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Die Geburtsfehler unserer Demokratien: Sie sind parteiendominiert und kapitalgesteuert
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eBook453 Seiten5 Stunden

Die Geburtsfehler unserer Demokratien: Sie sind parteiendominiert und kapitalgesteuert

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Über dieses E-Book

Das derzeit dominierende rationale Denken orientiert sich am Individualismus, an Konkurrenz und persönlichem Erfolg, dessen Ergebnis dann als Eigentum verfassungsmäßig abgesichert wird. Dieser gesellschaftliche Grundkonsens verhindert aber eine wirkliche Demokratie, da er deren Bedingungen - Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit - verunmöglicht.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum22. Dez. 2020
ISBN9783347214750
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    Buchvorschau

    Die Geburtsfehler unserer Demokratien - Peter Schlabach

    Kapitel I Wir Menschen als Staatsbürger

    a) Von Stadien, Bewusstseinsstrukturen und Weltsichtebenen

    Wenn ma´u sich mit Worten, Begriffen, vor allem aber deren Bedeutung beschäftigen will, muss ma´u sich vorab mit dem dahinterstehenden Denken beschäftigen. Denn alle diese Worte und Begriffe entstammen unseren üblicherweise benutzten Sprachen. Es ist also ab hier unumgänglich zum besseren Verständnis dieser Zusammenhänge den Entwicklungen unseres Denkens und des damit verbundenen jeweiligen Bewusstseinszustandes nachzugehen. Nur dadurch werden alle diese Sichtweisen und daraus entstehenden gesellschaftlichen Verhältnisse verständlicher. Aber in den bisherigen Epochen der menschlichen Existenz wurde für die jeweils lebenden Menschen das ihnen „gegebene Denken eben immer als gegeben betrachtet. Es wurde aber vor allem in seinen Möglichkeiten und Leistungen unveränderlich und gleichbleibend verstanden und unhinterfragt angenommen. Es war ihr Denken und Unterschiede darin waren bestenfalls persönlicher Natur. M.a.W., der/diejenige, der/die mit diesen seinen/ihren Möglichkeiten besonders gut und erfolgreich umgehen konnte, galt als klug. Wer dies nicht konnte als dumm. Natürlich war es dabei wohl jederma´u bewusst, dass es hier viele „Abstufungen gab und immer noch gibt.

    Diese Aussage – also dass wir alle in etwa gleich denken - kann ma´u relativ einfach belegen. Die mit Abstand meisten Menschen sind nach wie vor der Überzeugung, das Denken der Menschen allgemein, sprich dessen Inhalte und möglichen Ergebnisse, sei dem ihren gleich. Natürlich werden auch hier die Unterschiede von besser gleich klug und weniger gut, gleich weniger klug mitgesehen. Daher kann ma´u immer wieder bei Gesprächen oder Diskussionen beobachten, wie erstaunt Menschen sind, wenn andere ihren Gedanken nicht folgen können oder wollen. Dies wird praktisch immer entweder dem Unwillen oder der Unfähigkeit der anderen, oder mangelhafter oder gar falscher Argumente auf der eigenen Seite angelastet. Dies ist aber schlicht eine Fehlmeinung. Dies hat in vielen Fällen mit unterschiedlichen Bewusstseinsstrukturen und/oder ungleicher Weltsichtebenen zu tun. Dieser Sachverhalt ist trotz schon seit einiger Zeit existierender umfassend wissenschaftlich erbrachter Beweise und Belege praktisch unbekannt. Diese Erkenntnisse werden derzeit gesamtgesellschaftlich schlicht ignoriert. Ja sie werden möglicherweise sogar aus bestimmten Machtinteressen missachtet und bekämpft.

    So ist es ja nicht uninteressant zu sehen in welchem Umfange z.B. die Beobachtungen Piagets², die ja annähernd 100 Jahre alt sind, genau in diesem Sinne weiterhin umfassend „übersehen werden. Ja sie wurden sogar durch die sog. Bologna Reform auch noch auf die Universitäten übertragen. Praktisch gleichzeitig mit Piaget schrieb John Dewey in einem Buch: „Gelehrigkeit wird angesehen nicht als eine Fähigkeit zu lernen, was immer die Welt zu lehren hat, sondern als Unterwürfigkeit unter die Belehrungen anderer, die die ihnen geläufigen Gewohnheiten wiederspiegeln. Das träge verdummende Wesen herrschender Bräuche verkehrt das Lernen in eine Bereitschaft zu folgen, wo andere den Weg weisen, in Anpassung, Verengung, Verzicht auf Kritik und Experiment³. Dem ist an Deutlichkeit nichts hinzuzufügen. Welche katastrophalen Folgen über diejenigen der schon immer existierenden des allgemeinen Bildungssystems hinaus dies hat, wird zunehmend deutlich, aber einfach in Kauf genommen.

