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Kurzum - Kurzgeschichten: Held*Innen / Teil Eins
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eBook181 Seiten2 Stunden

Kurzum - Kurzgeschichten: Held*Innen / Teil Eins

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Über dieses E-Book

Haben Sie heute schon gelacht? Möchten Sie sich berühren lassen, zum Nachdenken anregt werden? Hier vereint sich in einer Auswahl ergreifender Erzählungen alles, was das Leben und die Phantasie bieten. Wir lernen Menschen kennen, die Heldenhaftes leisten. Wir lernen aber auch Abgründe kennen. Eine Achterbahn der Gefühle, ein Feuerwerk an Unterhaltung, erzählt in einer fließend geschriebenen bildreichen Sprache, für jede und jeden, die anspruchsvolle aber sehr unterhaltsame Texte zu schätzen wissen.

Eine absolute Leseempfehlung für jede Pause, jeden Feierabend, für den Urlaub oder den Gabentisch zum Geburtstag oder an Weihnachten. Sie werden mehr wollen nach Genuss dieser fesselnden Texte! Gut, dass es Fortsetzungen gibt in der Reihe: Kurzum – Kurzgeschichten.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum22. Mai 2022
ISBN9783347640719
Kurzum - Kurzgeschichten: Held*Innen / Teil Eins
Autor

Bernd Kleber

Bernd Kleber wurde 1961 in Berlin geboren, ist bekennender Berliner und lebt und arbeitet hier als Kaufmann. Er schreibt beeindruckende Erzählungen, die nach mehr verlangen. Die Philologin Clara Sinn warnt augenzwinkernd vor diesem Suchtpotential. Wir lachen, schmunzeln, sind gerührt bei seinen Stoffen, die in uns nachhallen. Immer sind es emotional verpackte Geschichten, die nicht so schnell aus dem Kopf gehen. In seinen Storys hält er uns oft einen Spiegel vor oder lässt Themen des Miteinander, gesellschaftliche Aspekte einfließen. Fesselnde Unterhaltung auf hohem Niveau, sensibel illustriert aus seiner fotografischen Sammlung. Von seinen Geschichten wurden einige prämiert und in Anthologien verschiedener Verlage veröffentlicht. Viele kennen ihn auch inzwischen aus seinem erfolgreichen Podcast: „Höre, was zu lesen ist …“.

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    Buchvorschau

    Kurzum - Kurzgeschichten - Bernd Kleber

    Geheimnisse

    Da saß er nun im Schneidersitz auf dem Fußboden des Korridors. Die Hände mit Schuhcreme beschmiert, blätterte er in dem Ordner, der ihn aus der untersten Schuhregal-Reihe angeknurrt hatte. Warum befand sich dieses Büroungetüm im Schuhschrank? Nur seine Mutter konnte ihn dort hineingeschoben haben. Oder?

    Warum?

    Viel verstand er nicht. Bis er zu einem Blatt kam, das eine große Überschrift trug. Er las sie ganz langsam. Blätterte weiter und entdeckte seinen Namen.

    Der Junge rieb sich das Kinn, dann kratzte er seine Stirn. Die Lippen fest zusammengepresst. Was bedeutete das? Wussten die Nachbarn, die Lehrer, die Mitschüler auch von diesem Blatt? Ihm lief eine heiße Welle vom Nacken durch den ganzen Körper. Die Ohren glühten jetzt.

    Er blätterte weiter.

    Viele Worte begriff er nicht, wie eine Fremdsprache. Der Junge schlug den Aktenordner zu und atmete heftig. Musste er Beatrice und Angelika mit anderen Augen ansehen?

    Zwei Mädchen betraten den Korridor. Schnell schob er den Geheimnisbehälter wieder in das Fach für Schuhe.

    „Bist Du fertig? Hast Du meine Schuhe auch geputzt?", fragte die eine. Die andere schaute ihn mit großen Augen an. Sie umarmte ihn.

    „Du bist aber fleißig!", juchzte sie in sein Ohr.

