Unsere Schulen machen aus uns Untertanen und verhindern selbständiges Denken
Von Peter Schlabach
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Über dieses E-Book
In dem vorliegenden Text zeigt der Autor, woher dieses Denken eigentlich kommt und wer es nach wie vor immer erneut praktizieren und aufrecht zu erhalten hat. Es sind dies zuerst die Familien und dann ganz besonders die öffentlichen Bildungseinrichtungen. Da dieses Denken aber vor allem und zuerst auch für alle derzeitigen Fehlentwicklungen verantwortlich ist, muss es dringend verändert werden. Wie aber könnte man zumindest das Bildungswesen reformieren? Der Autor macht gegen Ende dieses Buches weitreichende Vorschläge. Urteilen Sie selbst.
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Rezensionen für Unsere Schulen machen aus uns Untertanen und verhindern selbständiges Denken
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Buchvorschau
Unsere Schulen machen aus uns Untertanen und verhindern selbständiges Denken - Peter Schlabach
Vorwort
Warum wir als Originale geboren werden und meistens als Kopien sterben.
Arno Gruen
Jedes Kind, das in die Schule kommt, geht da mit Begeisterung hin. Aber wie schnell weichen diese Begeisterung Enttäuschung und oft totaler Frustration? Können Sie sich noch selbst an Ihre Schulzeit erinnern? Erlebten Sie – im normalen Unterrichtsalltag – jemals wirklich Glück und Begeisterung über das, was in der Schule ablief? Oder gar über das – mit wenigen Ausnahmen -, was Ihnen die Schule „anbot"? Bekommen Sie die ständig steigenden Klagen der Industrie, als auch der Universitäten mit, über den Mangel an ausreichenden Voraussetzungen, die angestrebte Lehre oder das Studium mit Erfolg angehen zu können?
Es führt einfach kein Weg an folgender Erkenntnis vorbei: die mangelhaften bis teils katastrophalen Ergebnisse unseres allgemeinen Bildungssystems zeigen sich immer deutlicher. Ja inzwischen gelingen sogar die Grundaufgaben einer allgemeinbildenden Schule, nämlich die Vermittlung der Kulturtechniken, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, nicht mehr ohne Probleme. Dies beweisen Pisa-Studien und eine neueste Studie der DIHK.
Dieses sind Belege genug und könnten eigentlich nicht länger überhört bzw. weitgehend ignoriert werden. Aber die angedachten Maßnahmen können, eher sollen, die wirklichen Ursachen des Problems nicht beseitigen. Welche sind aber diese Ursachen, bzw., was geht hier eigentlich schief? Oder noch anders ausgedrückt, welches verfehlte Denken bewirkt dies alles?
Schulen gibt es ja nicht erst seit „gestern, ganz im Gegenteil. Aber der Grundgedanke aller Bemühungen Kindern und Jugendlichen Kenntnisse zu vermitteln, lautete; die Kinder „wissen nichts
und es ist Aufgabe der Erwachsenen, diesen all das Wissen „mitzugeben", was die jeweilige Gesellschaft für erforderlich hielt und hält. M.a.W., nicht die Interessen der Kinder, oder gar deren Bedürfnisse, geschweige denn deren Voraussetzungen wurden beachtet und in die Bemühungen einbezogen, sondern alleine die Interessen der Erwachsenenwelt.
Kinder hatten und haben bis heute alle Inhalte zu „schlucken", die ihnen die Gesellschaft vorgibt. Dabei kam noch ein weiteres hinzu. Ma´u (ab hier immer für man/frau) war überzeugt, dass Kinder diese Inhalte durch memorieren und/oder Anwendung des logischen Denkens am besten lernen. Diese Praxis wurde insbesondere durch die Organisation des Lernens im sog. Frontalunterricht realisiert. Alle diese Umstände haben sich bis heute nicht wirklich verändert. Was aber ist an diesem Denken, das auch noch der heutigen Schule zugrunde liegt verfehlt?
Die Kritik an diesem Denken ist aus zwei Richtungen zu führen:
1. hat und hatte ma´u denn tatsächlich eine „richtige" Vorstellung vom Denken und Lernen (?) und
2. welche Art von gesellschaftlicher Realität steht hinter diesem Denken und soll den Kindern durch die vorgegebenen Lerneinrichtungen aufgezwungen werden?
