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Die verstörende Lebensgeschichte des Julian M: Nach einer wahren Begebenheit und in Gedenken an Julian
Die verstörende Lebensgeschichte des Julian M: Nach einer wahren Begebenheit und in Gedenken an Julian
Die verstörende Lebensgeschichte des Julian M: Nach einer wahren Begebenheit und in Gedenken an Julian
eBook447 Seiten6 Stunden

Die verstörende Lebensgeschichte des Julian M: Nach einer wahren Begebenheit und in Gedenken an Julian

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Über dieses E-Book

Die Lebensgeschichte von Julian, wie sie hier vom Autor auftragsgemäß und wunschgemäß zu Papier gebracht wurde, ist ungewöhnlich und unbegreiflich, ja unfassbar. Julian war ein begabter, geradezu genialer Maler und ein genauso genialer Fälscher. Er hat alles reproduziert, von den holländischen Malern bis hin zu Picasso. Selbst die berühmten Maler der Renaissance waren vor ihm nicht sicher, die ließen sich besonders gut unter das gierige Volk bringen und das für unglaubliche Summen.
Doch das Fälscherhandwerk war nicht der einzige schwarze Fleck auf seiner gar nicht weißen Weste, da war noch etwas viel Gravierenderes: Die sexuellen Präferenzen von Julian waren von ganz besonderer Art, denn er war nekrophil. Diese Neigung ist eigentlich keine Seltenheit. Menschen mit solchen Präferenzen tun aber alles dafür, dass ihre Neigungen und Handlungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen, und das mit großem Erfolg, darum ist so gut wie nichts darüber bekannt. Meist ahnen noch nicht einmal die nächsten Verwandten etwas von solchen Neigungen und doch ist die Nekrophilie allgegenwärtig.
Julian hat dieser Leidenschaft über Jahrzehnte gefrönt. Da der Krug solange zum Brunnen geht bis er zerbricht, wurde Julian bei seinen nekrophilen Aktivitäten auf einem Friedhof erwischt und umgehend in der Psychiatrie eingeliefert. Dort blieb er dann bis an sein tragisches Lebensende. Genauso ungewöhnlich wie Julian und sein Genius war, so hat er auch dort weiter Bilder gemalt von unglaublich hoher Qualität und, unfassbar, auch weiterhin Fälschungen meisterhaft gemalt und von dort aus unter das Volk gebracht, bis zu seinem Tod.
Das Leben von Julian war tragisch und so endete es auch. Und doch, hätte man Julian Hilfe zuteilwerden lassen, er wäre eine Bereicherung für die Menschheit gewesen. Die Chance wurde vertan und Julian ist tot, welch ein ungeheurer Verlust.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum12. Aug. 2021
ISBN9783347358829
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    Buchvorschau

    Die verstörende Lebensgeschichte des Julian M - Günter Scholtes

    Vorwort

    Noch in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren verschiedene Berufe für Männer nur schwer oder gar nicht zugänglich, sondern ausschließlich für Frauen. Besonders gravierend war dies in den Pflegeberufen. Welch sonderbare Einstellung – Ärzte durften zu allen Zeiten alles, ein Krankenpfleger fast nichts, ausgenommen putzen und die Fäkalien beseitigen. Mädchen und Frauen verrichteten am Mann jegliche Tätigkeit, erst recht im Intimbereich. Selbst der direkte Griff an die Genitalien des Mannes war dem weiblichen Pflegepersonal gestattet. Von der 17-jährigen Krankenschwesternschülerin bis zu der erfahrenen Krankenschwester, ja sogar die Putzfrau hatte die Zugriffslizenz für die spezielle Anatomie des Mannes. Wie anders sah dies damals bei einem Mann aus! Was durfte ein Pfleger, zum Beispiel in den fünfziger und sechziger Jahren des bereits erwähnten vorigen Jahrhunderts? Vielleicht noch eine Frau im Rollstuhl zur Toilette fahren, aber an der Toilettentür war Schluss, keinen Zentimeter über die Türschwelle, niemals!

    Frauen durften zu allen Zeiten auch unter der Gürtellinie eines Mannes fest und herzhaft zugreifen. Vielleicht stellen Sie einmal eine Frage an die alten und älteren Herren, die die Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch erlebt haben, sie können sich wohl noch lebhaft daran erinnern. Frauen durften zu allen Zeiten in den Pflegeberufen unter der Gürtellinie des Mannes fest und herzhaft zugreifen, alles erlaubt, alles kein Problem. Auch das gehört zu dem Erfahrungsschatz unserer Väter und Großväter. Krankenschwestern, auch die Schülerinnen bis hin zur weiblichen Hilfskraft, haben schon zu allen Zeiten von diesem Recht uneingeschränkt Gebrauch gemacht. Es wäre ein Irrglaube anzunehmen, dass sich heute daran viel geändert hätte. Diese speziellen Privilegien haben sich die Frauen bis heute hartnäckig erhalten und machen davon heftig Gebrauch.

    Zur damaligen Zeit herrschte in allen Führungsebenen eines Krankenhauses die Meinung vor, männlichem Personal sei der Zutritt zu Frauenstationen strikt zu verwehren, da sie jede Frau sofort vergewaltigen würden. Klar, alle Männer tragen noch dazu ihren Penis vor der Hose. Wie soll es anders sein, damals wie heute, die Herren Doktoren standen und stehen als unnahbare, wunderbare Götter über allen anderen. Diesen Herren war damals und heute alles erlaubt, und von diesem nur vermeintlichen Vorrecht machen sie noch immer gerne Gebrauch. Illegal und rechtswidrig, und nahezu immer bleiben sie ungestraft.

