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Mystery München
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eBook226 Seiten2 Stunden

Mystery München

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Über dieses E-Book

München als Fixpunkt in einem Roman, der nicht nur unterhält, sondern sich auch mit den Daseinsfragen unserer Zeit beschäftigt.
In die mystische Welt dieser Stadt, in der Panleos im Geheimen wirken, entführt dieser Roman den Leser.
Er begleitet aber auch den Münchner Redakteur Christopher, der sich aus dem hektischen Alltag zurückzieht, um endlich frei zu sein für die Dinge, die ihm wichtig sind. Dabei verfängt sich Christopher im Labyrinth seiner eigenen Ansprüche und als ihm eine ungewöhnliche, faszinierende Frau begegnet, gerät sein Weltbild ins Wanken.
S.E. Schneider legt mit dem neuen Roman eine überraschende Geschichte zweier Welten vor, die als Hommage an das Leben verstanden werden kann.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Juli 2021
ISBN9783347359253
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    Buchvorschau

    Mystery München - S. E. Schneider

    PROLOG

    »Wir können mit der Chippung verändern, was ihr wollt, Zettan«, raunte der Wissenschaftler dem Alphaparder zu, während er sich streckte, um dem Kopf Zettans näher zu sein. Da er es nur bis auf dessen Brusthöhe schaffte, hob er die Stimme: »Rein hypothetisch fungiert der Gechippte dann als selbstständige, sich ständig modifizierende Reparaturzelle.«

    Der Alphaparder seufzte und winkte ab. Sein Blick glitt über die mondbeschienene, unendlich scheinende Ebene vor der Aussichtsplattform. Die golden befellten Arme vor der muskulösen Brust verschränkt, spürte er den bewundernden Blick des anderen auf sich.

    Ja, sie, die Panleos waren herrliche Geschöpfe aus beiden Welten. Und doch, was bedeutete die äußere Form schon, gemessen an der Verantwortung, die sie – vor allem er, als Anführer – zu tragen hatten. Es ging nicht nur darum, zu verhindern, dass die Anderwelt weiter Schaden nahm. Am schlimmsten war, dass deren Bewohner nicht wussten, was sie, über ihre eigene Vernichtung hinaus, tatsächlich anrichteten.

    Ein vorsichtiges Räuspern des Wissenschaftlers ließ Zettan das Gespräch fortführen. »Nun, Professor, bisher haben wir bei der Chippung meist nur die Struktur einzelner Organe verändert.«

    »Wir könnten aber viel, viel mehr, großer Zettan. Wenn ihr zustimmt, lässt sich das Genom so verändern, dass eine Weitergabe aller gewünschten Modifizierungen per Vererbung erfolgt.«

    Sekundenlang herrschte spannungsgeladene Stille. Dann kam das donnernde »NEIN« des Alphaparders so unvermittelt, dass der Professor zusammenzuckte.

    Zettans Mähne flog, während er heftig den Kopf schüttelte. »Nein. Ich will nicht, dass wir Panleos diese Verantwortung übernehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das überhaupt jemals machen sollten. Es wäre schließlich die unaufhaltsame Veränderung von Millionen. Das kann, das will ich nicht entscheiden. Zumindest nicht mit der anstehenden Chippung.« Er neigte sich zu ihm, der drohende Unterton ließ keinen Widerspruch gelten: »Ich möchte aber die Einzelfallchippung optimieren, wie besprochen. Habt ihr alles dafür vorbereitet?«

    »Ja, natürlich, alles ist veranlasst nach euren Wünschen, der Spezialchip liegt bereit«, beeilte sich der Professor zu

    sagen.

    »Das heißt, dass das autonome Programm – mit unbeschränktem Zugriff auch auf die Software der vorausgegangenen Chippungen – das Beste für den Probanden aus dessen ureigensten Anlagen entwickeln wird.« Es war keine Frage, der Panleo hatte nur zu sich gesprochen.

    Aus dem Gesicht des Wissenschaftlers entwich alle Farbe. »Aber ist der unbestimmbare Faktor einer einzelnen Persönlichkeit nicht doch ein viel zu hohes Risiko? Und das würdet ihr allein tragen?«, flüsterte er, während eine unbestimmte Angst in ihm hochkroch.

