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Menschenversuche
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eBook488 Seiten6 Stunden

Menschenversuche

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Über dieses E-Book

An der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf wurde ein Biologieprofessor brutal gefoltert und hingerichtet.
Dr. Johannes Schwarz wird von seiner guten alten Bekannten Ariel Brunner gebeten, herauszufinden was dahintersteckt. Widerwillig nimmt er den 'Auftrag' an.
Seine Weggefährtin, Hauptkommissarin Phoebe Zoe Walker - genannt Bi -, die ins LKA versetzt wurde, kann ihm diesmal nämlich nicht helfen. Hilfe bekommt er aber von Ashkan Horri, der für die Kriminalpolizei in Düsseldorf arbeitet und Karim El-Samarany, den Johannes schon als Experten für künstliche Intelligenz kennen-gelernt hatte.
Die ersten Ermittlungen zeigen, dass Terroristen Anschläge mit völlig neu designten Krankheitserregern planen, die weltweite Pandemien auslösen können.
Auf ihrer Suche nach den Terroristen stoßen sie auf eine Verschwörung, an die zu denken, sich noch niemand getraut hat. Doch diesmal macht jemand Ernst damit.
Aber es kommt noch wesentlich schlimmer. Hinter den Anschlägen steckt ein perfides 'Geschäftsmodell'.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum2. Feb. 2021
ISBN9783347236448
Menschenversuche

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    Buchvorschau

    Menschenversuche - Michael Lindenberg

    ES IST AUS

    Ludwig Hirsch: Die gottverdammte Pleite

    Als die Kinder Kröten nach Hause brachten

    und im Zirkus nicht mehr lachten,

    als sie ihr Brot nicht mehr aßen

    und statt dessen die Kröten fraßen,

    als sie Teddybären zerrissen

    und in Autoreifen bissen,

    als schließlich Kindergärten brannten

    und Lehrer um ihr Leben rannten,

    da wussten wir, es ist aus.

    Sie trafen sich im Weise.

    Der Tag verlief für Johannes nicht so, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Der Flieger aus München hatte sich verspätet. Es hatte einige Turbulenzen gegeben, die selbst dem Airbus einiges abverlangten. Die Landung war hart, weil der Pilot das Flugzeug in dem heftigen Seitenwind schräg aufsetzen musste, um nicht die Landebahn zu verfehlen. Beim Aufsetzen richtete der Pilot die Nase mit einem heftigen Ruck in Rollbahnrichtung. Aber Johannes beachtete das kaum, weil er nichts anderes im Kopf hatte, als zum Termin mit Bi pünktlich zu erscheinen.

    Mit gewohnter Routine verließ er den Flughafen und fuhr auf Richtung Café Weise. Noch konnte er es schaffen. Es sah eigentlich sehr gut aus, bis er die Dorotheenstraße erreichte. Diese Dorotheenstraße, die unendlich langweilig war mit ihren toten Fenstern und kargen Bäumen. Gerade hier musste es jetzt einen Stau geben. Die Zeit läuft aber auch in einem Stau weiter. Eben nur unendlich langsam. Er würde nicht rechtzeitig durchkommen, das wusste er, denn dazu war er die Strecke zu oft gefahren. Mehr denn je erschien sie ihm als ein Tunnel, eng und ohne Ende.

    Fahrig hielt er an irgendeiner Toreinfahrt an und parkte dort halb quer ein, weil ein blauer Container ihm nicht mehr Platz ließ. Das Hupen der dadurch behinderten Fahrzeuge drang nicht zu ihm durch. Er wollte nur kurz Bi Bescheid geben. Er rief sie über das Display seines neuen Jaguars an und ließ es geduldig klingeln. Aber sie nahm das Gespräch nicht an. Er versuchte es nochmal, sein Anruf wurde angenommen aber auch sofort beendet. Danach bekam der die Standardnachricht wegen Nichterreichbarkeit.

    Er beruhigte sich mit dem Gedanken, sie könne ja in einem Einsatz sein, womit er so falsch nicht lag.

    Er hinterließ ihr schnell und fahrig noch eine Whatsapp-Nachricht und hoffte genervt, dass es bald zügig weitergehen würde.

    Zügig war übertrieben, er würde es aber innerhalb des akademischen Viertels schaffen, wenn er vor dem Café Weise schnell einen Parkplatz finden würde, und er hatte sogar Glück. Sein Gesichtsausdruck löste sich und wechselte in erwartungsfreudig, als er die Außenanlage des Cafés erreichte. Seine Augen scannten die Gäste. Er fand keine Frau mit blonden Haaren, wie Bi sie hatte. Er wollte sich schon auf den Weg in Innere machen, um sie dort zu suchen, nicht ohne auf dem Display seines Smartphones zu checken, ob sie ihm per WhatsApp geantwortet hatte. Aber es gab keine Nachricht. Vielleicht war sie auch nur kurz aus irgendeinem Grund verhindert.

    Eine Frau winkte ihm zu und als er zu ihr hinschaute, gab sie ihm durch Kopfnicken zu verstehen, dass die Johannes meinte. Die Unbekannte trug einen nicht zu kurz geschnittenen Bob aus tiefschwarzen Haaren, der mit ihrem hellhäutigem und dezent geschminktem Gesicht kontrastierte. Zu ihrem silbergrauen Kostüm mit einem Hauch von Grün trug sie rehbraune Stiefel.