    Der Grund ist ganz offensichtlich. Ma´u kann in dieser unserer Gesellschaft nur Untertanen brauchen. Das deshalb, um ihre Stabilität und daher kommende Ruhe zu gewährleisten. Aber vor allem auch um die Menschen besser manipulieren und damit unterdrücken und ausbeuten zu können. Um diese doch schon fast ungeheuerliche Aussage inhaltlich zu belegen, wollen wir uns den genannten Erkenntnissen zuwenden und ihre wichtigsten Nachweise benennen. Da aber die folgenden Kenntnisse meist übersehen oder gar übergangen werden, muss ich sie hier darstellen, um ihre gesellschaftliche und damit soziologische Relevanz nachweisen zu können.

    a1) Piagets Stadien

    Zu diesem Zweck scheint es sinnvoll, dies in der zeitlichen Reihenfolge zu tun, wie es tatsächlich vorgetragen und/oder vorgelegt wurde. Beginnen wir also bei den Forschungsergebnissen Piagets. Jean Piaget (1896-1980) promovierte zunächst in Zoologie und studierte später Kinderpsychologie und Pädagogik. Da ihn nach seinen eigenen Worten interessierte, wie es Kinder schaffen, Mathematik zu verstehen, begann er ein Forschungsprogramm über die geistige Entwicklung der Kinder. Dieses begleitete ihn ein Leben lang und begründete seinen weltweiten Ruf. Unter anderen waren ihm seine drei eigenen Kinder geeignete Studienobjekte für seine wegweisenden Forschungen. In diesen Arbeiten erkannte er zunächst die Entwicklung des Geistes von der Geburt bis zum Erstspracherwerb. Diese Arbeit erweiterte er dann aber wesentlich bis über die Pubertät hinaus. Zusammengefasst kann ma´u seine Ergebnisse kurz so beschreiben: Er konnte beobachten und durch viele Versuche belegen, dass Kinder nicht, wie ma´u davor glaubte, ihre geistigen Fähigkeiten weitgehend von Geburt an mitbekommen hätten und die sich dann je nach Umständen vergleichbar dem körperlichen Wachstum „entwickeln" würden. Tatsächlich müssen sie in einem stufigen Prozess immer völlig neu erlernt werden – er benutzte den Begriff der Stadien –, um sich dadurch zu entwickeln.

    Um nun aber seine Beobachtungen nicht völlig ohne Hintergrund einfach nur zu behaupten, hier einige wichtige Begriffe, die im Zentrum seiner Theorie stehen. Es handelt sich nach Piaget beim Erwerb der kognitiven Fähigkeiten der Kinder um zwei komplementäre funktionale Prozesse, nämlich der Assimilation⁴ auf der einen Seite und der Akkommodation⁵ auf der anderen. Beide sind danach die entscheidenden Aspekte der kognitiven Anpassung des Individuums an seine Umwelt. Denn nach Piaget sind im Austauschverhältnis zwischen Mensch und Umwelt zwei Arten der Anpassung möglich:

    zum einen die Anpassung des eigenen Verhaltens an die Außenwelt - z.B. das Kind ahmt die Eltern nach -, zum anderen die Anpassung der Außenwelt an das eigene Verhalten – z.B. im symbolischen Kinderspiel, in dem ein Kind die Rolle eines Erwachsenen „darstellt -.

    Ganz entscheidend, auch für die Darstellung der weiteren Entwicklungsmodelle, sind aber die von ihm beobachteten und wie folgt beschriebenen Stadien. Ein Kind erlebt zuerst eine sensomotorische Periode⁶, die etwa bis anderthalb Jahre andauert. Dieser folgt eine Anpassung an den Raum und die Umsetzung praktischer Handlungen. Daraus entwickelt sich eine Vorstellungsintelligenz⁷, die er präoperational - abgekürzt in der Literatur als prä-op verwendet - nennt, die bis etwa dem 7. oder 8. Jahr dauert und in der auch der Spracherwerb erfolgt. Dieser folgt eine Periode „aussagenlogischer und formaler Operationen, bis etwa zum 11. oder gar 13. Lebensjahr, die er konkret operational (kon-op) nennt. Ihr folgt dann „die die Ausformung der allgemeinen Kombinatorik und der INCR - Identität, Negation, Korrelation und Reziprozität - Gruppe mit den beiden Formen der Reversibilität bringt⁸. Er nennt diese formaloperational (form-op), der ma´u dann, folgt ma´u hier Ken Wilber⁹ eine letzte „offene" Periode, post-form-op anfügen könnte.

    Hier ist nun aber eine wichtige Anmerkung einzufügen. Dieser ganze Prozess ist

    erstens keineswegs periodisch, stufig oder stadienmäßig in dem Sinne zu verstehen, dass diese Perioden jeweils als abgeschlossene aufeinander folgten. Es handelt sich um einen Prozess mit fließenden Übergängen, der

    zweitens darüber hinaus je individuell verläuft.

