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GEN: Begegnungen
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eBook485 Seiten6 Stunden

GEN: Begegnungen

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Über dieses E-Book

Die attraktive Archäologin Conny stößt bei Ausgrabungen auf einen spektakulären Fund, der nicht nur das gesamte Wissen der Menschheit über die Evolution in Frage stellt, sondern auch weitreichende politische Auswirkungen hat.
Ihr bisheriges Leben ändert sich auf dramatische Weise. Wem kann sie noch vertrauen?
Auf der gefährlichen Suche nach der Wahrheit begegnet Conny den eiskalt agierenden Sig, der ihr bei der Aufklärung des verhängnisvollen Fundes zu Seite steht. Es gilt ein Geheimnis zu lüften, dessen Ursprung über 65 Millionen Jahre zurückliegt.
Dabei werden sie ungewollt zu Staatsfeinden und Gejagten sämtlicher Geheimdienste.

Tauchen Sie ein in die Abenteuer von Conny und Sig. Freuen Sie sich auf eine spannende Reise mit einem unerwarteten Ende oder einem Anfang von etwas völlig Neuen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Dez. 2016
ISBN9783734555756
GEN: Begegnungen

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    Buchvorschau

    GEN - Siegfried Busse

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    I.

    Ausgrabungen

    »Wie weit seid ihr mit den Ausgrabungen?«

    »Milton, du weißt doch ganz genau, das alles seine Zeit dauert und wenn du uns hier noch lange ablenkst, wirst du das Skelett heute nicht mehr zu sehen bekommen«, antwortete Conny.

    »Ich möchte doch nur wissen, ob die Investition ihr Geld wert war. Ich weiß, ihr Wissenschaftler sucht immer nach etwas, was ihr noch nicht gesehen habt. Aber mich interessiert nur der materielle Wert und da ein Fleischfresser mehr Geld bringt, als ein Pflanzenfresser, kannst du meine Neugier doch verstehen.«

    »Milton, wie lange arbeite ich schon für dich? Spätestens beim Verkauf wirst du merken, dass dein Gewinn aus dem Fund von der Unversehrtheit abhängt.«

    »Ja, ja, ich weiß und obwohl ich mir nichts aus den wissenschaftlichen Aspekten mache, verstehe ich mittlerweile, wie deine Kollegen ticken.«

    »Conny, stellen wir die Lampen auf oder packen wir für heute zusammen? In einer Stunde wird es dunkel«, fragte Tom.

    Conny überlegte kurz.

    »Nein, wir packen zusammen. Selbst wenn wir die Nacht durcharbeiten, können wir das Skelett nicht vollständig freilegen. Dazu ist es einfach zu groß. Wir machen morgen früh ausgeruht weiter und werden Milton sicherlich eine schöne Überraschung liefern.«

    In diesem Moment wusste sie noch nicht, wie Recht sie behalten sollte.

    Der 42-jährige Milton Hofmann entstammte einer sehr einflussreichen Investoren Familie. Er war der jüngste Sohn von drei Geschwistern. Die beiden älteren Brüder übernahmen schon früh die Geschäfte ihrer Eltern, während Milton lange nach anderen Wegen suchte, das familiäre Vermögen zu vergrößern. Genauer gesagt, mit sehr wenig finanziellen Einsatz, den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen. So wurde er zu einem Abenteurer, der viel in der Welt herumkam. Ihm war keine Idee zu verwegen, ein paar Dollar zu investieren, um damit den großen Wurf zu landen. Er wollte endlich auch finanziell unabhängig werden. Zwar stand Milton genug Geld aus dem Familienfond zu Verfügung, aber zu gerne würde er seinen Brüdern und Eltern zeigen, dass es auch ungewöhnliche Wege gab, um Geld verdienen zu können.

    Als Conny das Lager betrat, sah sie Milton am Tisch vor ihrem Zelt sitzen. Vor ihm standen eine Flasche Whisky und zwei Gläser. Conny wusste wie der Abend enden würde, und sie machte sich keine Illusionen, dass es diesmal anders laufen könnte. Milton sah wie immer hervorragend aus, ihm schien das Wetter und der ganze Schmutz nichts auszumachen, als wäre er heute nicht den ganzen Tag an der Fundstelle gewesen. Irgendwann würde sie hinter dieses Geheimnis kommen, wie er das anstellte.

    »Komm setz dich Conny, wir haben einiges zu bereden«, sagte Milton gedankenversunken.

    »Das kann warten, ich gehe erst zum Fluss, um mich zu waschen. Ich rieche bestimmt wie ein nasser Hund«, entgegnete Conny, die das Unvermeidliche hinauszögern wollte. Sie machte sich in ihrem Zelt zu schaffen, zog ein großes Handtuch hervor und ging Richtung Fluss davon. Milton sah ihr hinterher, er wusste, sie aufzuhalten hatte keinen Zweck. Er musste sich in Geduld üben und das war nicht gerade einer seiner Stärken.

