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Irisblüte: Erinnerungen an eine späte Liebe
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eBook388 Seiten5 Stunden

Irisblüte: Erinnerungen an eine späte Liebe

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Über dieses E-Book

Dieser Roman handelt von einem Paar zwischen 60 und 65 Jahren, Elvira und Manfred, beide sind verwitwet. Sie lernen sich auf einer Urlaubsreise in Kapstadt kennen. Es entwickelt sich eine innige Liebe mit einem Schönheitsfehler, der sich alsbald als sehr positiv herausstellt.
Sie wohnt am Edersee, war Chefsekretärin, und er ehemaliger Banker wohnt in Heppenheim. Dazwischen liegen 230 km, der kleine Schönheitsfehler. Beide wollen aus unterschiedlichen Gründen ihren Wohnsitz beibehalten.
Das Verbindende sind ihre große Zuneigung, der Humor, die gleichen Interessen, das Reisen, die Kultur und ihre Aufgeschlossenheit für alles Neue, nicht zu vergessen das Kochen. Als Vorteil stellt sich heraus, das beide sich, nach intensiv gelebten Tagen, in ihr persönliches Reich zurückziehen können, jeden Tag aber zweimal telefonieren. Zur Partnerschaft auf Distanz, mit ihren großen Vorzügen und kleinen Nachteilen, werden intensive Zärtlichkeiten, Reisen, Gedichte und Kochrezepte beschrieben.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum26. Sept. 2016
ISBN9783734545238
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    Buchvorschau

    Irisblüte - Lars Röder

    Die Begegnung

    Von besonderen Konstellationen mal abgesehen, geschieht »es« üblicherweise dann, wenn man plötzlich angesprochen wird und keine passende Antwort weiß: Die Schaltzentrale im Hirn setzt aus oder arbeitet zumindest sehr langsam. Das kann ganz schön peinlich sein. Ganz besonders schlimm kann es beim Anblick einer interessanten Frau kommen. Ein Mann steht ihr plötzlich gegenüber und möchte ihr so gern etwas Nettes sagen, da verschlägt es ihm die Sprache. Das Ergebnis kann ein stummes Staunen sein, ein offener Mund oder ein völliger Blackout.

    So erging es auch Manfred Ziegler, einem Schulkameraden aus früheren Zeiten, den ich kürzlich zufällig getroffen habe. Manfred, etwas über sechzig, war in seinem Berufsleben Banker, versiert in seinem Metier, sozusagen in allen Sätteln gerecht. Er erzählte, er sei seit einiger Zeit verwitwet und verspüre eine gewisse Einsamkeit. Bisher habe er aber keine passende Partnerin gefunden, auch auf Kreuzfahrten, Reisen und Veranstaltungen sei der Erfolg ausgeblieben. Im Bekanntenkreis habe es wohl eine Interessentin gegeben, aber das nahe Umfeld berge Gefahren, meinte er. Jeder kenne jeden und persönliche Dinge würden dann schnell die Runde machen. Jetzt aber wolle er einen erneuten Versuch starten. Er habe eine Reise nach Südafrika gebucht. Keine Rundreise, wie üblich, sondern ein stationäres Hotel, von dem aus Tagesfahrten unternommen würden. Auf der Reise wolle er sich seinem Hobby, der Tier- und Pflanzenfotografie widmen und natürlich auch ansonsten die Augen offen halten. Bei den letzten Worten zwinkerte er mir zu. Ich wünschte ihm viel Erfolg und wir verabschiedeten uns. Nach seiner Reise wollten wir uns wieder treffen. Manfred versprach mir einen interessanten Reisebericht und hoffentlich auch eine Erfolgsgeschichte.

    Flug nach Kapstadt

    In der großen Wartehalle für Jumbo-Reisende am Flughafen Frankfurt am Main herrschte wie immer kurz vor dem Abflug ein ziemliches Gedränge. In dieser Masse von Köpfen war Manfred eine Dame mit schönen weißgrauen Haaren aufgefallen, die sofort sein Interesse geweckt hatte. Er war ausgezogen, die Liebe oder, besser gesagt, eine liebevolle Partnerin zu finden, und das nicht zum ersten Mal. Der Anblick dieser Frau löste jedoch etwas Ungewohntes, bisher nicht Dagewesenes in ihm aus. »Warum in aller Welt beschäftigt mich ausgerechnet diese Frau, die ich nur einen kurzen Augenblick gesehen habe? Das war doch noch nie so.« Ihr wohlgeformtes Gesicht und ihre weißen Haare hatten ihn ohne Zweifel beeindruckt. Später, als sie kurze Zeit nicht durch andere Fluggäste verdeckt war, bemerkte er auch ihre sehr attraktive Figur. Doch dann war sie irgendwo zwischen den anderen Fluggästen untergetaucht.