    Johannes zwängte sich durch die eng zusammenstehenden Tische und Stühle zu ihr durch, nicht ohne sich in alle Richtungen schauend, zu vergewissern, ob Bi nicht doch da war. Sein dunkelblaues Leinensakko trug er wegen der Wärme über den Schultern. Er strich sich schnell noch seine zerzausten schwarzen Haare aus dem Gesicht. Er war etwas schlanker geworden. Seine Entschlossenheit, die seinem Gesicht Prägnanz verlieh, verlor sich allerdings diesmal leicht in seiner Mimik. Er war irritiert.

    Die schwarzhaarige Frau erhob sich zur Begrüßung mit den Worten:

    »Guten Tag Herr Dr. Schwarz.«

    »Guten Tag Frau …«, entgegnete Johannes ihr ersichtlich etwas durcheinander.

    »Ihre Freundin wird nicht kommen, Herr Dr. Schwarz.«

    »Woher …?«

    Sie viel ihm ins Wort.

    »Erkennen Sie mich nicht?«

    Ihre Geste machte ihm unmissverständlich klar, dass er sich setzen sollte.

    »Frau Walker liegt im Krankenhaus und ist gerade notoperiert worden.«

    »Woher wissen Sie das alles und wer sind Sie.«

    »Sie erkennen mich immer noch nicht?«

    »Neeiin.«

    Und nach einer Schaltsekunde wusste er, wer sie war.

    »Sie sind ????«

    Sie hatte ihre Haarfarbe geändert. Jetzt erkannte er sie an den oberen Eckzähnen, die leicht spitz geformt waren. Und jetzt konnte er sich auch an ihr Kostüm erinnern. Etwas scheu und ernst schaute sie ihn an.

    »Und was glauben Sie, wer ich bin?«

    »Frau Ariel Brunner, alias Henrichs oder Frau Henrichs alias Ariel Brunner. An den zweiten Vornamen kann ich mich nicht erinnern.«

    »Linda.«

    »Ja, mein Gott, ich erkenne Sie wieder. Wir hatten schließlich schon mal das Vergnügen, da hatten Sie noch lange feuerrote Haare.«

    Ihr war nicht nach Vergnügen. Etwas ungelenk achtete sie darauf, dass die Ärmel ihres Kostüms ihre Handgelenke verdeckten. Ein helles Make-up verdeckte eine kleine Verletzung am Hals.

    »Frau Walker geht es sehr, sehr schlecht. Sie hat einen Lungenriss und ist vor ein paar Stunden minimal invasiv operiert worden. Sie liegt auf der Intensivstation der Uni Klinik. Sie stand kurz vor einem Erstickungstod.«

    Erschrocken fragte Johannes:

    »Was ist passiert?«,

    »Gleich. Es kam noch schlimmer. Sie hat sich eine Staphylokokken-Infektion zugezogen, die zu einer schweren Lungenentzündung geführt hat …«

    »Scheiße!!!«

    »Das kann man laut sagen.«

    »Das geht bei diesen Bakterien rasend schnell. Ich hoffe, dass sie durchkommt«, versuchte Ariel ihn zu beruhigen.

    »Aber es gibt noch ein Problem. Aber einen Augenblick.«

    Die Kellnerin servierte den beiden Kaffee und besorgte vom Nebentisch einen Aschenbecher.

    Johannes fummelte seine Zigaretten und sein Feuerzeug aus dem Sakko, zündete sich aufgeregt eine an und schaute ihr fragend in die Augen.

    »Die Bakterien sind multiresistent! Sie stammen wahrscheinlich aus Indien oder Pakistan.«

    »Um Gottes willen!«

    »Man hat ihr Tigezyklin verabreicht. Das ist ein Reserveantibiotikum. Viele Möglichkeiten gibt es sonst nicht mehr bei diesen Bakterien.«

    Ariel versuchte, ihre sichtliche Betroffenheit sehr konzentriert zu überspielen.

    Johannes drückte seine Zigarette halb aufgeraucht nervös im Aschenbecher aus.

    »Man hat sie erst mal in ein künstliches Koma versetzt«, fuhr sie fort.

    »Scheiße. Ich fahr sofort hin!«

    Johannes stand auf, wurde von Ariel aber abgehalten.

    »Nein! Bitte nicht!«

    »Doch!«

    »Lassen Sie das. Setzen Sie sich wieder«, befahl sie im mit leiser, aber bestimmter Stimme.

    »Sie können sie nicht sehen. Man wird Sie nicht zu ihr lassen. Sie sieht auch nicht gut aus. Sie liegt unter einem Sauerstoffzelt.«

    Johannes versuchte, sich mit einer zweiten Zigarette zu beruhigen.

    »Sie möchten sicher wissen, was passiert ist, und woher ich das alles weiß?«

    Johannes quittierte die rhetorische Frage mit einem Schweigen und ließ Ariel fortfahren.