Zu 1. Wie ma´u längst aus der Psychologie (insbesondere Jean Piaget, aber auch andere) weiß, ist Memorieren alleine eine Erinnerungsleistung, aber keine Denkleistung. Dazu kommt, dass die alleinige Favorisierung der Logik unser Denken verarmen lässt. Ma´u kann Logik zwar gut zu gebrauchen, um schon bekannte Sachverhalte zu korrigieren und zu klären, aber niemals um neue Umstände hervorzubringen. Die Psychiaterin G. Roggendorf hat diese Umstände mit folgendem Zitat sehr deutliche ausgedrückt: „Das Denken der Kinder wird beschränkt und verarmt, wenn man sie in ihrem gesamten Schulleben ausschließlich auf Faktenmemorieren und logisches Denken drillt. Das kommt … einer geistigen Verstümmelung gleich"! Deutlicher kann ma´u die ja beabsichtigte Wirkung eines so strukturierten Bildungssystems nicht charakterisieren. Wieso aber ist diese Wirkung beabsichtigt?
Das zeigt uns der Punkt 2: Die Grundlage aller großen Kulturen ist seit ca. 6000 Jahren Patriarchales Denken und Handeln. Damit ist gemeint, dass alle diese Gesellschaften bis heute vor allem und zuerst machthierarchisch organisiert waren und sind. In solchen Gesellschaften war und ist eines unbedingt zu verhindern, selbständiges Denken. Solches Denken würde immer und hat es auch zu allen Zeiten – wenn es denn ausnahmsweise vorkam -, diese Hierarchie und damit die herrschenden Machtverhältnisse in Frage gestellt. Daher wurde und wird es bis heute direkt oder indirekt bekämpft. Also wurden und werden Schulen (mit Ausnahme einiger Privatschulen) so organisiert, dass sie genau solches Denken verhinderten und immer noch verhindern.
Die Schule war und ist ein Zwangssystem. Es
erzieht Kindern ihren Bewegungsdrang ab,
unterwirft sie dem Diktat der Uhr,
bringt sie mit Menschen zusammen, die sie selten bis gar nicht gewählt hätten und
setzt ihnen Lehrer*innen vor, die sie ebenso selten selbst wählen würden.
Darüber hinaus müssen sie Inhalte erlernen, die sie wenig bis gar nicht interessieren und
die sich daher auch nicht wirklich mit ihnen verbinden.
Alle diese Umstände führen immer nur zu Anpassung, bzw. Unterwerfung unter die Zwänge des Systems und damit letztlich zu Konformismus und Gehorsam. Oder m.a.W. nach wie vor zu Untertanen. Die Schule entsprach und entspricht in Aufbau und Organisation genau diesem Denken und dieser leider nicht überholten Weltanschauung überhaupt.
Heute ist aber der alles entscheidende Unterschied, dass sich in den letzten Jahrhunderten die Staatsform zur Demokratie weiterentwickelte?! Es wurden aber trotz dieser politisch grundlegenden Veränderung genau diese eigentlich obrigkeitlichem Denken verpflichteten Prinzipien in die heutige Schulorganisation übernommen. Ja ma´u hat sie sogar mit der neuen Hochschulreform auch den Universitäten aufgezwungen.
Immer noch ist die weitaus überwiegende Unterrichtsform Frontalunterricht und selbst in reformansetzenden Versuchen, wie z.B. Gruppenunterricht oder Projektunterricht legen die LehrerInnen durch die Lehrpläne verpflichtet Inhalte und Ziele fest.
Nun könnte ma´u einwenden, diese Kritik an den gegebenen Umständen sei die Meinung eines Einzelnen, die durch nichts zu belegen sei. Aber spätestens seit den leider immer noch kaum beachteten Forschungsergebnissen von Jean Piaget u.a. ist eine solche Kritik schlicht widerlegt. Diese Ergebnisse zeigen eindeutig, dass diese Art der Organisation von Unterricht, die vorgegebenen Inhalte und die Art der Vermittlung, an den Bedürfnissen der SchülerInnen und StudentInnen völlig vorbeigehen. Vor allem aber können sie nur zu Konformismus und Gehorsam führen. Das ist für ein demokratisches Gemeinwesen ein schlichter Skandal. Die Folgen, bzw. Folgekosten dieser verfehlten Schul- und Bildungspolitik –
weitgehende Ineffizienz des Unterrichts,
immer weiter anwachsende Verweigerung der SchülerInnen diesem Unterricht gegenüber,
ausufernde Aggression in der Schule und an der Ausbildung Gescheiterter,
steigende Sozialleistungen an nicht Ausbildungsfähige,
umfassende Manipulierbarkeit der Bürger,
um nur einige besonders auffällige zu nennen – laufen immer mehr aus dem Ruder. Sie dürften sich noch stetig weiter steigern, wenn nicht endlich grundlegende Reformen eingeleitet werden.