    M.a.W., je nach persönlichen Familienverhältnissen ganz unterschiedlich. Wie sich nämlich bei Folgeuntersuchungen durch andere Psycholog*innen zeigte, gibt es viele Kinder, die die weiterführenden Stadien gar nicht erreichen können. Dies veranlasste Kritiker zu behaupten, die ganze Theorie Piagets sei falsch. Aber dies ist entschieden zurückzuweisen. Es ist zwar die Beobachtung nicht störungsfrei verlaufender Entwicklungen in den verschiedenen Lebens- und insbesondere Familienumständen, die meist durch Klassenunterschiede bedingt sind¹⁰ richtig. Aber selbst da, wo diese aus bestimmten Umständen früh abbrechen¹¹, sind immer noch die früheren Stadien zu beobachten. Dass bei ungestörtem Entwicklungsverlauf diese Stadien mehr oder weniger deutlich immer existieren, bleibt ebenfalls unberührt. Und noch ein wichtiger Umstand sei erwähnt, weil dieser häufige Unklarheiten versursacht. Die Intelligenz eines Kindes spielt in diesem Prozess bei dem Erreichen der jeweiligen Stadien keine entscheidende Rolle. Sehr wohl aber in der „Nutzung" derselben. Und nicht zuletzt sei erwähnt, dass das Weltsichtebenenmodell Graves´ eine indirekte Bestätigung der Ergebnisse Piagets darstellt, da es die Ergebnisse dieser Entwicklungen bei Erwachsenen beobachtet. Anders ausgedrückt; die Stadien der Kindheit können bei erwachsenen Personen weltweit als W –Meme – der Begriff von Beck und Cowan, zwei Studenten von Graves - oder Weltsichtebenen¹² beobachtet werden.

    Für unsere obige Bemerkung der Erziehung von Untertanen im derzeitigen Erziehungssystem ist aber noch eine ganz wesentliche Bemerkung einzufügen. Piaget entdeckte ja, dass Kinder zwei ganz unterschiedliche „Methoden" des Lernens anwenden, nämlich die Assimilation, also das Hinzufügen neuer Erkenntnisse zu schon bekannten und die Akkommodation.

    Diese ist deshalb so entscheidend, weil diese die Fähigkeit darstellt, völlig neue Erfahrungen und Erkenntnisse überhaupt erst wahrnehmen und verarbeiten zu können. Das derzeit dominierende Vermitteln von Daten und Begriffen und die Aufforderung diese zu erlernen, im Sinne von memorieren, geht auf genau diese enorm wichtige Lernmöglichkeit von Kindern gar nicht ein. Sie bleibt sozusagen in der gesamten schulischen, und neuerdings auch akademischen Laufbahn, weitgehend außen vor. Dass dieser Umstand neben der Zementierung der Gehorsamserziehung und damit des Untertanentums für die geistige Entwicklung der Menschen enorm nachteilige Folgen hat, kann ma´u gar nicht deutlich genug betonen.

    M.a.W., durch die Überbetonung der Logik und des sprachlichen Denkens und Memorierens wird ja schon bekanntermaßen die linke Gehirnhälfte zugunsten der rechten bevorteilt. Ma´u könnte es auch von der anderen Seite betrachtet so sagen: Wir erleiden durch diese Art der Lernorganisation geistige Benachteiligungen. Manche Forscher*innen sprechen sogar von Schädigungen. Dass darüber hinaus die eben angesprochene im Lernsystem praktisch ausgeschlossene Schulung unserer Akkommodationsfähigkeit weitere negative Folgen für uns hat, dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Wir werden unten sehen, dass dies ein Teil unserer Probleme ausmacht. Bevor wir aber im weiteren Fortgang dieser Darstellungen zu Graves kommen, wollen wir uns zunächst die Sichtweise Gebsers näher betrachten, da diese die beiden anderen näher erklären und auch „unterlegen" kann, zudem ist dieses Buch auch früher erschienen.

    Bevor wir uns jedoch Gebser zuwenden ist hier noch eine wichtige Zwischenbemerkung einzuschieben. Alle drei hier vorzustellenden Sichtweisen und Theorien auf die Geistesentwicklung der Menschen widersprechen grundlegend der insbesondere in den USA vorherrschenden psychischen Denkweise des Behaviorismus. So ist die Position Piagets methodisch grundlegend eine andere als die etablierte behavioristisch-positivistische Psychologie. Dies gilt in noch umfassenderer Weise für diejenige Gebsers. Und auch diejenige von Graves weicht ebenfalls gerade methodisch von dieser erheblich ab. Warum aber war eine Sichtweise, wie die des Behaviorismus, die ja glaubt einen Menschen nur danach beurteilen und verstehen zu können, was ma´u „von außen, also alleine durch die Beobachtung seines/ihres Verhaltens sieht, erkennen kann, so dominant? Das hat mehrere Gründe und ist ein weiterer Hinweis auf die meist sehr einseitige Wissenschaftsmethodik, die sich am rationalen Denken orientiert (s.u.). So ist es wichtig zu wissen, dass in der Vergangenheit noch mehr wie heute eine Wissenschaft nur dann eine wirklich richtige, „harte Wissenschaft war und oft heute noch ist, wenn sie im naturwissenschaftlich objektiv-mathematischen Sinne arbeitet. Und so nimmt es nicht Wunder, dass Watson, der Begründer des Behaviorismus, die bis dahin in der Psychologie gebräuchliche Methode der Introspektion - der Selbstbeobachtung - kategorisch ablehnte. Sein deutlich ausgesprochenes Ziel war es, die Psychologie als eine Naturwissenschaft gleichsam neu zu begründen. Er setzte ausschließlich auf die sogenannte „objektive Methode", indem er nur das Verhalten der Menschen beobachtete und dieses dann in Reiz und Reaktion zerlegte, also ganz im Sinne der Ratio.