    »Danke. Frau Walker war zu einem Einsatz in der Biologie in der Heinrich-Heine-Uni. Sie hatte Herrn Horri an ihrer Seite. Ich denke, sie sind im Einsatz wegen eines Mordes an einem Biologieprofessor gewesen. Bei der Durchsuchung einiger Laboratorien kam es erst zu einer Schießerei. Bei der Verfolgung trafen sie in einem anderen Gebäude auf den Widerstand der Täter. So lässt sich jedenfalls vermuten. Danach ereignete sich in dem Gebäude eine schwere Explosion. Dass dabei die Trommelfelle reißen ist nicht das Problem. Sie hat auch jede Menge Prellungen, Abschürfungen und Schnittwunden. Aber das kriegen die wieder super hin. Die Explosion war aber stark genug, um ihre Lunge reißen zu lassen. Sie können sich nicht vorstellen, wie schrecklich das ist. Kaum Luft zu bekommen unter unsäglichen Schmerzen. Sie hatte Glück, dass das in der Uni passiert ist. Schneller war sie nirgendwo in guten Händen. Und die haben da jede Technik. Wenn die das nicht hinkriegen, dann kann das keiner. Aber sie ist noch in Lebensgefahr und noch lange nicht über dem Berg.«

    Johannes schien wie auf der Flucht zu sein, deshalb wartete Ariel seine Fragen auch gar nicht ab und fuhr fort:

    »Sie möchten sicher wissen, woher ich das weiß.«

    »Wäre ja mal ne Frage« antwortete Johannes auf eine Art, die normalerweise nicht seine war. Er war völlig neben sich und antwortete mechanisch.

    »Danke. Ich war dabei.«

    »Sie waren …«

    »… Dabei. Ja.«

    »Bei was dabei?«

    »Habe Ihnen doch gerade erzählt.«

    Johannes blickte Ariel fassungslos an. »Wieso war die dabei?«, dacht er.

    »Sie hat mir das Leben gerettet.«

    »Wie schön für Sie«, antwortete er nüchtern, nicht ohne diese Bemerkung wegen Bi sofort zu bedauern. Ihm blieb jetzt nichts anderes übrig, als seine stets gelassen wirkende Beherrschung wiederzugewinnen.

    Sie schluckte kurz und zeigte Verständnis: »Ich weiß Ihre Beziehung zu Frau Walker zu schätzen, Dr. Schwarz. Deshalb sollten Sie an mir umso mehr vertrauen?«

    Sie fixierte ihn und ließ seinen Blick nicht los.

    Johannes konnte sich ihrem Flair nicht entziehen. Wollte er das überhaupt? Er hatte sie ja schon einmal kennengelernt. Wollte er ihrer kultivierten Weiblichkeit entfliehen? Aber davon abgesehen, war sie damals nicht von allen die Cleverste?

    »Aber Sie haben doch sicherlich irgendetwas mit mir vor? Sonst wäre Sie doch nicht hier?«, entgegnete er ihr mit charmantem Lächeln, durch das aber auch eine gewisse Härte zu spüren war.

    »Schön erst mal, dass Sie da sind? Ja, ich habe einen Auftrag für Sie.«

    »Auftrag?«

    »Ja, Auftrag.«

    »Ich kann Ihnen gerne ein Angebot machen«, antwortete Johannes, ohne das wirklich ernst zu nehmen.

    Ariel lachte kurz auf.

    »Dr. Schwarz, ich möchte Ihnen das ‚Du‘ anbieten. Ich glaube, Ihre Freundin hätte nichts dagegen.«

    »Na, ja?«

    »Ihre Frau?«

    »Ich werde mich jederzeit ihres Vertrauens und Ihrer Liebe würdig erweisen. Unsere Liebe heiligt unsere Ehe für immer.«

    Betreten antwortete Ariel: »Gut Johannes. Ich möchte, dass Du einen Mediziner oder Biologen suchst, der an irgendeiner gewaltigen Schweinerei arbeitet, die wir selber noch nicht ganz kennen. Die aber alles in den Schatten stellen dürfte, was wir bisher erlebt haben.«

    »Ich bin mir nicht sicher, was das mit dem ‚Projekt‘ von damals zu tun hat.«

    »Nicht sicher?«

    »Nicht wirklich sicher. Ich habe einen schlimmen Verdacht.«

    »Verdacht … Klingt vielversprechend.«

    »Ja, aber dafür müssen wir einen Mediziner oder Biologen finden. Für Bi – ich darf sie doch so nennen – und für Dich, Deine Familie – und wenn, Dir das was bedeutet – für mich, von der möglichen Katastrophe für die Menschheit ganz zu schweigen.«

    Ihm war nicht unbedingt nach Weltuntergang. Aber ihre Stärke und ihr offensichtlicher Mut steckten langsam an und holten ihn aus seiner eher skeptischen Haltung heraus. Also macht er ihr versteckt ein Angebot.

    »Aber Ariel, was hab ich denn überhaupt mit Biologie zu tun. Naturwissenschaften sind nicht mein Hauptthema. Und in dem Fach kenne mich doch überhaupt nicht aus. Du weißt doch, was ich kann«, entgegnete er.

    »Ich weiß, Deine Stärke ist die Philosophie.«

    »Genau!«

    »Aber hier geht es darum, jemanden zu finden und darin bist Du doch Meister. Bist Du nicht einer der besten Personalberater?«

    Aus lauter Verlegenheit zündete er sich eine Zigarette an und blies den Rauch – ihm nachdenklich nachblickend – langsam in die Höhe.