Auf den folgenden Seiten wird gezeigt, warum eine im Kern aller gesellschaftlichen Organisationsformen immer noch patriarchal machthierarchisch organisierte Gesellschaft wirklich grundlegende Reformen bisher verhindert hat. Aber auch, warum eine solche unabdingbar zu fordern ist. Auf den letzten Seiten werden die möglichen, vor allem aber nötigen Grundzüge einer „Schule", die an den Voraussetzungen, Bedürfnissen und Wünschen von Jugend orientiert ist entwickelt. Eine solche Schule kann autonome, selbstbewusste, aber auch selbstverantwortliche Menschen hervorbringen helfen.
Diese können auch dann ein demokratisches Gemeinwesen mit Leben erfüllen und endlich ihren grundgesetzlichen Auftrag annehmen. Nämlich eine eigene politische Willensbildung zu praktizieren. Vor allem aber können nur solche Menschen Alternativen entwickeln, um unser Überleben generell zu sichern. Es ist ja nicht unbekannt, dass das durch die immer deutlicher werdenden Folgen der kapitalistisch bedingten Globalisierung massiv bedroht ist.
Die folgende Darstellung erfolgt in einer Reihe von Briefen und dreier ausführlicher Gespräche zwischen einem Opa und seinem Enkel.
Garteis im Herbst 2017
2. Auflage Garteis im Sommer 2019
2.Vorwort
Schon seit geraumer Zeit erreichen mich Hinweise, dass meine Bücher für viele Menschen schwer zu lesen sind. Danach hat das damit zu tun, dass ich
erstens meine Gedanken in zu langen Sätzen „unterbreite",
zweitens der Verlauf eines Gedankenganges zu überlangen Abschnitten führt und
drittens, dass ich manchmal zu viele Fremdworte verwende, ohne diese zu erklären.
Es ist meine Absicht, sowohl in den ab jetzt folgenden Überarbeitungen, aber auch neuen Veröffentlichungen diese Hinweise ernst zu nehmen. Das hat zur Folge, dass ich
erstens ab hier auf diese Hinweise eingehe. Und zwar in dem Sinne meine hier unterbreitete „Sprache" zugänglicher zu machen. Allerdings kann ich natürlich nur hoffen, dass mir das gelingt. Im eigenen Kopf ablaufende Sätze zu verändern, ist eben gar nicht so einfach.
Zweitens werde ich natürlich hier die Gelegenheit nutzen auch in der Zwischenzeit entstandene neue Erkenntnisse mit aufzunehmen.
Insgesamt kann ich nur hoffen, dass es mir gelingt, beiden Absichten gerecht zu werden. Meine „zukünftigen" Leser*innen werden sich darüber ihr eigenes Urteil bilden.
3. Auflage Garteis im Herbst 2020
I. Briefserie
….., den 20.1.2017
Hallo Opa
Heute war mal wieder so ein richtiger Sch… tag in der Schule. Ein Hauptfach nach dem anderen. Darüber hinaus haben wir in etwa 4 Wochen Ferien. Das hat zur Folge, dass wir wieder mal eine Arbeit nach der anderen und ein Test nach dem anderen schreiben müssen. Wegen der Zeugnisse natürlich. Auf dem Heimweg schimpfte mein Freund Erkan über seine Note in Mathe – eine 5. Er hatte doch ziemlich viel für diese Arbeit gelernt, sagte er zumindest. „Aber dieser Pauker ist doch einfach blöd. Warum muss er seine Fragen so blöd stellen, dass kein Mensch herauskriegen kann, wie das geht".