    »Ein großes Wagnis ja und natürlich darf der so gechippte unsere Welt nie verlassen. Ich werde mir noch eine Sicherung überlegen.« Der Alphapanleo beugte sich zu dem Wissenschaftler hinab, um ihm in die Augen zu sehen.

    »Fürs Erste aber ist wichtig, dass niemand, wirklich niemand, jemals davon erfahren wird. Das muss dir klar sein!«

    Unter dem Blick der Raubtieraugen erstarrte der Professor. Außer Stande auch nur zu flüstern, antwortete er mit einem leichten, fast unmerklichen Nicken, während ihm schwarz wurde vor Augen und eine gnädige Ohnmacht ihm die vollständige Wandlung Zettans ersparte.

    EINS

    Langsam, beinahe provozierend und doch erkennbar absichtslos schlenderte Christopher über den Marienplatz. Das Gefühl des Stolzes hob ihn um einige Zentimeter über seine sowieso schon stattliche Körpergröße hinaus. Endlich hatte er den so ersehnten Luxus errungen: Zeit für sich.

    Wie angestrengt er auch überlegte, er konnte sich nicht erinnern, wann er diesen Platz derart bewusst und mit solch einem Wohlgefühl überquert hatte.

    Mitten vor dem Rathaus blieb er stehen, ließ den Blick an der neugotischen Fassade hochstreichen, erfreute sich am zartblauen Himmel, der in all seiner Verletzlichkeit doch einen schönen Tag verhieß. Tief atmete er die kalte Luft der geliebten Stadt ein, wieder und wieder, bis das Atmen schmerzte.

    Wie er so verweilte an einem Wintervormittag im März, erregte er die Aufmerksamkeit manch weiblicher Passantin. So blieb das eine oder andere Augenpaar an seiner Erscheinung förmlich hängen. Allein die dichten Haare, die sich, einem geheimen Code gehorchend, meist von selbst in gefällige Locken legten, kämmte Christopher nur sporadisch. Überhaupt kümmerte ihn sein Erscheinungsbild kaum, das hatte Mutter Natur großzügig für ihn besorgt. Man konnte ohne Übertreibung sagen, dass er ein attraktiver Mann war. Er selbst nahm es als gegeben hin, so wie man sich mit Sommersprossen oder zu großen Füßen abfindet, weil es weder besonders stört noch auffällt.

    Dreiundfünfzig Jahre – die man seinem gut proportionierten und schlanken Körper nicht ansah – zählte er zwischenzeitlich. Selbst die leichte Schlampigkeit in der Kleidung wirkte, als sei sie beabsichtigt. Äußerlich verkörperte er damit den Typ des verletzlichen Jungen, der nie ganz erwachsen werden wollte. Auch die dunklen Augen passten in das Bild, sie faszinierten immer noch mit einer Spur Verträumtheit.

    Diese Verschwendung der Natur an ihm blieb ohne Bedeutung für seinen Charakter. Nie setzte er das Aussehen bewusst ein, es schien, als hätte sein reiches Innenleben das einfach nicht nötig. Bei den unvermeidlichen Blicken in den Spiegel ärgerte er sich höchstens einmal über eine widerspenstige Stirnlocke oder ein bekleckertes Hemd.

    Nachdem Christopher den optischen Hunger nach Schönheit gestillt hatte, meldete sich sein Magen zu Wort. Rasch steuerte er das Café Reber an. Hier schätzte er, dass man ihn in Ruhe ließ, nicht sofort einen sogenannten Stammkunden aus ihm machte. Denn er hasste es, kaum, dass er dreimal im selben Laden auftauchte, mit »ah, der Herr Mendelsson. Wie immer?«, angesprochen zu werden, und also genötigt wurde, über Jahre womöglich, das gleiche Gedeck zu wählen. Wie viele brave, widerspruchsfaule Gemüter hatte man so nicht selten zu ewigem Milchkaffee und Butterkuchen, oder was zum Teufel auch immer, verurteilt.