    Der Flug nach Kapstadt war angenehm. Das Essen war recht ordentlich, der Wein vorzüglich. Ein südafrikanischer Rotwein mit dem blumigen Namen »Edelrood«. Fantasienamen sind in Südafrika erlaubt und Verschnitte aus mehreren Rebsorten häufig anzutreffen. Dadurch entstehen sehr wohlschmeckende, abgerundete Weine. Als die Stewardess das Tablett und die leere Flasche abräumte, bemerkte Manfred beiläufig mit einem Lächeln, dass der Wein vorzüglich sei. Daraufhin fragte sie ihn, ob er noch ein Fläschchen wolle. »Ja, sehr gerne«, gab er mit einem noch netteren Lächeln zur Antwort. Das zweite Fläschchen beflügelte seine Fantasie. Er musste immer wieder an die Dame denken und malte sich aus, wie schön es wäre, wenn er Kontakt zu ihr aufnehmen und sie vielleicht sogar als Partnerin gewinnen könnte. So in schwärmerische Gedanken vertieft, schlief er schließlich ein.

    Nach der Landung in Kapstadt beobachtete er sehr interessiert die Mitreisenden, die zu den Bussen dirigiert wurden. Und da, im Gewühl der Passagiere, entdeckte er sie wieder, die Dame mit den weißen Haaren. »Ob sie wohl allein reist?« Irgendwie hatte sie ihn mächtig beeindruckt. Doch in der Menge der Fluggäste verlor er sie bald wieder aus den Augen.

    Im Hotel angekommen war er froh, sich zuerst einmal duschen und etwas aufpolieren zu können. Danach war ein kleiner Empfang mit Informationen angesagt. Diese Veranstaltungen laufen immer nach dem gleichen Schema ab. Zuerst gibt es einen Cocktail und dann wird das Programm abgespult. In einem größeren Raum, sonst wohl für Festlichkeiten vorgesehen, waren schon viele der neu Angekommenen versammelt. »Die können doch unmöglich alle zu meiner Reisegruppe gehören«, dachte Manfred bei sich. Aus organisatorischen Gründen waren wohl alle Neuankömmlinge in diesem Hotel zusammengefasst worden.

    Die Informationsveranstaltung langweilte ihn. Er musste an die Dame vom Flugplatz denken. Vorsorglich hatte er sich im Saal schon so gesetzt, dass er den Raum recht gut überblicken konnte. Vielleicht war sie ja auch in diesem Hotel untergebracht. Und tatsächlich. Plötzlich erhellte sich sein Blick. Er hatte sie wieder entdeckt. Zu seinem Leidwesen stellte er allerdings während des Empfangs fest, dass sie zu einer anderen Gruppe gehörte. Doch er wollte sich nicht entmutigen lassen. Zumindest wohnte sie im gleichen Hotel. Vielleicht würde sich abends an der Bar eine Gelegenheit bieten, vorsichtig Kontakt aufzunehmen.

    Die Unbekannte

    Beim Abendessen, im großen Speisesaal, saß sie an einem kleinen Tisch am Fenster. Allerdings in der entgegengesetzten Ecke des Raumes, wie konnte es auch anders sein. Im Augenblick war sie noch allein und das schien auch so zu bleiben. Vielleicht war es ihr Wunsch und sie wollte, egal aus welchen Gründen, ungestört ihren Gedanken nachhängen. Seine Hoffnung konzentrierte sich wieder auf die Bar. Nach dem Essen begab er sich dorthin, bestellte sich einen Drink und hoffte auf ihr Erscheinen. Doch vergebens.

    Am nächsten Morgen fuhren die Busse vom Parkplatz auf ihre Tagestouren. Leider hatte jeder ein anderes Ziel. Manfred war etwas enttäuscht. Trotzdem verlief der Tag für ihn erfolgreich. Er hatte sich, soweit es ihm möglich war, immer etwas abseits der Gruppe gehalten. So war er zu einigen hübschen Blumenaufnahmen gekommen und hatte dazu einen wunderschönen großen Schmetterling vor die Kamera bekommen.