Da holte ich meine Arbeit aus meinem Sack – übrigens eine 2. Wir schauten gemeinsam nach. Erkan hatte eine Aufgabe in Geometrie nicht gelöst. Es war nur die Grundseite des Hauses und die Länge einer Seite des Satteldaches angegeben. Ich habe die Aufgabe mit Hilfe des Satzes des Pythagoras gelöst. Er hatte schlicht nicht erkannt, dass das die Lösung war. Als er meine Lösung nicht nachvollziehen konnte, zeigte ich ihm was ich meinte an einer kleinen Zeichnung. Jetzt wurde er fast ärgerlich. Aber irgendwie verstehe ich nicht, dass Erkan das nicht auch gesehen hat. Er ist doch nicht blöd. Kannst Du mir das erklären Opa?
Aber das war heute nicht die einzige Fruststunde. Wir schrieben einen Test in Erdkunde über Afrika. Den üblichen Blödsinn mit möglichst vielen Namen von Flüssen, Bergen und Ländern. Da ich wusste, dass heute eine solche Arbeit kommen würde, habe ich das Meiste gelernt. Aber ich glaube, dass ich jetzt schon nicht mehr alles weiß und in einigen Tagen ist sowieso alles vergessen. Ich bin immer wieder verärgert und gelangweilt, dass man in der Schule einen Haufen Zeug wiederkauen muss, bzw. abgefragt wird, was weder mich noch meine Freunde interessiert. Wir haben schon eine Art Sport daraus gemacht, es möglichst schnell wieder zu vergessen. Ich frage mich schon manchmal, was dieser ganze Blödsinn eigentlich soll. Wenn ich aber jemanden frage, kriege ich entweder zu hören: „das war schon immer so, oder „da kann man halt nichts machen, das legt der Staat (?) fest
.
Ich habe vorhin noch mal über den heutigen Tag und das Problem von Erkan nachgedacht. Da fiel mir ein, dass Du ja Lehrer warst und dass Du mich bei Deinem letzten Besuch darauf angesprochen hast, ob es mir in der Schule gefällt. Ich fand das damals eigentlich eine blöde Frage. Wem gefällt es denn schon in der Schule? Aber Du hast auch die Bemerkung gemacht, wenn mir die Schule mal wieder richtig stinkt, sollte ich Dich fragen, wie das Ganze zu verstehen sei. Da Du aber so weit weg wohnst, war mir bisher der Aufwand zu groß. Aber jetzt merke ich, dass mir das Ganze so zuwider wird, dass es mich doch zu interessieren beginnt. Könntest Du mir zu diesen ganzen Zusammenhängen wirklich etwas sagen? Es interessiert mich immer mehr!
Hallo. Jetzt am Ende des Briefes merke ich, dass ich ja noch gar nicht gefragt habe wie es Dir geht? Bitte entschuldige. Aber ich war einfach so geladen, dass ich das völlig vergessen habe. Mama hat mir vor kurzem erzählt, dass Du etwas erkältet warst. Bist Du wieder gesund? Und wie geht es Oma? Seid Ihr beide o.k.? Habt Ihr immer noch von den guten Äpfeln? Ich freue mich schon auf Deine Antwort und das kleine Geschenk, das ich immer von Euch bekomme, wenn Ihr mir schreibt, oder sonst was schickt. Also auch uns geht es allen ganz gut und am Wochenende wollen wir Schlitten fahren gehen, da wir hier doch tatsächlich auch mal genügend Schnee haben.
Herzlich Tom (Dein ziemlich genervter Enkel Thomas)
.
.
…, den 25.1.2017
Hallo Thomas
Wow. Mein lieber Mann. Da hast Du aber ganz schön Dampf abgelassen. Aber zunächst möchte ich mich ganz herzlich bei Dir für diesen tollen Brief bedanken. Erstens schreibt man heute kaum noch, auch nicht über eine mail. Und zweitens ist es keineswegs selbstverständlich, dass ein Enkel seinem Opa, einem „Grufti schreibt. Dass Du es aber getan hast, zeigt mir, dass Dich dieses Thema wirklich ganz schön auf die Nerven geht. Bevor wir uns aber näher mit diesem Thema beschäftigen können, müssen wir vorab klären. Also, was willst Du wirklich wissen? Willst Du z.B. nur etwas über die unter „normalen
Umständen an den Schulen ablaufenden Verhältnisse erfahren? Oder interessiert Dich wirklich, welche eigentliche gesellschaftliche Katastrophe die Schulen bzw. das ganze Bildungssystem darstellt?
