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Irren ist ärztlich: Ein Medizinskandal, wie er jeden Tag passieren kann
Irren ist ärztlich: Ein Medizinskandal, wie er jeden Tag passieren kann
Irren ist ärztlich: Ein Medizinskandal, wie er jeden Tag passieren kann
eBook204 Seiten2 Stunden

Irren ist ärztlich: Ein Medizinskandal, wie er jeden Tag passieren kann

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Über dieses E-Book

Wer hätte nicht Angst davor, bei einem Krankenhausaufenthalt mit einem anderen Patienten verwechselt und in der Folge falsch behandelt zu werden? Ursula Hemmer, einer Tante des Autors, ist genau das passiert. Der Autor Dr. Lothar Zimmermann zeigt an ihrem Beispiel, wie Ärzte meist unbewusst Patienten körperlich, aber auch emotional schädigen können. Er schildert, was seine Tante erleiden musste, bis sie letztlich starb. Sichtbar werden die Schwächen unseres Gesundheitssystems und die Faktoren, die solche tragischen Ereignisse und die oft dramatischen Folgen begünstigen. Der Autor macht deutlich, welchen Risiken und Gefahren Klinikpatienten ausgesetzt sind, was sie tun können, um sich im Krankenhaus sicherer zu fühlen und es tatsächlich auch zu sein, wie sie verhindern, dass sie Opfer einer falschen Behandlung werden und wie sie sich verhalten sollten, wenn es zur einer Patientenverwechslung gekommen ist. Dieses Buch hat einen besonderen Stellenwert, da das, was Ursula Hemmer widerfahren ist, aufrüttelt und schonungslos aufzeigt, was in deutschen Krankenhäusern grundsätzlich falsch läuft. Außerdem verhilft es den Lesern durch viele Tipps und Anregungen zu mehr Patientensicherheit, die der Autor - selbst Arzt - kompetent und glaubwürdig vermittelt.
SpracheDeutsch
HerausgeberCBX Verlag
Erscheinungsdatum11. Juni 2015
ISBN9783945794692
Irren ist ärztlich: Ein Medizinskandal, wie er jeden Tag passieren kann

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    Buchvorschau

    Irren ist ärztlich - Dr. med. Lothar Zimmermann

    wurde.

    Kapitel 1

    Wer sagt die Wahrheit?

    „Nein, ich bin noch nie in der Freiburger Uniklinik gewesen und einen Darmtumor hatte ich auch noch nicht!", sagte meine Tante Ursula bestimmt, doch die Ärzte und Pflegekräfte glaubten ihr kein Wort.

    „Sie waren schon einmal hier! Das sehen wir an der Nummer. Denn wer einmal in der Klinik gewesen ist, bekommt eine Nummer und die behält er für sein Leben", sagte der Pfleger überzeugt, ohne eine Sekunde zu zögern.

    Er und der Arzt lächelten meine Tante an, als wollten sie ihr damit sagen, dass sie ihnen getrost vertrauen konnte. Ich ergriff ihre Hand und drückte sie fest. Ursula Hemmer sollte wissen, dass wenigstens einer im Zimmer sie ernst nahm. Sie lag in einem Krankenbett und war von der Notaufnahme in die Sonografie geschoben worden. Mit Hilfe von Ultraschall sollte ihr Bauch, vor allen Dingen aber die Nieren und das umgebende Gewebe untersucht werden. Ich hatte mich in die hintere Ecke des kleinen Untersuchungszimmers begeben und direkt neben das Kopfteil des Bettes gedrängt. Ich saß auf einem Hocker und konnte meiner Tante so direkt ins Gesicht sehen, und gleichzeitig einen Blick auf die Monitore werfen. Ich nickte ihr aufmunternd zu, obwohl ich selbst fast jede Hoffnung verloren hatte, dass sie die kommende Woche überleben würde.