    Conny war mit ihren fünfunddreißig eine Ausnahmeerscheinung auf ihrem Gebiet. Sie hatte nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Studium alle Möglichkeiten. Aber sie traf auf Milton. Seine Erscheinung und seine Ideen zogen sie in seinem Bann. So konnte sie auf ihrem Fachgebiet arbeiten, ohne finanziell abhängig von irgendwelchen Forschungsaufträgen oder alten Professoren zu sein. Sie wusste von ihrer Wirkung auf Männer, deswegen war ihr die unkomplizierte Bindung zu Milton ganz angenehm, da es ungeliebte Werber auf Abstand hielt. Ihre kurzen blonden Haare standen nach dem Abtrocknen in alle Richtungen. Ihr machte das hier draußen aber wenig aus, ihre Mitarbeiter hatten sie schon ganz anders gesehen. Sie ging zurück zum Lager.

    Milton hatte in der Zwischenzeit bestimmt schon das dritte Glas Whisky getrunken und rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her. Irgendetwas hatte sich bei ihm verändert. Es war ihr nicht gleich aufgefallen, nachdem er heute Morgen mit dem Hubschrauber hier eintraf. Die ganze Aufregung um den Fund und die ersten Vermessungen ließen ein sehr großes Skelett vermuten. Conny rief deswegen Milton gestern an und heute war er schon da, was ihr recht ungewöhnlich vorkam. Hier ging es ja nur um Pinatz, im Vergleich zu seinen übrigen Investitionen. Conny setzte sich und sah Milton tief in seine dunkelbraunen Augen, was ihn noch nervöser machte. Sie hatte Spaß daran Milton so zu verunsichern. Doch mit einem Mal wurde ihr bewusst, es war nicht sie, die ihn so unruhig machte, sondern was er ihr sagen wollte. Milton versuchte dem Blick, ihrer blauen Augen standzuhalten, was ihm aber nur kläglich gelang.

    »Conny, ich habe jemand kennen gelernt und meine, es ist etwas Anderes als zwischen uns beiden. Ich denke auf einmal über Familie und Kinder nach. Ich weiß auch nicht wie es passierte, aber ich vermute, ich bin richtig verliebt.«

    Milton sah Conny an. »Sag was«, forderte er sie kleinlaut auf. Conny wusste nicht ob sie lachen oder weinen sollte. Sie hatte sich nie eine Hoffnung darauf gemacht je mit Milton eine feste und solide Beziehung aufzubauen. So wie es lief, war es für beide am besten. Jetzt, als sie merkte, Milton war für sie nicht mehr erreichbar, machte sich in ihr eine Leere breit, die sie nicht erklären konnte. Ein Schlag von Klitschko in die Magengrube hätte wahrscheinlich ein ähnliches Unwohlsein erzeugt. Was sollte sie darauf antworten? Jede Antwort konnte nur falsch sein. Sollte sie ihm eine Szene machen oder so tun, als ob es ihr überhaupt nichts ausmachte? Sie schaute ihn an und fragte: »Wie geht es mit unseren Geschäftsbeziehungen weiter?«

    Milton war überrascht. Er hatte alles erwartet, bloß das nicht. Er hatte immer angenommen, er wäre der Mittelpunkt in Connys Leben und dann diese berechnende Frage. Aber je mehr er darüber nachdachte, wusste er nicht, wie er reagiert hätte, wäre es andersherum gewesen. »Es bleibt alles, wie es ist. Zumindest was den finanziellen Bereich betrifft. Meine Investitionen beschütze ich gut.«

    »Ach, ich war also nur eine Investition?«, antwortete Conny schnippisch.

    »Du weißt, so ist es nicht. Ich wollte nur alle Karten auf den Tisch legen und verhindern, dass du es von jemanden anderen erfährst.«

    Conny musste alle Kraft zusammennehmen um nicht heulend vom Tisch aufzuspringen und davon zu laufen. Aber wo sollte sie hin in dieser Einöde. Achtzig Meilen entfernt von der nächsten befestigten Straße. Stattdessen nahm sie das Glas mit Whisky und trank es in einem Zug aus.

    »Kenne ich Sie?« fragte Conny.

    »Nein, sie ist Brasilianerin. Sie stammt aus Rio, wir haben uns vor einem halben Jahr in London kennengelernt. Conny, sie ist so ganz anders als alle, mit denen ich es je zu tun hatte. Das ganze Gegenteil von uns beiden, wenn du weißt, was ich damit meine.« »Ich glaube schon. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es das ist, nach was du gesucht hast« und Conny suchte in ihren Gedanken nach Gemeinsamkeiten in ihrer verblassenden Beziehung.

    »Na ja, ich wusste es selbst nicht, bis ich sie traf. Ich war mir auch sehr lange nicht sicher, ob sie die Richtige ist und da warst ja auch noch du. Sobald ich aber von ihr, aus welchen Gründen auch immer getrennt war, unternahm ich alles um so schnell wie möglich wieder bei ihr zu sein und das bedeutet doch etwas?«

    »Willst du Absolution von mir?« und Connys Gesichtszüge nahmen einen gefährlichen Ausdruck an.

    »Nein, ich will nur ehrlich sein. Ich bin dir das schuldig.«

    »Tut mir leid, aber das kam jetzt doch ein wenig unverhofft. Nicht, dass ich mir jemals Hoffnung auf eine Hochzeit zwischen uns beiden gemacht habe, aber ein bisschen mehr erwartete ich schon«, erwiderte Conny gedankenverloren.

