Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Menesis: Das Erwachen
Menesis: Das Erwachen
Menesis: Das Erwachen
eBook379 Seiten5 Stunden

Menesis: Das Erwachen

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die Götter vergangener Zeiten haben nie existiert! Sie sind Teil von Mythen und Legenden, Geschöpfe menschlicher Vorstellungskraft. Aber ist das wirklich die Wahrheit? Oder ist es vielmehr eine Frage dessen, was es ist, das als Gottheit bezeichnet wird?
Als die junge Archäologin Cassandra Daivis bei einer Ausgrabung eine hölzerne Maske entdeckt, liegt es außerhalb des Vermögens der jungen Frau zu wissen, dass ein schicksalhafter Schatten der Vergangenheit das Artefakt umgibt. Zu diesem Zeitpunkt kann Cassandra noch nicht überblicken, dass sie nach diesem Tag nie mehr in ihr Leben, wie sie es bis dahin gewohnt ist, zurückkehren können wird. Fremde Männer nötigen die Archäologin, sie von der Fundstelle fort zu begleiten. Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass die Unbekannten nichts anderes als den Tod der jungen Frau wollen. Diese kann, mit der Hilfe eines mysteriösen jungen Mannes, gerade noch ihrem vorzeitigen Ableben entrinnen. Doch der Frieden währt nicht lange. Bald schon findet Cassandra sich im Mittelpunkt eines Konfliktes wiederfindet, der selber so alt wie die Menschheit ist, nicht ahnend, welche Rolle wer in alledem spielt und worum es dabei in Wirklichkeit geht...
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum4. Dez. 2018
ISBN9783746961521
Menesis: Das Erwachen

Ähnlich wie Menesis

Titel in dieser Serie (2)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Menesis

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Menesis - Joan Willy Tiedeks

    Kapitel 1

    Schwärze, nichts als gähnende Schwärze und Schmerzen, begleitet von einem rhythmischen Piep-Ton, der mit dem Nachlassen der Schmerzen immer hektischer wurde, gleichzeitig aber komisch verschwommener zu werden schien und jäh abriss, als dieses blendend helle Licht sich wie eine Flutwelle ergoss und alles verdrängte, was noch vor einem Herzschlag dagewesen war. Pure Helligkeit, pures Licht, sonst aber nichts. Es war, als hätte sich alles aufgelöst, als hätte die Welt selbst aufgehört zu existieren und für etwas Neues, Substanzloses, das nur aus Licht bestand, Platz gemacht.

    „Wo bin ich hier? Was ist das, was mich umgibt? Sollte ich nicht, …sollte ich nicht? Ich verstehe nicht!?"

    Die irritierte Stimme brachte nichts als ein flüsterndes Stammeln hervor, welches sie der eines verängstigten Kindes ähneln ließ.

    „Nicht? Belügst du dich nicht selbst? Ich bin mir sicher, du weißt, was los ist, weißt, wo du bist und auch, warum!"

    Die feste, ruhige Stimme eines anderen teilte die fast schmerzende Stille. Erfüllte das gleißende Nichts mit einem merkwürdigen Gefühl von Halt und Orientierung.

    „Wer bist du? Und wo sind wir hier?"

    „Wer ich bin ist momentan nebensächlich, du hingegen solltest bereits, wie gesagt, selbst erahnen können, wo du bist!"

    „Willst du damit sagen…? Nein! Das ist nicht möglich, darf nicht möglich sein! Nein, ich weigere mich, es zu glauben!"

    „Und doch ist es so! Selbst wenn du hier wie ein Heranwachsender zeterst, es ändert nichts an deiner Situation."

    „Nein!"

    „Leugne es so viel du willst, schreie weiter so herum, es ändert dennoch nichts und ist bestenfalls ein Zeichen deiner eigenen Unreife, deines eigenen Versagens! Akzeptiere es wie es ist, das macht es einfacher!"

    „Nein! Nein, ich will es nicht! Ich weigere mich, es zu akzeptieren!"

    Ein leises verstehendes und erahnendes Lachen, gleich dem eines Vaters, der dem närrischen Treiben seines Sprosses beiwohnt, glitt durch die Helligkeit.

    „Weißt du, du verhältst dich allem, was ich sage, gegenüber abweisend und stellst dich mir im Trotz entgegen, ähnlich einem Kleinkind. Das ist eher ungewöhnlich. Viele, die hierherkommen, werden von einer tiefen inneren Ruhe erfasst, sie sind hier sogar so glücklich, dass ihnen ein normales Leben schwerfällt, nachdem sie erst einmal hier waren und sie dann nochmals zurückmüssen. Von da ab freuen sie sich auf den Tag, an dem sie endgültig hierher zurückkehren können. Du hingegen scheinst nicht sonderlich erfreut zu sein. Das gibt Hinweis auf dein Versagen zu der Zeit, als du noch welche besaßest. In deiner Welt, aus der du gerade hierhergekommen bist, meine ich."