    Dieser Ansatz wurde von dem wichtigsten seiner Nachfolger, Skinner noch erheblich erweitert und wird selbst heute noch von manchen Psycholog*innen vertreten. Diese Sicht widerspricht aber grundsätzlich der Tatsache, dass menschliche Reaktionen weitgehend von Innen gesteuert werden, bzw. nur von daher zu verstehen und zu interpretieren sind. Darüber hinaus wurde dieser Umstand inzwischen auch durch die moderne Gehirnforschung bestätigt. Wir haben hier ein sehr schönes Beispiel von paradigmatischem Denken, das erst mit dem Versterben seiner wichtigsten Vertreter ausstirbt. Darüber hinaus stimmt diese Denkweise weitgehend mit dem allgemein herrschenden Wissenschaftsdenken des Materialismus, Positivismus und Objektivismus überein. Vor allem aber mit der Weltsichtebene Orange = rational nach Graves, oder der defizienten Phase des mentalen Denkens nach Gebser (s.u.). Dies sind auch die Denk- und Bewusstseinsstrukturen, die dem herrschenden marktwirtschaftlich-kapitalistischen Denken zugrunde liegen. Auf diesen Zusammenhang werden wir noch ausführlich zurückkommen. Aber beschäftigen wir uns vorab etwas näher mit Gebser.

    a2) Gebsers Bewusstseinsstrukturen

    Vorab ist hier festzuhalten, dass auch Gebser (1905 – 1973) von einer geistigen Entwicklung der Menschen allgemein ausgeht, die er aber durchaus anders versteht als Piaget, oder später Graves. Er bezeichnet aber ihre „Übergänge als Mutationen. Beginnen wir aber mit einer grundsätzlichen Bemerkung. In dem immer noch existenten und dominierenden Darwin’schen Evolutionsmodell, wird auch der Mensch als ein Wesen verstanden, das immer noch biologisch diesem Prozess unterworfen sei. M.a.W., auch wir Menschen würden uns biologisch „weiterentwickeln. Aber dafür gibt es für unsere eigene biologische Existenzform keine Beweise. Wir haben uns also, seit wir „sapiens" sind, biologisch nicht mehr weiterentwickelt. Das gilt aber grundsätzlich geistig. Das veranlasste den Auraforscher Konstantin Korotkov zu der Bemerkung, wir Menschen seien Teil einer „Informationsevolution … Es ist (bei uns Menschen) keine Evolution des physischen Körpers (zu beobachten), sondern eine Evolution des Geistes"¹³.

    Ganz in diesem Sinne argumentiert Jean Gebser in seinem ungemein wichtigen Werk „Ursprung und Gegenwart". Es ist allerdings mehr als bezeichnend, dass dieses Buch umfassend ignoriert wird. Das hat damit zu tun, dass es sowohl eine umfassende Fundamentalkritik unseres derzeitigen Denkens enthält, als auch die schon vor sich gehende neue geistige Mutation desselben darstellt. So ist mir trotz nicht gerade geringer Literaturkenntnis gerade auch der Fachliteratur bis heute nur bei Ken Wilber ein umfassender und neuerdings J. Heinrichs ein eher abwertender Hinweis auf Gebser begegnet. Es sei aber den Leser*innen überlassen, sich nach der hier folgenden kurzen Darstellung ein eigenes Urteil zu bilden. Nach Gebsers Überzeugung haben diese geistigen Veränderungen so gravierende Folgen, dass er den Begriff der Mutationen für angemessen hielt. Er gewann allerdings diese Vorstellungen weniger durch psychologische Forschungen, sondern durch Literaturstudien und umfassendem Beobachten und Beurteilen sowohl künstlerischer als auch allgemein geistiger Äußerungen und Verlautbarungen. Und das in allen historischen und gesellschaftlichen Entwicklungsepochen. Seine Methode ist die kulturphänomenologische Betrachtung der Relikte vergangener Zeiten (Bilder, Statuen, Schriftstücke) und die Untersuchung der Worte und ihrer Wurzeln.

    Auf diesem Hintergrund schlägt er folgendes Entwicklungsmodell allgemein menschlicher Bewusstseinsstrukturen vor. Den frühesten menschlichen Bewusstseinszustand nennt er archaisch. Aber auf welche menschlichen Möglichkeiten des Denkens und Verhaltens bezieht er sich dabei. Es ist zunächst

    die Raumbezogenheit dieses jeweiligen Denkens, oder anders; existiert eine Raumbezogenheit überhaupt,

    dann in der gleichen fragenden Haltung dessen Zeitbezogenheit,

    des weiteren die Subjektbezogenheit

    und zuletzt die Objektbezogenheit der gemeinten Struktur.