    Am Abend war er so früh wie möglich im Speisesaal erschienen. Schon beim Eintreten sah er sie an ihrem Tisch sitzen. Da hatte er eine Idee. Als er endlich den Kellner entdeckt hatte, der für ihren Tisch zuständig war, versuchte er den altbewährten Trick mit einer kleinen Spende für die Mitarbeiter. Der Kellner fragte bei ihr an. Offensichtlich hatte sie nichts dagegen, dass Manfred an ihren Tisch kam, woraufhin der Kellner ihn zu ihr führte.

    Sie lächelte ihm zu. Er stellte sich vor und auch sie nannte mit leicht sonorer Stimme ihren Namen. Manfred lief eine leichte Gänsehaut über den Rücken. Elvira Kaiser hieß sie. Aber das hatte er wie durch einen leichten Nebel gehört. »Ist das eine Frau!« Jetzt war die anfangs erwähnte Situation eingetreten. Manfred schaute sie an – und hatte eine Blockade. Er war froh, dass er wenigstens seinen Namen herausgebracht hatte, doch dann überschlugen sich seine Gedanken. »Aus der Nähe sieht sie noch viel besser aus. Dabei könnte sie fast in meinem Alter sein, so zwischen achtundfünfzig und sechzig. Ihre wunderschönen weißgrauen, kurz geschnittenen Haare und dazu der gepflegte, leicht sonnengebräunte Teint. Wahnsinn. Nicht wie bei einigen Frauen, die laufend auf der Sonnenbank liegen und aussehen wie gegerbtes Leder. Und dann ihr wohlgeformter Mund mit den kleinen Fältchen darüber. Die bestätigen wohl das Alter, das ich vermute.« Sie trug eine etwas längere Bluse mit dezenten afrikanischen Motiven, die sie vermutlich unterwegs schon gekauft hatte, dazu eine weiße Hose, zwei Ohrringe aus kleinen Perlen und einen dezenten afrikanischen Halsschmuck, sicher auch neu erstanden. Ihre Erscheinung wirkte sehr gepflegt und auch fast sportlich, obwohl sie nicht gertenschlank war. Ihre attraktive Oberweite war auch nicht zu verachten.

    Elvira hatte seine Verwirrung offenbar bemerkt und verstärkte fast unmerklich ihr Lächeln. Noch ehe Manfred sich erholt hatte, bat sie ihn, Platz zu nehmen. Somit war er aus dem Schneider, wie man in Skatkreisen sagt. Nach und nach war er in der Lage, seinen Blackout abzubauen und zu einer vernünftigen Konversation überzugehen. Zunächst mit ein paar Fragen zum Flug. Nachdem er die Speisekarte studiert hatte, bestellt er mit ihrem Einverständnis und der Übereinkunft, dass jeder die Hälfte zahlen würde, eine Flasche Wein. Da er die südafrikanischen Weine schon kannte, hatte er ein glückliches Händchen. Der Chardonnay passte ausgezeichnet zum Essen. Als Vorspeise gab es einen köstlichen frischen Salat aus Krabben und Früchten. Der Hauptgang war Seehecht in Butter-Weißweinsoße mit dezentem Knoblauch, dazu Reis. Die Speisen waren optisch hervorragend angerichtet und schmeckten ausgezeichnet.

    Manfred beobachtete seine Tischnachbarin unauffällig und genoss sein sehr attraktives Gegenüber sichtlich. Aber auch sie schien nicht gerade unzufrieden mit ihrem neuen Tischnachbarn. Als Manfred zu ihrem Tisch geführt wurde, hatte sie ein paar Sekunden Zeit gehabt, ihn zu beobachten. Er war relativ schlank, hatte nicht mehr ganz dichtes, mittelblondes, grau durchsetztes Haar, einen kurz geschnittenen Bart um Oberlippe und Kinn und trug eine randlose Brille. Sie schätze ihn auf achtundfünfzig bis zweiundsechzig Jahre. Mit einer dunklen Hose und einem sandfarbenen Blazer war er dezent gekleidet. Eine durchaus elegante Erscheinung.

    Die Unterhaltung wurde immer angeregter, nicht zuletzt durch den Wein. Als Dessert brachte der Kellner noch Ananassorbet, eine vorzüglich Abrundung des Essens. An Gesprächsstoff hatte es nicht gemangelt. Es war ihnen entgangen, dass sich der Speisesaal fast geleert hatte. Man beschloss, noch einen Espresso an der Bar zu sich zu nehmen, denn am nächsten Morgen sollte es recht früh wieder auf Tagestour gehen. Beim Verabschieden freuten sich beide schon auf den nächsten Abend, denn die Zeit würde sicher zu knapp sein, um am Morgen zusammen frühstücken zu können.