    „Ich soll mich darüber freuen, tot zu sein? An einem Ort wie diesem, der aus Nichts besteht? Und obendrein ein Versager sein? Im Leben habe ich mehr erreicht, als die Meisten je werden! Wie kann da von Versagen die Rede sein? Das ist doch Wahnsinn! Abgesehen davon, wie kann sich irgendjemand darüber freuen, tot zu sein? Alles ist zu Ende, ist verloren! Das ist pure Hoffnungslosigkeit! Nur jemand, der ein Nichts ist, und nie Hoffnung besaß, kann sich über so einen Zustand freuen!"

    „So wie du reagieren in der Regel nur jene, welche schon zu Lebzeiten nicht mit sich im Reinen waren; denn diese erkennen nicht die wahre Natur dieses Ortes. Einer der unerfreulichen Gründe, warum Selbstmördern ihr Tod so gar nichts bringt und ihre Probleme lediglich nur verschiebt. In dieser Welt erwartet einen das, was man selber zuvor im Leben aufgebaut hat. Aber verstehe mich nicht falsch: ich rede keineswegs von Gold, Geld, Ruhm oder Ähnlichem, nichts davon kann man mit hierher nehmen und egal, wie viel man davon besessen hat, es macht hier keinen Unterschied mehr. Im Angesicht des Todes sind alle gleich: arm, nackt und bloß! Einen Namen zu Lebzeiten besessen zu haben ist irrelevant. Ich rede aber auch von etwas anderem, ich rede von deiner und jeder anderen Seele eines Menschen!"

    „Dein Gerede interessiert mich nicht! Ich kann, nein ich will nicht hier sein. Ich will hier wieder weg, ich gehöre nicht hierher! Dies ist nicht meine Bestimmung!"

    „Deine Bestimmung? Hast du mir überhaupt zugehört? Und überhaupt, wer bestimmt schon selbst den Zeitpunkt seines Ablebens? Wer legt sein Schicksal wirklich selber fest? Der freie Wille? Mach dich nicht lächerlich! Ja, die Menschen haben einen freien Willen, theoretisch. Aber überlege einmal! Wie viele von denen, die du kennst, machen wirklichen Gebrauch davon? Lassen sich die meisten nicht einfach nur vom Treiben ihrer Zeit mitziehen? Lassen sie sich nicht einfach nur von den Strömungen der Massen mittreiben, mitreißen? Wie viele machen sich zu Sklaven ihrer eigenen Neigungen und Anlagen, ihrer Gene? Welcher Mensch bringt es schon fertig, sich all dem entgegenzustellen? Wie viele geben lieber dem Schicksal Schuld an ihrer Situation? Wo das Schicksal doch nur die Lücke des ungenutzten freien Willens füllt und sonst nichts! Ungeachtet dessen jedoch, woher willst du wissen, was deine Bestimmung ist? Bist du selber denn nicht auch nicht mehr als nur ein Mensch?"

    „Hast du nicht gehört? Ich will hier wieder weg, meine Zeit ist noch nicht gekommen, ich gehöre nicht hierher! Ich bin zu Größerem berufen!"

    „Das ist natürlich auch eine reife Art, mit der Situation umzugehen. Meine Ausführungen zu ignorieren. Aber sei es darum. Deinen Ausführungen bist du gewiss, weil? Wo, wenn nicht hierher zurück, wird es dich hinführen? Der Weg eines jeden Geschöpfes mit Seele führt hier durch."

    „Weil ich nicht tot sein will und jemandem wie mir Großes vorherbestimmt ist! Diese Welt ist kein Ort für jemanden wie mich!"

    „Wie dir? Was bist du denn schon mehr als ein Mensch, der seine Seele hat verkommen lassen? Bleib bei der Realität. Nicht alles, was wir wollen, entspricht auch einer objektiven Realität oder dem, was wir tatsächlich bekommen!"

    Der Tote ignorierte die Stimme einfach weiter, fortlaufend auf sich selbst fixiert und in Rage kommend polterte er weiter, als wenn mit dem Eintritt des Todes auch sein Verstand abhandengekommen wäre.

    „Es muss einen Weg zurückgeben! Du hast es selbst gesagt oder wenigstens angedeutet!"