    Die Raumbezogenheit der archaischen Struktur ist nulldimensional¹⁴. Eine Zeitbezogenheit ist noch nicht existent, und die Subjektbezogenheit ist noch unbewusst. Oder anders; es existiert noch keine Vorstellung von sich als einem Selbst. Und natürlich gibt es daher ebenso wenig eine Objektbezogenheit. Die Wahrnehmung einer eigenen „Welt außerhalb eines solchen Menschen ist eher latent. Es ist aber bei diesen Bezeichnungen darauf zu achten, dass sie immer nur eine geistige Bewusstheit und Denkmöglichkeit meinen. Sie beziehen sich keinesfalls auf mögliche Verhaltens- und Reaktionsmöglichkeiten im Verhalten der Menschen innerhalb ihrer realen Umwelt. Aus der diese Struktur „überwindenden Mutation geht die magische hervor. Die Raumbezogenheit dieser Struktur ist eindimensional oder punktförmig. M.a.W., hier existiert das Einfühlen und Einsfühlen mit der eigenen Stammeswelt. Eine Perspektive über die Punktbezogenheit hinaus existiert eben gerade aus dieser Punktbezogenheit heraus nicht, aber auch nicht im Sinne von Zeitbewusstheit. Die objektive Außenweltbezogenheit orientiert sich an der Natur als immer gegebene unveränderbare. Die subjektive Selbstbezogenheit orientiert sich an den eigenen Emotionen. Da uns über diese Strukturen trotz der enormen Dauer ihrer „Dominanz" wenige zugängliche Belege und/oder Nachweise anderer Art vorliegen, war es Gebser wohl nicht möglich, zwischen einer früheren effizienten und späteren defizienten Phase¹⁵ zu unterscheiden.

    Nach der folgenden Mutation, wahrscheinlich nach dem Ende der Eiszeit, entwickelt sich die mythische Struktur. Spätestens hier ist eine wichtige Zwischenbemerkung erforderlich. Es wäre völlig verfehlt sich diese Entwicklungen unserer Geistes- und Bewusstseinsstrukturen und Ebenen so vorzustellen, als wären die neuen Stadien, Strukturen oder Ebenen nach ihrer Evolutionsrealität nun alleine existent. Gemeint ist das in dem doppelten Sinne, dass sie einerseits nur noch alleine existierten und andererseits die voraufgehenden völlig verschwunden wären. Zu der Alleinexistenz ist zu sagen, dass es eine solche noch nie gegeben hat. M.a.W., es gab weiterhin Menschen, die noch in den vorausgehenden Ebenen, Strukturen und/oder Stadien dachten. Oder noch anders formuliert: es gab immer Menschen die die neuen nicht erreichten, ja meist auch aus noch anzugebenden Gründen gar nicht erreichen können (s.u.). Auch das völlige Verschwinden im Sinne eines endgültigen Überwundenseins wäre eine völlige Fehlmeinung. Die früheren und dann manchmal „überwundenen" Zustände¹⁶, bleiben immer in uns existent. Sie können bewusst – dann in der Regel effektiv -, aber auch unbewusst, dann aber immer mit absolut negativen Folgen¹⁷, in uns erneut aktiviert, bzw. von sich her selbständig aktiv werden. Dies hängt nach den Erkenntnissen von Graves von den jeweiligen konkreten Lebensverhältnissen – meist sich verschlechternder - der betroffenen Menschen ab.

    Kommen wir aber zur näheren Charakterisierung der mythischen Struktur zurück. Die Raumbezogenheit dieser Struktur ist zweidimensional oder flächenbezogen. Als ihre mögliche Darstellung, oder Signatur schlägt Gebser den Kreis vor. Sie ist zwar dadurch noch raumlos, aber schon naturzeithaft. M.a.W., ma´u beginnt in dieser Struktur die Zeit als Bewegungsdauer von wiederkehrenden Bewegungen z.B. des Tages, der Sonne, des Mondes usw. zu beobachten und zu begrenzen. Der objektive Bezug zu allem und jedem entspringt vor allem der Seele, der subjektive der Imagination, des Empfindens, des Gemütes. In ihrer defizienten Phase können wir die Heraufkunft des egoischen Denkens beobachten, das zum gewaltsamen Ende der matrilinearen Lebensform führt. Ma´u vergleiche hierzu die Göttersagen, in denen sich die männlichen Götter in schweren Kämpfen gegen die älteren Göttinnen durchsetzten, oder die Darstellung des Muttermordes in griechischen Mysterienspielen. Entscheidend ist es aber sich bewusst zu sein, dass dieses egoische Denken auch die Voraussetzung des sich ab hier entwickelnden patriarchalen Denkens war und bis heute ist. Wir kommen auf diesen Umstand noch mehrfach umfassend zurück.

    Nach der nächsten Mutation, beginnend etwa Mitte des letzten Jahrtausends vor Christi, entsteht das mentale Denken. Dieses ist dreidimensional, daher ist seine Signatur das Dreieck. Es ist jetzt perspektivisch und raumhaft. Sein Bezug zu der Zeit ist abstrakt im Sinne einer räumlich mechanisch gemessenen, von der Gegenwart gleichmäßig in die Zukunft verlaufenden Zeit. Ma´u kann es auch so ausdrücken: Sie wird auf diese Verlaufsstruktur, auch im Sinne ihrer Aufteilung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft festgelegt. Spätestens Einsteins Relativitätstheorie ebenso wie Bohrs Komplementaritätstheorie können uns aber zeigen, dass dieser „Umgang mit der Zeit, bzw. die damit verbundenen Vorstellungen über diese unzutreffend sind. Allerdings müssen wir dies „annehmen können, also eine neue Vorstellung der Zeit einem solchen Denken zugrunde legen. Wir werden dieses „neue Denken" gleich bei der Vorstellung der nächsten Mutation näher kennenlernen.