    Manfred schwebte förmlich auf sein Zimmer und ohne große Umschweife in sein Bett, um diesen Traum möglichst fortzusetzen. Beim Einschlafen wurde ihm bewusst, warum er sofort von dieser Frau begeistert gewesen war, warum er sie interessant und begehrenswert fand. Ihre äußeren Attribute allein hätten schon genügt, aber er spürte, dass diese Frau ein Schatz mit vielen Facetten war.

    Als um sieben Uhr der Wecker klingelte, fing Manfreds Hirn verhältnismäßig schnell an zu arbeiten. Er musste erst einmal den gestrigen Abend auf die Reihe bringen. In seinem Kopf war ein ganz schönes Durcheinander. »Was war Tatsache und was habe ich dazu geträumt? Oder war alles Realität?« Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihm nicht, er sollte schnellstens ins Bad und dann zum Frühstück gehen. Wie erwartet, gab es am Büfett ein größeres Gedränge. Er war auch nicht gerade sehr früh in den Speisesaal gekommen. Schnell aß er ein kleines Müsli, wie üblich, und dann noch etwas Herzhaftes. Aber alles doch sehr mechanisch, denn seine Gedanken kreisten. Er hätte Elvira so gerne einen guten Morgen gewünscht und sich für den reizenden Abend bedankt, konnte sie aber nicht erblicken. Lange hatte er keine solche Frau kennengelernt, eine Frau, mit der man sich so gepflegt unterhalten konnte. Sie war offensichtlich sehr belesen, liebte die Musik, das Tanzen. Auch von der Welt hatte sie schon einiges gesehen. Aber eine Frage spukte noch in seinem Kopf herum: »War sie allein verreist und ihr Partner war zu Hause geblieben? Oder war sie ungebunden?« Das beschäftigte ihn schon gewaltig.

    Die Tagestour nach Hermanus war interessant. Im November und Dezember versammeln sich in dieser Bucht viele Wale zum Kalben. Es war ein großartiges Erlebnis, den Tieren zuzuschauen. Am liebsten wäre er mit dem Boot etwas näher an die Wale herangefahren, aber mit dem Teleobjektiv gelangen ihm auch aus der Entfernung einige gute Aufnahmen.

    Gerade als seine Gruppe wieder einsteigen musste, kam der Bus mit der Dame seiner Träume an. Mehr als ein Winken aus der Ferne war nicht möglich und schon ging es weiter.

    Zum Abendessen zog er seinen leichten, cremefarbenen Anzug an, steckte sich ein kleines Tuch in die Reverstasche und war etwas großzügig mit seinem Aftershave. Er mochte diesen frischen Duft und auch Frauen waren dafür empfänglich. Auf dem Weg zum Speisesaal war er neugierig, was sie wohl heute Abend tragen würde. Er war als Erster am Tisch, nahm Platz und fixierte die Tür, durch die sie kommen musste. Nach ein paar Minuten erschien sie. Selbstbewusst schritt sie durch den Saal. Zum ersten Mal konnte er sich an ihrer Erscheinung und ihren grazilen Bewegungen erfreuen. Sie sah nicht nur hervorragend aus, sie verstand es auch elegant zu gehen. In ihrem blauweißen, knöchellangen Batikwickelkleid wurde ihre Figur besonders betont. Sie hatte sich das wohl als kleinen Trumpf ausgedacht und er quittierte es mit einem zufriedenen Lächeln. »Du meine Güte, diese Frau versteht es, mit ihren Reizen zu spielen.«

    Das Essen wurde wieder zu einem kleinen Erlebnis. Nach einem Blick in die Speisekarte schien ihm ein Rotwein, ein Shiraz, angebracht. Den Wein aus dem Flugzeug gab es leider nicht. Sie hatte es ihm überlassen, den Wein auszusuchen. wie am Abend zuvor. Als Vorspeise wurde wieder ein Salat serviert, dieses Mal mit Avocadospalten. Die Hauptspeise: Straußensteak mit wunderbarem gemischtem Gemüse. Zum Dessert war die Weinflasche schon geleert und er hätte am liebsten noch eine bestellt. Sie war aber anderer Meinung und machte den Vorschlag, an der Bar noch einen Cocktail zu trinken. Manfred freute sich, bot dies doch die Gelegenheit, noch ein bisschen länger mit ihr zusammen zu sein. Vielleicht könnte man sich ja etwas näherkommen. Das Plaudern beim Drink dauerte, zu Manfreds Zufriedenheit, natürlich auch wieder länger. Als Neuigkeit hatte er erfahren, dass sie in Waldeck am Edersee wohnte und verwitwet war. Sonst sei sie immer mit einer Freundin in den Urlaub geflogen oder gefahren, aber das Verhältnis habe sich etwas getrübt. Manfred hätte gerne noch mehr gewusst, wollte sie aber nicht bedrängen. Sie vereinbarten am Morgen früher im Speisesaal zu sein, um gemeinsam zu frühstücken. Er begleitete sie heute bis zu ihrer Zimmertür und verabschiedete sich mit einem zarten Wangenkuss, was ihr offenbar zusagte.