    Um unter Schafen glücklich zu werden, musste man vor allem selbst eines sein, so Christophers Devise. Vor jeglichem Vereinsleben grauste ihm genau aus diesem Grunde. Was die meisten Menschen als willkommene Freizeitgestaltung betrachteten, weil sie ihnen nicht viel abverlangte an Eigeninitiative oder Kreativität, verabscheute er aus vollem Herzen. Das überwiegend gleiche Personenkonvolut, das einen weder forderte noch in irgendeiner Form jemals hinterfragte, in dem man sicher und aufgehoben seinen Verstand verdämmern konnte, erzeugte bei ihm ein Gefühl der Lähmung bis hin zur Atemnot. Allein die Vorstellung, regelmäßig Zeit mit sogenannten Gleichgesinnten verbringen zu müssen, ertrug Christopher nicht. Schon das Wort gleichgesinnt empfand er als Unwort, es hatte diesen bitteren Nachgeschmack von Konformismus. Genug Furchtbares war aus eben dieser Haltung heraus in der Vergangenheit geschehen. Nein, Gleichmacherei ekelte ihn, er – ein Individualist mit jeder widerspenstigen Herzensfaser.

    Dass er Kindheit und Schulzeit trotzdem halbwegs unbeschadet überstanden hatte, schrieb er nicht nur dem Glück und einigen empathischen Lehrern zu. Vor allem meinte er, sei es der Verdienst liebevoller und kluger Eltern gewesen. Sie liebten das innerlich unangepasste Kind bedingungslos. Vielleicht bestärkte ihn diese Liebe in seiner Haltung, zumindest fragte er sich das in letzter Zeit manchmal.

    Dass der Vater viel zu früh ging – ein grausamer Schicksalsschlag. Als auch die Mutter im November letzten Jahres starb, hatte Christopher beschlossen, einen kompletten Neuanfang zu wagen. Lebensentrümpelung nannte er es. Er meinte, dies nicht nur den Eltern zu schulden, es wurde höchste Zeit für ihn.

    ZWEI

    Seine Lieblingsecke im Café erwartete ihn bereits. Hier oben, vom dritten Stockwerk aus, konnte er den sich allmählich mit Menschen füllenden Marienplatz überblicken. Die innere Ruhe, die ihn dabei erfasste, tat gut. Er genoss diesen Zustand.

    Beim desinteressierten Kellner, den er schon lange kannte, der trotzdem – wie nach einer wunderbaren aber nie erfolgten Absprache – stets vorgab, er sehe ihn zum ersten Male, bestellte er einen Earl Grey mit Milch. Dann wurde er unsichtbar hinter seiner Zeitung.

    Für dieses Blatt hatte er die vergangenen zehn Jahre gearbeitet. Verrückt, sich das anzutun. Doch das müssen Normalsterbliche alle. Arbeit und Ärger bestimmen hauptsächlich das Dasein. Und wann gab es schon Erfolge? Natürlich hatte die Arbeit zwischendurch sogar Spaß gemacht, aber selten. Obwohl, speziell für diesen Laden tätig zu sein, so schlecht war es auch wieder nicht. Nur durfte man keinerlei Anerkennung erwarten. Dass nur erstklassige Texte erschienen, betrachteten die als Selbstverständlichkeit. Wie verdammt schwer es war, solch einem Anspruch täglich gerecht zu werden, pah, wen interessierte das schon. Gottlob musste er sich nur manchmal etwas aus den Rippen leiern, schließlich gab es genug Themen, die aufzurühren einem den Magen umdrehte, die also der Leser begierig aufnahm. Immerhin hatte er sich mit den meisten Kollegen dort gut verstanden. Die Redaktion vom ITZ dagegen – eine Schlangengrube. Himmel, dass er es da ganze fünf Jahre ausgehalten hatte? Aber was heißt aushalten, sollte man sein Leben nur aushalten? Oh, Mist, verdammter …

    Er hatte sich den heißen Tee auf die Hose gekippt und versuchte, den Schaden mit der Serviette zu mindern. Die Folgen waren fatal, denn nun betonte der üppige Papierabrieb die nasse Stelle zusätzlich. Ohne Kleckern ging es selten bei ihm. Nie widmete er sich den Dingen des Alltags konzentriert, als fehlten ihm dafür die entsprechenden Synapsen im Gehirn. Sein Schlüssel blieb gerne da, wo er etwas aufsperrte. So fand er ihn zu seiner Überraschung an der Wohnungstüre, dem Kellerabteil oder dem Briefkasten. Manchmal rempelte er in Gedanken fremde Menschen an, stieß sich den Kopf an Glastüren, verlor immer wieder Schirme, Handschuhe und Schals. Diese Schusseligkeiten gehörten wie eine Art Markenzeichen zu ihm.