    »Geht so …«, spielte er ihr Kompliment herunter und fuhr fort: »… Aber Super. Solche Aufträge mag ich.«

    »Geld spielt keine Rolle.«

    »Das spielt in diesem Fall keine Rolle für mich. Aber meinetwegen. Ich kann Dir ja gerne ein Angebot mit ‚Aufwand unbekannt‘ zusenden. Das hatte ich noch nie. Aber das kriegen wir schon hin.«

    »Gut. Mach das.«

    »Ach komm Ariel. Lassen wir die Späße. Ich möchte nur eines wissen. Du garantierst meine Sicherheit?«

    »Johannes, was denkst Du? Ja. Deine, die von Lizzie – so heißt sie doch – die Deiner Tochter, die von Bi und Deine. Habe ich jemanden vergessen?«

    »Ja.«

    »Ach so. Natürlich: auch für Deinen Kollegen Ashkan Horri. Für den gilt das auch.«

    »Du kannst verstehen, dass ich Bedenkzeit brauche, denn bisher war das ja eher voll daneben.«

    »Natürlich. Es ist Deine Entscheidung.«

    Johannes musste nicht lange nachdenken. Wohl war ihm aber nicht dabei. Aber hatte er eine Garantie dafür, dass ihm nichts passierte, wenn er diesen ‚Auftrag‘ nicht annahm. Er wusste dunkel, dass er nicht wusste, was sie wirklich wusste. Unter diesem Schleier der Unwissenheit richtig zu entscheiden, war fast unmöglich. Und Bi war ja weiterhin in Gefahr.

    Er rang sich durch: »Gut, ich mach es.«

    »Ich danke Dir. Weitere Informationen sind auf diesem Stick«, den sie aus der Jackentasche ihres Kostüms zog und ihm in die Hand drückte, die sie fest umschloss: »Ich bin Dir unendlich dankbar, Johannes. Ich weiß, dass ich das nur mit Deiner Hilfe schaffe.«

    Er schaute ihr in die Augen und auf ihre Lippen.

    Mehr als ratlos fuhr er nach dem Gespräch mit Ariel nach Hause … hatte sie ihm alles erzählt?

    Er hatte heute noch einige Abendtermine mit Bewerbern im Interconti auf der Kö, deshalb wollte er sich morgen früh den Stick anschauen.

    Er musste stark blinzeln. Die Straßen dorthin kamen ihm im Zwielicht fremd vor. Er dachte an das Gedicht von Eichendorf. Ja die Ruhe war tückisch …

    So war es dazu gekommen …

    Im Polizeipräsidium war es verhältnismäßig ruhig. Bi und Ashkan hatten Dienst. Sie hatten Nachtschicht. Sie langweilten sich wie so oft an solchen Tagen.

    Phoebe Zoe Walker – genannt Bi – und Ashkan Horri waren ein eingespieltes Team, und sie hatten schon einige Abenteuer miteinander durchstanden. Bi’s Tage waren allerdings bei der Kripo in Düsseldorf gezählt. Sie wollte in sechs Wochen beim LKA anfangen, dass ihr eine attraktive Stelle angeboten hatte.

    Sie saßen beide in der Kantine und daddelten ein bisschen auf Ihren Smartphones.

    »Sag mal Bi, man hat ja intern so einiges von Deinem neuen Chef im LKA gehört. Ist der wirklich so ein Brain?«

    »Da hast Du mich kalt erwischt. Ich glaube, ich bin nicht schlecht in der Fallanalyse. Aber die haben ein ziemlich neues Programm dafür. Das haben wir bei uns noch nicht. Ich werde Euch auf jeden Fall vermissen. Aber der Job ist schon cool. Die haben in der Fallanalyse die beste Ausstattung in Deutschland und vor allem haben die ziemlich moderne Methoden der vorhersagenden Polizeiarbeit. Im LKA arbeiten die mit SKALA.«

    »Ich weiß. SKALA soll prognostizieren, wo es Kriminalitätsbrennpunkte beim Wohnungseinbruch gibt und wir können den Tätern zuvorkommen, bevor sie einbrechen. Klingt wie Tom Cruise …«

    »… in Minority Report.«

    »Und Du machst dann Wohnungseinbrüche«, bemerkte Ashkan sarkastisch.

    »Nein, aber behalte es für Dich. Die rüsten das System mit K.I. auf und wollen die Morde der Zukunft voraussehen. Lass mich raten, das wird dann SKALA 4. 0.«

    »Also doch Tom Cruse.«

    »Nein, nur wir Superheldinnen werden mehr.«, musste Bi unweigerlich grinsen.

    »Aber ich denke, das hat Potential. Das ist die Zukunft.«

    »So habe ich Dich noch nie gehört.«

    »Du hast recht; ich laber Scheiße. Aber was soll ich machen? Den technischen Fortschritt verpennen?«

    »Welchen technischen Fortschritt. Die machen irgendeinen Homebrew-Quatsch, der sowieso nicht funktioniert.«

    »Da kannst Du recht haben.«

    »Die Algorithmen nehmen uns doch nur läppische Lästigkeiten in der Arbeit ab und nachher richten sie dabei Kollateralschäden an, für die keiner was kann.«

    »Soll ich Dir noch ein Geheimnis verraten? Aber bitte schweig für immer.«

    »Mein Ehrenwort Bi.«

    »Ich muss ein bisschen zur Ruhe kommen, was meine Arbeit angeht.«

    »Geht es Dir nicht gut?«

    »Nein, im Gegenteil. Flo macht bald Abitur, Frederik wird demnächst fast nur noch in Düsseldorf sein, und wir werden im nächsten Jahr umziehen. Wir haben eine schöne Wohnung in der Lindemannstraße gefunden. Ein sehr schöner Altbau mit einer tollen Terrasse. Und die Gegend ist ja auch sehr schön mit dem Zoo Park um die Ecke und der Rethelstraße in der Nähe. Du bist auch mit der Rheinbahn schnell in der Innenstadt.«

    »Ich weiß. Mit einem tollen Eiscafé.«

    Bi schaute Ashkan von oben bis unten an. Das Eiscafé hatte an ihm ein paar Spuren hinterlassen. Ansonsten war er von äußerst kräftiger Statur wie ein Ringer. Er war aber auch von seinem Wesen eher gemütlich, wie viele Ringer das sind, denn sie müssen im Kampf gut beobachten und trotz ihrer Masse blitzschnell zugreifen können. Er wusste seine Masse physikalisch so einzusetzen, dass sie seine Bewegungen immens beschleunigten.

