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Augenweide: Zeit zu sehen
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eBook631 Seiten5 Stunden

Augenweide: Zeit zu sehen

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Über dieses E-Book

Eigentlich will sich der junge Mann Carolus im Frühjahr 1248 nur einige Monate "umsehen", bevor er seine Ausbildung unter den allerersten Studenten des soeben eingerichteten "Studium Generale" der Dominikaner in Köln beginnt. Und seine Gönner, der Herzog von Brabant und seine ehemals königliche Schwester Beatrix, finanzieren zu diesem Zweck einen mehrwöchigen Studienaufenthalt in der noch jungen Universität Oxford.
Doch was Carolus - selbst Mönch aus dem wallisischen St. Maurice - dann auf seiner Reise durch den Norden Frankreichs, durch England und wieder zurück nach Köln zu sehen bekommt, das sprengt - buchstäblich - sein Vorstellungsvermögen. Vom ersten Schiesspulver bis hin zu wertvollen Steinen und exotischen Familienverhältnissen, durch schwere Stürme und wild saufende Bauleute an den soeben entstehenden ersten gotischen Kathedralen, bis hin zum Leben und Leiden der Juden in der Diaspora, der Zerstreuung, und ihrem immerwährenden Wunsch nach Heimkehr - des jungen Carolus Augen gehen immer mehr weg von den sichtbaren Dingen, zu den "grossen", den unsichtbaren.
Und als er schliesslich den später zu grösster Berühmtheit gelangenden Thomas von Aquin als Mitstudenten und Freund in Köln trifft, entspinnt sich geradezu ein innerer Kampf um die tiefsten Dinge des Lebens: Sein und Zeit und Gott und Bestimmung. Die "Augenweide", die Carolus schliesslich sucht, die kann man gar nicht sehen, und fast in einem Paradox angelangt, ahnt er schliesslich doch, wo die Lösung liegen könnte. Denn seine Begegnungen - und mehr seine Ahnungen und Träume - verändern ihn. Fundamental.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Okt. 2018
ISBN9783946787174
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    Buchvorschau

    Augenweide - Pierre Maurice

    I.

    PARS PRIMA

    INTROITUS

    Es war noch vor Tagesanbruch, und düstere, feuchte Kühle drang durch die offene Lücke in der Mauer, die der winzigen Klosterzelle als Fenster diente. Wer hier lebte, wurde nicht alt.

    Unausweichlich war dies Carolus' erster Gedanke, als er hustend die gereizten Lungen entlastete, die der klammen Nacht verkrampft Tribut zollen mussten.

    Doch dann: Die ersten, allzu frühen Vögel in den unendlich scheinenden Wäldern, die das Kloster umgaben, versuchten sich zögernd in einem noch müde-verschlafenen Gesang, der neblige Erinnerungen an durchträumte Nächte weckte.

    Und ein Hauch, eine Ahnung ersten Lichtes stieg am noch finsteren Nachthimmel empor.

    Morgen.

    Carolus erhob sich, mit noch steifen Gelenken, und tapste zu der winzigen Fensteröffnung. Hätte er gekonnt, er hätte mitgesungen mit dem noch taumelnden Getier, mitgeträumt mit diesen frühen Vögeln. Geträumt von einem neuen Tag, von neuen Wegen, von neuem Glück, von einem neuen Leben.

    Verschlafenes Hoffen.

    Ernüchtert musste er sich dann aber eingestehen, dass der gestrige Tag, an dem er dieses Kloster erstmals betreten hatte, ihn bereits auf einen solchen neuen Weg gesetzt hatte.

    Er war mit einem Male, unversehens, und nicht wissend, wie ihm geschehen war, fast unsanft auf diesen neuen Pfaden gelandet. An ein neues Ufer war er gekommen, er hatte ein neues Gestade betreten, und als sein Bewusstsein langsam wieder festen Grund unter den verschlafen-schwankenden Füssen bekommen hatte, da wurde ihm klar, dass sich sein Leben in kurzer Zeit drastisch geändert hatte.

    Ein Vogel - im Halbdunkel der nach draussen offenen Fensterfüllung zuerst kaum sichtbar, dann vom immer heller werdenden Licht zum leben erweckt - weckte ihn aus seinem versonnen Erinnern. Mit ruckartigen Bewegungen seines schwarzen Kopfes betrachtete ihn der neugierige Geselle: Ein Amselhahn, erkannte Carolus, der gelbe Schnabel verriet ihn.

    Unversehens drehte sich der Morgenbote nach draussen, dem nahen Walde zu, und alsbald - es wurde zusehends heller - begann er zu singen. Zuerst eher probeweise, er schien diesem Tag einen ersten musikalischen Versuch schenken zu wollen. Und vielleicht wollte er die Vogelkehle auch nicht zu früh fordern.

    »Von was singst Du?«,

    sprach Carolus den kleinen Vogel aus dessen Rücken leise an.