    Ein besonderer Tag

    Beim Erwachen dachte Manfred sofort an Elvira und die Tagesfahrt ins Weinbaugebiet. Er malte sich aus, dass es vielleicht möglich sein könnte, den Tag gemeinsam zu verbringen. Und er hatte Glück. Die Reiseleitung fuhr mit drei Bussen dorthin und die Busse von Elvira und Manfred waren dabei. Das versprach, ein schöner Tag zu werden.

    Zuerst fuhren die Busse nach Paarl (Perle), benannt nach dem runden Granitfelsen in der Nähe, der bei bestimmter Sonneneinstrahlung glänzt wie eine Perle. Gleichzeitig ist Paarl das Zentrum des Weinund Obstanbaus. Oberhalb der Stadt besuchten sie das weithin sichtbare Afrikaans Language Monument. Eine moderne Gestaltung aus Halbkugeln und stelenartigen Elementen, die die Sprache Südafrikas, das Afrikaans, symbolisieren und das sprachliche Bindeglied zwischen Westeuropa und Afrika darstellen. Bei strahlendem Sonnenschein und fantastischer Sicht konnte man weit über das Weinbaugebiet schauen. Natürlich gab es jede Menge zu fotografieren und das erste Bild von Elvira hatte er blitzschnell aufgenommen, ohne dass sie es merkte. Sie war sehr fotogen.

    Dann fuhren die Busse zum Weingut. Es war ein schönes Anwesen im Kap-Stil. Weiß gestrichen mit den typischen geschwungenen Giebeln. Es lag in einem kleinen Park, in dem Tischgruppen mit Stühlen standen. Dort konnten Besucher sich an der Theke Wein und etwas zu essen kaufen und sich in den Park setzen, einen sehr idyllischer Ort unter alten Eichen.

    Die Gruppen wurden in einen großen, langen und sehr schön dekorierten Raum geführt, um Platz zu nehmen. Ein riesiges Büfett mit den feinsten Delikatessen war aufgebaut und sogar im Reisepreis inbegriffen. Obwohl die Teilnehmer gruppenweise beisammen saßen, war es Manfred in Absprache mit dem Reiseleiter gelungen, neben Elvira einen Platz zu bekommen. Durch die Vielzahl der Gäste saß man etwas enger als normal, was beiden nicht unangenehm war, zumal der Wein den Geist und das Gemüt beflügelte. Immerhin waren es im Freien achtundzwanzig Grad und selbst im klimatisierten Speisesaal wirkte der Alkohol etwas schneller als gewöhnlich. Ohne, dass die Mitreisenden es mitbekamen, hatte Elvira Manfred das Du angeboten. Was Manfred auf das höchste beglückte. Das obligatorische Küssen wäre in diesem Augenblick unpassend gewesen. Sie wollten warten, bis sie allein waren.

    Nach dem Essen war noch Zeit, etwas im Park spazieren zu gehen. Manfred spürte plötzlich wie sich Elviras Arm unter den seinen schob. So schlenderten sie Arm in Arm die hellblau blühende Jacaranda-Allee entlang. Beide redeten nicht, sondern genossen den Augenblick. Zum Abschluss der Fahrt besuchte man das Dorp Museum in Stellenbosch. Das Ensemble besteht aus kleinen historischen Häusern aus der Zeit von 1700–1850, die alle stilgerecht eingerichtet sind. Ein historisches Kleinod.

    Zum Abendessen erschien Elvira wieder in ihrem Wickelkleid, denn sie hatte bemerkt, dass es Manfred mächtig beeindruckte. Er war heute schon etwas entspannter und ließ sich aus der Reserve locken. »Meine liebe Elvira, ich habe dir gestern Abend schon ein Kompliment zu diesem Kleid gemacht, aber heute muss ich noch eins draufsetzen«, begrüßte er sie schmunzelnd. »Es ist nicht nur sehr hübsch, sondern lässt auch die Konturen deiner Figur aufs Vortrefflichste zur Geltung kommen.«

    »Ich weiß, man darf doch zeigen was man hat«, entgegnete Elvira. »Im Übrigen brauchte ich gestern Abend nur in dein Gesicht zu schauen, um deine Gedanken zu lesen.«

    »Ich glaube, ich muss in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Du hast mich durchschaut«, lächelte er.