    Ashkan warf einen Blick auf die kümmerlichen Reste seiner asiatischen Nudelpfanne mit Wok-Gemüse, Hähnchenfleisch und Ei und stocherte lustlos weiter, während sie entschlossen den letzten Rest Kaffee aus ihrem Becher trank.

    »Schöne Neuigkeiten. Ich kann Dich sehr gut verstehen. Vielleicht komme ich ja nach?«, antwortete Ashkan melancholisch, denn für ihn gab es im Augenblick nur den Job. Privat hatte er seit Ewigkeiten Pech.

    »Ne, bleib lieber. Du fühlst Dich doch sehr glücklich im Team und ob der neue Vorgesetzte so toll ist wie Schumann …?«

    Sie plauderten noch eine Zeitlang über ihre gemeinsamen Abenteuer und die Arbeit mit den Kollegen.

    »Hast Du schon das Neueste von Lena gehört?«

    Bevor Bi eine neugierige Rückfrage stellen konnte, ging das Telefon. Es war Lena Dobberke, ihre Kollegin im Polizeipräsidium.

    Bi ging dran und machte sich ein paar Notizen. Ihr Blick, den sie zwischendurch Ashkan zuwarf, wurde immer rätselhafter.

    »Gut Lena, ich übernehm das mit Ashkan.

    Sie erklärte Ashkan, dass es einen Vorfall in der Heinrich-Heine-Universität gegeben hat. Es hatte Schreie gegeben und Geräusche, die nach Schüssen klangen. Ein Hausmeister hatte angerufen.

    »Warte. Ich drucke noch schnell den Lageplan der Uni aus. Auf nem Smartphone findest Du auf dem Plan nichts.«

    Sicherheitshalber hatte er noch ganz schnell die App der Uni installiert, damit sie die Gebäude auch auf diesem Weg finden konnten.

    »Los jetzt. Beeil Dich. Wir nehmen meinen, dann kann ich anschließend direkt nach Hause fahren und Dich zwischendurch bei Dir absetzen.«

    »Schon fertig.«

    Wenig begeistert machten sie sich auf den Weg, nicht ohne vorher noch ihre Waffen zu checken. Wenigsten macht Bi's knallroter Alpha mit der sagenhaften Ferrarimaschine Ashkan Spaß.

    Sie sollten ins BMFZ. Das war das Biologisch-Medizinische Forschungszentrum, eine Technologieplattform, der Medizinischen und der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät.

    Es lag in einem hochmodernen Neubau, der die sanierungsbedürftigen Gebäude drumherum in ihren Baugerüsten noch maroder aussehen ließ, als sie es schon waren. Niemand in der Uni konnte sich daran erinnern, wann mit der Sanierung dieser Bauten begonnen worden war, und niemand konnte sagen, wann sie dann fertig werden würden. Selbst die Hinweisschilder der Baufirmen, die ein Ende der Arbeiten verkündeten, waren schon in einem desolaten Zustand.

    Aber dieses Gebäude war ein Glanzstück und erstrahlte tagsüber in kalkweiß.

    Die Uni war inzwischen fast Tag und Nacht geöffnet. Eigentlich erschienen die Gebäude nachts leblos. Aber in einigen Räumen schien das Licht nicht auszugehen, ohne dass man von außen erkennen konnte, welchen wissenschaftlichen Sinn das Leuchten in den Zimmern ergab.

    Vorsichtshalber stellte Bi das Fahrzeug im Sichtschatten des Gebäudes ab und beschloss, sich zunächst auf den Weg zum Hausmeister in einem Nachbargebäude zu machen. Ashkan hatte zur Sicherheit zwei schusssicherer Westen in seinen Rucksack gepackt.

    Erstaunlicherweise war der diensthabende Hausmeister mit dem Namen Schmitz hilfsbereiter, als sie dachten. Wenn etwas an der Hochschule funktionierte, dann waren es die Hausmeister und besonders die mit dem Namen Schmitz.

    Er erklärte ihnen, dass er bei seinem Rundgang Schreie gehört hatte und andere merkwürdige Geräusche, so als wenn Glas in Scherben fiel.

    Er entschuldigte sich, dass er alleine auf Nachtschicht war. Seine Erzählungen, wie lange er hier schon arbeitete, und wie man das Personal gekürzt hatte, und wie man immer mehr zu tun hatte wegen der ganzen Beamer und der vielen Wlan-Technik, und dass man keine jungen Leute mehr bekam und, und, und … Bi musste sehr höflich abbrechen.

    Er bot ihnen an, sie zu begleiten, was sie allerdings ablehnten, nicht ohne sich für das Angebot zu bedanken.