    »Aber ganz ehrlich, ich freue mich, wenn du glücklich bist.« Conny wusste nicht wirklich, ob sie dabei log oder die Wahrheit sagte.

    »Weiß sie eigentlich von mir?« fragte Conny, die jetzt Milton ein wenig auf den Zahn fühlen wollte.

    »Ja und nein. Sie weiß, dass du für mich arbeitest, aber nichts von unserer Beziehung.«

    »Dann wird es ja Zeit, dass ich sie einmal kennenlerne«, schlug Conny vor. Milton sah sie entsetzt an.

    »Keine Angst, ich werde ihr unser kleines Geheimnis nicht verraten.«

    Milton schien beruhigt, aber so leicht wollte sie es ihm nun auch nicht machen. Vielleicht konnte sie aus dieser Situation doch noch einen kleinen Nutzen ziehen.

    »Milton, wenn wir hier fertig sind, würde ich mich gern einem eigenen Projekt widmen.«

    »Um was geht es denn?«, fragte er neugierig.

    »Ich würde gern einmal in Asien graben. Dort werden immer noch Versteinerungen von Dinosauriern gefunden, die noch keinen Namen haben. Sicher, sie sind nicht sehr spektakulär und bringen auch keinen großen Profit und wenn man Pech hat, zahlt man sogar drauf. Aber ich würde so einer kleinen Versteinerung gerne meinen Namen geben.«

    »Wenn es weiter nichts ist, gilt dies als abgemacht, aber danach wird wieder Geld verdient.«

    Milton goss ihr und sich noch einmal nach und erhob das Glas. »Auf unsere Zukunft.«

    »Wann fangt ihr morgen früh wieder an zu graben?«, lenkte Milton das Gespräch in eine andere Richtung.

    »Sobald es hell ist, sollten alle wieder am Ausgrabungsort sein. Ich glaube, bis auf Tom kann bestimmt keiner von ihnen schlafen.« Conny erinnerte sich an ihren ersten Fund und ein Lächeln stahl sich unmerklich auf ihr Gesicht.

    Da nun alles gesagt war, merkte Conny, wie sich etwas in ihrem Inneren tat. Irgendwie fühlte sie sich jetzt befreit. Nun konnte sie sich endlich zu hundert Prozent auf ihre Arbeit konzentrieren, ohne ständig die Angst im Nacken zu haben, was wohl wäre, wenn Milton sich von ihr abwendete und den Geldhahn zudrehte. In den letzten Jahren hatte sie so manchen angesehenen Professor mit ihrer ungestümen Art vor den Kopf gestoßen und ihr wäre ein Wiedereinstieg in die reguläre Forschung sicher verwehrt geblieben. Nun war das aber alles Schnee von gestern.

    Milton riss Conny aus ihren Gedanken. »Was meinst du, habt ihr da gefunden?«

    »Nach der Größe zu urteilen, eine Art T-Rex«, antwortete Conny etwas zögerlich.

    »Und kann man mit dem Skelett etwas anfangen?«, fragte Milton mit etwas lallender Stimme.

    »Wir haben die Fundstelle so gut wie möglich untersucht und können davon ausgehen, dass wir ein komplettes Skelett bergen können.« Conny hoffte, dass sie mit ihrer Einschätzung richtig lag.

    In Miltons Kopf reihte sich wieder eine Null mehr an die Summe, die er aus dieser Unternehmung herausholen wollte.

    »Mehr kann ich dir aber erst morgen sagen, wenn wir die Oberfläche frei gelegt haben. Nun, es ist schon spät geworden. Wir sollten jetzt schlafen gehen. Apropos, wo schläfst du eigentlich Milton?« Conny drehte sich um und verschwand in ihrem Zelt.

    Ein neuer Morgen brach an. Die aufgehende Sonne schickte trotz der frühen Stunde schon ihre wärmenden Strahlen und tauchte die Landschaft in ein angenehmes Licht. Conny genoss die morgendliche Ruhe. Ihr Blick schweifte durch das Lager und blieb bei Peter hängen, der eingemummelt im Schlafsack vor seinem Zelt lag. Milton hatte sich bestimmt seines Zeltes bemächtigt. Tom hatte schon Kaffee gemacht und der wunderbare Duft würde bald auch den letzten Langschläfer aus seinem Zelt hervorholen. Bis auf Ziha, darauf konnte Conny ihr Hab und Gut verwetten. Die ein Meter fünfzig große Studentin trank nur Tee und der Geruch von Kaffee schien sie nicht besonders zu locken. So konnte man sich täuschen. Ziha kam schon vom Fluss herauf, wahrscheinlich konnte sie es nicht erwarten, die Arbeiten heute fortzusetzen.

    Ein leichtes Wackeln ging durch Peters Zelt, dann ein leises Fluchen und Milton stecke seinen Kopf aus der Öffnung.

    »Kann mir mal jemand verraten, wie ihr das Nacht für Nacht aushaltet?«

    Conny sah ihn an und zuckte nur mit den Schultern. »Ja, wenn der Investor nicht so geizig wäre, könnten wir in schönen Wohnwagen übernachten.«

    Milton verzog die Mundwinkel und gab ein leises Schnauben von sich.

    »Ich hoffe, der Kaffee ist besser als die Schlafmöglichkeiten«, nuschelte er in sich hinein.