    „Sicher gibt es den! Für jene, deren Zeit noch nicht gekommen ist. Bei dir sieht es allerdings anders aus! Du hast deinen Part in jener Welt ausgefüllt. Mehr schlecht als recht, aber jetzt bist du in dieser Welt. Arrangiere dich mit den Konsequenzen!"

    „Bitte! Das kann es doch nicht gewesen sein! Koste es was es wolle, ich will zurück! Ich muss zurück!"

    „Bitten? Betteln? Flehen? So entschlossen, sich soweit herabzulassen? Für etwas, das über kurz oder lang doch wieder zu dem gleichen Ergebnis führen wird wie jetzt?"

    „Natürlich!"

    „Natürlich? Warum? Vor allem, wie dumm! Wie menschlich!"

    „Ich weiß es nicht! Ich will einfach nicht, dass es das gewesen ist! Ich meine, im Leben gibt es so viel, von dem ich nicht einmal einen Bruchteil erlebt habe. Sollte es wirklich dumm sein, dann bin ich eben dumm!"

    „Und für etwas so Unbestimmtes bietest du einen so hohen Preis? Du sagtest koste es was es wolle!. Bist du dir überhaupt der Tragweite eines solchen Ausspruches bewusst?"

    „So bewusst wie ich es in meiner jetzigen Verfassung sein kann!"

    „Was nicht unbedingt viel sein muss, aber gut! Was immer das auch für dich bedeuten mag, ich nehme es als Erklärung deinerseits dazu, dass du im Vollbesitz deiner geistigen Kräfte bist und dir im Klaren darüber, welche Konsequenzen dich erwarten werden."

    Eine großgewachsene Figur nahm aus dem Licht heraus immer mehr Gestalt an und verdichtete sich schließlich zu einer imposanten Silhouette, die jedoch gegen das überall vorhandene Licht nicht deutlich wahrzunehmen war. Eine Hand streckte sich aus.

    „Wenn du wirklich leben willst, reich mir deine Hand, und du wirst leben. Im Austausch dafür jedoch wirst du mir im Fortlauf deines weiteren Lebens und auch danach in dieser Welt und jeder anderen dienen. Aber keine Angst, ich bin nicht so schlimm, wie sie immer sagen. Und wie du selber siehst, bin ich auch kein Monster. Ich sollte dich jedoch auch darauf hinweisen, dass dir dieser Handel nur möglich ist, weil dein Körper intakt ist und lediglich dein Herz zu schlagen aufhörte. Du musst also auch in deinem weiteren Leben auf dich aufpassen, denn bei tödlichen Wunden oder anderen Beschädigungen tödlicher Art kann auch ich nichts ausrichten, zumindest nicht auf die Weise, die du wünschst. Also was sagst du?"

    Von der sich tatsächlich eröffnenden Möglichkeit eines Weiterlebens überrascht, wurde der Tote in misstrauischer Form zögerlich, als wenn ihm mit einem Mal bewusst wurde, was gerade wirklich um ihn herum geschah und sich solch eine Gelegenheit nicht durch jeden für ihn eröffnen konnte. Die entgegengehaltene Hand wie eine Giftschlange anstarrend war alles an ihm eingefroren. Nervös wie eine Ratte, der klar wird, dass sie sich möglicherweise in eine Falle begibt, aus der es schlussendlich kein Entrinnen geben würde.

    „Wer bist du?"

    „Wie bereits gesagt, das ist im Moment nicht von Bedeutung! Auch wenn du es dir eigentlich denken können solltest!"

    „Wird es mir denn gut ergehen, wenn ich dir jetzt traue? Ich weiß schließlich nicht, mit wem ich es zu tun habe!"

    „So plötzlich kalte Füße? Du hast nur diese Chance zurück! Und nebenbei, ich wüsste nicht, dass sich einer von meinen Leuten je beklagt hätte, dass es ihm bei mir schlecht erginge. Das heißt, solange man mir treu ergeben ist. Also was ist?"

    Die Worte waren zwar ruhig gesprochen, aber in einem derart befehlenden Unterton, dass wohl kaum irgendjemand sich ihnen noch hätte widersetzen können. Mit dennoch skeptischem Zögern, aber ohne weitere Worte des Widerspruches oder Bedenkens trafen sich die Hände. Das Licht, gerade noch allgegenwärtig, zog sich schlagartig zurück. Die Dunkelheit kam wieder, tauchte alles ein. In ihrer Begleitung ein durchgehender Piep-Ton, der schließlich wieder zu einem Piepen mit immer gleichmäßig ruhiger werdendem Takt überging.