    Einer männlichen Pflegekraft war es damals nicht erlaubt, irgendwelche Verrichtungen an einer Frau vorzunehmen, erst recht nicht, wenn sie spärlich bekleidet oder gar nackt war. Zur damaligen Zeit ging man apodiktisch davon aus, dass Männer mit Frauen, besonders wenn sie nackt waren, niemals Berührungen oder gar Körperkontakte haben dürften. In Notfällen führte dies oft zu grotesken Situationen, vorwiegend in ländlichen und christlichen Krankenhäusern mit dann oft fatalen Folgen für die Patientinnen. Selbst wenn der Krankenpfleger 50 Jahre verheiratet war und 10 Kinder hatte, war ihm jegliche notfallmäßige Hilfeleistung untersagt, welch himmelschreiender Unfug! Der Ausgang solcher Situationen war dementsprechend und oft genug tödlich. Diese Zeiten sind überwunden und vorbei, aber trotzdem muss man wissen, nicht ganz Unrecht hatten diese Leute damals mit ihrer Einstellung zu den Männern im Pflegeberuf und Vorsichtsmaßnahmen durchaus nicht. Vieles war seinerzeit sehr wohl berechtigt. Zwangsläufig drängt sich nun die Frage auf: Und heute?

    Hat man, und hierbei spielt das Geschlecht keine Rolle, sich für den ärztlichen Beruf oder einen Pflegeberuf entschieden, so kann die oder der aufmerksame Beobachter Merkwürdiges feststellen. Besonders die Krankenpfleger neigen zu geschlechtsspezifischen Handgreiflichkeiten, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet. Nicht ganz so häufig tun dies auch die Ärzte. Nach meiner eigenen Beobachtung ist diese akademisch gebildete Berufsgruppe fürwahr kein bisschen besser als das pflegerische Fußvolk. Die Herren Doktoren sind zwar gebildet, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen, und damit auch viel geschickter in ihrem Tun. Sie können ihr unerlaubtes Handeln als medizinisch notwendig deklarieren und somit auch kaschieren. (Bis auf einen indischen Arzt aus Merzig, der hat sich im Saarland erwischen lassen und seine Laufbahn auf diesem Wege verpfuscht.)

    Welche junge Patientin weiß schon, warum der Herr Doktor seine Finger in ihre Vagina steckt, wenn sie starke Halsschmerzen hat und noch Magenschmerzen dazu? Die Vermutung liegt nahe – die allerwenigsten wissen es. Nur mit dem nötigen medizinischen Fachwissen weiß man, was nötig und erforderlich ist, oder ob hier nur ein Arzt zu Werke geht, um seine Geilheit abzureagieren. Der aufmerksame Beobachter kommt auch heute sehr schnell zu der Erkenntnis: Diese Beschränkung von damals wäre auch heute noch genauso sinnvoll wie einst.

    Hier drängt sich zwangsläufig die Frage auf: Wie ist es denn nun mit der Frau Doktor oder der netten Krankenschwester?

    Im Allgemeinen besteht das (Vor-)Urteil, Frauen seien seriöser und würden dies nicht tun, doch weit gefehlt! Die Engländer waren die Ersten, die dies in Studien nachgewiesen haben. Auch im übrigen Europa wurde im Rahmen ähnlicher Studien herausgefunden, Frauen sind nicht besser als Männer, nur sehr viel geschickter als diese.

    Man fragt sich – wie ist das möglich? Die Antwort auf diese etwas außergewöhnliche Frage ist im Prinzip recht einfach und doch plausibel. Zunächst sollte man wissen, dass die Intelligenz von Frauen, besonders die der breiten Masse, weitaus höher ist als dies bei der Masse der Männer der Fall ist. Es steht auch außer Frage: Es gibt weitaus mehr dumme Männer als dumme Frauen. So weit der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand. Jedoch – auch diese Medaille hat eine Kehrseite, und hier kommt das große Aber! Überdurchschnittlich hoch begabte Frauen gibt es – fast – nicht, da sind wieder die Männer unter sich. Genauso schlägt das Pendel in die andere Richtung aus. Ein gewisser Anteil der Menschheit ist sehr dumm, und hier überwiegen die Männer bei weitem. Jedoch ein sehr kleiner Prozentsatz von Frauen ist geistig so unterbelichtet, dass nur selten ein Mann mithalten kann.

    Diese Aussage mag angezweifelt werden, schaut man sich jedoch die Liste der Nobelpreisträger und -trägerinnen an, so kommt man zu dem gleichen Resultat. Auf neun Männer kommt nur eine Frau, die mit diesem Preis geehrt wurde. Bekommt eine Frau einmal den Nobelpreis, so ist dies meist nur der für Literatur. In Technologie, Biologie, Medizin oder irgendeiner anderen wissenschaftlichen Disziplin sind die Frauen höchst selten präsent. Dasselbe Ergebnis in der Hochtechnologie und an Forschungszentren. Wird geistige Hochleistung verlangt, sind die Männer unter sich. Doch auch hier gibt es die berühmte weibliche Ausnahme von der Regel. Es gibt sie, diese Superhirne von Frauen, wenn auch fast schmerzhaft selten.

    Nach dem kurzen Ausflug in die kognitiven Fähigkeiten beiderlei Geschlechter ist auch die Frage geklärt, warum es praktisch und faktisch kaum Frauen gibt, die bei sexuellen Übergriffen erwischt wurden oder werden. Sie sind umsichtiger, sie sind vorsichtiger, sie handeln vorausschauender, genauso geil wie Männer, sind sie wesentlich klüger und somit erfolgreicher in ihrem Tun. Und eine weitere Tatsache kommt den unerlaubten sexuell aktiven Frauen zugute.