    Conny wusste, Milton war ein Morgenmuffel wie er im Buche stand. Es bereitete ihr große Freude ihn noch ein wenig mehr aufzuziehen.

    »Vergiss nicht deine Morgentoilette, zum Fluss geht es da lang und für die kleinen und großen Geschäfte, na ja sieh dich um, du wirst schon ein Plätzchen finden.«

    Milton knurrte etwas Unverständliches. Nahm sich einen Becher mit Kaffee und verschwand Richtung Fluss.

    »Conny, ich hoffe, Du weißt, mit wem du da sprichst«, sagte Tom und zog die Augenbrauen zusammen. Ach Tom, wenn du wüsstest, dachte Conny, beließ es aber bei einem Stirnrunzeln.

    Tom machte Rührei mit Speck. Der köstliche Geruch weckte jetzt auch Peter, der sich aus seinem Schlafsack schälte und gleich auf die Pfanne zusteuerte. Conny hatte keinen großen Appetit, ihr reichte heute Morgen erst einmal ein Apfel. Im Gegensatz zu jedem anderen Morgen herrschte heute eine eigenartige Stille beim Frühstück. Vermutlich lag es daran, weil Milton anwesend war und niemand ihn noch mehr verärgern wollte. Nach dem Frühstück machten sich alle auf den Weg zur Fundstelle. Das Wetter sollte heute stabil bleiben, was die Arbeit erheblich erleichtern und beschleunigen würde. Jeder wusste genau, was er zu tun hatte, deshalb brauchte Conny kaum Anweisungen geben. Tom und Peter fingen an die Fundstelle abzustecken und in einzelne Parzellen aufzuteilen. Ziha und Sabrina schafften das dafür benötigte Werkzeug heran. Eigentlich war die Ausgrabung mit vier Leuten nicht zu bewerkstelligen. Aber die spezielle Bodenbeschaffenheit in diesem Gebiet machte das Freilegen des Skelettes ziemlich leicht. Tom fing am Kopfende an, die versteinerten Knochen frei zu legen. Ziha und Sabrina begannen mit dem Rücken.

    »Komm Milton, wir fangen mit den Füßen an«, sagte Conny. Als sie keine Reaktion bekam, drehte sie sich um und sah Milton etwa zehn Meter entfernt stehen, wo er an seinem Handy herumhantierte.

    »Da wirst du kein Glück haben, höchstens du hast ein Satelliten Telefon«, rief Conny.

    Milton kam auf sie zu. »Der Hubschrauber kommt gegen sechzehn Uhr. Kannst du mir bis dahin über unseren Fund bereits mehr sagen, damit ich mich mit den entsprechenden Kunden in Verbindung setzen kann?«

    »Ich glaube schon, aber zumindest weißt du dann, was du noch an Equipment heranschaffen musst, um das Skelett zu bergen.« Das wollte Milton zwar nicht hören, aber als er das abgesteckte Feld so betrachtete, schien es sich diesmal wirklich um einen außergewöhnlichen Fund zu handeln. Gewiss, die anderen Funde hatten auch Gewinne eingebracht, jedoch nicht lohnenswert im Verhältnis zu dem ganzen Aufwand. Conny streckte ihm einen kleinen Spaten entgegen. »Jede Hilfe bringt mehr Informationen, mit denen du etwas anfangen kannst, bevor du wieder aufbrichst«, sagte Conny auffordernd. Bis Mittag hatten sie es geschafft so viel von der Oberfläche abzutragen, dass schon deutliche Umrisse zu erkennen waren. Tom machte sich auf den Weg in das Lager, Peter schloss sich ihm an.

    Milton knurrte der Magen. Umso länger er hier war, merkte er, diese körperliche Arbeit war nichts für ihn, für kein Geld der Welt.

    »So, bald gibt es etwas zu essen«, sagte Conny, die seine Gedanken zu lesen schien. Sie sah Milton mit einem wehleidigen Blick an. Auch wenn sie die letzten vier Stunden kaum ein Wort miteinander gesprochen hatten, war sie froh über seine Nähe.

    »Komm, wir machen uns auch auf den Weg!«

    Ein erleichtertes Lächeln glitt über Miltons Gesicht.

    »Vielleicht können wir den beiden helfen,« und sofort erstarb sein Lächeln wieder.

    »Du kannst es einfach nicht lassen mich dauernd zu beschäftigen?«

    »Mein Investor wird es mir danken, wenn ich jede freie Kapazität nutze.«

    »Sehr witzig«, schniefte Milton, stand auf, klopfte sich den Sand von der Hose und ging Richtung Lager und Conny folgte ihm.

    Tom schälte die Kartoffeln und Peter rührte in einem großen Kessel das Gulasch um. Ab und zu nahm er einen Löffel um zu kosten. »Wenn du so weitermachst, bleibt nichts mehr für uns übrig«, sagte Tom ohne Peter dabei anzuschauen. Dieser zuckte nur mit den Schultern und nahm noch einen Löffel voll.

    »Können wir euch helfen?«, fragte Conny.

    »Du könntest schon mal das Geschirr hinstellen und die Getränke aus der Kühlbox holen«, antwortete Tom abwesend.

    Milton wunderte sich über den Ton, mit dem Tom zu Conny sprach. Läuft da irgendetwas zwischen den beiden? Er verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Die beiden kannten sich schon so lange und gingen daher miteinander um wie ein altes Ehepaar.