    Der Arzt griff nach der Sonde, nahm eine Plastikflasche in die linke Hand und platzierte das Gel auf den Schallkopf. Meine Tante Ursula hatte der Untersuchung zugestimmt, aber dies hieß noch lange nicht, dass sie deshalb alles mit sich machen lassen würde. Der Pfleger dachte fälschlicherweise, sein Argument hätte ihre Einwände zerschlagen. Aber Ursula Hemmer wusste sehr wohl, dass sie niemals zuvor in der Freiburger Universitätsklinik gewesen war. Sie überlegte, ob ihre Kraft ausreichen würde, sich der Macht der weißen Kittel zu widersetzen.

    Wir glauben fast immer, dass der Computer die Wahrheit sagt. Wir gehen intuitiv davon aus, dass die bei Institutionen gespeicherten Daten von uns stammen und daher auch zu uns passen. Wir verlassen uns allzu gern auf Dokumente, denn sie geben uns ein Gefühl der Sicherheit. Das ist trügerisch. Denn welchen Einfluss haben wir schon darauf, was jemand über uns in die Dokumente schreibt? Wie sollen wir kontrollieren, dass die richtigen Blutwerte, Untersuchungsergebnisse und die zutreffenden Diagnosen eingegeben werden?

    Anhand von Akten lassen sich, wenn alles mit Sorgfalt eingetragen worden ist, Fakten einordnen und Zusammenhänge erkennen. Keiner will es wahrhaben, aber Fehlerquellen gibt es jede Menge. Der Grund für Versagen kann Technik sein, meist ist es aber viel banaler. Es ist das, was wir den menschlichen Faktor nennen. Es kommt uns selten in den Sinn, den infrage zu stellen, der unser Wohl im Auge hat oder haben sollte: den Arzt oder das medizinische Personal. Denn sie geben die ermittelten Daten und Messwerte in den Computer ein. Sie beurteilen die Befunde. Was geschieht, wenn sie etwas übersehen oder sie Messwerte falsch übertragen? Jeder hofft natürlich, dass so etwas so gut wie nie vorkommt. Was bei meiner Tante geschah, hätte ich mir nie vorstellen wollen oder können.

    Wenn Tante Ursula sich ärgerte, sah ich ihr das sofort an. Und in diesem Moment ärgerte sie sich sehr. Ihre Augen blitzten kurz auf. Es war nur für jemanden zu erkennen, der sie wie ich bereits sein ganzes Leben lang kannte. Ich las es in ihrem Gesicht, so leicht wollte sie sich nicht geschlagen geben. Auch wenn sie als Notfall in die Klinik eingeliefert worden und sehr schwach war, hatte sie dennoch die Lage vollkommen erfasst. Ursula Hemmer ließ sich nichts einreden. Sie wusste, was immer die Mediziner behaupteten, es war nicht wahr.

    „Nein, da irren Sie sich. Ich war noch nie Patientin hier", sagte sie etwas zerknirscht. Sie hoffte noch, dass man ihr schließlich glauben würde.

    Der Pfleger hingegen hatte wohl Erfahrung mit vergesslichen oder uneinsichtigen Patienten. Er war nicht ungeschickt und machte meiner Tante sozusagen ein Friedensangebot. Er hatte eine Erklärung parat, die es beiden Seiten ermöglichen würde, ihr Gesicht zu wahren.

    „Vielleicht waren Sie ja mal in der Zahnklinik", sagte er freundlich und versuchte so, die schwerkranke Patientin zu beruhigen.

    Tante Ursulas blaue Augen funkelten. Ich sah Zorn, aber sie sagte nun nichts mehr. Der Pfleger war zufrieden, der Urologe schallte das Nierenbecken und konzentrierte sich auf den Monitor, auf dem eine sogenannte Raumforderung zu erkennen war.

    Wenn ich nicht dabei gewesen wäre, wäre dann der Irrtum, dem die medizinischen Kräfte erlegen waren, jemals aufgefallen? Wie sagte später ein Chefarzt zu mir: „Der Vorfall war so unglaublich, dass die Ärzte nicht damit rechnen konnten." War es nicht eher verwunderlich, dass sich kein Mitarbeiter fragte, ob nicht meine Tante tatsächlich recht haben könnte?

    Wenn ein Arzt einem Computer kritiklos vertraut, kann die Katastrophe eintreten. Und vielleicht muss sich jeder von uns fragen, ob er dem System aus Bits und Bytes die nötige Skepsis entgegenbringt. Denn wenn blindes Vertrauen zu einem Menschen gefährlich werden kann, was heißt das dann erst für die Abhängigkeit von einem Computer?