    »Dein Gesang klingt, als würdest Du für Grösseres üben!«

    Doch der Amselmann schien sich an diesem wohl gemeinten Gemurmel nicht zu stören. Im Gegenteil: Jetzt erst - das Morgenlicht nahm ständig an Kraft und Deutlichkeit zu - begann er recht eigentlich zu singen. So, als riefe er jemanden, klang es, wie ein Flöte zuerst, dann wie eine Trommelpfeife, dann ein zwitschernder Abgesang. Und dann begann alles von Neuem.

    Carolus meinte, nach einigen Durchgängen ein Muster zu erkennen, doch er konnte es nicht entziffern, er konnte es nicht nachpfeifen. Freilich wart ihm, als sende die Amsel Signale. In die Ferne…

    Und als er sich, selbst noch schlaftrunken, dem zwitscherndmelodischen Gesang hingab, schweiften seine noch traumver-hangenen Gedanken ab.

    Und zurück gingen sie, ein gutes halbes Jahr, der Winter drohte damals hereinzubrechen, als er die grausig zugerichteten Frauenleichen entdeckt hatte, in den Wassern vor Wismar, am Ufer des Mare Balticum.

    Mit Hilfe des Pfarrers der Wismarer Marienkirche konnte er - auch um sich selbst Nachstellungen durch einen ortsansässigen Ritterorden zu entziehen - die verträumte Stadt auf einem kleinen Segler Richtung Lübeck verlassen.

    Doch die Fahrt entpuppte sich als weit gefährlicher als erahnt, und als er schliesslich im Franziskanerkloster von Lübeck angekommen war, hatte es schon zwei weitere Tote gegeben.

    »Mitten im Leben sind wir immerdar in den Tod gegeben…

    … semper enim nos qui vivimus in mortem tradimur … «

    Doch er stockte, denn die zwei letzten Toten waren Säufer und Mörder gewesen, die ihr Leben höchst fahrlässig selbst riskiert hatten.

    Carolus war in seinen Erinnerungen derart gefangen, dass er nicht bemerkt hatte, wie sich das Amselmännchen entfernt hatte. Ein wenig traurig sah er in die nun leere Fensteröffnung, die aber dem nun immer stärker hereinbrechenden Morgenlicht einen idyllischen Rahmen gab.

    Er war zu spät, fuhr es ihm mit einem Male wie ein Stich ins Herz! Er musste die Laudes verpasst haben. Aber ja, hier, in dem Frauenkloster wurde er, als Mann und allemal als ein Gast des Herzogs, nicht der hiesigen klösterlichen Disziplin unterworfen. Einer Disziplin, die auch ihn, in je verschiedener Weise, die bislang, seit fast zehn Jahren, sein Leben wie selbstverständlich geprägt hatte: Die Nonnen hatten ihn nicht geweckt. Und die Reiter, die ihn - stets mit spöttischen Kommentaren über seine Unbeholfenheit auf dem ihm viel zu gross erscheinenden Pferd auf den Lippen - hierhergebracht hatten, die schliefen sicher selbst noch.

    Hastig zog sich Carolus an und eilte in die Kapelle, doch die Nonnen kamen ihm bereits entgegen, da sie die Laudes bereits beendet hatten, und er blieb wie angewurzelt stehen.

    Wie ein seit Jahren gut angewachsener Baum muss er dagestanden haben, denn als schliesslich - als Letzte - die Äbtissin die Kapelle von Valduc verliess, erblickte sie ihn mit sichtlichem Amüsement.

    Sie wies ihn in einen eigens für ihn hergerichteten kleinen Raum, an dessen kurzer Wand ein kleines Feuer brannte. Mit den Nonnen könne er nicht speisen, hierfür erbitte sie sein Verständnis. Doch sie habe alles arrangiert, für ihn und die »Herren Ritter«, die ihn begleitet hätten.

    Zur vierten Stunde hätte sie dann Zeit und würde ihn gerne für ein Gespräch in ihr »Parlatorium« bitten, das man eigens für ihre häufigen Besprechungen eingerichtet habe.

    Carolus bedankte sich höflich. Dann aber wies er die Äbtissin darauf hin, dass Sie seinetwegen sich nicht um ein - zugegeben ungemein gekonntes - Latein bemühen müsse. Er habe das Gefühl, dass es hier, in Valduc, ähnlich zugehe wie zuhause, wo er herkäme, im Kloster St. Maurice an der Rhône:

    In offiziellen Dingen spräche man Latein, aber untereinander behielten alle ihre Muttersprache bei. Und das sei auch bei ihnen im Kloster für die meisten Französisch.

    Lächelnd bedankte sich die Äbtissin und ergänzte abschliessend:

    »ich bin Aleyde, und ich würde es vorziehen, diesen Dialog etwas später fortzusetzen, so wie ich es bereits vorher erklärt habe.