    Ihr objektiver Bezug ist die ab jetzt existente Raum-Welt, ihr subjektiver Bezug ist die Abstraktion, aber auch die begriffliche Reflexion und das Wollen. Noch eine Zuordnung ist interessant. Während im mythischen Denken der Bewusstseinsbezug eher „über die Seele aufs Innen gerichtet ist, ist er im mentalen Denken „über das Gehirn eher aufs Außen gerichtet. Hier folgt nun aber ein Hinweis Gebsers, der wohl auf wenig „Gegenliebe in unserem üblichen wissenschaftsgläubigen Denken treffen wird. Spätestens mit Leonardo da Vinci hatte sich die dreidimensionale Raumvorstellung in ihrer theoretischen, wie auch darstellerisch bewältigten Form durchgesetzt. Sie war ab da „verfügbar. Damit begann aber auch mit der sich spätestens mit Descartes begründeten absoluten Trennung von Objekt und Subjekt der Siegeszuges des derzeitigen rationalen Denkens. M.a.W., die defiziente Phase der mentalen Struktur. Wie ist das zu begründen?

    Wie eben festgestellt, ist der subjektive Bezug des mentalen Denkens die Abstraktion, die ihrerseits wesentlich mit der Dualität zusammenhängt. Die Folgen eines bis zum Äußersten getriebenen, auf einer grundlegend auf dem Dualen aufbauenden abstrakten Denkens beschreibt Gebser wie folgt: „Abgesehen davon, dass jeder Abstraktion eine isolierende Perspektivierung innewohnt und dass Perspektivierung andererseits zu Sektorierungen führen und somit die Erscheinungen, seien sie mentaler, seien sie dinglicher Realität, durch fortschreitende Unterteilungen oder Subsektorierungen (ma´u beachte hier als Paradebeispiel die Aufteilung der Wissenschaft selbst) nicht nur teilen und damit messbar machen, sondern auch quantifizieren, führen beide, sowohl die Abstraktion wie die Quantifizierung, letztlich in die Leere, ja in das Chaos. Dort, wo sie das ihrem Wesen gemäße Deutlichmachen überschreiten, schlagen sie, durchaus metabolistisch, in das Gegenteil der Deutlichmachung um, die dann, ihrem quantitativen Charakter gemäß, nicht nur bloße Verfinsterung mit sich bringt, sondern eben und das absolute Chaos. Von einem gewissen Punkte ab, dem der Überdeutlichkeit, sei sie nun mentale Erhellung, sei sie messbare Sichtbarmachung der Dinge, beginnt der unaufhaltsame Absturz in das Massenhafte"¹⁸.

    Dieses etwas umfangreichere Zitat wurde hier eingestellt, um von da aus die in den letzten rund zweihundertfünfzig Jahren zu beobachtende Entwicklung in dieses „Massenhafte zu verdeutlichen und damit ihre systematische Herkunft zu begründen. Dies galt sowohl in den Gesellschaften, aber auch der Wissenschaft und insbesondere Wirtschaft. Unbedingt zu erwähnen ist aber auch, dass die Kehrseite dieser Vermassung die Isolation der Menschen selbst ist. Siehe die zunehmenden Singlerealitäten von immer mehr Menschen und die Extremformen der Isolation gerade bei den „erfolgreichsten Wirtschaftssubjekten, insbesondere den Bankern. Diese werden einerseits „um die Welt geflitzt¹⁹, andererseits aber unterliegen sie einem absoluten Sprachverbot in Bezug auf ihren Berufsalltag²⁰, was diese Isolation fast absolut macht. Darüber hinaus bringen uns die Folgen des rationalen Denkens sowohl in der Politik, insbesondere aber in der Wirtschaft einem selbstverschuldeten Ende immer näher. Das weiterhin zu übersehen, bzw. zu verdrängen, oder noch deutlicher, unsere Realität von den unendlichen Bilderfluten der modernen Medien von Film über Fernsehen bis Internet zumüllen und dadurch unsichtbar werden zu lassen, kann uns schlicht unser Überleben kosten. Der Begriff „defizient für die Folgen dieses rationalen Denkens ist daher fast schon harmlos. Selbstmörderisch wäre zweifellos zutreffender, zumindest was ihre möglichen Folgen insonderheit im Konsumismus (s.u.) betrifft.