    Ein entsetzlicher Schrei ließ alle zusammenfahren. Es war Ziha. Alle sprangen auf und liefen in Richtung der Fundstelle. Sabrina und Ziha standen wie angewurzelt vor dem Skelett und starrten auf eine Stelle des Bodens. Conny schob Sabrina ein wenig zu Seite, um sehen zu können, was sie so erschreckt haben konnte.

    Zwei große Augenhöhlen starrten sie an. Augenhöhlen, die einmal zu einem Menschen gehörten. Jetzt konnte sie verstehen, warum Ziha so geschrien hatte. Da versucht man, ein mehrere Millionen Jahre altes Skelett auszugraben, und findet so etwas. Das konnte einem schon alle Glieder erstarren lassen. Nun sahen es auch die anderen. Ekel, Faszination und Enttäuschung spiegelte sich auf ihren Gesichtern wieder. Wobei die Enttäuschung, nur auf Miltons Gesicht zu sehen war. Dieser strich gleich einige Nullen von seinem möglichen Gewinn. Das konnte nur Ärger bedeuten. Was hatte ein menschlicher Schädel in einem Millionen Jahre alten Skelett zu suchen? Macht sich da jemand einen Spaß oder lag hier ein Verbrechen vor? Er sah sich kurz um und die betretenden und neugierigen Gesichter sagten ihm, einen Spaß konnte er ausschließen.

    »Bevor wir hier weitermachen, sollten wir die Polizei rufen«, sagte Tom.

    »Auf keinen Fall«, fiel ihm Conny ins Wort. Die Fundstelle wäre verloren und die bis jetzt geleisteten Arbeit wäre umsonst, wie sie aus früheren Erfahrungen wusste. Alle sahen Milton fragend an.

    »Jetzt bleibt mal alle ganz ruhig. Conny, lege doch mal den Schädel frei, vielleicht erfahren wir dann mehr«, bestimmte Milton. Conny machte sich mit einem kleinen Spaten und einem Pinsel daran, den Schädel aus seiner von Sand und Steinen umgebenen Umklammerung zu befreien. Als sie die Hälfte geschafft hatte, drehte sie sich um und sah Peter an.

    »Das Gulasch brennt an!« Peter öffnete den Mund und holte tief Luft. Genau, der Schädel konnte warten, aber das Essen nicht. Er machte sich sofort auf den Weg ins Lager. Nach weiteren zwanzig Minuten hob Conny den Kopf und sah Milton an.

    »Hier stimmt etwas nicht!«

    »Was meinst du damit?« Fragte Milton.

    »Der Schädel ist versteinert.«

    »Ja und?«

    »Weißt du nicht, wie lange es dauert, bis ein Knochen versteinert ist?«, fragte Conny Milton mit ungläubiger Miene. »Es ist unmöglich. Wenn ich grob zurückrechne, sind die ältesten gefundenen Versteinerungen von menschlichen Schädeln etwa anderthalb bis zwei Millionen Jahre alt. Und die haben mit diesem Schädel vom Aussehen so viel gemein, wie ein Apfel mit einer Birne«,

    »Ich verstehe kein Wort«, sagte Milton. Tom wollte gerade loslegen, da fiel ihm Conny ins Wort. Sie wusste, sollte Tom mit seinen ausufernden wissenschaftlichen Ergüssen erst einmal anfangen, würde Milton wahrscheinlich die Polizei holen, nur damit dieses Gespräch beendet wäre.

    »Also, bei der Form des Schädels handelt es sich um einen Homo sapiens, also ein moderner Mensch. Die Frage ist, wie kommt er hier her und wie kann es sein, dass er versteinert ist? Und diese zwei Fragen passen an diesem Ort einfach nicht zusammen. Die Polizei können wir erst einmal außen vorlassen. Hier handelt es sich definitiv nicht um ein Verbrechen«, legte sich Conny fest.

    »Kannst du das garantieren?«, fragte Milton.

    »Wenn ich das Bild der Fundstelle so betrachte. Hätte jemand den Schädel oder den dazugehörigen Körper hier vergraben, wäre auf jeden Fall die Anordnung des Skelettes, des T-Rex zerstört. Aber das hier liegt ungestört seit mindestens fünfundsechzig Millionen Jahren. Genaueres kann ich aber erst sagen, wenn wir das Ganze hier frei gelegt haben und wir den Schädel einem Radio Carbon Test unterzogen haben.«

    »Hat irgendjemand eine Idee, was hier passiert sein könnte?«, fragte Milton.

    »Viele Möglichkeiten gibt es da nicht«, antwortete Tom. »Entweder die Gebeine sind so alt wie der T-Rex, was aber nach der Anatomie des Schädels auszuschließen ist oder jemand treibt hier mit uns einen üblen Scherz.«

    »Noch jemand andere Vorschläge?« Milton schaute fragend in die Runde. Ziha kniff die Augen zusammen und ließ ihrer Fantasie freien Lauf.