    Wird ein Patient von einer Krankenschwester oder Ärztin, wie auch immer, sexuell kontaktiert, so sind die Wahrnehmungen beim Mann gänzlich anders geartet, als dies bei der Damenwelt der Fall ist. Ein Mann ist durch jahrhundertlange Prägung darauf konditioniert, alles, was Frauen ihm sexuell angedeihen lassen, gut zu finden. Alles Weibliche ist zu schützen und zu unterstützen. Daraus resultiert, der Mann würde unter keinen Umständen eine Ärztin oder Krankenschwester um ihre Existenz bringen, nur weil sie bei ihm ein EKG gemacht hat. (EKG = Eier- Kontroll-Griff!) Im gleichen Falle wäre es für einen Arzt oder Krankenpfleger, der in gleicher Art und Weise einer Patientin zwischen die Beine gegriffen hätte, das berufliche Aus, und das für immer. Von den berechtigten strafrechtlichen Folgen ganz zu schweigen. Soweit der kleine, aber feine (gewaltige) Unterschied. Daraus resultiert, nach allgemeiner Meinung, der Mann sei immer der Täter und die Frau, selbstverständlich, immer das Opfer. Wie bereits erwähnt, verschiedene Studien und wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu gänzlich anderen Ergebnissen. Diverse Vätervereine, die es mittlerweile in jeder größeren Stadt gibt, können diese Untersuchungen bestätigen. Diese Väter wissen ein berechtigtes Klagelied davon zu singen. Die Frauen tun dieselben strafrechtlich relevanten Dinge wie der Mann. Frauen sind genauso kriminell wie Männer, nur intelligenter und um ein Vielfaches geschickter. So weit der nötige Hinweis, warum die Männer immer die Dummen sind: Eben weil sie tatsächlich dümmer sind!

    Wie es zu diesem Buch kam.

    Der Weg zu dieser Geschichte ist wahrlich merkwürdig, aber alles der Reihe nach.

    Aus gesundheitlichen Gründen musste ich meinen erlernten Beruf aufgeben, weil sich eine Allergie auf bestimmte Stoffe bei mir entwickelt hatte. Eine Allergie ist nicht nur höchst unangenehm, sie kann auch lebensbedrohliche Formen annehmen. Ein anaphylaktischer Schock ist die höchste und gefährlichste Form einer Allergie und endet nicht selten tödlich. Aus diesem genannten Grunde war dieser Beruf, sehr zu meinem Leidwesen, nicht mehr für mich zum Broterwerb geeignet. So führte mich der Weg im Jahre 1973 zu einem Berufsberater. Ein Herr vom Arbeitsamt, der für meinen Buchstaben zuständig war, erklomm mit einer langen Leiter eine Regalwand und sagte von oben herunter, nachdem er mehrere Register gezogen hatte: „Krankenpfleger ist zunächst, nach ihrer bisherigen Qualifikation und nach ihrer Punktezahl, der vernünftigste Weg in eine andere Arbeitswelt. Widerspruch ist nicht zulässig und auch nicht vorgesehen. Ergänzend meinte der Herr auf der Leiter in 2,5 m Höhe noch: „Mit ihrer jetzigen Qualifikation machen Sie nach fünf Jahren an einer Universität die Ausbildung zum Fachpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin. Und so ist es auch dann gekommen, aber nicht nur …

    Ausbildung kann man überall absolvieren, wenn der Kostenträger ein anderer ist als die Ausbildungsstelle. Das heißt im Klartext, die Berufsgenossenschaft hat meine Ausbildung komplett bezahlt, auch die Fahrtkosten und die nötigen Utensilien wurden von ihr übernommen. Das Ausbildungskrankenhaus hat davon profitiert. Eine billige Arbeitskraft, mit der man fast keine Arbeit hat, an ihr jedoch gut verdient. Wie schön für den Personalchef eines Krankenhauses! An einem einzigen Tag hatte ich drei Ausbildungsstätten ausfindig gemacht und jeweils eine mündliche Zusage bekommen, dass ich dort mit meiner Ausbildung „sofort" beginnen könne.

    Ich nahm die zweite Stelle an und war sehr schnell in der allgemeinen Tretmühle und Hierarchie integriert, die da heißt: „Ich Chef, du nix!" Nur das, was sich der Normalbürger unter einer Ausbildung vorstellt, findet in einem Krankenhaus nicht statt. Vergessen Sie es, wenn Sie den Beruf ins Auge gefasst haben. Nicht unerwähnt soll hier bleibe: Wollte man sich theoretisches und praktisches Wissen aneignen, so musste man sich alles selbst erarbeiten, Hilfestellung in irgendeiner Art und Weise gab es nicht. Nun kann man sich trösten, auch die jungen Ärzte, also die Ausbildungsassistenten, waren genauso beschissen dran wie die auszubildenden Krankenpfleger.

    Eine nette Ärztin erzählt mir kürzlich, selbst in den so genannten akademischen Ausbildungskrankenhäusern hat sich in dieser Richtung bis heute nichts geändert. Alles beim Alten wie vor hundert Jahren, aber das ist nicht das eigentliche Thema dieses Buches. Es ist die traurige Geschichte eines psychiatrischen Patienten. Diese Geschichte ist keine Fiktion, sie hat leider ihren realen Hintergrund.

    Nachdem ich in diesem Krankenhaus ein Jahr gearbeitet hatte, erfolgte die obligatorische Zwischenprüfung. Nach dieser Prüfung hatten sich die Reihen meiner Mitstreiter stark gelichtet, aber es waren immer noch etliche übrig geblieben. Und ein besonders merkwürdiges Phänomen zeigte sich hier – Säufer, Drogenabhängige und solche, die zwei linke Hände hatten und an diesen Händen auch nur Daumen, diese Leute sind überall elegant durchgeschlüpft. Ihr Intelligenzkoeffizient stand in keinem Verhältnis zu ihren schauspielerischen Leistungen; darin waren sie Spitze, doch mit Arbeit war da nix.