    … je m’apelle Aleyde, et je préférerais continuer ce dialogue un peu plus tard, comme je l’ai déjà expliquée… «

    Carolus nickte nur und lächelte. Dann betrat er den kleinen Raum vollständig und ging zum Feuer. Was war, was sollte mit ihm geschehen? Sollte er auf die Ritter warten?

    Es waren noch gute drei Stunden, schätzte er die Zeit bis zum geplanten Beginn des Gesprächs mit Äbtissin Aleyde. Zu lange, um sie in dem zwar wunderschön beheizten, aber ihm letztlich viel zu engen Raum zu verbringen.

    Er setzte sich und ass. Seit langem fand er auf der Tafel wieder einmal Dinge, die er von zuhause kannte, von seinem wirklichen Zuhause, dem Bauernhof in Geimen, oberhalb von Naters, im oberen Tal der Rhône: Dunkles Brot, Nüsse, die wohl noch vom letzten Herbst stammten und schon ein wenig ranzig waren, frischen, hellen Käse und dunklen, luftgetrockneten Schinken.

    Ein grosser Krug voll frischem Quellwasser aber lieferte ihm den ersten Morgentrank, den er ausgiebig und in fast unmässigen Schlucken hinunterstürzte.

    Anschliessend verzehrte er hastig - denn sein Herz war bereits an ganz anderen Orten - eine grosse Menge der anderen Dinge. Dann erhob er sich und ging.

    Die Pforte des Klosters war bereits besetzt, und Carolus erkundigte sich kurz, ob die Glocke der Kapelle zuverlässig immer zur vollen Stunde läutete. Als man ihm dies bejahte, durchschritt er zielstrebig das äussere Tor und ging schnurstracks in den direkt davor beginnenden Wald.

    Carolus wollte mit sich, mit den Tieren und Pflanzen, den Düften und Geräuschen des Waldes alleine sein.

    Und mit seinem Gott.

    STIMMEN DER WILDNIS

    Carolus sog die immer noch kühle, aber in diesen ersten wirklichen Frühlingstagen schon würzig duftende Luft gierig ein. Immer wenn er nachdenken musste, so auch heute, ging er in einen Wald. Dort, tief verborgen hinter grünen Schleiern und unter den Schatten unzähliger Bäume, dort schlug sein Herz - spürbar, kräftig, sicher.

    Und es schlug heftig an diesem Frühlingsmorgen im April des Jahres 1248 A.D. Und er begann, selbst das Blut in seinen Adern zu spüren, das Pulsieren des Herzschlags, und fühlte die sprungbereite Kraft seiner Muskeln. Und Carolus inhalierte den Gesang der Vögel, und er fand, sie erzählten Geschichten und Märchen, und sie kündeten erneut das Erlebte vergangener Tage, ja, selbst eine Ahnung der Zukunft vermochten sie zu wecken.

    Und Carolus Paulus lauschte. Er lauschte hinein in die Musik des Waldes, den Rhythmus der Geräusche und den Ton all der Klänge, deren Teil er leichten Fusses und beschwingten Herzens geworden war.

    Und als alles in ihm so nachklang, da stiegen mit einem Male Gestalten in ihm hoch, und sie erschienen ihm, wie sie ihm schon einmal, in erst kürzlich vergangenen Tagen, während seiner vorherigen Reisen, begegnet waren:

    Nikolaus, sein früherer Weggefährte, sogar der auf der letzten Reise verstorbene Friedmann aus Ratzeburg, Gerhard, der Bischof von Bremen und Albert von Stade, der gelehrte Chronist.

    Doch die wilden, die freudigen und traurigen Erscheinungen, all die anderen, die da auch noch kamen, die hatten keine Ordnung. Und ein Durcheinander, ein Tohuwabohu, lag über der Tiefe seiner Erinnerungen.

    Und als er ein Stossgebet gen Himmel geschickt hatte, der Höchste möge doch ordnend und neuschöpfend eingreifen, damit eine geordnete Welt der Erinnerungen in ihm entstünde, da schwebte etwas über ihm, eine wilde Taube, so schien ihm sofort, gurrend und lockend und wegweisend. Und Carolus folgte dem milden Tier fast taumelnd, immer weiter hinein ins Grün.

    Und langsam hob sich das Feste und Beständige in ihm aus dem Strom der vergangenen Erscheinungen, die Wasser der Unordnung verliefen sich, und was bleiben sollte, das stand mit einem Male wie trockenes Land vor ihm, vor seinem inneren Auge, und alles war zum Greifen nah.

    Und als er sich umsah, war die Taube, der er gefolgt war, wie vom Erdboden verschluckt und vom Himmel verweht. Doch er meinte noch lange, ihr wohliges Gurren zu hören. Wie aus weiter Ferne.

    Es war Margarethe. Sie war der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der letzten Reise gewesen, des letzten halben Jahres. Immer deutlicher wurde es ihm.