    Tage vergingen. Angeschlossen an Maschinen, ging es von da ab mit der Gesundheit des dem Tode Entkommenen immer weiter bergauf. Aber wofür eigentlich? Wofür hatte er sich eigentlich so sehr an sein Leben geklammert? Dieses Leben, an dem er so hing, an welchem er sich so festgebissen hatte, war im Grunde mittlerweile nichts weiter mehr als ein Trümmerfeld von einstigem Glanz und Gloria. Es waren die Ergebnisse dieses Lebens, welche ihn überhaupt erst hierhergebracht hatten. Ein Leben in völliger Fixierung auf die eigene Gewinnmaximierung und Luststeigerung und der darauffolgende Absturz in die Mittelmäßigkeit. Was hatte er denn, wofür es sich zu leben lohnte? Freunde? Familie? Geld? Macht und Einfluss? Besucht hatte ihn in der Zeit seines Aufenthalts, an die er sich erinnern konnte, jedenfalls keiner, aber wer hätte es auch gewollt? Hatte er nicht alles und jeden um sich selbst herum mit seinem Egoismus und seiner Skrupellosigkeit vergrault? Waren jene, die sich seine Freunde genannt hatten nicht einfach nur an dem Nutzen, den sie aus ihm gezogen hatten, interessiert gewesen? Er hatte niemanden; niemanden mehr. Geld? Na ja, abgesichert war er schon, es war genug übrig von dem, was er einst besessen hatte, gut leben würde er von seinem Geld können, wenn er es nicht zum Fenster herauswarf. Aber wozu eigentlich weiterleben? Er käme ja doch irgendwann wieder dorthin, von wo er gerade noch entronnen war. Oder war es nur die Angst vor dem Inhalt von dem Danach? Mehr als ein substanzloses Nichts hatte er schließlich nicht erlebt, er wusste nun zwar, dass es ein Danach gibt, aber nicht, was es genau beinhaltet. War es nur diese Ungewissheit, die ihn hatte so jämmerlich flehen lassen, um ihn vor dem zu bewahren, was er annahm, dass es ihn erwartet? Den Konsequenzen seines bisherigen Lebens? Er wusste es nicht, in seinem Kopf war eine gähnende Leere und obwohl sich sein Körper physisch immer weiter erholte, fühlte er sich doch mit jedem Tag, der verging, immer ein wenig mehr so, als sei er tatsächlich gestorben. Als wäre sein wichtigster Teil nicht mit ihm zurück ins Leben gekommen, als hätte er einen Fehler begangen, dessen Tragweite ihm in Wirklichkeit nicht bewusst gewesen war, als er ihn beging, der nun aber immer konkreter wurde.

    Letztlich kam der Tag der Entlassung. Seine Papiere wurden ihm ausgehändigt und man wünschte ihm alles Gute mit der Ermahnung, auf sich achtzugeben, das Leben etwas ruhiger anzugehen. Stumm dankend verließ er mit leerer Miene das Gebäude. Freiheit, frische Luft und das direkte, angenehm wärmende Gefühl der Sonne auf der eigenen Haut, all das gab ihm nun doch ein wenig das Gefühl, eine lebendige Kreatur zu sein. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln hatte den Weg auf sein Gesicht gefunden und so steuerte er, ohne es zu merken, nicht sein Haus, sondern einen Park an, in dem er früher häufiger gewesen war. Spielende Kinder, Jogger, Hundehalter, die ihre Tiere ausführten und all die anderen, die man für gewöhnlich an einem solchen schönen Tag im Frühsommer in Parkanlagen wieder findet, sie alle waren anzutreffen und sie alle machten einen ausnehmend glücklichen, ja fast schon überschwänglichen Eindruck. Wenn auch sonst nirgends, an so einem Ort konnte man sich einfach nur selber lebendig fühlen. Sein Lächeln wurde etwas breiter und er entschloss sich, auf einer der Bänke Platz zunehmen, um die vorherrschende Atmosphäre zu genießen und das Gefühl der Lebendigkeit wieder zu entdecken, in sich aufzunehmen, es wieder ein Teil seines Selbst werden zu lassen, welches er doch in der letzten Zeit so schmerzlich vermisst hatte. Möglicherweise würde ja ab jetzt doch alles gut werden, vielleicht war dies sogar eine zweite Chance, seinem Leben doch noch einen nachhaltigen Sinn zu geben, eine Bedeutung.