    Die Ausbildungsordnung für Krankenschwestern und Krankenpfleger sah verbindlich vor, dass man bestimmte Fächer und Abteilungen eines Krankenhauses zu Ausbildungszwecken durchlaufen musste. Wie bereits am Anfang erwähnt, wurden männliche Pflegekräfte grundsätzlich nicht in der Gynäkologie oder auf einer Frauenstation eingesetzt. Das hatte wiederum zur Folge, dass die durchlaufenen Fächer in einem Krankenhaus nicht ganz der Ausbildungsverordnung entsprachen. Eigentlich eine glückliche Fügung, denn man wurde für einige Wochen oder Monate in ein anderes Krankenhaus versetzt. Da aber die Auswahl der Fächer in Krankenhäusern nicht so groß ist, wurden die Männer zur Fortbildung in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht. Manch einer meiner Kolleginnen und Kollegen hätte aber auch problemlos als Patient dort einziehen können, es hätte kaum einen Unterschied gemacht. Auch ich hatte dieses Los gezogen und durfte in die Psychiatrie eines Landeskrankenhauses Unterschlupf finden. Psychiatrie heißt aber auch immer einen ruhigen Job schieben und, vor allen Dingen, fast keine Arbeit. Sicherlich, in Abteilung mit schweren und schwersten Fällen ist die Arbeit auch kein Honiglecken, aber in der Abteilung, in der ich mich wiederfand, waren nur leichte Fälle oder solche, die wenig Arbeit machten.

    Nun sollte man nicht dem Irrtum erliegen und glauben, psychisch kranke Menschen seien auch geistig retardiert, mitnichten. Hoch intelligente Menschen habe ich dort angetroffen. Nach meiner festen Überzeugung hat ein gewisser Anteil (oder gar die meisten) dieser Patienten in solchen Einrichtungen nichts zu suchen. Etliche waren hoch intelligent und haben ihrem behandelnden Arzt oft ein eigenes, derart fundamentiertes Fachwissen präsentiert, dass dieser dem Wissensstand des Patienten nichts entgegenzusetzen hatte. Über ihre Therapie und Krankheitsprognose waren sie bestens informiert, diese angeblichen doch so bekloppten Patienten. Sicherlich, etliche hatten wirklich etwas an der Glocke und nicht nur dort. Es dämmerte mir sehr schnell, oft bestand der Unterschied zwischen Patienten und Arzt nur darin, dass der Arzt einen weißen Kittel anhatte und das Pflegepersonal sich nur durch den Besitz des Schlüssels vom Rest der Insassen unterschied.

    Sehr bald gehörte auch zu meiner Lebenserfahrung, dass in solchen psychiatrischen Einrichtungen Patienten verprügelt werden. Gut, das habe ich auch in dem einem oder anderen – normalen – Krankenhaus erlebt, dass im Besonderen Ordensfrauen Patientinnen und Kinder des Öfteren verprügelt haben. Jeder wusste es, den Ordensfrauen ist jedoch nie etwas geschehen, sie waren alle hoch angesehen.

    Eine sehr unangenehme Sitte war es in dieser psychiatrischen Anstalt, dass geistig behinderte Frauen vergewaltigt wurden. Anfangs hatte ich den Ärzten und dem Pflegepersonal volles Vertrauen und Respekt entgegengebracht. Dass dies völlig unangebracht war, musste ich sehr schnell unter der Rubrik Lebenserfahrung verbuchen. Besonders das Pflegepersonal vergewaltigte Frauen, die hier zur Behandlung waren, und dass bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Für einen Außenstehenden nicht vorstellbar, aber dennoch Realität. Die geistig behinderten Frauen und Mädchen konnten sich nicht artikulieren und somit nicht mitteilen, was mit ihnen geschehen war. Insider behaupten, auch im 21. Jahrhundert hätte sich daran nichts Wesentliches geändert, aber hier scheint sich im Augenblick doch etwas zu bewegen. Hoffentlich!

    Am Rande sei noch bemerkt: Eine weibliche Pflegekraft wurde grundsätzlich nur mit „Schwester angesprochen und ein Pfleger nur mit „Wärter. Von bestimmten Patienten wurde man auch als Urinkellner oder Scheißespediteur betitelt, besonders alkoholisierte Patienten neigten damals und auch heute noch zu solchen außergewöhnlichen Ehrenbezeugungen, eine Rarität ist das nicht.

    Schon nach einigen Tagen wurde ich darauf aufmerksam, dass die Krankenakte eines bestimmten Patienten so etwas wie Kultstatus genoss. Selbstverständlich war ich neugierig, warum diese Akte mehr oder weniger heimlich unter dem Tisch herumgereicht wurde und nur ganz bestimmte und ausgesuchte Personen diese zu lesen bekamen. Auf gezielte Frage hin wurde man genauso gezielt abgewimmelt und mit später, ja später vertröstet oder gleich mit Nein.

    Nach nur wenigen Tagen, ich glaube es waren zwei Wochen, wurde ich überraschend zur Stationsleitung zum Gespräch gerufen. Als so genannter Schüler oder Auszubildender hat man fast immer ein schlechtes Gewissen, denn man konnte ja etwas verkehrt gemacht haben oder dem einen oder anderen auf die Füße getreten sein. In dieser Sache war man sich nie sicher, etwas fanden die Vorgesetzten immer, wenn sie es denn wollten. Jedoch von alledem erwartete mich nichts. Im Gegenteil – der Stationsleiter eröffnete mir, dass er mit mir zufrieden sei und ich sein besonderes Vertrauen genießen würde. Erstaunlich, ich hatte eigentlich gar nichts gemacht, um sein Vertrauen zu gewinnen, und besonders fleißig war ich auch nicht. Lag vielleicht genau darin meine besondere Vertrauenswürdigkeit?