    »Erinnere Dich, Herr, an Deine Barmherzigkeit…

    … Reminiscere, Dominus, miserationum tuorum.«

    So hatte er ständig gebetet, während dieser letzten Wanderung, die er »Recordatio - Zeit des Gedenkens« genannt hatte. Und während der gesamten Zeit dieser winterlichen Reise hatte er auch der Bücher des Kirchenvaters Augustinus gedacht, besonders der »Confessiones«, der »Bekenntnisse«, und er hatte sie bis zur Neige ausgekostet.

    Und so hatte er - auch unter tätiger Mitwirkung des Meisters Albert von Stade - erkannt, dass es ohne Erinnern keine Identität gibt. Und auch, dass es anstrengende und bisweilen schreckliche Arbeit sein kann, sich zu erinnern. Und dass die Erinnerung keineswegs immer alles verklärt, wie manche sagen. Sondern auch, dass sie belastend sein kann und doch grundlegend, konstituierend ist, für das, was wir sind.

    Und ausgehend von dem Bild Margarethes, das er auf dem fragilen Untergrund seines Gedächtnisses gemalt hatte und mit dem Firniss des Verklären-Wollens umgeben hatte, ausgehend von ihrem Bild, wurden ihm auch Dinge klar, die in der damaligen Situation selbst unerklärlich geblieben waren:

    Wer hatte ihn denn allererst darauf gebracht, dem Grafen von Wölpe seine Dienste anzubieten? Es war dieser Luder von Borch, der Bischof von Verden an der Aller, und - wenn er alles recht in Erinnerung hatte - der Nachfolger eines Yso von Wölpe, des Onkels des heutigen Grafen. Leichthin hatte der ins Gespräch gebracht, er hätte gute Verbindungen zu der früheren deutschen Königin, und mit der hohen Dame habe er bereits Urkunden im Namen des Reiches unterzeichnet.

    Und dies stimmte ja offensichtlich, denn besagte Dame hatte dies erst vor wenigen Tagen selbst bestätigt. Die »Dame«, das ist Beatrix von Brabant, die verwitwete, und damit frühere Königin der Deutschen. Und Carolus wagte es erneut kaum auszusprechen: Sie, Beatrix, ist besagter Margarethe ältere Schwester. Luder von Borch musste die Verbindung der Herzöge von Brabant zum Haus derer von Wölpe eingefädelt haben: Margarethe war zum Schutz vor Entführungen und »Pfandnahme« durch die Parteigänger der Kaiserlichen in das Haus des Grafen von Wölpe gebracht worden.

    Es war also gar nicht das - zunächst äusserst gewagt erscheinende Schmuckhandelsgeschäft, das er in Lübeck mit der Witwe des tragisch verstorbenen Friedmann und deren Tochter Katharina gegründet hatte, was ihn, Carolus, während seiner letzten Reise so beeindruckt hatte.

    Es war auch nicht der stets nach Vermehrung seiner Macht und seines Vermögens trachtende Bischof von Bremen, Gerhard, der Grimmige, wie Carolus ihn am liebsten genannt hätte, der ihn in irgendeine - welche auch, er kümmerte sich ja nicht um ihn? - Richtung geleitet hätte.

    Es war der schon etwas ältlich und tatterig erscheinende Luder von Borch, der schon fast geschwätzige Bischof in der Verdener Provinz, der an ihm - so schien es Carolus nun - Instrument des Allmächtigen geworden war.

    Doch letztlich war er es selbst, er, der da träumte und dachte - das glaubte er nun in dem Durcheinander der verwirrenden Stimmen des Vogelchores in den Wäldern von Valduc zu hören - den der Herr im Himmel benutzt hatte, um seinen eigenen, dieses Carolus` Weg, entscheidend zu formen.

    Es war sein eigenes Ringen um die zunächst langweilige Stelle in dem sehr einsam und eher versteckt gelegenen Kloster Mariensee gewesen, die ihm das Vertrauen der als Novizin getarnten Jungfer Margarethe eingebracht hatte. Und es war seine eigene Arbeit, die die brabantische Herzogstochter schliesslich dazu befähigt hatte, ihre neue Bestimmung, hier im Kloster Valduc zu finden, ihren neuen Platz einzunehmen. Er, Carolus, hatte ihr die ersten Worte des Französischen beigebracht, die Sprache, die sie jetzt so dringend benötigte.

    Und zwischen den beiden, Carolus und Margarethe, war eine solch glühende und doch kaum ausgesprochene Liebe entbrannt, dass sie, die Herzogstochter, am liebsten Rang und Stand und er, der Bauernsohn, sein Mönchsgewand aufgegeben hätte. Nur damit sie hätten eins sein könnten.

    Doch dann hatte sie sich ihm offenbart - offenbaren müssen - , dass sie, Margarethe, gar nicht eine Tochter der Grafen von Wölpe sei. Sondern Margarethe von Brabant, das jüngste Kind der herzöglichen Familie. Und eine Verbindung zwischen ihnen beiden sei unmöglich.