    Sein Wohlbefinden kam immer mehr zurück und all das, was sich wie ein Schatten über ihn gelegt zu haben schien, war mit einem Mal wie von ihm genommen. Was er jedoch in dem bunten Treiben nicht bemerkte, war, dass sich ihm jemand näherte und bei ihm stehen blieb. In einem Park nicht unbedingt ungewöhnlich oder außergewöhnlich, wo fortwährend Menschen kommen und gehen, vorüberziehen oder sich anderweitig aufhalten, aber dieser jemand war sehr zielstrebig zu dieser einen Stelle gekommen.

    „Darf ich?"

    Der Sitzende nickte erstaunt und etwas benommen, noch den eigenen Gedanken nachhängend, während sich der gegen das Sonnenlicht nur als Silhouette wahrzunehmende setzte. Der gerade Entlassene hätte dann auch gar nicht weiter Notiz von seinem neuen Sitznachbarn genommen, warum auch, er war nach der ersten Verwunderung sogleich wieder völlig in seinen Gedanken versunken und das tief. Jemand, der ebenfalls einen angenehmen Platz zum Sitzen an einem solchen Tag sucht, war auch nichts dramatisch Ungewöhnliches. Für gewöhnlich nahmen die meisten jedoch einfach an freien Stellen Platz, ohne vorher zu fragen. Darin erschloss sich aber bereits das Sammelsurium an allem, was außerhalb der Norm lag. Es ging dem in Gedanken versunkenen jetzt gerade gut, so gut wie seit langem nicht mehr, warum hätte er also seine Aufmerksamkeit auf irgendetwas anderes richten und solch einer Kleinigkeit seine Konzentration schenken sollen?

    „Ein wunderschöner Tag oder?"

    „Hmm? Entschuldigen Sie bitte, sagten Sie gerade etwas? Ich war in Gedanken und habe nicht darauf geachtet."

    Immer noch sah er verträumt in die Landschaft, wenn er auch jetzt mit einem Ohr bei dem Neuankömmling war, dessen Antwort prompt kam.

    „Ich merkte lediglich an, wie schön der Tag heute doch ist."

    „Ja, das ist er. Ein Tag, der einen alles vergessen lässt. Allen Kummer, alle Sorgen, alle Verpflichtungen."

    „Verpflichtungen? Auch wenn der Tag ein so wundervoller ist wie dieser, so sind sie etwas, das wir nie vergessen sollten! Zu keinem Zeitpunkt und zu keinem Umstand. Insbesondere in Hinblick darauf, wem gegenüber wir verpflichtet sind."

    „Wie soll ich das verstehen?"

    Womit er zu ersten Mal zu seinem Gesprächspartner hinübersah und feststellen musste, dass es eine ihm nicht unbekannte Person war, auch wenn er ihn zuvor bei ihrem ersten Treffen nur als Silhouette gesehen hatte, genau wie bei dem Herzukommen zu der Parkbank. Die Statur und Stimme stimmten absolut über ein. Etwas Bedrohliches war plötzlich wieder in der Luft. Eine Verheißung von Problemen, Ärger und einer Zukunft, von welcher der gerade Genesene nicht einmal so genau wissen wollte, wie ihre Details aussahen.

    „Hallo. Es ist schon eine Zeit her, aber ich denke, du erinnerst dich noch an mich."

    „Ja schon, aber ich hatte gedacht…, gehofft…"

    „Dass es ein Fieber oder Komatraum gewesen ist? Nein, warum auch und ich bin mir sicher, dass dir deine Ärzte gesagt haben, dass du für einen Moment tot warst, dass du in Zukunft auf dich achtgeben sollst und ähnliches. Eben das Übliche."

    „Soll das jetzt etwa heißen, ich lebe nur wegen dir?!"

    All die Ausgelassenheit wich nun endgültig einer Unruhe, einem Alarmiert sein, welche nichts als ein tiefes Unbehagen in jeden Winkel seines Körpers strömen ließen. Er spürte, wie das Blut aus seinen Fingern zurückwich und sich ein Gefühl der Taubheit in seinen Gliedmaßen breit zu machen begann, ein Rauschen sich in seine Ohren schlich.

    „Na, besonders begeistert wirkst du ja nicht gerade! Ich meine, unser Deal bleibt bestehen, aber wenn du doch nicht leben willst, ist es für mich eine Kleinigkeit…"

    „Nein, nein!"