    Der Junge hielt seine jüngste Schwester fest und beschloss, dass es egal sei, was er eben gelesen hatte.

    Er lächelte breit, Harmonie mit seinen Schwestern, seiner Familie. Geborgenheit und vertrauter Duft.

    Er erhob sich und kitzelte beide Schwestern. Sie lachten und alberten. Warfen Schuhe aus dem Schrank durch den Korridor.

    Als das Schloss der Wohnungstür knackte, sprangen sie durch den Raum und räumten auf.

    „Na meine Großen, wart ihr auch artig?", begrüßte sie ihre Mutter und verteilte Feierabend-Küsschen, die wie Bonbonpapier knisterten und süß schmeckten. Dann verschwand sie in die Küche.

    Am Abendbrottisch beobachtete er seine Schwestern, seine Mutter. Er kannte die Bewegung der Kleinen genau, wenn sie ihre vielen widerspenstigen Locken immer wieder hinters Ohr schob beim Essen. Er schmunzelte über das Sortieren der einzelnen Bestandteile der Mahlzeit durch die zweite Schwester. Sie baute wieder einen Soßenkanal im Kartoffelbrei. Er genoss den lächelnden Gesichtsausdruck seiner Mutter, wenn sie von einem zum anderen blickte.

    Papa konnte er nach dem Hefter nicht fragen, der war auf Montage, was weit weg bedeutete. Würde er seine Mutter später ansprechen? Mutti, was ist das für ein Blatt im Aktenordner? Nein, er würde sie nicht beunruhigen. Vielleicht hat ja doch nicht sie den Ordner dort versteckt? Könnte ja sein, nur sein Vater wusste davon?

    Er würde in den Ferien Opa fragen! Breit grinste er bei dem Gedanken und hieb sich auf den Schenkel. Alle drei am Tisch sahen ihn an. Er zuckte mit den Schultern und grinste.

    Von seinem Teller schob er eine Frikadelle auf den Teller der Jüngsten, die mochte sie so sehr. Muttis Bouletten! „Hier kleine Beatrice, damit Du groß und stark wirst!" Alle lachten.

    Und er murmelte im Kopf immer wieder diese Überschrift, sie nicht zu vergessen:

    „Urkunde über die Annahme an Kindes statt".

    Mycelien

    Die schwarze Kugel lag in ihrer Hand und vibrierte. Ein Glanz, der eine Sogkraft hatte, ging von ihr aus. Ihr Spiegelbild auf der Oberfläche der Kugel schien unendlich weit entfernt und doch so klar wie eine HD-Projektion. Sie lächelte:

    „Guck´ mal, Oma; was ich dir mitgebracht habe!".

    „Was ist das?", fragte die alte Frau und ging mit ihrer Lesebrille auf Zoom, ihr Kopf neigte sich nach vorn. Die Haut am Hals straffte sich.

    „Ich habe das hier im Wald gefunden! Lag dort, und strahlte mich an."

    „Schwarze Strahlen? Das Ding ist ja pechrabenschwarz!"

    „Nein, Omi, ich meine es eher metaphorisch. Ich finde, es sieht magisch aus. Wo können wir es platzieren?".

    Martha ergriff die Kugel, drehte sich um ihre eigene Achse und schüttelte den Kopf. Die Kugel wanderte nun auf Bauchhöhe von einer Hand in die andere. Langsam schritt die Alte durch den Raum. Am Sideboard, vor einer Kristallschale blieb sie stehen und legte die Kugel wie ein Ei, ein Straußenei, in die Schale. Dann drehte sie sich zu Sophie und lächelte: „Vielen lieben Dank, meine Süße, du hast schon immer merkwürdige Dinge aus dem Wald mitgebracht. Ich werde gut auf die schwarze Kugel achten. …"

    Lange plauderten sie an diesem Abend, bevor die Enkelin sich verabschiedete. Das Scheinwerferlicht verschwand hinter der Wegbiegung im Dunkel. Martha schloss die Vorhänge und trabte gähnend ins Bad. Danach ging sie noch einmal an die Schale, in der das makellose Rund lag. Mit dem Zeigefinger klopfte sie gegen die feucht aussehende Oberfläche. Die Kugel bebte wie ein vibrierendes Mobilteil. Martha klopfte noch einmal. Da hörte sie ein kleines Knacken, als würde man zu früh die Eisfläche eines Teiches betreten. Erschrocken wich sie zurück. Dann schlurfte sie davon. Jetzt wartete ihr Bett schon ungeduldig.