    »Vielleicht ist es gar kein Mensch oder jemand wurde durch die Zeit in die Vergangenheit geschickt oder es ist eine sehr frühe Zivilisation, von der bis jetzt nur noch niemand etwas gefunden hat.«

    Alle hingen irgendwelchen Gedanken nach. Aber keiner hatte eine wirkliche Erklärung. Conny zog jetzt einen Schlussstrich. »Wir werden das Rätsel auf wissenschaftliche Weise lösen.«

    »Milton, wann kommt dein Helikopter?«

    »So gegen sechzehn Uhr.«

    »Gut, dann haben wir bis dahin Zeit den Schädel und was wir sonst noch finden, frei zu legen. Du wirst dann Proben mitnehmen und sie von jemanden analysieren lassen. Von wem, das sage ich dir noch, aber es muss einer sein, dem wir absolut vertrauen können. Noch eine Frage Milton, was hat jetzt Priorität, das Skelett oder der Schädel?«

    Milton verstand die Frage nicht, für ihn stand ganz klar fest, Geld verdiente er nur mit dem T-Rex. Was sollte ihm schon so ein blöder Schädel bringen. Er sah Conny fragend an.

    »Du hast es immer noch nicht begriffen? Sollte es sich bestätigen, dass der Schädel so alt ist wie das restliche Skelett, dann ist das eine Sensation, die alles in den Schatten stellt, was bis jetzt von Bedeutung war. Es würde ganze Wissenschaftszweige auf den Kopf stellen.«

    Milton wurde langsam bewusst, um was es hier ging, nicht mehr nur um Geld, hier ging es um etwas ganz Großes. Wie sollte er weiter vorgehen?

    »Wir gehen jetzt alle ins Lager und beruhigen uns erst einmal. Dort besprechen wir dann die weiteren Schritte», sagte Milton. Peter wartete schon voller Ungeduld. Jeder nahm eine Schüssel mit Gulasch und etwas Brot, denn zum Kartoffeln schälen war ja Tom nicht mehr gekommen. Eine beängstigende Ruhe machte sich breit, nur unterbrochen vom Klappern des Geschirrs. Als erste erhob Sabrina das Wort, sie hatte sich bis jetzt überhaupt noch nicht geäußert.

    »Ich bin der Meinung, wir sollten den Schädel vernichten, er kann nur Ärger bedeuten.«

    Conny sah entsetzt auf. »Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Du als Wissenschaftlerin solltest doch eigentlich vor Neugier platzen.«

    »Ja, das schon, aber das Ganze kommt mir so unwirklich vor, es macht mir Angst.«

    »In wie fern?«, schaltete sich Milton wieder ein.

    »Naja, was auch immer die Untersuchungen bringen werden, die ganze Welt wird hinter uns her sein. Und nicht alle werden gute Absichten verfolgen«, erklärte sich Sabrina.

    »Sabrina hat recht. Wir sollten ganz behutsam vorgehen. Als Erstes müssen wir die Ausgrabung genau dokumentieren. Als Zweites, alles was hier besprochen und gesehen wird, verlässt nicht das Lager. Habe ich mich da klar ausgedrückt? Das alles dient unserer Sicherheit. Nach der Analyse der Proben sehen wir dann weiter. Conny, auch wenn der Schädel im Moment an erster Stelle steht, bitte geht mit dem Rest trotzdem vorsichtig um. Sollte sich nämlich herausstellen, dass dem Schädel keine Bedeutung zugeordnet werden kann, können wir immer noch auf den T-Rex zurückgreifen«, holte Milton alle wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

    Zustimmendes Gemurmel machte sich in der Runde breit, außer Sabrina, sie sah nicht besonders glücklich aus. Nach dem Essen kehrten alle zur Fundstelle zurück. Conny und Tom begannen damit, den Schädel weiter auszugraben. Peter dokumentierte alles mit einer Kamera. Ziha bereitete die Gerätschaften für die Entnahme der Probe vor. Sabrina machte sich daran, weitere Teile des Dinosaurier Skelettes frei zu legen. Milton überlegte, wie sein weiteres Vorgehen ablaufen sollte. Die ganze Sache war einfach nur absurd. Da kommt er hier her, um zu begutachten, wie seine Investitionen laufen und um mit Conny reinen Tisch zu machen und jetzt das.

    »Conny, zu wem soll ich die Proben bringen?«, fragte Milton plötzlich. Conny nahm Milton ein wenig zur Seite.

    »Bring sie zu Professor Stiller nach Calgary. Er war früher mein Mentor an der Universität und hat dort ein privates Labor, bestimmt kann er uns behilflich sein.«

    »Nach Kanada, fällt dir nicht jemand anders ein?«

    »Nein, überlege doch mal, dort erregen wir die geringste Aufmerksamkeit. Geh einfach zu ihm und sag du kommst von mir. Das beschleunigt ganz sicher unser Anliegen, denn der gute Professor hat noch eine Schuld bei mir zu begleichen.«

    Milton sah ein, dies war die beste Lösung. Ihm wurde aber wieder einmal bewusst, wie wenig er über Conny wusste. Was war das schon wieder für eine Anspielung? Der Professor war Conny etwas schuldig. Milton wollte aber in der jetzigen Situation nicht weiter darüber nachdenken.