    Das kleine Malheur mit dem Tee schien gleich vergessen, behaglich schlürfte er den in der Tasse verbliebenen Rest.

    Hier zu sitzen, fühlte sich gut an. Einfach nur sein. Aus dem Fenster schauen, weder Zeitdruck noch Termine.

    Erst wenige Wochen lebte er so. Die Stelle bei der Zeitung hatte er gekündigt. Dank der Erbschaft konnte er eine kleine Wohnung kaufen. Und für die nächsten vier bis fünf Jahre sollte das restliche Geld zum Leben reichen. Dass er seine Mittel damit aufzehren, ja im Wortsinn »verzehren« würde, egal. Unabhängig sein, zu Papier bringen, was er seit langem im Kopf herumtrug, das zählte für ihn. Keine noch so guten Gedanken an Geldanlage und Ähnliches sollten ihn an diesem Vorhaben hindern. Wann immer derartige Vernünftigkeiten auftauchten, er verdrängte sie erfolgreich.

    Vernünftig. Auch so ein Wort, mit dem er haderte, weil es sein bisheriges Leben bestimmt hatte. Vernünftig, wie lange handelte er nicht schon danach. Hatte er nicht »vernünftig« gegessen, gearbeitet, gelebt? Zu vernünftig. Wie konnten Menschen das für erstrebenswert halten? Es schloss, und das schien ihm das Schlimmste daran, selbstauferlegte Unfreiheit ein, da gab es nichts zu deuten. Er setzte »vernünftig« gleich mit »nicht man selbst sein, sich anpassen, ja, im Einzelfall sich aufgeben«. Was vernünftig war, zeigte die Gesellschaft. Eine gesellschaftsfähige Existenz zu führen, bedeutete demnach, ein angepasstes Dasein zu fristen. Wollte man selbstbestimmt leben, musste man sich das leisten können. Finanzielle Unabhängigkeit schien ihm die Grundvoraussetzung dafür.

    Ach, Mutschka, dass du gehen musstest, damit ich aufwache und mein Dasein überdenke. Könnte ich dich wieder lebendig machen, wäre mir mein bisschen Leben egal, das darfst du glauben. Mutschka, du da oben, dein Gegenstromschwimmer hier merkt jetzt erst, was er verloren hat.

    Alles ist riesig, wenn man klein ist, andersherum schrumpft auch Unerhörtes in normale Proportionen mit zunehmenden Jahren. Ich frage mich, ob ich mein Leben, dauert es nur lange genug, einst als Nebensächlichkeit werde ablegen können. Ein schöner Gedanke … Wir legen alle unsere Lebensakte ab – irgendwann, es gibt also ein monumentales Archiv, Kafka lässt grüßen.

    Wenn ich mich als Kind an dich kuscheln konnte, wurde alles erträglich. Du hast meine Angst weggelächelt, diese verdammte Unsicherheit. Was sind wir Menschen doch für anfällige, erbärmliche Wesen. Unsere Empfindsamkeit, genannt Sensibilität, steht uns ein Leben lang im Wege. Überholt werden wir von allen, die damit nicht geschlagen sind. Also von den derben Schwachköpfen dieser Welt, denn die kommen zum Zuge und damit ist unsere wunderbare Welt zum Scheitern verurteilt.

    Er unterdrückte ein Lachen, hüstelte und schüttelte seinen Lockenkopf.

    Immer dieselben Gedanken. Jetzt schreibe ich endlich meinen Roman. Bin ich auch Edgar schuldig, dem armen Kerl. So, zahlen und raus hier.