Wenn Dich das Letztere interessiert, kann ich Dir einige interessante Auskünfte versprechen. Aber leider sind diese manchmal durchaus schwierig zu verstehende. Vor allem wird dies dann nicht ganz so schnell gehen. Alle diese Umstände hängen nämlich mit vielen Vorstellungen und Sichtweisen der verschiedensten „wichtigen" Menschen und gesellschaftlichen Gruppen zusammen. Vor allem aber auch deren unterschiedlichen Interessen Dies braucht eine Menge Zeit und viele Hinweise. Bitte schreibe mir was Du wirklich wissen willst.
Ah noch was. Du wolltest ja noch wissen, warum Dein Freund Erkan nicht auch auf Deinen Lösungsweg für Eure Mathearbeit kam. Es kommen da zwei Möglichkeiten in Frage: entweder er war einfach etwas aufgeregt, was ja in solchen Situationen durchaus vorkommen kann. Aber es gibt auch noch eine zweite Möglichkeit. Aber diese hier darzustellen oder gar näher zu beschreiben, würde jetzt etwas zu weit führen. Dies gilt aber vor allem dann, wenn Du Dich für die umfassendere Antwort interessieren solltest. Da müssten wir eh noch ausführlichst auf dieses Thema eingehen.
Aber an diesem Beispiel kannst Du schon erkennen, dass das was mit Lernen und Schule zu tun hat, nicht so ohne weiteres mit üblichen Ansichten zu verstehen ist. Und es gibt da noch sehr viel mehr zu beachten auch und gerade im Hinblick auf die Art, wie heute Schule und Lernen staatlich organisiert wird. Da ich aber erst Deine Antwort auf meine obige Frage abwarten will, will ich hier noch keine weiteren Umstände oder gar Kritikpunkte ansprechen.
Mir und Oma geht es momentan mal wieder ganz gut. Aber leider sind die Äpfel jetzt doch schon so trocken geworden, dass auch wir sie nur noch zum Kochen verwenden. Da wir aber noch einige haben, kannst Du ja mal Mama fragen, ob wir Euch zu diesem Zweck welche schicken sollen, denn dafür sind sie natürlich noch gut geeignet.
Nochmals ganz herzlichen Dank für Deinen Brief
Herzlich Dein Opa (der schon voll Spannung Deine Antwort erwartet)
.…, den 29.1.2017
Hallo Opa
Heute werde ich nicht vergessen Dir als erstes für Deine schnelle Antwort zu danken und Dir zu sagen, dass ich mich darüber freue. Scheinbar ist dieses Thema wirklich für Dich von großem Interesse und ich merke, dass auch ich immer mehr Bock darauf habe. Ich habe mir doch tatsächlich im Fernsehen eine Diskussion über Fragen zur Bildungspolitik angehört. Da war ich über mich fast selber baff.
Du weißt ja sicher, dass bei uns in NRW bald Wahlen sind. Da stellen die Parteien ihre entsprechenden Programme vor. Ich habe also mitbekommen, dass solche Fragen zuerst Ländersache sind. Alle Parteien versprechen hoch und heilig mehr Geld in das Bildungssystem zu stecken. Sie wollen mehr Lehrer anstellen, sagen alle.
Die Linken wollen sogar überall die Studiengebühren und das Büchergeld abschaffen. Papa hat aber skeptisch gelacht. Er bemerkte, dass wir alle in „blühenden Landschaften – laut Papa war das der Spruch des Herrn Kohl nach der Wende über die neuen Bundesländer – leben würden, wenn die Parteien ihre Wahlversprechen halten würden. Aber meist wollen die nach der Wahl nichts mehr von „ihrem Geschwätz von gestern
wissen. Ich fragte Papa warum er so heftig reagierte. Er antwortete, dass wir leider nach jeder Wahl erneut so gut wie nichts von den Wahlversprechen abbekämen. Und der Satz mit dem Geschwätz stamme ja von einem Politiker, dem „alten Adenauer", wie er sagte.