    Gegen fünfzehn Uhr war der Schädel, inklusive Unterkiefer frei gelegt. Conny wunderte sich sehr über die Unversehrtheit des Schädels. Sollte er wirklich fünfundsechzig Millionen Jahre alt sein, war er wirklich gut erhalten, was ihre erste Euphorie doch merklich dämpfte. Sie nahm den Schädel aus der Fundstelle und legte ihn in den vorbereiteten Behälter. Tom entnahm dem Unterkiefer eine Probe und steckte sie in eine Dose, die er luftdicht versiegelte. Das gleiche tat er mit einer Probe vom Schädel, vom T-Rex und dem Gestein, das den Schädel umgab. Alle Proben, wurde dann in einer kleinen Kiste verstaut und Milton übergeben.

    »Pass bloß gut darauf auf! Das Material kann dich echt berühmt machen, beziehungsweise uns« sagte Conny mit einem drohenden Blick.

    Milton war zwar immer noch der Meinung, hier wurde viel Lärm um nichts gemacht, aber trotzdem bohrte sich langsam eine innere Unruhe in seine Eingeweide, dessen Ursprung er einfach nicht greifen konnte. Wer weiß, vielleicht ist es doch etwas Großes, dachte er so bei sich.

    Der Helikopter traf fast genau gegen sechzehn Uhr ein und landete in der Nähe des Lagers. Conny und Milton machten sich gemeinsam auf den Weg zum Hubschrauber. Als sie sich verabschiedeten, drückte Conny Milton fester, als sie es eigentlich gewollt hatte. Milton sah sie verwundert an.

    »Denk dir nichts dabei«, sagte Conny. »Das ist nur die Aufregung.«

    »Okay« sagte Milton und bestieg den Helikopter.

    »Pilot, haben Sie noch ein zusätzliches Satelliten Telefon?«

    »Ja, Sir.«

    »Geben Sie es mir.«

    »Conny!«, rief Milton. Sie drehte sich um und sah, wie Milton wild gestikulierte. Was kann er noch wollen, dachte sie und ging noch einmal zurück zum Helikopter.

    »Hier hast du das Telefon, ich melde mich, sobald ich was Neues weiß. Ich kann mir vorstellen, dass du vor Ungeduld kaum schlafen kannst.«

    »Ich danke dir und hoffe bald von dir zu hören«, sie winkte ihm noch einmal zu, dann hob der Helikopter ab.

    II.

    Der Anschlag

    Milton ließ sich mit dem Helikopter gleich nach Salt Lake City bringen. Von unterwegs buchte er ein Zimmer in einem Hotel in der Nähe vom Airport. Nach drei Stunden Flug und einer halben Stunde Autofahrt konnte er endlich im Hotel einchecken.

    »Milton Hofmann«, sagte er zum Portier. »Ich habe ein Zimmer gebucht.«

    »Einen Augenblick bitte…. Ja Sir. Wie lange gedenken Sie zu bleiben?«

    »Nur diese Nacht und bitte buchen Sie mir für morgen einen Flug nach Calgary.«

    »Sir, haben Sie noch einen Wunsch?«

    »Im Moment nicht. Oder doch, bitte lassen Sie mir in anderthalb Stunden ein großes Steak mit Pommes aufs Zimmer bringen.«

    Milton nahm erst einmal ein langes Bad. Wie hatte er das vermisst. Er hatte nur zwei Tage nicht in der Zivilisation zugebracht, aber vorgekommen war es ihm wie Wochen. Jetzt hatte er Zeit über alles, was in den letzten Stunden passiert war, in Ruhe nachzudenken. Sollte er Beata anrufen und ihr von dem Vorfall erzählen? Besser nicht, er hatte den anderen einen Maulkorb verpasst und dasselbe galt auch für ihn. Vielleicht führt das Ganze eh zu nichts und dann würde er ganz schön dumm dastehen.

    So genoss er weiter die Wärme des Wassers und ließ sich einen Whisky dabei schmecken. Nach einer Stunde hatte er sein Bad beendet und zog sich etwas Legeres an und wartete auf sein Steak. Er wollte gerade die Musik anschalten, da klingelte das Telefon.

    »Herr Hofmann, ihr Flug geht morgen um dreizehn Uhr dreißig, soll ich ein Taxi organisieren?«

    »Ja, tun Sie das und buchen Sie mir gleich noch ein Hotel in Calgary für circa drei Nächte.«

    »Geht in Ordnung Sir. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt«, sagte der Portier und legte auf.

    Jetzt erst kam es Milton in den Sinn, dass er ja auch noch andere Termine für die nächsten Tage hatte.

    Er holte sein Smartphone heraus und checkte seinen Kalender. Wie es aussah, lag in den nächsten Tagen nichts Besonderes an. Trotzdem sollte er Camill, seiner Sekretärin, eine Nachricht schicken, er sei für die nächsten Tage unabkömmlich. Sie würde sich nichts dabei denken, denn es kam schon häufiger vor, dass er einfach einmal für ein paar Tage von der Bildfläche verschwand. Wie gewünscht kam nach der verabredeten Zeit das Essen und dies ließ er sich richtig schmecken. Nach der Mahlzeit goss er sich noch einen Whisky ein, legte sich aufs Bett und schaltete den Fernseher an.