    Am nächsten Morgen schepperte das Kaffeegeschirr, als es auf dem Boden zu Bruch ging. Martha hielt beide Hände vor ihren Mund, als wolle sie den Schrei, der herausstürmte, gefangen nehmen. Ihr Blick folgte einer schwarzen Bahn aus Fäden eines Gespinstes, welches sich von der Kugel wie Keimlinge oder Zweige in Richtung Kamin bewegte. Die Fäden schwangen und knisterten leise. Sie bewegten sich wellenförmig, als wollten sie sich recken und Martha konnte genau sehen, wie sie sich dabei in die Länge dehnten. Sie dachte an Insektenfühler, die sich ihren Weg ertasten. Oder Tentakeln eines Kraken. Im Kamin endeten die Fäden. Also dort bewegten sie sich hinein. Es waren viele. Sie waren untereinander verbunden. Ein Gespinst ähnlich eines Myzels oder dem einer Schimmelkultur auf altem Brot. Wie Hyphen ein Geflecht bilden, so entstand hier auch dieses Gebilde. Nur das dies hier schwarz gelackt glänzte, pulsierte und einen süßen Duft verströmte, den Martha genüsslich einatmete. Langsam ging sie auf das Gespinst zu. Schritt es ab, bis zum Ursprung an der Kugel. Als sie auf Höhe der Kugel ihre Augen nah an den Ursprung, die Quelle, rückte, konnte sie erkennen, dass die Fasern aus einem kleinen Riss in der Kugel quollen und scheinbar junge Triebe immer noch folgten. Die jungen fadenförmigen Zellen hangelten sich an den stärkeren entlang. Es sah magisch aus. Und der liebliche Duft machte es irgendwie schön. Schön und gruselig zugleich.

    Marthas Zeigefinger näherte sich der kleinen Wunde in der Kugel, doch diese drehte sich weg, als wolle sie die Berührung vermeiden. Erschrocken zog die alte Frau ihren Finger zurück. Martha lauschte. Das Knistern war wie ein feines Wispern. Der Ton war nur zu hören, wenn Martha ihr Ohr exakt ausrichtete. Bewegte sie ihren Kopf verschwand das Geräusch.

    Martha setzte sich auf ihren Sessel und besah ihr Frühstück auf den Fliesen, wo sie das Tablett hatte fallen lassen. Sie überlegte. Wen könnte sie anrufen, wen herbitten, sich diese Pflanze oder dieses Wesen anzusehen? Was sollte sie tun? Berühren wollte sie es nun nicht mehr. Und sie hätte auch nicht gewusst, womit sie das Gebilde entfernen könnte.

    Ruckartig schnellte sie auf und ging hinaus. Nach einigen Schritten stand sie wieder vor der Kugel und hatte Handfeger und Müllschippe in den Händen. Mit dem Handfeger versuchte sie die Kugel auf die Schippe zu schieben. Die Kugel versteifte sich. Nein, die Fäden versteiften sich und hielten so die Kugel. Es machte keinen Sinn. Mit dem Handfeger ging sie an einen sehr zarten Faden und zog diesen. Der Faden dehnte sich wie Gummi. Nach einigen Zentimetern platzte er. Beim Zerreißen entwich eine schwarze Staubwolke. Dieser Nebel senkte sich auf die Fliesen. Martha sah kopfschüttelnd zu. Die Masse rann zusammen wie Quecksilber und bildete auf dem Boden mehrere kleine Kügelchen.

    „Was ist das für ein Quatsch?", murmelte die Alte und ging einige Schritte zurück.