    Der „Stationswärter, wie er auch genannt wurde, saß hinter einem alten Schreibtisch. Dieser war aus massivem Eichenholz und reichlich mit Schnitzereien verziert. Antiquitäten jeglicher Art erregten immer meine Aufmerksamkeit, aber in diesem speziellen Fall nicht nur diese. So richtig traute ich meinen Augen nicht. Lag da etwa auf dem Bürotisch diese berühmte, berüchtigte Akte? Freundlich bat mich der „Oberwärter, auf einem genauso alten Stuhl Platz zu nehmen. Voller Ehrfurcht setzte ich mich auf dieses wuchtige Möbel. Ohne Umschweife sagte der Stationsleiter: „Hier Alter, du hast schon das 30. Lebensjahr überschritten, bist überall in der Welt herumgeflogen und hast vermutlich schon viel gesehen. Hier sind die Krankenakten von M., dem Leichenficker. Du hast nun ein paar Tage Zeit, diese Akten eingehend zu studieren, aber ich verpflichte dich hiermit zum absoluten Stillschweigen. Zu niemandem ein Wort, keine weiteren Fragen, keine Erklärungen. Die Akten hast du dir selbst aus dem Archiv geholt, ich weiß von nichts, nur falls was schiefläuft!" Überschwänglich wollte ich mich noch bedanken, aber er schob mich wortlos zu Tür und schloss sie geräuschvoll hinter mir. Nun stand ich da – in den Händen diese geheimnisvollen, dicken Krankenakten, die doch so begehrt waren.

    Tatsächlich hatte der Patient mit der geheimnisvollen Akte einen Nachnamen, der mit M. begann. An diesen erinnere ich mich auch heute noch sehr genau. Eigenartigerweise aber nicht mehr an seinem Vornamen, und das ist vielleicht auch gut so. Aus einleuchtenden Gründen würde ich den Namen nie und unter keinen Umständen preisgeben. Tatsächlich spielt der Name auch nur eine sekundäre Rolle, oder, um genauer zu sein, eigentlich gar keine. Namen sind beliebig und austauschbar. So habe ich diesen Patienten einfach Julian genannt, und die Geschichte und das Leben von Julian haben sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt.

    Neugierig blätterte ich noch an Ort und Stelle die Akten durch. Es fiel mir sehr schnell auf, dass ein Wort gehäuft und bereits auf der ersten Seite vorkam. „Nekrophilie" hieß dieses Wort, das so oft vorkam und mir somit auch immer wieder ins Auge sprang. Nur, was ist Nekrophilie? Vielleicht etwas zum Essen? Ich wusste es nicht.

    Also musste der Pschyrembel, das klinische Wörterbuch, das in jeder medizinischen Einrichtung zur Standardausrüstung gehört, meine Wissenslücke auffüllen. Im Pschyrembel auf Seite 1045 steht – Nekrophilie in Klammern (Englisch) necrophilia; sexuelle Leichenschändung – mehr nicht. Kein erschöpfender Hinweis, aber die Richtung war eindeutig. Mir dämmerte nun, warum diese Akte so interessant und begehrenswert war, enthielt sie doch etwas Versautes.

    M. war tatsächlich ein Leichenficker. Die Akten gaben zwar Auskunft darüber, aber sehr verschwommen, sehr nebulös, eher umständlich verbrämt, verschämt umschrieben. Julian wurde bei seiner letzten nekrophilen Tat erwischt und an Ort und Stelle festgenommen. Ohne große Umstände hatte man ihn in die Psychiatrie eingesperrt, und dort war er immer noch. Die Akten waren irreführend ge – und beschrieben, nicht die Akten, aber der Inhalt … irgendwie fast dümmlich. Sie waren nicht geeignet, sich ein wirkliches Bild machen zu können von diesem merkwürdigen Menschen, der die Leichen von Frauen gefickt haben sollte. Dieser Ausdruck – Ficken – gehört hier in den heiligen Hallen zum Standard, bedeutet aber nichts Diskriminierendes, sondern dient hier nur als Hinweis.

    Auch wenn man Julian nur eine einzige Tat nachweisen konnte, sollte er den Rest seines Lebens in der Psychiatrie verbringen. Heute würde Julian vermutlich therapiert werden und wäre in wenigen Monaten wieder ein freier Mann. Nein, nicht so in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Selbst die Homosexualität wurde in diesen Jahren nach § 175 StGB noch mit Zuchthaus bestraft. Warum auch immer, Frauen waren von diesem Paragraphen ausgenommen. Damals wie heute blieben gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Frauen straffrei. Das weibliche Geschlecht war von je her im Bezug auf homoerotische Praktiken von einer Strafverfolgung ausgenommen und somit privilegiert.

    Nachdem ich die so genannten Krankenakten von Julian gelesen hatte, war ich zwar nicht wesentlich schlauer, aber um ein Vielfaches neugieriger. Den Oberarzt und letztendlich Verantwortlichen für Julian habe ich gebeten, Julian besuchen zu dürfen. „Ja, kein Problem, gehen Sie nur, meinen Segen haben Sie", so kurz und simpel war die Antwort und ich hatte die Erlaubnis.

    Es war an einem Samstag. Alle Aktivitäten in dieser psychiatrischen Abteilung waren auf ein Minimum heruntergefahren. Auch im normalen Betrieb war hier nur wenig los. Die Patienten kannten ihre Medikamente, deren Dosierung und Nebenwirkungen bestens. Etliche dieser Patienten waren in der Pharmakologie besser bewandert als jeder Arzt oder Krankenpfleger auf dieser seltsamen Station. Somit wurden sie auch zum Medikamenten- und Tablettenrichten herangezogen. Die Herren machten ihre Arbeit wahrlich vorzüglich! Im Gegensatz zu dem medizinischen Fachpersonal unterlief ihnen nie ein Fehler oder gar eine Verwechslung, ihnen nicht, ihnen niemals, den andern nur zu oft! Sehr praktisch, sehr angenehm, um die Arbeit noch mehr auf ein Minimum zu reduzieren, und die Patienten waren froh, dass sie eine sinnvolle Beschäftigung hatten. Sinnvoll? Nicht für diese intelligenten Menschen!