    »Es ist doch schön, wenn du mich so anschaust. Es schmeichelt mir«, sagte sie und setzte sich.

    Es war Samstag und nach dem Essen sollte eine Kapelle zum Tanzen spielen. Schon während des Essens waren fünf Musiker erschienen und hatten ihre Instrumente aufgebaut. Um einundzwanzig Uhr sollte der Tanzabend beginnen. Manfred konnte es kaum erwarten, Elvira zum ersten Mal im Arm zu halten. Auch war er sehr gespannt zu erleben, wie gut sie tanzte. Er war, ohne zu übertreiben, ein recht guter Tänzer.

    Manfred schaute ungeduldig auf die Uhr. Noch eine Viertelstunde bis zum ersehnten Augenblick. Bei den ersten Klängen eines Walzers wäre er am liebsten mit Elvira auf die Tanzfläche gestürmt. Aber er zügelte sein Temperament, forderte Elvira höflich mit einer Verbeugung auf und schritt dann mit ihr zur Tanzfläche. Was für ein Gefühl. Sie tanzte mit der Leichtigkeit einer Feder. Walzer rechts herum und links herum, es war eine Freude. Allerdings nicht sehr lange. Andere Gäste hatten den gleichen Drang wie sie und im Nu war die Tanzfläche voll. Mit kleineren Schritten und noch etwas enger tanzten sie weiter und ehe sich Manfred versah, drückte Elvira ihm einen Kuss auf die Wange. Ihm wurde heiß und kalt. Da sie sich so nahe waren, blickte er ihr zum ersten Mal tief in die Augen und stellte fest, dass sie smaragdgrün waren und ihn anstrahlten. Von kleinen Ruhepausen unterbrochen tanzten sie bis zum Schluss. Langsamer Walzer, Tango, ja, sie konnte sogar Rumba, Samba und Cha-Cha-Cha. Er war überwältigt, in einem Rausch vor Glück. Auch Elvira schien sehr glücklich zu sein.

    Als er Elvira an diesem Abend an ihre Zimmertür brachte, drückte er sie noch einmal zärtlich und verabschiedete sich mit einem zarten Kuss auf ihren Mund, was sie ebenfalls mit einem kurzen Kuss erwiderte. Er wünschte ihr noch eine gute Nacht mit schönen Träumen und tanzte im Geiste zu seinem Zimmer. Mit dem Schlafen war es in dieser Nacht nicht weit her. Zu sehr hatte ihn der schöne Abend aufgewühlt. Elviras körperliche Nähe beim Tanzen, ihre strahlenden Augen und ihr verführerisches Parfüm hatten ihn fast aus dem Gleichgewicht gebracht. »So eine Frau habe ich monatelang gesucht und jetzt schickt sie mir der Himmel. Aber sie wohnt am Edersee und ich in Heppenheim an der Bergstraße. Dazwischen liegen geschätzt zweihundertfünfzig bis dreihundert Kilometer. Wie soll das funktionieren?« All diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf.

    Elvira, in ihrem Zimmer angekommen, musste zuerst einmal durchatmen. »Was für ein Abend und dieser interessante Mann! Gut tanzen kann er und seinem Charme zu widerstehen fällt nicht leicht. Warum auch? Aber nur nichts überstürzen. Mal sehen, was daraus wird«, sinnierte sie vor sich hin. Diese und weitere Gedanken begleiteten sie in einen recht unruhigen Schlaf.

    Wie soll es weitergehen?

    Hätte man Manfred an diesem Morgen nach dem Essen vom Abend zuvor gefragt, er hätte gründlich überlegen müssen. Seine Gedanken kreisten immer noch um diesen ereignisreichen Tag. Er fühlte sich nicht so fit wie sonst. Die Gedanken hatten ihn anfangs am Einschlafen gehindert, doch gegen Morgen musste er in einen tiefen Schlaf gesunken sein. Das intensive Tanzen hatte auch ein wenig an seiner Energie genagt, er war ja schließlich keine Fünfundzwanzig mehr. Dies wurde aber durch die herrliche Stimmung kompensiert.