    Und was hatte er dann - tief verletzt wie er gewesen war - gezögert, ihrer Bitte nachzugeben, er möge doch ihr Bote sein »in einer wichtigen Familienangelegenheit«! Und noch in allerletzter Sekunde, schon im Palast des Herzogs, wollte er eigentlich lieber davonlaufen und unverrichteter Dinge in seine Bergheimat zurückkehren und völlig enttäuscht alles aufgeben, was ihm zur Aufgabe geworden war: Reiseleben, Studienpläne und Visionen von einem fruchtbaren Leben.

    Doch dann kam die Wende. Und es fröstelte ihn immer noch vor barem Erstaunen darüber, dass sie ihn dort - auch Beatrix, die frühere Königin - angenommen hatten, als wäre er einer von ihnen.

    Und seither hatte sich alles geändert: Eine neue Aufgabe war auf ihn zugekommen, sein Stand hatte sich gewissermassen geändert. Er war Abgesandter eines Herzogs und einer Königswitwe geworden. Er hatte einen Auftrag angenommen, er hatte Unterstützung erhalten, er verfügte sogar in geringem Umfang über Geldmittel, die ihm sein Fortkommen ermöglichten.

    Und während der Mönch in ihm sich hätte dem allem wohl - durchaus selbstgefällig - hingeben können, der Bergbauernbub in ihm empörte und sträubte sich immer noch gegen das, was sein Herz schon längst angenommen hatte.

    Doch dann brach - er war bereits umgekehrt, hatte die Wälder wieder verlassen und stand nun wieder direkt vor dem Kloster Valduc - dann brach ein Dankgebet aus ihm heraus, eine Ode an die Güte des fern erscheinenden, aber in Wirklichkeit nur allzu nahen Gottes. Des Gottes, der sich seiner erinnert hatte, erinnert, indem er sein gesamtes Leben umgestaltete. Und er, Carolus Paulus, er wollte nun diesen ihm vorgezeichneten Weg auch gehen. Und den Dingen, den Wegen, den Horizonten, die ihm da zugeeignet worden waren, ins Auge sehen.

    Und Carolus Paulus durchschritt die Klosterpforte von Valduc und begab sich - immer noch der Verbindung zu Margarethe eingedenk zu der Äbtissin Aleyde. Und die Uhr schlug die vierte Stunde.

    Erst in der entspannten Ruhe des klösterlichen Nachmittags aber, am Karfreitag, zwei Tage vor Ostern des Jahres 1248 A.D., nach einer tief bewegenden Einkehr an diesem vielleicht denkwürdigsten aller Feiertage, fasste er dann die Eindrücke und Ereignisse selbst zusammen.

    DIE ABTEI VON VALDUC

    Die Tiere waren mir zu gross. Auch waren sie mir in ihrer ungeheuren Kraft unheimlich. Dennoch: Ich kam und komme nicht umhin, mich mit ihnen zu arrangieren. Der junge Herzog Hendrik hat mich geradezu genötigt, mich - unter fachkundiger Anleitung zweier seiner Ritter- auf solch ein Tier zu setzen und zu reiten. In die Wälder von Valduc, ins dortige Kloster und zurück .

    Nein, ich kann nicht reiten. Aber ich habe mich auf das riesige Tier gesetzt… und gewartet, was es macht. Wenn ich verloren ginge, so versicherten mir die mich begleitenden Ritter leicht spöttisch, dann würden sie mich retten.

    Was das Pferd gemacht hat? Es lief zuerst einmal, schwankend, einmal diagonal über den Hof des herzoglichen Anwesens. Dann gelangweilt trottend durch die dichten, frischgrünen Wälder von Brabant.

    Und ich fiel fast herunter dabei. Nichts ist mir an der Fortbewegungsart auf dem Pferderücken vertraut. Aber als wir schliesslich nach zwei gesässerweichenden Stunden im Kloster ankamen, in der südlich von Leuven gelegenen Abtei von Valduc, konnte ich mich immerhin schon im Trab bewegen. Auch das ist wieder falsch, das Pferd ertrug es viel eher geduldig, mich - selbst trabend - fortzutragen.

    Und ich ertrug es meinerseits stoisch und meinem Schicksal ergeben, so lange auf dem schwankenden Ungetüm sitzen zu bleiben. Wirklich steuern konnte ich das riesige Tier nicht: Es folgte einfach den anderen beiden Reitern.

    Gut zwei Stunden auf solch einem schwankenden Tier, das mir ständig das Gefühl gab, ich müsste - entweder rechts oder links - herunterfallen, wenn es einen hingebungsvollen Ausfallschritt machte, etwa zwei Stunden dauerte der Ritt in den tiefen Wald, in dem das zisterziensische Frauenkloster von Valduc liegt.

    Es wird von der französischsprechenden Äbtissin Aleyde geleitet, die dieses Amt seit der Klostergründung vor über fünfzehn Jahren innehat. Höchst ehrenvoll hat sie mich begrüsst. Und mit ausgesuchtester Höflichkeit erkundigte sie sich nach meiner Herkunft, war sehr interessiert an St. Maurice und natürlich an meinem Auftrag.