Aber ich komme ja fast selbst ins Schwätzen. Also konkret zu Deiner Frage: ich wusste ja gar nicht, dass man auf so unterschiedliche Weise antworten kann. Existieren denn nicht überall auf der Welt die gleiche Form der Schule – soweit ich weiß und sofern es überhaupt welche gibt? Ist es denn wirklich so, dass überall die Schulen Mist machen? Zumindest muss ich das so sehen, wenn Deine Bemerkung in Deinem Brief stimmt. Wenn das aber wirklich so ist, dann will ich natürlich wirklich wissen, was da vor sich geht. Vor allem aber warum das so ist. Ich kann mir aber auch denken, dass es nicht immer einfach sein wird das Alles zu verstehen. Aber erstens kann ich ja auch Mama oder Papa fragen und wenn die mir nicht weiterhelfen können, frage ich einfach Dich noch mal. Ich glaube schon, dass wir Wege finden, um auch mir deutlich zu machen, was hier Sache ist.
Also nochmals vielen Dank für Deinen Brief und vielleicht schickst Du mir das nächste Mal ja doch wieder was mit. Und vielleicht kommst Du uns ja bald mal wieder besuchen
Ganz herzlich Tom
_
a) Geistige Entwicklung eines Kindes
…, den 2.2.2017
Hallo Thomas
Ganz herzlichen Dank für Deinen Brief. Einerseits freut es mich, dass Du Dich immer mehr für dieses Thema interessierst und die umfassendere Antwort willst. Andererseits bedeutet das aber, dass Du mir wahrscheinlich noch etliche Briefe schreiben musst, denn natürlich können wir dieses Problem nur Schritt für Schritt angehen und wir haben eine Menge Schritte vor uns. Ich hoffe daher sehr, dass Du die entsprechende Ausdauer haben wirst.
Ich muss aber noch etwas vorab ansprechen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass viele der Umstände, die ich ansprechen muss, von anderen Menschen oft völlig anders gesehen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie beginnen bei dem Umstand, dass etwas, was schon „immer so war" richtig sein muss. Vor allem aber endet es bei massiven Eigeninteressen der jeweiligen gesellschaftlichen Eliten. Was ich damit meine, wird später noch deutlich werden. Und natürlich kann ma´u fast zu allen Dingen unterschiedlicher Meinung sein. Aber ich konnte ja selbst mein ganzes Berufsleben lang diese Umstände beobachten und habe daher für fast alle meine Standpunkte auch gute Gründe. Da ich mich darüber hinaus oft auch wissenschaftlich mit diesen Umständen beschäftigte, denke ich, dass sich die Grundzüge meiner Kritik an der Schule jederzeit bei kritischem Hinschauen, wiederfinden lassen. Beginnen wir also von vorn.
Das heißt in diesem Falle konkret zu überlegen, was denn wohl eine von der Gesellschaft eingerichtete und unterhaltene, also finanzierte Schule machen, leisten oder vermitteln soll. Ich denke Du wirst mit mir in der Annahme übereinstimmen, dass eine Schule Heranwachsenden helfen soll, diese auf ihr zukünftiges Leben vorzubereiten. M.a.W., dass diese sich in der jeweiligen Gesellschaft erfolgreich zurechtfinden können. Es heißt ja immer so schön - und diesen Spruch hast Du sicher schon oft gehört -: „Ihr lernt das Alles für euer Leben". Ich weiß sehr wohl, dass dieser Spruch Kinder mit der Zeit geradezu anödet, da sie damit eigentlich gar nichts anfangen können. Kinder wissen ja noch überhaupt nicht, was sie in diesem zukünftigen Leben wirklich brauchen werden.
Aber vermutlich haben sie von Ihren Eltern schon das eine oder andere mal gehört, dass das was Ihnen die Schule gelehrt hat, in großem Umfang „für die Katze war. Denn das was Sie wirklich gebraucht hätten, hat Ihnen die Schule gerade nicht gelehrt. Alle diese Ansichten sind in einem gewissen Sinne durchaus auch richtig, aber auch die Aussage „Ihr lernt für das Leben
ist in großem Umfange zutreffend, auch wenn Dich dieser Spruch selbst schon genervt haben sollte.