    Für den Notfall gaben Sie ihm aber noch eine Telefonnummer für das Präsidium.

    Sie zogen ihr Schutzwesten an und machen sich auf den Weg.

    Bi hatte ihre Walther P99 griffbereit im Schulterholster als sie ins Innere des Biologisch-Medizinisches Forschungszentrum vorrückten.

    Der Bau besaß ein großzügiges dreigeschossiges Atrium mit kühn geformten Treppen aus Glas und Stahl. Die Wände aus Sichtbeton wurden von kleinen Lampen gegliedert. Von der Decke hingen lange röhrenförmige Leuchten herab. Die runden Aufzüge waren grün lackiert in der Farbe, die zahlreiche Applikationen in dem Gebäude zierten. Sie bestimmten das ‚Markenimage‘ des Gebäudes. Umkränzt waren die Aufzüge mit Ringen aus LEDs, die sie wirkungsvoll inszenierten.

    Unübersehbar stand im Eingangsbereich die Skulptur ‚Großer Steinkeil – Rhythmus des Wachstums‘ vom Düsseldorfer Zero-Künstler Heinz Mack.

    Mack hatte sie aus hellem ockerfarbigem türkischem Muschelkalk gemeißelt. Das zum Teil poröse Gestein war organischen Ursprungs. Durch seinen Beinamen stellt die Plastik eine archaische und dennoch direkte Beziehung zum Gebäude her, das sich die Erforschung der Lebensvorgänge verschrieben hat.

    Bi und Ashkan hatten aber wenig Zeit, die Ästhetik des Kunstwerkes wahrzunehmen. Bi speicherte die massive Steinskulptur für andere Zwecke.

    Ansonsten war im Foyer nichts los. Ruhe war eingekehrt. Kein Mensch war zu sehen. Es war absolut still. Ausgestorben.

    »Du nimmst den Aufzug in die erste Etage, ich nehm die Treppe.«

    Sie brauchte nicht zu erklären, dass sie sich gegenseitig zu sichern hatten.

    Sie durchsuchten die beiden oberen Etagen, ohne auf irgendeine Auffälligkeit zu stoßen.

    »O.k. Ashkan, lass uns abziehen. Hier ist nichts. Lass uns einen Bericht schreiben, dann können die Kollegen morgen noch mal gucken.«

    »Mir ist auch nichts aufgefallen, also ziehen wir ab. Kann ich Dich noch zu einem Kaffee einladen?«

    Bi kannte diese Frage. Er war irgendwie kein Frauenheld. Sich mit Bi sehen zu lassen, war für ihn schon der Himmel auf Erden, obwohl er sich bei der Frage natürlich nichts anmerken lassen wollte. Auch das wusste Bi. Manchmal hatte sie sich nicht ohne einen Hauch von Mitleid mit dem Vorsatz darauf eingelassen, ihm ernsthaft ein paar Tipps von Frau zu Mann zu geben. Immer, wenn sie den Versuch machte, wiegelte er ab. Probleme hatte er angeblich nicht. Nur im Augenblick und der dauerte schon, solange sie ihn kannte.

    Sie wusste, dass sie jene Mischung aus perfekter Schönheit und wacher Intelligenz gepaart mit psychischer Energie war, die sie nicht verheimlichen konnte.

    So wirklich Lust auf das Angebot hatte sie allerdings heute nicht und suchte nach einem Ausweg.

    »Meinetwegen …«

    Freude zeigte sich ins Ashkans braunen Augen nicht ohne einen Hauch von Enttäuschung, denn er kannte sie zu gut und ihre Ablenkungsmanöver.

    »Lass und das Gebäude noch mal von außen absuchen.«

    Ungerührt ließ er die kalte Dusche auf sich herniedergehen, nicht ohne noch einen Funken Hoffnung zu haben.

    »Gute Idee.«

    Als Mann wollte er ihr bei diesem Vorschlag nicht widersprechen.

    »Du gehst links- und ich rechtsrum. Einverstanden?«

    Er widersprach nicht und trottete los.

    Das Institut sah auch von der Rückseite perfekt aus. Einige äußere Jalousien waren in willkürlicher Ordnung herabgelassen.

    Das Mondlicht war so hell, dass sie einigermaßen sehen konnten. Sie konnten aber nichts entdecken. Links entdeckten sie ein Souterrain, zu dem eine Treppe hinunterführte, die Ashkan neugierig machte. Mit dem starken Lichtstrahl seiner Lampe durchsuchte er von oben sorgfältig Bahn um Bahn den Steingarten vor den Fenstern. An einem niedrigwüchsigen Gebüsch blitzte es kurz auf. Hatte es was gefunden?

    Er gab Bi ein kurzes Lichtsignal und empfing sie, indem er mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Stelle zeigte.

    »Das sieht nach Glas, nach Glassplittern aus.«

    »Das ist hier doch noch ne halb Baustelle.«

    In der Tat war die Rückseite des Instituts noch etwas ‚unaufgeräumt‘. Einige Container mit Bauschutt standen hier noch herum und die Grünanlagen warteten noch auf ihre Vollendung.

    »Aber gut, wir können uns das ja mal anschauen.«

    Nach kurzem Suchen fand Ashkan das, was im Licht gefunkelt hatte.

    »Und wie kommt da Blut dran?«, kommentiere er seinen Fund.