    Als meine Tante in die Uniklinik eingeliefert wurde, war sie 84 Jahre alt. Das ist ein Alter, in dem so manchen der Verstand verlässt. Demenz gehört heute zum Alltag, da wir alle im Durchschnitt immer älter werden. Jeder Arzt, der einen Patienten befragt, muss dies im Hinterkopf berücksichtigen. Es ist möglich, dass Patienten sich weder an einen vergangenen Tag noch an die letzten Stunden zuverlässig erinnern können. Ein Arzt muss herausfinden, wie sehr er dem Erinnerungsvermögen eines Menschen trauen kann. Das darf aber nicht so weit gehen, dass ab einem bestimmten Alter Menschen generell nicht mehr ernst genommen werden. So wie es Ursula Hemmer erging, deren Worten keiner zu glauben schien.

    Die Ärzte und das Pflegepersonal hielten meine Tante für vergesslich, wahrscheinlich hatten sie Ursula Hemmer sogar als dement eingestuft. Sie zweifelten an ihrem Gedächtnis, vielleicht sogar an ihrem Verstand. Wenn jemand über achtzig Jahre alt ist, ist das vielleicht naheliegend und sogar legitim. Allerdings nur solange Ärzte dann ihre Hypothese auch überprüfen. Das ist ohne große Mühe und Anstrengung möglich, denn um das herauszufinden, gibt es ein paar ganz einfache Fragen. Sie hätten Ursula Hemmer diese nur stellen müssen. Hätten sie meine Tante über Ort, Zeit, Raum befragt, sie hätte ihnen sofort sagen können, wann und mit welchen Beschwerden sie in die Freiburger Uniklinik gekommen war. Wer ist Bundeskanzler oder Minister für Entwicklungshilfe? Wie aus der Pistole geschossen, hätte sie solche Fragen beantwortet. Meine Tante hätte sie mit ihrer Kenntnis von aktuellen Ereignissen, sondern auch mit ihrem Allgemeinwissen beeindruckt. Sie las eine Tageszeitung, sah im Fernsehen die aktuellen Nachrichten und lauschte sogar den vielen Talkshows am Abend. Damit zeigte sie eine bei weitem bessere Ausdauer als beispielsweise ich, den mit den Jahren die Talkshows mit den ewig selben Köpfen zu langweilen begannen. Daneben hatte sie gerade das Buch „Der Turm" gelesen, ein preisgekröntes Werk von Uwe Tellkamp über eine Ärztefamilie in Dresden – alles andere als leichte literarische Kost. Sie war gut informiert, breit interessiert und hatte zu allem eine klare Meinung. Und die hatte sie jetzt ebenfalls zu der Art, wie sie im Krankenhaus behandelt wurde.

    Sie verstand es, dass die Ärzte ihre Antworten kritisch beleuchteten. Aber sie hätte trotzdem erwartet, dass dem medizinischen Personal noch etwas anderes in den Sinn gekommen wäre, als sie einfach für eine verwirrte, gebrechliche, alte Frau zu halten. Hätten die Ärzte nicht das, was im Computer stand, wenigstens einmal infrage stellen müssen, bevor sie ihr Urteil über Ursula Hemmer fällten? Irren ist menschlich und daher auch ärztlich, aus Fehlern nicht zu lernen aber unverzeihlich. In diesem Fall war die Patientin vollkommen bei Verstand, leider wollten die medizinischen Fachkräfte das nicht begreifen.

    „Wenn du nicht gekommen wärst, wäre ich längst tot", sagte Tante Ursula später zu mir.

    Kapitel 2

    Dem Täter auf der Spur

    Was war geschehen? Es war Donnerstag, es war der 15. März 2012. Ursula Hemmer versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber das gelang ihr immer schlechter. Sie fühlte sich nicht wohl. Sie hatte im Gemeinschaftsraum des Parkstifts zu Mittag gegessen, aber ohne großen Appetit. Danach fehlte ihr die Kraft, allein in ihr Apartment zurückzukehren. Sie brauchte Hilfe. Schon die letzten Tage war sie matt und abgeschlagen gewesen. Sie hatte sich daher das Mittagessen in ihre Wohnung bringen lassen. An diesem Tag glaubte sie, wieder am Gemeinschaftsleben teilzunehmen zu können. Doch sie irrte sich.