    Gebser macht nun zwar darauf aufmerksam, dass sich eine neue Mutation schon seit einiger Zeit in verschiedenen Bereichen sichtbar werdend ankündigt. Es zeigt sich aber in der Vergangenheit der bisher beobachtbaren Mutationen, dass diese „Übergänge nie einfach waren. Sie brachten in aller Regel enorme Veränderungen mit oft einer Vielzahl von Toten mit sich. Das hat damit zu tun, dass immer die in den jeweiligen Epochen existenten Eliten in besonderer Weise betroffen waren. Ma´u kann, ja ma´u muss – wenn ma´u sich anschaut, was diese Mutation ausmacht - davon ausgehen, dass dies heute in einer noch umfassenderen Weise geschieht, als je zuvor. Und es ist mehr als unwahrscheinlich, dass dies die derzeitigen Eliten einfach so, ohne jede Gegenreaktion, welcher Art auch immer, „über sich ergehen lassen, ganz im Gegenteil (s.u.). Das hat auch damit zu tun, dass diese nächste Mutation praktisch alle in den letzten Jahrhunderten entstandenen Verhältnisse umfassend verändern werden. Das gilt für die politischen, die religiösen, die wissenschaftlichen und insbesondere die wirtschaftlichen, die ja praktisch alle weitgehend auf dem rationalen Denken gründen.

    Um dies zu verstehen, hier zunächst die nähere Beschreibung dieser integralen, aperspektivischen Mutation, wie sie sich in ihren Vorläufen ankündigt und aus der bisherigen Logik heraus zu erwarten ist. Die letzte Bemerkung bezieht sich auf den Umstand, dass jede Mutation die „Eroberung und/oder Entdeckung, - wenn ma´u dies unter einem anderen Blickwinkel betrachtet -, einer neuen Perspektive darstellte. Dies kann ma´u deutlich von der perspektivlosen archaischen Denke, über die einperspektivische magische, die zweiperspektivische mythische, bis zur dreiperspektivisch mentalen Denkmöglichkeit beobachten. Spätestens seit Einstein wissen wir aber, dass die Zeit die vierte Dimension ist²¹. Also wird diese nächste Mutation mit der Integration der Zeit in unserem Denken zusammenhängen. Allerdings kann dies keinesfalls die durch das rationale Denken „kastrierte Zeitvorstellung sein. Hier nun die nähere Charakterisierung dieser neuen Bewusstseinsstruktur nach Gebser.

    Danach ist die neue integrale Bewusstseinsstruktur vierdimensional, wenn sich Heims Theorie weiterhin als richtig erweist²², ist sie sogar sechsdimensional. Ihre Signatur ist die durchsichtige Kugel, hergeleitet aus der nichteuklidischen Geometrie. Sie ist aperspektivisch – also über- oder jenseits der Perspektiven -, ihr objektiver oder Außenweltaspekt ist die raumzeitfreie Welt und der bewusste Geist. Ihr subjektiver Akzent ist die Konkretion. Gebser bezeichnet sie auch als gegenwärtigende durchsichtige (diaphanierend) Gänzlichung, integrierende Ganzheitssicht.

    Besonders wichtig ist ihm aber hervorzuheben, dass diese neue Bewusstseinsstruktur

    ichfrei – also umfassend nicht-egozentrisch – amateriell – also jenseits, über materieller Bezüge denkend – und

    apsychisch – also auch hier wieder jenseits, über rein eigen-, bzw. selbstpsychischen Bezügen denkend – ist.

    Für unser derzeitiges dreidimensionales Bewusstsein sind all diese Begriffe schwer bis gar nicht nachvollziehbar, wie ja alle diese „neuen Begriffe verdeutlichen. Gebser hat daher den gesamten zweiten Teil seiner Veröffentlichung diesem Thema gewidmet, worin er auf schon existierende Vorläufe zu dieser Mutation hinweist. Dies gilt z.B. in der Lyrik, von Rilke über Hölderlin, Hofmannsthal, Baudelaire bis Huxleys „Zeit muss enden. Dann in der Malerei Picasso und Braque in deren Weise verschiedene Perspektiven „übereinander" zu malen. Dann die schon erwähnte nichteuklidische Geometrie, in der Physik Einstein, Bohr, die Theorie des n-dimensionalen Raumes und insbesondere die Quantenphysik, Vorläufer in der Biologie, Psychologie, Philosophie, Soziologie usw.

    Es würde natürlich absolut den Rahmen sprengen, sollte hier auf all diese schon existierenden Ansätze eingegangen werden. Diese fallen uns üblicherweise nur deshalb nicht auf, weil wir sie rein mental und/oder rational betrachtet gar nicht erkennen können, bzw. mit allen Mitteln mental zu erklären versuchen. Hans-Peter Dürr ist ein gutes Beispiel eines Mannes, der versucht diese neue Sicht der Quantenphysik zu erklären, leider bisher mit wenig Erfolg. Es wäre allerdings sehr lohnend, bei Interesse dies alles nachzulesen.