    Bevor sie Anstalten machen konnte, das Glas näher zu betrachten, ergänzte er:

    »Eins der Außenrollos in der ersten Etage sieht auch etwas merkwürdig aus.«

    »Volltreffer!!!«

    Was seinen Beruf anging, war Ashkan schon ein Ass. Er hatte Gespür oder das, was man einen untrüglichen Riecher nannte.

    »Gut. Prägen wir uns die Außenfassade ein und gehen noch mal rein. Aber Vorsicht.«

    Das Gebäude war in der Grundstruktur symmetrisch aufgebaut. So wie sie es von außen gesehen hatte, mussten sie in den linken Trakt.

    Beide zückten Ihre Waffen. Ashkan nahm seine Taschenlampe vom Gürtel, denn der Gang war ziemlich dunkel. Sie konnten sich ausrechnen, dass es sich um höchstens drei Räume handeln konnte. Sie drückten sich links und rechts von der ersten der Türen an die Wand. Ashkan versuchte, die Türklinke herunterzudrücken. Sie war verschlossen.

    Bi gab ein Zeichen mit dem Kopf, das hieß:

    »Nächste.«

    Schussbereit positionierten sie sich an der zweiten Tür. Links Bi rechts Ashkan.

    »Die ist nicht zu«, signalisierte Ashkan und hielt seinen Zeigefinger vor den Mund.

    »Pst!!«, hieß das.

    Bi bestätigte.

    Sie wandte Ihren Kopf mit einer kurzen Bewegung nach links und er stimmte durch ein kurzes Nicken zu. Bi kam auf seine Seite.

    Ashkan trat gegen die Tür und Bi fingerte nach einem Lichtschalter, nachdem die Tür aufflog.

    Das gelang ihr gerade noch, bevor erste Schüsse fielen.

    »Zurück, zurück!!!«, rief sie.

    Drei vermummte Männer flüchteten aus dem Raum an ihnen vorbei und feuerten auf sie. Die Schüsse gingen aber vorbei und nur Ashkan wurde getroffen. Er taumelte zwar ein bisschen, die schusssichere Weste fing die beiden Schüsse aber ab und brachten ihn lediglich ins Taumeln. Was ihn dann nicht davon abhalten konnte, die Männer zu verfolgen, die das Treppenhaus herunterliefen. Auf seine Rufe antworteten sie mit ihren Waffen. In vollem Lauf rückwärts zu feuern ist aber nicht besonders effektiv.

    Ashkan hielt kurz an und schoss auf einen der Männer, der Schutz hinter der Plastik von Mack suchte. Ashkan verfehlte ihn und traf dreimal den großen Steinkeil. Die Kugeln hinterließen hässliche Narben in dem weichen Kalkstein, nachdem der Staub heruntergerieselt war.

    »Schumann wird mich kreuzigen. Er liebt Kunst. Na ja, jetzt sieht man dem Keil wenigstens an, wo wir heute evolutionär gelandet sind …«, sinnierte er.

    Er rannte weiter zum Haupteingang und konnte gerade noch schemenhaft erkennen, dass ein alter weißer Lieferwagen das Gebäude verließ. Eine Aufschrift, geschweige denn ein Nummernschild waren nicht zu erkennen, denn er machte sich ohne Fahrlicht in Bewegung.

    Zurück zu Bi nahm er einen der grünen Auszüge.

    Wortlos zeigte Sie auf ein grauenhaftes Bild.

    Auf dem Boden des Labors, als das sich der Raum entpuppte, lag ein nackter Mann auf ein paar umgedrehten Paletten gefesselt in seinem Blut. Die Lache vergrößerte sich immer noch und rann durch die Bretter auf die Erde. Er war in den Kopf und in der Brust getroffen.

    Während Bi das Präsidium anrief und Fahndungsalarm gab, versuchte Ashkan sich um den am Boden Liegenden zu kümmern. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis sein Blick signalisierte:

    »Tot. Scheiße.«

    Bi fuhr die Rollläden hoch und schaute aus dem Fenster, um zu sehen, in welche Richtung die Drei flohen.

    Sie konnte aber niemanden entdecken.

    »Schau mal, kannst Du Dir das Loch in der Scheibe erklären?«

    »Lass mal sehen.«

    Neben der Leiche nicht weit vom Fenster lag eine Stahlflasche, mit der irgendein medizinisches Gas transportiert wurde.

    »Was schließen wir daraus?«

    »Jemand hat versucht, das Fenster einzuschlagen.«

    »Hast Du ne Idee warum?«

    »Um zu fliehen« schloss Ashkan ziemlich bestimmt, war sich dann aber doch nicht sicher.

    Und er fuhr fort:

    »Sein Gesicht ist total schmerzverzerrt.«

    Und erst jetzt sahen sie, welche Folterqualen er ausgehalten hatte. Merkwürdig verdreht lag er da. Diese Verbrecher hatten ihm systematisch die Unterschenkel, Oberschenkel, Oberarme und einen Unterarm zerschmettert. Das konnten nur Profis, die die mechanisch physikalischen Eigenschaften menschlicher Knochen genau kannten und mit präzisen Schlägen so zertrümmern konnten, dass die Knochen nicht so splitterten, dass sie das Fleisch nach außen durchbohrten. Es waren nach allen Regeln der Kunst trainierte Folterknechte.

    Selbst für einigermaßen abgebrühte Kriminalbeamte war das zu viel.