    Schnell wurde der Neuankömmling unterbrochen. Allein der Gedanke an das Ende des Satzes ließen ein diffuses Unwohlsein im anderen aufkommen. Zu dem allgemeinen Unbehagen gesellte sich ein kalter Schauer, der sich in ein Gefühl von konkretem Bedroht sein wandelte. Alles in ihm schrie danach, dass er hier wegwollte, aber gleichzeitig fühlte er sich von den Blicken seines Gegenübers regelrecht paralysiert. Wieder wie die Ratte, welche Momente später durch eine Schlange verschlungen zu werden drohte. Da war etwas, etwas, das klar machte, dass, egal wie weit oder wohin er flöhe, er dennoch wiedergefunden werden würde, es kein Entrinnen mehr gab. Aber auch noch etwas anderes war da, etwas mit nichts zu Vergleichendem, etwas Dunkles, das den Anspruch und die Forderung des Großen klar machte und verdeutlichte. Etwas, das bei jedem Versuch des Widerstandes wartete, etwas, das in keiner Form erstrebenswert wäre und schlimmer war als alles, was ein Mensch sich erdenken kann.

    „Also willst du alles so fortführen, wie bisher vereinbart?"

    „Habe ich denn eine Wahl?"

    „Die hattest du zu einem anderen Zeitpunkt! Was jetzt anbelangt, nein!"

    „Das hatte ich mir schon gedacht."

    Der frisch Entlassene murmelte nur noch missmutig zu sich selbst.

    „Ein Handel ist ein Handel und eine Verpflichtung ist eine Verpflichtung. Darin sind wir uns doch sicher einig?"

    „Ja."

    „Dann versuch dich doch einmal zu entspannen. Ich sagte doch bereits, meinen Leuten ergeht es nicht schlecht, sofern sie tun was ich von ihnen verlange und sie mir treu ergeben sind!"

    „Ja, das kann ich mir vorstellen."

    „Und dein Blick verrät weiterhin dein Unbehagen und deine Stimme deinen Zynismus. Aber das wird sich noch geben, wenn wir uns besser kennen, glaub mir."

    Womit der Neuankömmling aufstand und auffordernd seinen Gesprächspartner ansah. Schließlich aber eine entspannte, fast väterlich, fürsorgliche Haltung annahm.

    „Na, vielleicht hilft es, wenn wir erst einmal etwas persönlicher miteinander werden. In dieser Welt und Gestalt nennt man mich Thor Andersen. Dass du dich nicht vorstellen brauchst, da ich deinen Namen weiß, sollte dich nicht mehr wundern!"

    Immer noch skeptisch zu seinem Gesprächspartner aufschauend, atmete der junge Mann noch einmal tief durch, ehe er sich seinerseits betont langsam erhob.

    „Nein, das wundert mich nun wirklich nicht mehr!"

    „Na dann. Ich nehme an, du bist bereit, dir nun anzuhören, was ich von dir möchte?"

    „Wie du schon richtig feststelltest, ich habe wohl kaum eine andere Wahl."

    „Gut erkannt, mein Lieber. Und nun komm, wir beide haben noch viel vor."

    Kapitel 2

    Die Sonne brannte heiß, aber wen wunderte das auch. Nicht nur, dass es mitten im Hochsommer war. Dieser Teil der Vereinigten Staaten war ohnehin einer, in dem es lange trocken und warm, um nicht zu sagen heiß, sein konnte. Aber was machte das schon. Etwas, das dem einen nach einer gewissen Zeit unangenehm wird, bedeutet für den nächsten vielleicht aber schon eine Verbesserung der eigenen Bedingungen, der eigenen Arbeitsbedingungen. Trockener, sandiger Boden, der entweder alles verschlingt und in seiner erbarmungslosen Umklammerung zermalmt, um es nie mehr freizugeben oder aber verbirgt, was einmal von ihm begraben ist und für eine Ewigkeit konserviert, bis Wind und Regen es freilegen. Vielleicht auch bis jemand kommt und es durch Zufall oder Absicht beim Graben freilegt.

    Die kleine Zeltstadt sah aus der Ferne wie eine versprengte Herde Schafe aus, welche im behütenden Rücken einer felsigen Klippe Schutz vor allem suchte, was in der Boshaftigkeit der Welt auf sie, fernab der Obhut von Hirten und Hund, Jagd machen könnte. Tatsächlich aber war niemand der temporären Bewohner dieser provisorischen Siedlung hier vor irgendetwas auf der Flucht, sondern vielmehr auf der Suche. Vor nur wenigen Monaten waren in dieser Region, wohl durch Wettereinflüsse freigelegt, von abenteuerlustigen Wanderern zwei hölzerne Figuren gefunden worden. Die eine erinnerte sehr an einen Hybrid zwischen Wolf und Mensch mit langer Mähne und war vielleicht das Abbild einer bis dato unbekannte Gottheit der Ureinwohner. Die andere Figur hingegen warf mehr als nur Fragen auf. Viel mehr war sie in sich ein Rätsel, denn sie stellte einen Tiger-Mensch-Hybriden mit langer Mähne dar. Tiger aber hatten, selbst in der Vergangenheit, nie in diesem Teil der Welt gelebt. Was also war die Inspiration ihrer Erschaffer? Keine Frage, die in der Fachwelt erst einmal für größeres Aufsehen sorgte, sondern viel mehr nur mit einem Schulterzucken abgetan wurde. Fast wären beide Figuren durch diesen Umstand schlicht und einfach in irgendwelchen Archiven verdammt zum Verstauben verbannt worden. Was beide Fundstücke vor diesem Schicksal bewahrte, welches schon zahllosen vor ihnen widerfahren war, war der Umstand, dass sich jemand Privates gefunden hatte, der Interesse an der Erforschung dieses Fundes gezeigt hatte. So widmete sich nun ein kleines privat finanziertes Team, welches sich um die junge Archäologin Cassandra Daivis gesammelt hatte, der Angelegenheit.