    Auch hatte sie dessen jüngste Erweiterung - nämlich während der Sommermonate im Auftrag ihres weltlichen Herren, des Herzogs von Brabant, nach England zu reisen - bereits vor meiner Ankunft wahrgenommen. Vermutlich durch einen Boten des Herzogs am Vortag.

    Und so war alles für mich bereitet.

    Während des abendlichen Gottesdienstes am gestrigen Donnerstag wurde ich in die erste Reihe platziert, und ich war heilfroh, dass man mich - am Ende, nach einer an diesem Tag späten Eucharistie - nicht auch noch um ein Grusswort bat.

    Aber heute konnten wir über den eigentlichen Auftrag sprechen, und Äbtissin Aleyde eröffnete mir, da sie nun endlich Französisch mit mir sprach, dass geplant sei, die jüngste Tochter, »La fille cadette«, des erst im Winter verstorbenen Herzogs zu ihrer baldigen Nachfolgerin zu machen .

    Und man habe sie seit Jahren in den Schutz eines niederdeutschen Grafen gegeben, um eventuellen Entführungen oder Geiselnahmen in den Wirren der letzten Jahre, die sich zwischen Kaiser und Papst schon lange angedeutet hätten, vorzubeugen.

    Auch hätte man jüngst begonnen, ihr das Französische beizubringen, und hierzu eigens einen Lehrer engagiert. Ich konnte nicht umhin, ihr zu sagen, dass ich das bin. Und sie bekam fast einen Ohnmachtsanfall, als sie das hörte. …

    … und ja, ich kennte Margarete, oder»Marguerite«, wie sie sich ausdrückte, sehr gut. Und sie mache Fortschritte.

    Und auch sie, die Äbtissin Aleyde, habe hier in Valduc das Problem mit der Ausbildung. Denn es hätten sich in den letzten Jahren junge Frauen in solchen Massen als Novizinnen im Kloster angemeldet, dass die Oberen des Klosters von Villers, die die Aufsicht über ihr Kloster von Valduc hätten, besonders »L'abbé de Villers«, der dortige Abt also, schon vor drei Jahren Höchstzahlen für die Nonnen und die mit ihnen arbeitenden Konversen, die an das Kloster gebundenen Laien, festgelegt hatte.

    Und all diese jungen Menschen müssten ausgebildet werden, und es gäbe im Kreise des Ordens nur teilweise konkrete Vorstellungen davon, wie dies zu geschehen habe. -

    Eben das zu strukturieren, sei meine Aufgabe, erläuterteich, selbst überrascht von der Koinzidenz der Absichten und Ereignisse. Und Aleyde, die schon in die Jahre gekommene Äbtissin, war ihrerseits hoch erfreut, freilich auch ein wenig überrascht über die auch für sie neuen Umstände.

    So schliesse ich für heute. Doch ich muss sagen, obwohl ich mir allemal da ich, ein einfacher Mönch, wie ein hoher Herr geachtet werde - vorstellen könnte, hier wochenlang zu sein, muss ich morgen bereits abreisen: Der Herzog erwartet mich .

    Und er besteht darauf, dass ich an etwas teilnehme - als Zuschauer, dem Himmel sei es gedankt - das ich noch nie in meinem Leben gesehen habe: Der Herzog organisiert an den beiden Ostertagen ein Ritterturnier. Die Herren von Brabant scheinen das zu lieben…

    Und wenn sich mein Leben weiter so schnell verändert, dann muss ich mich jeden Morgen selbst in den Arm kneifen, nur um immer wieder neu festzustellen, dass ich nicht träume. Und träumte ich doch, so müsste ich erkennen können, dass ich es bin, der da träumt.

    DÄMONEN DER NACHT

    Nach einem schmucklosen, kargen und nur alleine auf die einfache Karfreitagsbotschaft bezogenen Gottesdienst, den das gesamte Kloster mit allen Konversen, den Nonnen und den anwesenden Gästen begangen hatte - die Carolus begleitenden Ritter taten sich ein wenig schwer damit, alles war ihnen zu karg, zu trist, zu schwer - , zog sich Carolus zurück in seine Zelle und schrieb einige seiner Eindrücke auf.

    Ein einfachstes Nachtmahl, nur Brot und Wein, nahm er zu sich, dann fasste er einen Plan: Er würde einen grossen Teil der Nacht im Wald verbringen. Ohne grosse Liturgie, ohne eine Vorstellung davon, was dort geschehen sollte, ohne einen eigentlichen Plan, wollte er in dieser Nacht dieses Opfers gedenken, das der gebracht hatte, der es am wenigsten nötig hatte. Er, denn er nur »den Herrn« nannte, »Dominus«.

    Und er begann, noch bevor er das Klosterareal überhaupt verlassen hatte, über alles nachzudenken, was »damals«, an diesem Tag vor dem Passahfest, im Orient geschehen war.