    Die Angestellten des Parkstifts in Bad Krozingen überzeugten sie schließlich, dass nun endlich der Hausarzt geholt werden müsste. Es war höchste Zeit, denn ihr Körper war kaum mehr fähig, die von ihm geforderten Leistungen zu erbringen. Ursula Hemmer fiel es sogar schwer zu atmen. Sie glaubte keine Luft mehr zu bekommen. War es wieder ihr Herz oder vielleicht die Schilddrüse?

    Der Hausarzt sah es auf den ersten Blick, Ursula Hemmer musste schnellstens ins Krankenhaus. Der Allgemeinmediziner beschloss deshalb, meine Tante in das Herzzentrum Bad Krozingen einzuweisen. Es war innerhalb von vier Wochen bereits das zweite Mal.

    Das Herz meiner Tante schaffte es nicht mehr, ihr Blut regelmäßig durch den Körper zu pumpen. Es arbeitete nicht mehr zuverlässig, es hatte seinen Rhythmus verloren. Die Ursache war ihre Schilddrüse. Sie produzierte zu viele Hormone, die schon seit Jahren das Herz zu Höchstleistungen gezwungen hatten.

    Bei einer Überfunktion der Schilddrüse spricht der Arzt von einer Hyperthyreose. Die Hormone befehlen dem Herzen, so häufig zu schlagen, dass die Vorhöfe des Herzens zu flimmern beginnen. Eine geordnete Herzaktion ist nicht mehr möglich. Die Folge: Es wird zu wenig Blut in den Körper gepumpt, es versackt in den Gefäßen vor dem Herzen. „Häufig schlagen" bedeutet in diesem Fall also nicht mehr, sondern weniger Leistung. Wenn es das Herz nicht mehr schafft, das Blut in ausreichender Menge in den Körper zu pumpen und es danach nicht zurück zum Herzen fließt, staut es sich in den Gefäßen. Der Druck in den Venen steigt durch das gestaute Blut an. Flüssigkeit kann so aus dem Blut in das umliegende Gewebe gepresst werden. Wenn sich dieses „Wasser" dort einlagert, entstehen die sogenannten Ödeme. Genau das war bei meiner Tante geschehen. Sie hatte seit Wochen unter dicken Beinen gelitten. Ursula Hemmer beklagte sich wenig. Denn sie konnte es nicht leiden, wenn sich jemand Sorgen oder Gedanken um sie machte.

    Meine Tante hatte das Thema Patientenverfügung lange vor sich hergeschoben. Es widerstrebte ihr, sich mit dem eigenen Verfall und dem Sterben auseinanderzusetzen. Doch schließlich füllte sie eine Patientenverfügung aus und bevollmächtigte mich darin. Das war erst ein paar Monate zuvor geschehen. Sie wollte, dass ich über ihr Leben entscheiden sollte, sofern sie nicht mehr dazu in der Lage war. Seither trug sie eine unterschriebene Kopie davon in ihrer Handtasche. So auch an diesem Abend, als sie im Herzzentrum in Bad Krozingen eingeliefert wurde. Bei der Aufnahme in die Klinik nannte sie mich als Ansprechpartner und bat das medizinische Personal, mir Auskünfte zu geben. Deshalb war es den Ärzten überhaupt möglich, mit mir über ihren Zustand zu sprechen. Es ist heikel, einem Fremden am Telefon Fragen über die Gesundheit eines anderen Menschen zu beantworten. Woher soll jemand mit letzter Sicherheit wissen, dass er tatsächlich mit demjenigen redet, mit dem er glaubt verbunden zu sein?

    „Wir wollten Sie soeben anrufen", sagte der Arzt in der Notaufnahme des Herzzentrums in Bad Krozingen.

    „Wieder die Herzinsuffizienz?", fragte ich.