    An diesem besagten Samstag entschloss ich mich also, Julian zu besuchen. Eine Etage höher, rechts dann links durch ein paar Gänge und schon stand ich vor einer zweiflügeligen Tür. Auf der Tür stand mit altmodischer Schnörkelschrift: „Nur auf Aufforderung eintreten." Was nun? Ich klopfte an, aber keine Stimme bat mich herein. Auch das fünfte Klopfen zeigte keine Wirkung. Kurz entschlossen öffnete ich die Tür und stand … in einem kleinen Krankenzimmer? Von wegen! Ich stand eben nicht in einem kleinen Zimmer, sondern in einem großen Maleratelier. Überall hingen Bilder und Zeichnungen, zum Teil an langen Wäscheleinen oder einfach so, mit Reißbrettstiften an der Wand befestigt. Ich war völlig überrascht, denn darauf hatte mich niemand vorbereitet, niemand hatte auch nur ein Wort gesagt.

    Seien wir ehrlich, wenn man solch einen Menschen und angeblichen Verbrecher aufsucht, so sieht man vor seinem geistigen Auge einen großen, bulligen, grobschlächtigen, hässlichen und ungebildeten Kerl.

    Auch ich hatte diese Bildung, die aber nur eine Einbildung ist. Meine Erwartungen wurden enttäuscht, völlig daneben lag ich mit meiner eingebildeten Bildung. Julian war weder hässlich noch besonders groß und schon gar nicht grobschlächtig. Sicherlich, 178 Zentimeter machen aus einem Menschen noch keinen Riesen, aber klein ist man damit auch nicht gerade. Julian ignorierte mich, er sprach nicht ein Wort mit mir. Nun gut, abwarten, dachte ich mir, und meine Augen fielen auf etliche Bücher in den Regalen, wovon einige sehr alt sein mussten. Da der Aufgesuchte, oder soll ich besser sagen, von mir Heimgesuchte, kein Wort mit mir sprach, sagte ich nur: „Darf ich? Keine Reaktion. Aber selbst ist der Mann, und so schritt ich zur Tat. Das erste Buch, das ich aus dem Regal zog, war ein dänisches Wörterbuch aus dem Jahre 1428. Daneben standen ähnliche Bücher, und meine Vermutungen bestätigten sich. Es waren mehrere Wörterbücher der dänischen Sprache, aber eben sehr alt. Sofort legte ich die alten Schriften wieder zurück in das Regal, denn solche Schätze fasst man niemals mit bloßen Händen an. Julian hatte mich genau beobachtet und zeigte wortlos mit dem Zeigefinger auf ein paar weiße Wollhandschuhe. Er hat meine Gedanken, durch mein Verhalten bedingt, erraten können. „Danke, sagte ich nur, und insgeheim befürchtete ich, Julian könne vielleicht gar nicht so richtig sprechen, was mir irgendwie auch logisch erschien. Passte es doch zu meiner Meinung, dass jeder, der hier war, nicht nur bekloppt, sondern auch noch geistig behindert sei. Mit Handschuhen bewaffnet machte ich mich nun neugierig über die alten Bücher her. Julian beobachtete mich aus den Augenwinkeln heraus sehr genau, ja, ich spürte förmlich seine Blicke.

    Als Saarländer, der ich nun einmal bin, beherrschte ich nicht die dänische Sprache, eher schon Französisch. Aber die schönen Malereien in den Büchern verstand ich auch völlig ohne Sprachkenntnisse, die waren wie Musik, international.

    Über eine Stunde habe ich mir die seltenen Bücher angeschaut und die Zeit verging wie im Flug. Julian schwieg weiterhin, ja, er ignorierte mich regelrecht. Ein Glück, dass er nicht noch auf mich getreten ist vor lauter vorsätzlichem Übersehen! Nach einer nahezu endlosen Zeit verabschiedete ich mich von Julian und bedankte mich gleichzeitig, dass ich die schönen Bücher sehen durfte. Julian zeigte keine Reaktion, kein Lächeln, nichts. Ich dachte bei mir, der Junge hat tatsächlich etwas an der Klatsche und sitzt wohl nicht zu Unrecht hier. Langsam ging ich zur Tür, sagte nochmals zum Abschied danke und stand bereits in der Tür. Vorsichtig fragte ich meinen schweigsamen unfreiwilligen Gastgeber: „Darf ich Sie wieder besuchen? Keine Antwort, keine Regung im Gesicht von Julian. Also machte ich mich etwas missmutig auf den Rückweg. Jedoch bevor ich die Tür ganz schließen konnte, hörte ich ihn noch sagen: „Ja, ist in Ordnung, gerne. Nun doch sehr überrascht drehe ich mich um, und ich konnte Julian zum ersten Mal ins Gesicht schauen und ihn auch zum ersten Mal genau betrachten. Der Mensch hatte ein gut geschnittenes, intelligentes Gesicht, makellose Zähne und eine sportliche Figur, aber das Markanteste an ihm waren seine leuchtend kupferroten Haare. Er schmunzelte, als er meine Verblüffung bemerkte, sprach aber keine Silbe.

    Ich verabschiedete mich nun endgültig mit einer leichten, eher nur angedeuteten Verbeugung und machte mich auf den Weg. Merkwürdig, welche Vorstellung man hat von Menschen, die wegen irgendeines Deliktes im Gefängnis oder wie hier in der Psychiatrie einsitzen!