Ich muss auch noch etwas richtig stellen: das was die Schule macht ist natürlich nicht alles Mist. Aber die Schule wie sie heute organisiert ist und was, vor allem aber wie sie es macht, ist in einem erheblichen Maße unsinnig bis absolut kontraproduktiv. Das gilt zumindest dann, wenn ma´u es auf euer zukünftiges Leben und die Art und Weise bezieht, wie Kinder wirklich erfolgreich lernen sollten. Um dies aber zu verstehen, muss ma´u eine Menge wissen und sich einige Umstände sehr genau betrachten und überlegen.
Du selbst hast schon auf einen besonders wichtigen Punkt hingewiesen, den Umstand Eures möglichst schnellen Vergessens von Lerninhalten nämlich. Ma´u kann sich diesen Sachverhalt überlegen von welcher Seite man will. Aber um es möglichst schnell wieder zu vergessen wird natürlich nichts an der Schule gelehrt. Aber dieser Umstand des schnellen Vergessens von Lerninhalten ist keineswegs neu. Ganz im Gegenteil zeigten schon während meines Studiums verschiedene Studien zu diesen Themen diesen Umstand auf. M.a.W., selbstverständlich weiß ma´u in Fachkreisen um diese Zusammenhänge. Aber bis heute gibt es – zumindest bei uns - keine erkennbaren ernsthaften Anstrengungen, dies im Sinne einer Verbesserung zu ändern. Hier zeigt sich einer der katastrophalen Umstände des Versagens der Bildungspolitik.
Inzwischen glaube ich allerdings nicht mehr, dass dies ohne Absicht geschieht. Ma´u kennt nämlich inzwischen aus unterschiedlichsten Studien die Folgen dieser Art von „Lernen". Sie führt nämlich immer erneut nur in Gehorsam gegenüber Autoritäten. Und dieser Umstand ist sehr wohl gewollt, allerdings wird natürlich solches niemandem gesagt, geschweige denn öffentlich diskutiert. Aber darauf muss ich im Zusammenhang mit dem Zustand unsrer Gesellschaft noch näher eingehen.
Aber es gibt noch eine andere Folge solcher Umstände. Seit mehreren Jahrzehnten geht die Lernbereitschaft der Kinder an den Schulen zurück. Ma´u kann das auch so ausdrücken. Alle Schüler*innen verlassen mit immer weniger Kenntnissen und Fähigkeiten die Schulen. Ma´u braucht sich dazu nur die Klagen der Industrie über die Defizite ihrer zukünftigen Lehrlinge anzuhören, um zu sehen, was hier vor sich geht. Nun könnte ma´u ja meinen das wäre in Gymnasien anders. Aber weit gefehlt. Universitäten müssen nicht selten neuen Studierenden in speziellen Kursen die Rückstände helfen aufzuholen, die ihnen die Schule „vermittelt" hat. Ein deutlicheres Zeugnis des Versagens kann ma´u einem allgemeinen Bildungssystem gar nicht machen. Aber kennst Du irgendwelche erkennbare Initiativen hier wirklich etwas zum Besseren zu verändern? Ich kenne solche Ansätze an sog. Brennpunktschulen, wo ma´u sonst gar nicht mehr weiter käme. Und es gibt sogar in jüngster Zeit in einigen Bundesländern Versuche, neue Lernansätze einzuführen. Mal sehen, wie das weitergeht. Ich will Dir aber in meinen Bemühungen als Antwort auf diese Fragen Hinweise geben, die sowohl die Gründe bei den Kindern, als auch bei der Gesellschaft aufzeigen sollen.
Wenn ma´u sich diesen Fragen annehmen will, muss ma´u sich vor allem drei Sachverhalte genau anzusehen. Da ist erstens das Kind, um das sich letztlich alles dreht. Dann sind da die Eltern, die das Kind erziehen sollen und fast immer auch wollen. Aber zur Beurteilung unserer Frage fast noch wichtiger ist die Gesellschaft in die hinein ein Kind geboren wird und in die hinein es erzogen werden soll. Ich hoffe Du stimmst mit mir überein, dass die Meinungen und Überzeugungen der Gesellschaft allgemein, als auch der einzelnen Menschen im Besonderen zur Beantwortung dieser Fragen von entscheidender Bedeutung sind. Der Grund für die überragende Bedeutung der jeweiligen Meinung zu diesen Umständen liegt darin, dass die beiden Seiten, Erwachsene und Gesellschaft „gebraucht" werden, wenn es um die Erziehung der Kinder geht. Der jeweils einzelne Mensch ist ja als Mama oder Papa eine ganz überragend wichtige Erziehungsinstanz und die jeweilige Gesellschaft ist es, in die der/die zukünftige BürgerIn hinein erzogen werden soll. Beide Seiten müssen also zumindest in Grundzügen gleicher Meinung darüber sein, wie diese Gesellschaft beschaffen ist, bzw. sein soll, und dass das was als Erziehung geschieht in umfassender Weise damit in Einklang stehen sollte.