    Milton wachte plötzlich auf. Es war noch dunkel. Aber irgendetwas hatte ihn geweckt. Da war es wieder, ein leises kratzendes Geräusch an seiner Zimmertür. Jemand versuchte sich Zugang zu seinem Appartement zu verschaffen. Der Zimmerservice konnte es nicht sein, denn draußen hing ein kleines Schild: Bitte nicht stören, ich schlafe noch. Was sollte er tun? Er stand leise auf und nahm seine Achtunddreißiger aus dem Halfter, das über dem Sessel neben seinem Bett hing. Er schlich leise zur Tür. Wieder war das Geräusch zu hören und da er diesmal direkt neben der Tür stand, war jeder Irrtum ausgeschlossen.

    Jemand wollte in sein Zimmer. Ein leichtes Knacken war zu hören und die Tür sprang auf. Der Lichtkegel einer Taschenlampe schweifte durch den Raum. Eine dunkle Gestalt schob sich vorsichtig durch die Tür. Milton schlug zu. Die dunkle Gestalt verlor das Gleichgewicht, stürzte zu Boden und blieb dort reglos liegen. Milton zog zweimal tief die Luft ein, bevor er das Licht anmachte. Auf dem Boden lag ein Mann. Milton suchte im Zimmer nach etwas, um den Mann fesseln zu können. Das Einzige, was er fand, war eine Krawatte, die in seinem geöffneten Koffer lag. Das musste erst einmal reichen, obwohl ihm die sechshundert Dollar, die er für das Teil ausgegeben hatte, deutlich schmerzten. Er legte die Arme des Mannes auf den Rücken und band die Hände mit der Krawatte zusammen, dann drehte er den Mann auf die Seite und zog ihm die Maske vom Kopf. Der Fremde war etwa fünfunddreißig Jahr alt und eines wusste Milton ganz genau, er hatte ihn in seinem ganzen Leben noch nie gesehen. Er stand auf und verschloss die Tür.

    Was waren jetzt die Möglichkeiten? Sollte er gleich die Polizei rufen oder warten bis er aufwacht und ihn selbst verhören. Die Frage schien sich von allein zu lösen. Der Unbekannte regte sich und kam wieder zu sich. Er hatte eine blutige Beule am Hinterkopf, die sicher furchtbar schmerzte. Seine Augen öffneten sich und sahen Milton ungläubig an.

    »Was wollen Sie von mir?«, fragte Milton in einen gereizten Ton. Der Mann schaute Milton in die Augen und sein Gesicht wurde zu einer undurchdringlichen Maske. Plötzlich fiel der Kopf zur Seite, jegliches Leben schien aus den Körper gewichen zu sein. Milton beugte sich über den Fremden. Er hielt zwei Finger an seine Halsschlagader. Der Mann war tot, dann kroch ihm der Duft von Mandeln in die Nase. Er wusste, was das bedeutete. Der Unbekannte hatte Gift zu sich genommen, was vermutlich in einer Kapsel, in einem falschen Zahn versteckt war.

    Was hatte das zu bedeuten? Er durchsuchte den Fremden. Sollte die Polizei doch denken, was sie wollte, von wegen der Spurensicherung, er wollte Antworten und das jetzt. Das einzige was er fand, war eine Schlinge und ein Messer. Mit beiden Dingen konnte man geräuschlos töten. Milton wich jegliche Farbe aus dem Gesicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ihm jemand nach dem Leben trachtete. Was hatte er getan, damit man ihm einem Killer auf den Hals schickte? Er musste jetzt jeden seiner Schritte genau abwägen. Je mehr er darüber nachdachte, desto unsicherer wurde er. »Ich muss Sig anrufen!« Warum war ihm das nicht als erstes eingefallen? Es lag wahrscheinlich daran, dass er den Sicherheitschef der Firma ganz selten zurate ziehen musste. Aber nun lagen die Dinge anders.

    Milton sucht sein Handy und fand es schließlich unter dem Kopfkissen. Wie es da hingekommen war, wusste er nicht mehr, aber das war jetzt egal. Er suchte im Kurzwahlverzeichnis und drückte Sigs Namen.

    »Milton, was kann ich für dich tun?« Milton war erschrocken. Das Telefon hatte gerade einmal geklingelt. Schläft der Mann denn eigentlich nie?

    »Sig, ich habe ein Problem« und schilderte kurz die Vorkommnisse der letzten Minuten.

    »Milton du tust erst einmal gar nichts, bleib im Zimmer und warte auf die Polizei, ich kümmere mich um alles.« Milton setzt sich in den Sessel und schloss die Augen.

    Sig, der Chef der Sicherheit, war mit seinen achtundvierzig Jahren schon ziemlich weit gekommen. Der Aufstieg in der Firma vollzog sich relativ schnell. Woher er kam, wussten nur ganz wenige im Unternehmen. Als Deutscher hatte er es nicht immer einfach, sich in der Hierarchie des Konzerns mit seinen Veränderungen durchzusetzen. Aber der Erfolg bei seinen Einsätzen sprach für sich und so war es nur eine Frage der Zeit. Bis er alle Fäden, was die Sicherheit in der Firma betraf, in den Händen hielt. Sein Handwerk hatte er bei den Ostdeutschen Streitkräften erlernt. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks trat er der Fremdenlegion bei. Dort wurden ihm einige Dinge beigebracht, über die er nicht mehr gerne sprach, aber sie machten aus ihm das, was er heute war. Ein Bluthund, denn wenn

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