwer ranzukommen ist. Dann probieren sie einiges aus und scheitern vielleicht, werden in die Psychiatrie eingeliefert und vom Sterben abgehalten.

    „Richtig. Oder stürzen sich von Brücken oder werfen sich vor Züge und belasten dadurch nur unnötig das Leben anderer – zum Beispiel Kinder, die gerade unter der Brücke spielen oder am nächsten Tag die gebrochenen Knochen und das herausgespritzte Gehirn entdecken – oder die bedauernswerten Zugfahrer, die oft ihren Beruf nicht mehr ausüben können, wenn sie einmal den Kopf eines Suizidanten mit den Rädern ihres Zuges abgetrennt haben.", sagte Ralf.

    Linda ergänzte: „Wir wollen auch solche Szenarien verhindern. Jeder soll das Recht haben, sein Leben zu beenden."

    „Ich habe gehört, dass viele Menschen, die sich umbringen wollen, unter Depressionen leiden. Sollte man denen nicht vorher irgendwie helfen?", fragte Aristoteles.

    „Sollte man., antwortete Adriana. „Aber da sind wir bei einem anderen Thema, glaube ich. Wir haben ja die ganze Zeit von Menschen gesprochen, die eh bald sterben werden. Depressionen kann man auch als junger Mensch bekommen. Abgesehen davon stimmt es nicht, dass Leute, die sich das Leben nehmen wollen, alle unter Depressionen leiden, wie das so oft in den Medien vermittelt werden soll.

    „Das ist eigentlich ein ganz anderes Thema, oder?, fragte ich. „Linda! Haben die Leute bei euch Depressionen? Linda dachte eine kurze Zeit nach. Dann sagte sie:

    „Einige haben am Anfang Angst – wie ich ja auch schon vorhin gesagt habe. Aber ich würde es nicht als Depression bezeichnen. Es ist etwas Anderes, ob Du Dein Leben so oder so abschließen sollst, oder ob dich zum Beispiel irgendwelche Situationen, die nicht leicht zu ertragen sind, aus der Bahn werfen und dich mutlos und traurig werden lassen. Manche Menschen schaffen es einfach nicht aus eigener Kraft, nach einem Rückschlag wieder Fuß zu fassen, weiterzumachen und ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen."

    Adriana sagte: „Es ist natürlich etwas Anderes, ob du mit 14 deine erste unglückliche Liebe erfährst oder mit 82 den Schlusspunkt erreicht hast. Oder würdest du einer Vierzehnjährigen auch die Winchester in die Hand drücken, Ernest?", neckte sie ihn.

    Ernest nahm die Spitze auf: „Wenn sie damit umgehen kann, warum nicht? Vielleicht überlegt sie es sich im letzten Moment auch noch anders, wenn sie das Ding schon in der Hand hat, und erschießt mich, weil sie wütend darüber wird, dass ich sie in die ewigen Jagdgründe schicken und nicht bemitleiden wollte. Das wäre dann so etwas wie Erziehung zur Selbsterziehung. Oder?"

    „Ein interessanter Gedanke!", äußerte Aristoteles. Das erinnert mich an einen Vorfall in unserer Stadt. Ist schon über zweitausenddreihundert Jahre her: Ein Vater schickte einmal seinen sechzehnjährigen Sohn, der zu nichts zu gebrauchen zu sein schien, in eine Höhle, um sich dort umzubringen. Er gab ihm ein großes Messer mit, das er sich in den Leib rammen sollte. Der Vater wählte ein besonders großes und stabiles Messer, das dem Jungen unnötig lange Schmerzen ersparen sollte. Als der Junge in der Höhle stand, dachte er darüber nach, wo er das Messer ansetzen sollte – am Hals, also die Carotis durchtrennen, oder unter dem Sternum und damit die Aorta zerfetzen. Er ritzte mit dem Messer zunächst seinen Körperumriss in den Stein und stand diesem Abbild gegenüber. Er ahmte die Bewegungen an den entsprechenden Stellen nach und wollte auf diese Weise ein gewisses Training erhalten. Beim dritten Durchgang rammte er das Messer auf Höhe seiner Spiegel-Aorta so heftig in den Stein, dass ein größerer Brocken aus der Wand fiel. Er sah das herausgeschlagene Stück genauer an und entdecke, dass

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1