Ich will Dir das was ich hier meine kurz an einem Beispiel der jüngeren Geschichte verdeutlichen. Nach dem für Deutschland verlorenen ersten Weltkrieg waren immer noch sehr viele Eltern innerlich Anhänger des untergegangenen Kaiserreiches. Das hatte zur Folge, dass sie ihre Kinder im Sinne und im Hinblick auf eine existierende „höhere Autorität erzogen. M.a.W., diese Kinder wurden im wahrsten Sinne des Wortes autoritätshörig erzogen. Es gibt einen ganz guten Film, „Das weise Band
, in dem diese Umstände sehr deutlich dargestellt werden. Inzwischen gab es aber in Deutschland eine Demokratie, die sog. Weimarer nämlich. Aber alle diese Menschen einschließlich ihren Kindern konnten und wollten keine selbständig denkenden demokratischen Bürger sein, da sie die Staatsform der Demokratie ablehnten. Dies war, neben den eigentlichen vor allem finanziellen Folgen des verlorenen Krieges natürlich, einer der entscheidenden Gründe dafür, dass die Weimarer Republik als sie in die Krise geriet, von vielen BürgerInnen nicht im Sinne demokratischer Einstellungen unterstützt wurden, so dass Extremisten von beiden Seiten – also von links und von rechts – die Mehrheit im Parlament gewannen. Noch entscheidender war aber, dass genau solche Menschen dann zu besonders begeisterten Anhängern der Nazis, also autoritären Diktatoren, wurden. Dass aber auch umgekehrte Zusammenhänge – also wenn der Staat nicht das vermittelt, was er sollte, um aus seinen BürgerInnen selbstbewusste Demokraten zu erziehen – in eine ähnliche negative Richtung sich entwickeln können, darauf werden wir weiter unten noch zurückkommen müssen. Dies gilt vor allem deshalb, weil es derzeit mit dem Populismus neue Entwicklungen in eine vergleichbare Richtung gibt.
Ich denke, dass dies fürs erste reicht. Heute habe ich aber den Brief mit der Post verschickt und Dir und Deiner Schwester eine Kleinigkeit beigelegt. Aber ich war über Deine Bereitschaft, Dich mit diesem Thema zu beschäftigen so begeistert, dass ich Dir möglichst schnell per mail antworten wollte und da kann ich halt nichts beilegen. Uns geht es nach wie vor ganz gut und ich hoffe Euch auch.
Also bis bald
Herzlichst Dein Opa (wenn Du an einer Stelle nicht weiterkommst, frage einfach nach)
…, den 9.2.2017
Hallo Opa
Wow! Jetzt weiß ich, was Du in Deinem Brief mit deiner Vorwarnung gemeint hast. Dein Brief war ja ziemlich lang. Oh ja ich werde wohl einige Ausdauer brauchen, um das ganze durchzustehen. Als ich Deinen Brief las, war ich mehrere Male nahe dran aufzugeben. Das hat mich dann aber etwas über mich wütend gemacht. Ich habe mich dann Dank einiger Unterstützung von Papa doch durchgekämpft. Der sagte mir aber auch, dass er das nicht jedes Mal machen wird. Er habe erstens nicht immer Zeit und Lust dazu. Zweitens scheint er mit dieser meiner „Macke, wie er meinte, nicht so ganz einverstanden zu sein. Er scheint auch auf Dich etwas ärgerlich zu sein. Er sagte, Du würdest mir nur „Flausen
in den Kopf setzen, die mir nach seiner Meinung eher schaden als nützen. Über diese seine Reaktion war ich etwas erstaunt. Eigentlich sieht er es doch ganz gerne, wenn ich mich nicht zu viel mit irgendwelchen Spielen am Computer beschäftige, sondern „was Vernünftiges" tue. Scheinbar scheint ihm dieses Interesse von mir nicht so vernünftig zu sein.
Aber