    Auf jeden Fall aber stellt dieses ganze Konzept Gebsers eine ungemein erhellende Möglichkeit dar, uns Menschen allgemein und unsere gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen und Eigenarten speziell besser verstehen zu können. Es ermöglicht allerdings auch insbesondere die Auswüchse der derzeitigen weltweiten Realitäten besser verstehen zu können. Dies gilt vor allem in Richtung der Gleichzeitigkeit von Vermassung und Isolation und die Möglichkeiten, aber auch Auswüchse von Macht und ideologischer Manipulation. Es ist daher nur wenig verwunderlich, dass ein solches Denken mehr oder weniger totgeschwiegen wird, stellt es doch gerade auch der derzeitigen Wissenschaftsentwicklung kein besonders gutes Zeugnis aus, um es vorsichtig zu formulieren. Dass aber dahinter offensichtlich auch Machtinteressen eine Rolle spielen, kann vermutet werden. Die vergleichbare, aber möglicherweise weniger „abstrakte" Theorie der Weltsichtebenen von Graves erfährt hier ein vergleichbares Schicksal. Das kann ma´u leicht beobachten, wenn ma´u diese Begriffe googelt, was ja heute einer der besten Hinweise in diese Richtung darstellt. So gibt es unter dem Begriff Bewusstseinsstrukturen überhaupt keinen Eintrag, über das Thema Weltsichtebenen nur ganz wenige. Wenden wir uns aber jetzt den letzteren zu.

    a3) Graves´ Weltsichtebenen

    Clare W. Graves (1914 – 1986), ein amerikanischer Professor für Psychologie, ist der Begründer der Ebenentheorie der Persönlichkeitsentwicklung. Sein Interesse bestand zunächst darin, die von seinen Student*innen häufig gestellten Fragen zu den unterschiedlichen Theorien seiner Kolleg*innen eindeutig zu beantworten. Wer sich hier etwas auskennt weiß, dass diese in der Psychologie weit auseinandergehen. Er versuchte nun auf der Grundlage verschiedener Konzepte und zwischen 1952 und 59 weltweit gesammelter Daten und umfassender psychologischer Testreihen eine eigene Theorie zu entwickeln. Diese nannte er „The Emergent Cyclical Levels of Existence Theory (TECLET), etwa: „Die zyklisch auftauchenden Ebenen der Existenztheorie. Diese läuft darauf hinaus, dass seiner Überzeugung nach zwischen den äußeren Bedingungen und den inneren menschlichen neuronalen Systemen eine Interaktion stattfindet. Diese bilden dadurch neue bio-psycho-soziale Aktionssysteme. Allerdings sind diese Aktionssysteme abhängig von der kulturellen und individuellen Entwicklung, also der Ontogenese jedes einzelnen Menschen. Hierdurch kommt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass „die menschliche Natur nicht festgeschrieben ist, sondern sich in einem stetigen Wandel befindet, sie ist ein offenes, kein geschlossenes System" (Wik.).

    Wichtig ist hier festzuhalten, dass seiner Überzeugung nach diese Entwicklungen eine Antwort auf die zwischen externen Bedingungen und dem Nervensystem stattfindenden Interaktionen sind und eine Hierarchie mit mehreren Dimensionen aufweisen. Betrachtet ma´u sich allerdings Gebsers Strukturenmutationen als auch Piagets Stadienentwicklung, so kann ma´u einen eher inneren Antrieb für beide voraussetzen. Meiner Überzeugung nach wäre dies auch die treffendere Überlegung auf Graves´ Weltsichtebenen. Eine ganze Reihe von historischen Beobachtungen verweisen eher darauf, dass ein umfassenderes Denken eher Voraussetzung solcher Entwicklungen darstellt, als eine darauf gründende „Reaktion". Dies näher zu begründen würde jetzt aber zu weit abführen. Wir werden gleich eine Reihe von Übereinstimmungen zwischen den drei Theorien erkennen können. Diese stützen auch von dieser Seite die eben geäußerte Überzeugung.

    Da Graves vor der Veröffentlichung seiner Ergebnisse verstarb, übernahmen dies seine Studenten Beck und Cowan mit dem Buch „Spiral Dynamics"²³. Dabei veränderten sie einige Begriffe. Graves Ebenen nennen sie Wissens-Meme oder abgekürzt W-Meme. Darüber hinaus verwenden sie, um mögliche eigenbezogene Abgrenzungen von Leser*innen vorzubeugen, für die Benennung der Meme Farbnamen. Daraus ergibt sich dann die folgende Reihenfolge, wobei hier auch die wichtigsten Kennungen der einzelnen Meme in Kurzform angefügt sind:

    Beige oder archaisch, magisch und instinktiv vor ca. mehr 200 000 (???) Jahren entstanden: (Grundtenor) Tu, was Du für dein Überleben tun musst. Benutzt seinen Instinkt und seine Gewohnheiten, um zu überleben. Ein klar getrenntes Selbst ist noch kaum erwacht oder gar beständig. Nahrung, Wasser, Wärme, Sex und Sicherheit haben Priorität. Bildet Überlebendverbände, um das Leben zu erhalten und weiterzugeben.

    Zu finden: bei den ersten Menschen, Neugeborenen, senilen alten Menschen, Alzheimerkranken im letzten Stadium, geistesverwirrten Obdachlosen, verhungernden Massen.

    Purpur oder auch Stammesdenken, also animistischmagisch, vor ca. 50 000 J.: Die Geister zufrieden stellen und das Nest des „Stammes" warm und sicher halten.

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