    „Die steht gerade nicht im Vordergrund. Es ist die Leukopenie, die uns Sorgen macht", antwortete der Arzt.

    Leukopenie kommt aus dem Griechischen. „Leuko" bedeutet weiß und bezieht sich auf die weißen Blutzellen, die für unsere Körperabwehr notwendig sind, -penie bedeutet wenig. Sie hatte also kaum weiße Blutzellen, ihr Immunsystem war zusammengebrochen. Nur warum?

    „Das müssen wir jetzt abklären lassen. Daher haben wir sie gerade als Notfall in die Uniklinik nach Freiburg überwiesen."

    Es war 19.00 Uhr am Abend. Sollte ich sofort aufbrechen und zu meiner Tante fahren? Nein, es war zu spät. Ich entschied mich, gleich am nächsten Tag den Zug von Stuttgart nach Freiburg zu nehmen. Ich merkte aber, wie ich unruhig wurde. Deshalb rief ich eine Stunde später in der Uniklinik an. Mittlerweile musste Ursula Hemmer in der Notaufnahme untersucht worden sein, und vielleicht konnten mir die Ärzte nun etwas Genaueres zu ihrem Gesundheitszustand mitteilen, hoffte ich.

    Aus meiner eigenen Zeit als Assistenzarzt weiß ich, wie viel Arbeit in Notdiensten anfällt. Die diensthabenden Kollegen sind häufig im Stress und stehen konstant unter Druck. Kaum ist ein Patient versorgt, steht bereits der nächste vor der Tür. Besorgte Angehörige kosten Zeit, die für die Patientenversorgung fehlt. Daher habe ich es mir zur Regel gemacht, zunächst um Verständnis zu bitten, wenn ich außerhalb der Sprechzeiten störe. Ich betone, dass ich mir gut vorstellen kann, wie viel zu arbeiten ist. Es gelang mir schließlich, die zuständige Notfallärztin zu erreichen. Sie hatte bereits erfahren, dass ich Arzt war. Sie hoffte, von mir weitere Informationen zu den Krankheiten meiner Tante zu bekommen.

    Die Ärztin sagte: „Ihre Tante wurde ja 2003 am Darm operiert und ein Tumor entfernt."

    „Davon weiß ich nichts. Ich kenne zwar nicht ihre komplette Krankheitsgeschichte, aber Darmkrebs ist mir nicht bekannt. Sie hatte allerdings in den 1970er Jahren Gebärmutterkrebs." Es war daher nicht ausgeschlossen, dass damals auch ein Teil des Darms entfernt werden musste, weil der Krebs von der Gebärmutter auf den Darm übergegriffen hatte.

    „Vielleicht ist ja mit der Gebärmutter eine Darmschlinge entfernt worden?", überlegte ich laut.

    „Nein, das muss später gewesen sein, erst vor knapp zehn Jahren!"

    „Das wäre mir vollkommen neu. Ich weiß sicher nicht über jede Untersuchung Bescheid, die früher einmal vorgenommen worden ist. Ich kenne bestimmt nicht jede Diagnose. Aber ein Darmtumor, das wüsste ich mit Sicherheit."

    Die Ärztin hörte sich das an, aber ich spürte, dass ich sie nicht überzeugt hatte. Ich war verwirrt. Wie sollte es möglich gewesen sein, dass ich von einem so einschneidenden Befund nichts mitbekommen hatte? Wir hatten seit vielen Jahren jede Woche mehrmals miteinander telefoniert. Auf der anderen Seite war ich für ein paar Monate beruflich im Ausland gewesen. Sollte just da die Operation vorgenommen worden sein und ich hinterher nichts davon erfahren haben? Das bezweifelte ich zwar, aber ich schob den Gedanken beiseite. Entscheidend war etwas ganz anderes: Es musste so schnell wie möglich herausgefunden werden, weshalb Ursula Hemmer kaum weiße Zellen im Blut hatte. Die Gretchenfrage war: Warum versagte plötzlich ihr Immunsystem? War es nicht wichtiger, die Ursache dafür zu finden? Was bringt es in diesem Moment, jede von den Ärzten dokumentierte Diagnose zu

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