    Bi fragte sich nur, warum sie einen Unterarm verschont hatten.

    »Sind die von uns überrascht worden oder hatten sie ihr Folterziel erreicht und ihn auf die Schnelle exekutiert? Was glaubst Du?«, war ihre Frage an Ashkan.

    Der zuckte nur mir den Schultern: »Sieht nach was Mittelalterlichem aus. Erinnert mich an Rädern. Obwohl, in der Neuzeit wurde mehr gefoltert. Die Hexen wurden doch erst in der Zeit der Inquisition verbrannt. Die Letzte glaube ich im 18. Jahrhundert.«

    »Woher weißt Du das denn alles?«

    »Lesen bildet.«

    »Wir sollten trotzdem mal in unseren Datenbanken nachsehen, ob es so was schon mal gegeben hat.«

    Bi dacht laut nach:

    »Mafia, Rechtsradikale, Sekten – egal was für welche – oder auch nicht, die üblichen Verdächtigen – Islamisten – Terroristen, wen haben wir noch?«

    »Ich kann mich an irgendeinen Film im Fernsehen erinnern, da gab es das auch. Der spielte in Irland und handelte von der IRA. Der war echt hart. Wir sollten tatsächlich in die Datenbanken schauen«, kürzte Ashkan den Monolog ab.

    Sie konnten noch nicht einmal vermuten, was tatsächlich passiert war, und wandten sich entsetzt ab, als sie den Holzbalken hinter seinem Schreibtisch sahen.

    »Rufen wir die Kollegen an. Wir müssen eine Fahndung auslösen und die KTU informieren. Wobei die Lieferwagen ohne irgendwelche Anhaltspunkte sind, die hast Du in Düsseldorf zu Tausenden.

    »Wenn die KTU hier nichts Konkretes findet.«

    »O.k. was machen wir jetzt?«

    »Bestimmt keinen Kaffee trinken«, antwortete Ashkan.

    »Und wenn wir den Hausmeister fragen?«

    »Hausmeister wissen viel, fast alles. Wenn Du nem Hausmeister was sagst, ist die klassische Antwort 'Da wissen se mehr als ich'.«

    »Du meinst, wir müssen ihn dazu bringen, sein Wissen preiszugeben.«

    »Ist das ein Problem für Dich?«

    »Wofür hältst Du mich?«, und setzte nach: »Traust Du mir zu, dass ich es mit Hausmeistern kann?«

    »Wofür hältst Du Hausmeister?«

    »Für schlauer als Du denkst? Aber lass mich ruhig mal machen.«

    Das beredete Schweigen von Ashkan daraufhin, war ein Argument, das sie nicht widerlegen konnte.

    Also machten sie sich auf den Weg in das Gebäude, wo sie den Hausmeister vermutetet, wenn er nicht unterwegs war.

    War er aber nicht, denn er schaute Fußball, wie immer um diese Uhrzeit.

    »Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Ich konnte auch Schüsse hören.«

    Natürlich war der Hausmeister mehr als neugierig. Es war ja sein Revier und außerdem musste er ja morgen vor einen Kollegen prahlen und glänzen.

    Also erzählte ihm Bi alles, was er morgen sowieso in der Zeitung lesen würde. Und dann lobte sie – sichtlich sehr zu seiner Freude – seine Insiderkenntnisse aus dem ersten Gespräch, obwohl sie seinen Redeschwall im ersten Gespräch so abrupt abgebrochen hatte. Sie entschuldigte sich hierfür ganz artig, wie ein kleines Mädchen und dem Hinweis, dass sie ja in Eile gewesen war. Voll des Lobes redete er dann, nicht ohne darauf hinzuweisen, wie sympathisch er Bi fand und wie wichtig er doch an dieser Hochschule sei, ohne dass sie es ihm jemals gedankt hatte.

    »Jemals!«, wiederholte er, um dann aber – wie er es, als seine Pflicht verstand – fortzufahren:

    »Einen Lieferwagen suchen Sie?«

    »Unbekanntes Fabrikat, so weiß oder so.«

    »Diese alte Karre? Ja da gibt es einen, der hier ab und zu aufkreuzt. Aber wir kontrollieren Lieferwagen nicht, auch wenn die da parken, wo andere Fahrzeuge nicht parken dürfen. Hier wird so viel gebaut. Und glauben Sie, wir werden darüber informiert? Wir doch nicht.«

    »Ja, aber das geht doch gar nicht.«

    Geschmeichelt entgegnete er:

    »Endlich mal jemand, der das auch so sieht, gute Frau.«

    Bi warf Ashkan einen kurzen Blick zu, der in etwa bedeutete:

    »Musste ich dafür eine Frau sein?«

    Der Blick von Ashkan kam ungerührt und feixend zurück:

    »Bilde Dir ja nichts darauf ein oder glaub dran.«

    »Herr Schmitz, haben Sie ne Ahnung, wo der sich herumtreiben könnte?«

    »Ja. Ich meine, ob der jetzt da steht, weiß ich natürlich nicht. Der steht öfter in einem Innenhof. Was der da macht? Kein Plan. Wir haben auch noch nie jemanden gesehen. Kennen Sie sich auf dem Gelände aus?«

    »Ein bisschen« antwortete Bi.

    »Sie wissen, wo die Brücke über die Universitätsstraße ist?«

    Schmitz warte die Antwort erst gar nicht ab: »Da fahren Sie drunter her.

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