    Schicht um Schicht des Bodens wurde sorgsam abgetragen, aber nennenswerte Funde, außerhalb von dem, was es hier ohnehin zu erwarten gab, blieben aus. Möglicherweise waren die Figuren bei einem Unwetter dorthin von einem plötzlich auftretenden Sturzbach transportiert worden und hatten an ihrem Fundort gar nicht ihren eigentlichen Ursprung. Vielleicht waren es nicht einmal nennenswerte archäologische Fundstücke wie Cassandras Kritiker spöttelten. Denn eine Analyse im Labor hatte bis dahin genau so wenig Auskunft über das Alter der Figuren geben können, wie die Umstände ihres Fundes und die Lage. Auch der Stil der Schnitzereien war ein nicht zuordenbarer, so dass es mit jedem weiteren Tag, der verging und keine Erfolge mit sich brachte, schwerer wurde, das Team bei Laune zu halten. Mit jedem Mal, das eine Schaufel auf etwas Hartes stieß, wo kein Fels zu erwarten war, entstand eine Atmosphäre, welche fast spürbar gespannt war. Nur um dann bei der Erkenntnis, erneut auf eine Belanglosigkeit gestoßen zu sein, wie ein herannahendes Gewitter, welches sich bei heraufziehender Kühle der Nacht ohne Entladung auflöst, wieder zu verpuffen. Schließlich war eine gewisse Gleichgültigkeit eingekehrt, so dass niemand mehr wirklich interessiert reagierte, wenn sich an irgendeiner Stelle wieder einmal eine Verhärtung bemerkbar machte. Die Arbeiten standen kurz vor ihrem Abbruch. So war es kein Wunder, dass an jenem trockenen, heißen Morgen zunächst einmal niemand von dem, was in Cassandras Ausgrabungszelt, welches, wie auch die anderen Zelte, Schutz vor dem häufig verwehendem Sand bot, vor sich ging, Notiz nahm. Sondern der sonderbar elegant, wie deplatziert wirkende Geländewagen, dessen dunkler Lack auf eine fast unangenehme Weise das Licht der Sonne in grellen Lichtblitzen reflektierte, welcher sich der Ausgrabungsstätte näherte, erst einmal schon von der Ferne her für mehr Interesse sorgte. Die Archäologin selber, die Vorgänge außerhalb ihrer Grabungsstelle nur am Rande wahrnehmend, war ihrerseits wieder einmal auf eine Verfestigung im Boden gestoßen. Auch die junge Frau ihrerseits erfüllte dieses Ereignis nicht mehr mit allzu großer Aufregung oder gar Hoffnung, noch auf Weiterführendes zu stoßen, das dem Team in der Angelegenheit um die beiden Figuren weiterhelfen würde. Dennoch ging sie routiniert sorgfältig und genau bei ihrer Arbeit vor und tastete sich nur noch mit einem größeren groben Pinsel weiter voran, der zunächst so viel von dem teilweise staubfeinen Sand aufwirbelte, dass die entstehende kleine Wolke fast wie ein magischer Nebel dort glitzerte, wo sie Strahlen der in das Innere des Zeltes dringenden Sonne passierte. Was bei dieser Arbeit zum Vorschein kam, war mehr als nur eine Entschädigung für all die Tage ergebnisloser Arbeit. Die hölzerne Maske, an der sogar noch intaktes Fell hing, hatte das Aussehen, als habe man sie der Wolfsfigur für rituelle Handlungen nachempfinden wollen. Das besagte Fell machte den Eindruck, die Mähne nachbilden zu sollen. Diesen Fund in den Händen haltend bewunderte Cassandra ihn einige Zeit mit verschlagener Sprache, so dass sie nicht bemerkte, dass sie nicht länger alleine im Zelt war.