    DREI

    Mittags gab es Spargelsuppe mit angekohltem Brot. Die Dosensuppe hatte Christopher versehentlich aufgekocht. Sie war so brüllheiß, dass er sich mit dem ersten Löffel die Zunge verbrannte.

    Früher war er gerne in die Kantine gegangen. Den Kopf voller endloser Redaktionskonferenzen hatte er irgendwelche Menüs verschlungen. Meistens wusste er hinterher nicht mehr, was er gegessen hatte.

    Seit er direkt am Viktualienmarkt wohnte, änderten sich auch seine Essgewohnheiten. Statt des abendlichen Wurstbrotes holte er gerne etwas Käse vom Markt, dazu Trauben, Birnen und Wein. Wenn er an den Ständen vorüberschlenderte, staunend über die Vielfalt des Angebots, fragte er sich, was man wohl aus diesen herrlichen Waren alles zaubern könnte.

    Richtig kochen müsste man können, ja, das wär´s.

    Seine neue Wohnung entpuppte sich als Glücksfall. In einem um die Jahrhundertwende erbauten, komplett renovierten Altbau überblickte er vom Turmzimmer aus fast den gesamten Viktualienmarkt. Einen halben Stock tiefer gelangte man in die geräumige Wohnküche an der Hausrückseite und von da aus in ein kleines Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. Einem Kollegen aus der Redaktion hatte er diesen Tipp zu verdanken, solche Schmuckstückchen gelangten meist gar nicht erst auf den freien Wohnungsmarkt. Christopher wusste sofort, dass diese Wohnhöhle sein Zuhause werden sollte. Schon bei der ersten Besichtigung spürte er, wie richtig es wäre, gerade hier zu wohnen. Auch um endlich das in den PC zu klopfen, was seit Jahren seine Gehirnfestplatte verstopfte.

    Dieser gleichsam über dem Herzen Münchens schwebende Raum, obwohl nicht sonderlich groß, wirkte durch die Erkerform mit den hohen Fenstern luftig und hell. Altmodisch schön gefasste Scheiben tauchten, dank einer goldfarbenen Bleiverglasung im oberen Drittel, alles in warmes schmeichelndes Licht, dessen beruhigende Wirkung Christopher guttat.

    Vom Schreibtisch am Fenster wanderte sein Blick langsam über den Turm des Alten Peter, den Maibaum und weiter zum darunterliegenden Biergarten. Seine Augen liebten genau diesen Spaziergang, eine nahezu therapeutische Wirkung ließ ihn ruhiger atmen, bis sich wohltuende Gelassenheit ausbreitete.

    Die längste gerade Wand des Zimmers lag hinter ihm, sie diente als Bewahrer seiner Schätze: Bücher vom Boden bis zur Decke. Links an der Schräge unter dem Fenster hatte er das Ledersofa platziert, sonst gab es nur noch einen ausladenden Korbsessel. Der wurde meistens von Rättchen, Christophers Katze, frequentiert. Streng genommen hieß Rättchen Ratte. Ziska hatte sie vor Jahren mitgebracht.

    »Oh Gott, was für eine Ratte schleppst du denn da an?«, hatte er gerufen, als er das Tier zum ersten Mal sah.

    Objektiv betrachtet würde kaum jemand Rättchen als Schönheit bezeichnen – einohrig und mit diesem zu kurz geratenen Hinterbein, das ihr einen beschwipsten Gang verlieh. Doch schien sie Christopher auf den ersten Blick zu mögen, nahm nur noch von ihm das Futter und legte sich, wo immer er sich niederließ, sofort dazu. Nach wenigen Tagen fand er, sie sei die schönste Katze der Welt und nannte sie fortan Rättchen.

    Als Ziska und er sich trennten, war klar, dass Rättchen bei ihm bleiben würde, schließlich hatte sie sich ihr Herrchen selbst ausgesucht.

    Christophers Suppenmahlzeit war beendet, versonnen lauschte er dem Ticken der Wanduhr. Ein träger Blick streifte den leeren Katzennapf, das kleine Raubtier hatte sich mit voller Wampe verkrümelt. Er verschränkte die Arme auf dem

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