    Sie telefonierte mit der Auskunft. Einige Telefonate später hatte sie eine Dame am Apparat, die sie fragte, ob ihr schwindelig sei oder sie heute schon etwas getrunken hätte. Martha legte den Hörer wütend auf.

    Sie ging in ihre Stube zurück. Jedoch weit kam sie nicht. Der Raum war mehr als dreiviertel mit schwarzen Fasern gefüllt, die alle zum Kamin strebten.

    Martha eilte vor die Tür ihres Hauses und blickte hinauf zum Schornstein. Was sie dort sah, ließ ihren Atem stocken. Wie gebannt starrte sie auf die Fläche. Eine dicke schwarze Wolke hatte sich vom Dach in Richtung Norden ausgebreitet und bedeckte Wiese, Weg, Waldrand. Sie schätzte die Fläche fünfmal so groß wie ihr Grundstück ein und höher als die alte Buche, die am Wegrand stand. Was zur Hölle ist das?

    Mit kurzen eiligen Schritten rannte sie in das Haus zurück und rief bei der Polizei an. Der Beamte hörte ihrer keuchenden Beschreibung geduldig zu und ermahnte sie immer wieder langsam und deutlich zu sprechen. Er fragte, was für eine Wolke, wie groß, ob sie stinke, ob es sich um einen chemischen Unfall handele, wie alt Martha sei, ob sie allein lebe, ob Martha verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen müsse, ob sie Verwandte anrufen könne, die sich um sie kümmern. Martha beendete wortlos die stoisch gestellten Fragen durch Auflegen.

    Nun wählte sie die Nummer ihrer Enkeltochter: „Sophie, die schwarze Kugel hat sich als Ungetüm entwickelt und spinnt hier die gesamte Landschaft wie eine dicke Spinne ein oder so ähnlich. Kannst du so lieb sein und mal herkommen? Ich habe Angst."

    „Omi, was redest du denn? Was soll die Kugel gemacht haben? Muss ich mir Sorgen machen? Halluzinierst du? Soll ich einen Notarzt rufen und schicken?"

    „Nein, wirklich, bitte liebes Kind, komm´ so schnell du kannst und schau dir das an, ich weiß nicht, was ich machen soll. Ein Arzt kann hier nicht helfen, mir geht es gut. Die Kugel spinnt… im wahrsten Sinne des Wortes!"

    „Oma, okay, ich komme morgen. Heute habe ich noch ein Meeting, das sehr lange andauern wird. Also heute schaffe ich das nicht, aber morgen komme ich. Lass alles, wie es ist. Ich räume es dann weg. Fass nichts an, egal was da bei dir ist."

    „Du hast gut reden, du scheinst nicht zu verstehen… hier ist alles überwuchert."

    „Oma, geh, leg dich hin, und wenn es dir nicht gut geht, rufe einen Notarzt bitte."

    Martha hatte den gesamten Tag keine Ruhe. Sie aß wenig und beobachtete immer wieder, wie sich die schwarze Masse ausdehnte. Irgendwann begann sie einen Koffer zu packen und stellte den in den Flur. In das Wohnzimmer konnte sie nicht mehr eintreten, es war schwarz gefüllt. Die Masse dehnte sich durch die Türfüllung wie ein Hefeteig, der sich aufblähte. Jedoch war es keine zusammenhängende Masse. Es sah eher aus wie ein schwarzer Kokon.

    Martha schloss die Flurtür ab und schob den Schuhschrank davor. Sie ächzte. Dann ging sie die Treppe hinauf ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett. Ein Nachthemd hatte sie nicht an, sie schlief mit ihrer Tageskleidung.

    Nach turbulenten Träumen, die sie einige Male hochschrecken ließen, stand sie am Morgen schwerfällig auf. Sie öffnete die Schlafzimmertür und sah in ein schwarzes Etwas, was den gesamten Flur eingenommen hatte. Eilig lief sie zurück und griff nach dem Mobilteil ihres Telefons. Sie wählte. Ein Ruf war zu hören.

    „Ja

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