    Und während seine Schritte ihn hinaus aus dem mit Mauern umgebenen Bezirk und in Richtung der Wildnis und Düsternis des Waldes trugen, vergegenwärtigte sich sein Geist die Realität der letzten Stunden des Gottessohns.

    Was geschah damals, vor rund 1200 Jahren, zwischen dem Dahinscheiden in grösster Bedrückung und tödlicher Verwundung und der Auferstehung? Wie war es wirklich? Was war in den Beteiligten vorgegangen?

    Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er die Antwort nicht innerhalb der Klostermauern finden würde. Sondern nur da, wo er mit seinem ganzen Sein ankommen konnte, wo er aus sich herauskonnte, wo er auf Sicherheiten und Schutz verzichten konnte.

    Carolus war bereit, so wie sein König, der Innere, dem er folgte, das Leben auf die Probe zu stellen, in dem er das Dunkle, ja den Tod zumindest in seiner Vorstellung und seinem inneren Empfinden - herausforderte.

    Und so ging Carolus hinaus in die Nacht.

    Und sein Weg trug ihn in den dunklen, tiefen Wald von Valduc. Er wollte weg vom Kloster, weg von den Menschen. Und als die Dunkelheit die Klostermauern hinter ihm endgültig und undurchdringlich einzuhüllen drohte, beschwor er die Wachen im Tor - im »Namen des Herzogs von Brabant« - auszuharren, bis er wiederkäme, auch wenn es später würde, als die übliche Schliessung es vorsah.

    »Um jeden Preis«, beschwor er sie auf ihn zu warten. Er würde kommen, aber spät. Und es solle ihr Schaden nicht sein.

    Und ein wenig theatralisch, damit sie ihn wirklich verstanden, schüttelt er einen kleinen Beutel mit Münzen, den er an späten Nachmittag eigens vorbereitet hatte. Dann verschwand er im Dickicht und im Dunkel. Ein klein wenig konnte er sehen, in dieser nicht völlig dunklen Nacht. Der Mond warf ein schattiges Licht auf die Kronen der Bäume und ab und zu glitzerte ein Wassertröpfchen matt auf einem schlafenden, müden Blatt im Unterholz.

    Es war zur Mittagsstunde gewesen, damals, an diesem Karfreitag, den die Weltgeschichte vermutlich nie wieder vergessen wird, zur Mittagsstunde hatte sich die Sonne verfinstert. Eine Eclipsis, ja verdunkelt wurde es, das helle Licht des Tages. Drei Stunden lang lag an diesem einen Leidenstag der Geschichte eine Finsternis auf dem Land.

    Auch die Nacht, in die Carolus hineingegangen war, wurde mit einem Male dunkler. Sein Schritt wurde unsicher, und was er an Gestalten des nächtlichen Waldes nicht sah, das erweckte seine Einbildungskraft - in Beklemmung und leise heranschleichender Furcht - zu gespenstischem Leben: Waren das nicht Vögel, die sein Haupt umschwirrten, gefährlich nah, lautlos, blitzschnell, unheimlich und stets bereit auf ihn herunter zu hacken?

    Sein Verstand legte ihm - zurecht - nahe, dass es Fledermäuse seien und dass er sich nicht zu fürchten brauche, denn die Nachttiere würden alles tun, um eben nicht mit ihm zu kollidieren.

    Doch jedes Knistern, Hauchen und Zischen des Dunkels um ihn herum raubte seinem Denken die Klarheit, und der Nebel, der ihn zusehends mehr umgab, der hatte geradezu in seinem Kopf begonnen, so schien es ihm. Und seine Sinne trübten sich ein.

    Ihm war unheimlich. Doch immer wieder wanderte er in Erinnerung an den Leidenstag des Einen zurück in das »Damals«, zurück in diese drei Stunden der Agonie, des erstickten, lebensvernichtenden Todeskampfes auf der Schädelstätte in Jerusalem.

    Und ihm war klar, dass es weit, weit mehr gewesen sein muss, als nur der unsägliche körperliche Schmerz in der buchstäblichen Zerrissenheit der Gebeine, was den »Schmerzensmann« damals zerfetzt haben musste, weit mehr war das, was das Herz des gekreuzigten König in Stücke gerissen hatte.

    Verlassenheit. Unendliche Einsamkeit. Tiefste Seelennot. Und das Allerschlimmste, das »Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du mich verlassen!«.

    Dunkel wurden die Nebel nun, die Carolus einhüllten, so dunkel wurden sie, als gäbe es in ihnen nur noch schwarzes Licht…

    … und finstere Dämonen müssen auch den Schmerzensmann, in dessen Leiden er gerade eintauchte, umhüllt haben, so als sei das Leben endgültig vergessen und der Tod die einzige Bestimmung.