    Julian war nicht unsympathisch und nach meinem bescheidenen Dafürhalten sah er als Mann recht ordentlich aus, nur zwei oder drei kleine winzige Narben auf jeder Seite in seinem Gesicht sind mir aufgefallen, aber störend waren sie nicht, eher interessant.

    Nun gut, ich durfte auf jeden Fall wiederkommen, auch das war ein Erfolg. Ich hatte mich zwar selbst eingeladen, aber damit war ich erfolgreich und das zählt. Wie ich vom Personal der psychiatrischen Abteilung schon im Vorhinein wusste, war Julian sehr schweigsam, man muss schon sagen abweisend. Einige meiner neuen Arbeitskollegen auf Zeit hatten für ihn kein gutes Wort übrig und schilderten ihn in den dunkelsten Farben. Seine angeblichen Schandtaten wurden in den fürchterlichen Szenarien beschrieben. Der Leichenficker hat Hunderte von Frauen auf dem Gewissen und einiges mehr, bekam ich zu hören. Von Mord und Todschlag bis hin zur Vergewaltigung ganzer Mädchenklassen war die Rede. Und das darf dann auch nicht fehlen – jede Menge kleiner Mädchen. Seltsam, seiner Krankenakte war nur zu entnehmen, dass er in einem einzigen Fall auf frischer Tat ertappt wurde. Seltsam, denn dieser eine Fall war für mich besonders interessant.

    In dem kleinen Ort im Saarland, in dem ich groß geworden bin, hat ein weltbekanntes Unternehmen seinen Stammsitz, und zwei Fabriken dieser Firma existieren auch heute noch dort.

    Das Jahr weiß ich nicht mehr, aber wenn in einem Dorf dieser Größe sich etwas ereignet, so weiß gleich jeder darüber bestens Bescheid. Die allseits hinlänglich bekannten Nachrichtenverbreiter treten den Tratsch in Windeseile in alle Himmelsrichtungen breit, einfach widerlich. Es sind nicht nur Frauen, die dies tun. Die Männer sind um ein Vielfaches unverschämter, wenn die Erzählungen ausgeschmückt werden. Dann haben die Ereignisse auch nichts mehr mit dem ursprünglichen Geschehen zu tun. Auch das ist kein Geheimnis, zwischen dem tatsächlichen Geschehen und bis der Letzte im Ort die Nachricht vernommen hat, ist von dem ursprünglichen Ereignis nicht viel übrig geblieben. So ist das nun einmal in diesem damals streng christlich geprägten Dorf im Saarland gewesen, ich fürchte allerdings, nicht nur dort und nicht nur früher.

    In diesem meinem Heimatdorf gab es einen Zahnarzt, oder war er nur Dentist mit einer Kurzausbildung, wie damals in der französischen Besatzungszeit üblich? Ich weiß es nicht mehr. Dieser Zahnarzt hatte zwei hübsche Töchter im Alter zwischen 18 und 22 Jahren. Gemeinsam erlitten sie einen schweren Verkehrsunfall, wobei mindestens eine dieser jungen Frauen ihr Leben verlor. Ob tatsächlich nur eines oder beide Mädchen verunfallt waren, konnte ich nicht mehr in Erfahrung bringen. Sicher ist auf jeden Fall, eine der jungen Frauen, so traurig es auch ist, hat den Unfall nicht überlebt. Die schöne junge Frau wurde beerdigt. Damit war der für die Öffentlichkeit zunächst interessantere Teil zu Ende. Jedoch nicht ganz.

    Einige Tage später wurde eine neue Nachricht im ganzen Dorf verbreitet. Jemand Unbekanntes hatte versucht, die junge Frau in einer nächtlichen Aktion wieder auszugraben. Warum auch immer, er konnte sein Werk nicht zu Ende führen. Vermutlich wurde er bei seinen Erdarbeiten gestört. Auch ein zweiter Versuch soll in der darauffolgenden Nacht erfolgt sein, auch hier soll er sein Vorhaben wieder nicht zu Ende geführt haben. Unklug von dem nächtlichen Erdarbeiter, er probierte es in der dritten Nacht in Folge, und dabei wurde er erwischt. Mehrere junge Männer hatten ihm aufgelauert und, als er fast sein Ziel erreicht hatte, ihn auf frischer Tat dingfest gemacht.

    Aber oh je, wie nun die Gerüchteküche in dem Dorf brodelte! Verschmähter Liebhaber! Der Geliebte der jungen Frau! Der heimliche Geliebte! Der Geliebte des Mädchens, den die Eltern abgelehnt hatten! Der Geliebte soll ein verheirateter Familienvater sein. Die junge, aber nun tote Frau war schwanger von diesem nächtlichen Aktivisten … und so weiter, und so fort. Wie immer an solchen Gerüchten – nichts war wahr, alles reine Fantasie und Hirngespinste.

    Das seltsame, und die Duplizität der Fälle, der nächtliche Akteur auf dem Friedhof war Julian, und der wollte nur die Leiche ausgraben, um sich mit dieser zu vergnügen und sonst nichts. Nichts von all den Legenden aus der brodelnden Giftküche der Gerüchte, so war das nun einmal in diesem seltsamen Dorf. Sicherlich ein besonderer Zufall, oder doch eine Fügung des Schicksals? Hier, in der Psychiatrie meines Ausbildungskrankenhauses, sollte ich Julian, den Leichenschänder aus meinem Heimatdorf, antreffen.