    „Frau Daivis?"

    Die Stimme, die hinter ihr ertönte, blieb ungehört, so dass sie an Lautstärke hinzugewann, um nicht wieder überhört zu werden.

    „Frau Daivis?"

    Erst nur den Kopf leicht in die Richtung des Sprechers wendend und wieder ein wenig Zeit verstreichen lassend, reagierte die junge Archäologin schließlich doch.

    „Ja? Was ist denn? Ich habe gerade eine Entdeckung gemacht, wenn es also nichts Wichtiges ist…"

    „Ungeachtet meiner gleichfalls großen Freude über diese positive Nachricht muss ich Sie darauf hinweisen, dass wir Besuch haben."

    Womit sich die junge Frau mit ihrem Fund in den Händen aufrichtete und ganz ihrem Gesprächspartner zuwandte, dessen Blick nicht anders konnte als auf das Objekt zu fallen, um daran fast wie hypnotisiert hängen zu bleiben und den eigentlichen Grund seiner Anwesenheit schlagartig fast zu vergessen

    „Besuch?"

    „Ist das der Fund?"

    Aufgeregten Schrittes näherte sich der junge Assistent Cassandra, seinerseits nun ihre Nachfrage ignorierend und im Angesicht der Maske nicht anders könnend, als sich dafür zu interessieren.

    „Ja ist es, aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Also, was ist das für Besuch? Wenn er nichts mit unserer Arbeit zu tun hat…"

    Ihren nun deutlicheren Ton konnte jetzt auch der Assistent nicht mehr ignorieren und kam zum eigentlichen Grund seiner Anwesenheit zurück, auch wenn er sich sichtlich nur schwer vom Anblick der Maske lösen konnte.

    „Das würde ich so nicht sagen. Es sind Leute, die von dem Finanzier unserer Grabung geschickt wurden, um sich von unseren Fortschritten zu überzeugen. Zumindest sagten sie mir dies so, wobei es mich schon verwunderte, dass uns darüber niemand im Vorfeld informierte. Aber wie auch immer. Dass dieser Fund genau mit dem Eintreffen dieser Leute zusammengefallen ist, ist vielleicht ein merkwürdiger, aber dennoch glücklicher Umstand. Können Sie denn schon nach der ersten in Augenscheinnahme irgendetwas zu dem Fund sagen?"

    „Nein! Nur, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit den beiden Figuren in Zusammenhang steht, welche überhaupt Ursache dieser Grabung sind. Aber ich habe das Stück auch gerade erst geborgen. Insoweit muss ich es ohnehin erst einmal erfassen. Das können Sie unseren Gästen soweit berichten. Danach besteht die Möglichkeit, dass ich Zeit für sie finde."

    „Machen Sie sich keine Umstände."

    Womit sich die beiden Wissenschaftler mit einer Mischung aus Überraschung und Skepsis zu der Stimme hinter ihnen umdrehten.

    „Was soll das? Wer sind Sie?"

    Mit scharfem Ton und ernster Miene fuhr Cassandra den Fremden an, von dem sie bereits erahnte, wer es war und dessen Auftreten ihr ganz und gar nicht zusagte. Dieser seinerseits gelassen wie großgewachsen machte den Eindruck, eine bizarre Mischung aus Bodyguard und Geschäftsmann zu sein. Auch sein schwarzer, den Temperaturen gegenüber grotesk unangemessen wirkendem Anzug verbesserte den Eindruck nicht. Er ließ seine ganze Erscheinung, gekrönt von einer durchtrainierten Statur, nicht unbedingt freundlicher oder gar sympathischer wirken. Hinter der Sonnenbrille, welche der Neuankömmling beim Betreten des Zeltes getragen hatte und die er im sonnengeschützten Umfeld in einer fast drohenden Ruhe abnahm, verbargen sich sonderbar ruhige braune Augen.

    „Mein Name ist Gruber. Ich bin nichts als ein unbedeutender Vertreter meines Chefs, der im Übrigen das Ganze hier überhaupt finanziert und damit ihre Arbeit fördert."

    Wobei er eine ausladende Bewegung mit seiner Rechten machte, die raumumfassend war.

    „Aber entschuldigen Sie, Frau Daivis. Weder wollte ich so rüde auftreten noch in irgendeiner Form einen bedrohlichen Eindruck auf Sie machen. Sowohl ihr Geldgeber als auch ich selber sind von ihrem Forschungszweig, der anachronistischen Archäologie, fasziniert."

    Die andeutete Verbeugung,

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1