    Wie Stiere, so beschreibt - weit in die Zukunft sehend - der Psalmist die Situation schon tausend Jahre zuvor, wie Stiere und Büffel stürmten sie auf ihn ein. Zermarternd versuchten sie ihm, den einzig wirklich Lebendigen, dem Leben zu entreissen:

    Der Tod ist kein Schlaf, dachte Carolus da plötzlich in einem hellen Moment, in der Hölle ist keine Ruh, in dem Feuer der Verdammten ist keine wohlige Wärme. Nur ewiges Verzehrt-Werden ohne jede Hoffnung, nur allerewigstes Verzehren nach Nähe, die in unendliche Ferne gerückt ist. Unumkehrbar.

    Und die Nebel um Carolus herum, sie geronnen zu zischendgiftigen Gestalten, die ihn säuselnd umgarnten und die versuchten, mit den Fetzen ihrer flüchtig-flüchtenden Erscheinungen seine immer noch guten Gedanken zu rauben. Und »Nur Tod, nur Verderben, kein Entrinnen«, flüsterten sie.

    Und lauter und lauter wurde ihr Gezische und Gegifte, und schriller und schriller ihre spitzen Schreie.

    »Uhuuu«,

    sprach ein Etwas Carolus da mit einem Male an. Und er erblickte mitten im Dunkel, auf einem Ast sitzend - einen grossen Vogel mit seltsam leuchtenden Augen.

    … Uhund, was meinst Duhu?«

    Erneut schien der Vogel zu ihm zu sprechen, und Carolus schauderte, doch er schreckte nicht zurück, und weiter sprach das Tier:

    »Wird’s Dir zuhu buhunt, hühr üm Duhunkel des Waldös? Wühürds Dühr zuhu vühul…

    … dooch sihei nuhur ruhuuuig… vertrau… schau… sieh…

    … halte Deine Auhaugen stehts auhuaf dehän Herrn… Ohuculi tuhui … sehemper ad dominuhum… «

    Etwas gleichermassen Vertrautes wie Vertrauen Erweckendes lag in der Stimme, und sie zu hören, gab Carolus wieder klarere Gedanken zurück. Vögel können nicht sprechen, dachte er, und Nebel können nicht zischen und reden. Doch immer noch war diese eulenartige Stimme des nächtlichen Vogels in seinem Ohr. Carolus erinnerte sich an die Psalmenverse. Es sind die entscheidenden Worte des dritten Fastensonntags. Und er ergänzte in seinem Herzen zum vollen Satz:

    »Meine Augen schauen stets auf den HERRN; denn er befreit meine Füße aus dem Netz…

    … oculi mei semper ad Dominum quia ipse educet de rete pedes meos «

    Carolus sah nun noch genauer hin: Noch immer sass die Eule auf ihrem Ast, unmittelbar vor ihm.

    Die Nebel waren ein wenig gewichen, und einen Fuss breit über dem Boden unter dem Vogel schwirrten kleine Lichtlein, wie leuchtende Käferchen, die sich taumelnd im Dunkel der feuchten Luft bewegten.

    »Duhu haast…«

    mühsam und für Carolus nun auch überraschend fuhr der Nachtvogel fort,

    »… Duhu hast keinen Kampf geerbt duhurch deiheine Berufuhung… ahaan diesem grossen Taaag, dähr Dich soooh bewehegt… Duhuu… «

    Und wieder unterbrach der Vogel sich, so als ob es ihm Mühe machen würde, weiterzureden. Doch dann:

    »Duhuu hast einen Sieg bekommen… «

    Rätsel über Rätsel, dachte Carolus, was sollte das bedeuten? Er musste das Tier fragen!

    Ergründen, wieso es sprechen konnte, erforschen, warum er es hörte, und absolut sicher wissen, was all das zu bedeuten hätte! Er fasst sich ein Herz, öffnete den Mund und begann schon zu sprechen…

    … da war der Vogel mit einem Male fort. Und der Mond war wieder erschienen und erleuchtete die Nacht. Die Nebel hatten sich verzogen.

    Und es war wieder ruhig geworden, in dem Wald.

    Nur die Glühwürmchen schwirrten noch unhörbar unter dem Ast, unter dem soeben noch die Eule gesessen hatte. Und als sie sich langsam entfernten, in Richtung des Waldrandes, folgte Carolus ihnen. Sinnierend, erschüttert, fröstelnd und immer noch nachdenkend tapste er im silbrigen Mondenschein aus dem Wald heraus.

    Und immer wieder neu liefen ihm dabei Schauer der Furcht über den Rücken, und ihm wurde richtig kalt.

    Den Sieg? Wieso einen Sieg, dachte er. Wieso habe ich einen Sieg bekommen? Was für einen Sieg denn?

    Doch als er den Waldrand erreicht hatte, und als das Kloster Valduc unmittelbar vor ihm auftauchte, da waren die Schrecken verschwunden, als ob die dahinschwindenden Nebel ihn mitgenommen hätte, und da war nur noch das Eine geblieben, an was er sich wirklich erinnerte:

    »Meine Augen

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