    Der folgende Tag, an dem ich Dienst hatte, war nun ein Sonntag. Wie in psychiatrischen Anstalten oft üblich, ist der Sonntag einer der ruhigsten Arbeitstage überhaupt. Also was lag näher, als diesen Tag zu nutzen? Nach Rücksprache mit meinen Arbeitskollegen plante ich erneut, Julian eine Visite abzustatten. Gesagt getan, und so machte ich mich auf den Weg. Wieder stand ich vor der Tür, klopfte vorsichtig an und begehrte Einlass. Natürlich, wie erwartet, wiederum keine Antwort. Ich hatte es geahnt. Aber, wie damals im Saarland so üblich (in ländlichen Gegenden wird dieser unhöfliche Brauch immer noch gepflegt), heute ging ich einfach hinein in das Atelier von Julian. Er begrüßte mich erstaunlicherweise mit einem freundlichen Hallo. Ich begrüßte ihn mit einem Handschlag, und er erwiderte ihn. Ehe ich ein weiteres Wort an ihn richten konnte, hob er fast drohend den Zeigefinger in Augenhöhe und sagte zu mir ganz kategorisch und genauso unmissverständlich: „Ich weiß, dass Sie hier sind, um meine Geschichte zu erfahren. Sie haben wohl kaum ein Interesse an meiner Person, wohl nicht. Sie wollen nur meine Geschichte hören, aber von mir, dem Leichenficker, erfahren Sie kein Wort, nichts! Schluss und aus! Es wäre sinnvoll, jeglichen Versuch Ihrerseits strikt zu unterlassen, und damit Amen! Unzweifelhaft, dies war eine klare und nicht zu missdeutende Drohung, geradezu eine Kriegserklärung. Ich wehrte mit beiden Händen ab und erklärte ihm, dass ich ihn schon durch die Gerüchteküche meines Heimatortes kennen würde, leider nur sehr unvollkommen, und deshalb sei ich hier. Auch hätte ich mir ein ganz anderes Bild von ihm gemacht und sei doch arg enttäuscht von ihm und dem, was ich hier vorfand. Die Stirn von Julian kräuselte sich leicht. Ungewollt hatte ich wohl den richtigen Punkt bei ihm getroffen, denn er fragte: „Nun bin ich aber neugierig, inwieweit ich Sie enttäuscht habe. Einige Sekunden Schweigen, dann sagt er erneut, „Schießen Sie los, was haben Sie denn hier erwartet? „Nun ja, antwortete ich vorsichtig, denn man kann ja nie wissen, in welches Fettnäpfchen man bei solch einem neuen Bekannten tritt. „Ja also, nun ja, ich habe mir zum einem Ihren Aufenthaltsort etwas anders vorgestellt und, zum anderen, Ihre Person passt so gar nicht in das Bild, das ich mir von Ihnen gemacht habe. „Na wie denn bitte, sagt Julian, offensichtlich neugierig geworden. „Nun, sagte ich etwas umständlich, „wie stellt man sich solch einen Menschen wohl vor, als der Sie beschrieben wurden. Groß, breite Schultern, natürlich saudumm und ein Gesicht, so hässlich wie der Teufel. Und nun von all dem nichts! Das mit dem saudumm scheint offensichtlich ein völliger Fehlgriff meiner Einbildung zu sein, ein Produkt meiner Fantasie. Ihre Bilder, die ich nur oberflächlich bewundern durfte, sprechen des Weiteren gegen meine ursprüngliche vorgefertigte Meinung, alles Makulatur, welch ein Irrtum. Ach ja, auch ihre Bibliothek spricht für sich. Sie ist völlig konträr zu dem, was ich mir in meiner blöden Fantasie vorgestellt hatte. „Ha", sagt Julian nun sehr laut, „mit Hässlichkeit hätte ich noch bis vor wenigen Jahren sehr gut dienen können, ja, das war ich, sehr hässlich. Und stellen Sie sich einmal vor, eine der lieben Damen des Arbeitsamtes hatte einst zu mir gesagt, ich wäre noch zu hässlich, um auf der Geisterbahn zu arbeiten. Ich würde dort die Besucher zu Tode erschrecken. Die Dame hatte leider absolut Recht. Nun stellen Sie sich einmal mein Gesicht genau so vor, wie ich es Ihnen jetzt beschreibe.

    Ich hatte Ober- und Unterkiefer zwischen drei und sieben cm verlängert nach vorne vorstehend, wobei der Unterkiefer mit 7 cm die Krönung meiner Schönheit bildete. Meine Nase war einer Kartoffel ähnlicher als einer menschlichen Nase. Aber damit war noch lange nicht das Ende der biologischen Vielfalt und Gemeinheiten erreicht. Ich hatte fürchterlich abstehende Ohren, eine echte Katastrophe. Sehr groß, ja direkt überdimensional waren sie noch dazu. Schielen tat ich entsetzlich. Erst recht meine Zähne, nochmals eine Katastrophe, eine große Katastrophe. Zum einen ragte der Unterkiefer circa 4 cm über den Oberkiefer heraus, so dass eine artikulierte und verständliche Sprache nicht möglich war. Die wenigen Worte, die ich einigermaßen verständlich sprechen konnte, wurden durch die wie ein Rechen stehenden Zähne wiederum verzerrt und waren nur als Zischen und Pfeifen zu vernehmen. Also eine noch größere Katastrophe. Als Kind, wie auch heute, hatte ich diese kupferroten Haare, was wiederum zum vermehrten Spott meiner Klassenkameraden beitrug. Um es kurz und prägnant zu formulieren: Ich war sehr, nein nicht sehr, ich war unsäglich hässlich! Nun können Sie sich problemlos vorstellen, wie die Dorfkinder und im Besonderen meine Klassenkameraden mit mir umgesprungen sind. Wohl die größte Katastrophe in meinem Leben, die Nachhaltigste, die Prägendste. Aber auch das hässlichste Kind wird allmählich erwachsen, und leider begannen meine Probleme jetzt erst recht. So etwa mit dem 13. oder 15. Lebensjahr schaute ich, wie alle Jungen, nach den Mädchen, nur bei mir war alles anders, leider sehr viel anders. Selbst wenn ich völlig unbeabsichtigt ein Mädchen wenn auch nur aus Versehen berührte, war das Geschrei der

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