    Die Busse fuhren an diesem Tag wieder getrennte Routen. Elvira war schon unterwegs in Richtung Cape of Good Hope, dem Kap der Guten Hoffnung. Manfreds Bus fuhr zuerst auf den Signalhügel. Von dort hat man einen sehr schönen Blick über Kapstadt, den Tafelberg und die Zwölf Apostel, die Bergkette in Verlängerung zum Tafelberg. Die Waterfront, ein Teil des Hafens mit zu zweigeschossigen Einkaufszentren und vielen gemütlichen Lokalen umgebauten Werften, war bei der guten Sicht zum Greifen nah. Anschließend Weiterfahrt zum Kirstenbosch Botanical Garden, unterhalb des Tafelberges. Er gilt als einer der schönsten Botanischen Gärten der Welt. Das Gelände wurde 1895 von Cecil Rhodes, einem britischen Unternehmer, erworben und bei seinem Tode, 1902, der Nation vererbt. 1913 legte man diesen wunderschönen Park mit unzähligen Blumen und Pflanzen an. Am Schönsten ist es dort im Dezember, wenn die Proteas in vielen Sorten und Varianten blühen. Manfred hatte die Möglichkeit, sehr schöne Fotos zu machen. Mit der Makroeinstellung seiner Kamera gelangen ihm fantastische Großaufnahmen. So gerne er mit Elvira zusammen gewesen wäre, hier hätte sie ihn bestimmt zu sehr gefangen genommen und abgelenkt.

    Am Nachmittag folgte noch eine kleine Stadtrundfahrt und der Bummel durch den Company´s Garden, einem ursprünglich von Jan van Riebeek angelegten Garten zur Versorgung der Mannschaft der Niederländisch-Ostindien-Company mit frischem Gemüse. Durch den Park führt heute die Gouvernement-Avenue. Diese einen Kilometer lange Eichenallee führt vorbei am De Tuynhuys, das 1751 als Gouverneursresidenz gebaut wurde, später Residenz des Staatspräsidenten war und heute als Gästehaus der Regierung dient. Am Ende des Parks stand noch der Besuch des South African Museums an. Dort konnten Nachbildungen von Gerätschaften der Buschmänner, Krals, originale Felszeichnungen sowie ein Saal mit Wal- und Delphinskeletten bestaunt werden. Es war wieder ein beeindruckender Tag gewesen und am Abend würde der Gesprächsstoff sicher nicht ausgehen.

    Als Elvira zum Abendessen kam, war sie immer noch verärgert. Obwohl die Reiseleitung vorher darauf hingewiesen hatte, war sie unvorsichtig gewesen. Blitzschnell war bei einem Zwischenstopp in Kap-Nähe einer der vielen Affen auf sie zugesprungen und hatte ihr die teure Designer-Sonnenbrille aus der Hand gerissen. Die konnte sie abschreiben. Manfred beruhigte sie und meinte, eine Sonnenbrille könne man ersetzen, auch wenn sie teuer war. Viel schlimmer wäre es gewesen, wenn der Affe sie gebissen und sie ins Krankenhaus gemusst hätte. Das sei auch schon vorgekommen. Als Trost bestellte Manfred eine Flasche Sekt. Nach zwei Gläsern war Elviras Ärger verflogen und sie begann angeregt über alles zu plaudern, was sie am Tage erlebt hatte.

    Nach Ankunft der Busse am Kap der Guten Hoffnung hatte sie die Möglichkeit, entweder zu Fuß zum Cape Point mit dem alten Leuchtturm zu gehen oder das kurze Stück nach oben mit der Bahn zu fahren. Sie entschied sich für die Treppen, denn auf diesem Weg sei der Ausblick schon fantastisch gewesen. Aber dann der gigantische Blick von oben. Nach Süden das weite Meer und die Überlegung, dass der nächste feste Landpunkt die Antarktis ist. Linker Hand lag die große Bucht, genannt False Bay, falsche Bucht. Der Name kam daher, dass in früheren Jahrhunderten die Schiffe bei schlechter Sicht die Bucht mit der Table Bay, der Tafelbucht, verwechselten. Sie fuhren hinein und zerschellten an den Felsen unter Wasser.

    Anschließend sei der Bus nach unten an die eigentliche Spitze der Halbinsel, zum Kap gefahren. Sie hielten auf dem Parkplatz mit dem berühmten Holzschild »Cape of Good Hope«, vor dem sich fast alle fotografieren ließen. In der Nähe war ein kleines Partyzelt aufgebaut. Elvira glaubte, es gebe dort einen Empfang für eine Hochzeit, als besonderen Gag für die Hochzeitsgesellschaft. Dem war aber nicht so. Der Reiseveranstalter hatte einen Sektempfang mit belegten Schnittchen arrangiert und alle waren überrascht. Auf dem Rückweg besuchte die Gruppe noch eine Edelsteinschleiferei. Elvira amüsierte sich köstlich, denn in einem sehr kleinen Seitenteil des Verkaufsraumes, von vielleicht drei Quadratmetern, krochen Kinder und Erwachsene auf dem Boden herum. Der Grund: Der Boden war übersät mit kleinen geschliffenen Halbedelsteinen. Für einen kleinen Beitrag konnten sie aus der Vielzahl der Steine eine bestimmte Anzahl aussuchen.

    Aus Elvira sprudelte es nur so heraus, sodass Manfred nicht zu Wort kam. Beide genossen dazu das vorzügliche Essen. Die Vorspeise war eine leckere Hummersuppe, als Hauptgang gab es Jacobsmuscheln mit Beilagen und zum Dessert einen köstlichen Fruchtsalat. Alles mundete wieder vorzüglich. Nach dem Essen machten beide noch einen kleinen Bummel durch den Hotelgarten. Als sie sich auf eine Bank setzten, fand Manfred es an der Zeit, von sich zu erzählen. Er sei fünfundsechzig Jahre alt und im Tierkreiszeichen der Fische geboren, die meisten Frauen interessiere das ja. Beruflich sei er Abteilungsleiter in einer Bank in Frankfurt gewesen. Den ganzen Trubel vom Halse zu haben genieße er. Seit fünf Jahren sei er Witwer. Nach einer schweren Krankheit habe seine Frau ihn verlassen. In Heppenheim besitze er einen kleinen Bungalow mit einem für seine Verhältnisse schönen, kleinen Garten. Zur Stadtmitte könne er bequem zu Fuß gehen. Das tue ihm gut und sei zur Gartenarbeit und dem Computer ein guter Ausgleich. Kinder habe er keine. Am gesellschaftlichen Leben nehme er zu bestimmten Anlässen teil. Das Vereinsleben interessiere ihn nicht, dafür aber das Reisen und Fotografieren.

    Manfred legte seinen Arm um Elviras Schulter. »Jetzt kennst du meinen Steckbrief«, beendete er seinen stichwortartigen Lebenslauf. »Etwas Wichtiges muss ich dir noch verraten«, ergänzte er etwas liebevoller und näherte sich dabei ihrem Ohr. »Ich habe das Gefühl, dich schickt mir der Himmel.«

    Elvira nahm es mit einem Lächeln zur Kenntnis. Der Vergleich mit dem Himmel gefalle ihr, obwohl sie nicht immer ein Engel sei. Ihre Karten lege sie selbstverständlich auch auf den Tisch, damit er genauer wisse, dass er sich eine Löwin angelacht habe. Sie sei Chefsekretärin in einem mittelständischen Unternehmen gewesen. Die Arbeit habe ihr viel Freude, aber bisweilen auch ganz schönen Ärger bereitet. Trotzdem habe sie ihren Beruf geliebt und diesen bis zu ihrem sechzigsten Lebensjahr ausgeübt, das sei Mitte vorletzten Jahres gewesen. Ihr Mann sei vor drei Jahren ganz plötzlich gestorben. Das Haus sei ihr zu groß und nur eine Belastung gewesen. So habe sie es verkauft und sich eine kleinere Eigentumswohnung in Waldeck genommen. Ihre beiden erwachsenen Töchter hätten nicht in das Haus ziehen wollen. Ein Vereinsmeier sei sie auch nicht, engagiere sich aber ehrenamtlich im sozialen Bereich. Tanzen sei schon immer ihr großes Hobby gewesen. Viele Jahre habe sie mit ihrem Mann Tanzkurse besucht. Auch sie verreisen gerne, denn es bilde, man lerne andere Kulturen kennen und es biete sich unter Umständen die Möglichkeit, einen Fisch zu angeln.

    Beide mussten herzhaft lachen. Manfred drückte sie an sich und stellte zum wiederholten Male fest, dass sie ganz schön schlagfertig war. Der Abschied an ihrer Zimmertür endete mit einer längeren Umarmung. Dabei küssten sie sich so, wie sie es bisher noch nicht getan hatten.

    Auf dem Weg zu seinem Zimmer meldete Manfreds Kopf eine Vorstufe von Alarm. Übermorgen Nachmittag war schon der Rückflug. Was war zu tun? Im Halbschlaf kam ihm eine Idee. Am liebsten wäre er zu Elviras Zimmer gelaufen und hätte ihr seinen kühnen Gedanken unterbreitet. Beim Frühstück würde er das unbedingt klären müssen.

    Um rechtzeitig in der Halle zu sein,

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