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Wie viele Sekunden hat das Glück
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eBook918 Seiten12 Stunden

Wie viele Sekunden hat das Glück

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Über dieses E-Book

Katharina Neubauer blickt an ihrem 89. Geburtstag auf ihr bisheriges Leben zurück.
Sie stellt fest, das sie in ihrem Leben nichts Schlimmes getan hat und sie fürchtet sich nicht, wenn sie eines Tages vor ihrem Herrgott steht.
Schon in jungen Jahren muss sie sehr hart auf dem elterlichen Hof arbeiten.
Als sie den Sohn vom Neubauer Hof heiratet ist sie glücklich. Die jungen Leute lieben sich sehr. Die Schwiegereltern lieben Katharina als sei sie ihre eigene Tochter.
Doch dann kommt Hitler an die Macht.
Katharina hat Angst ihren ältesten Sohn an die Nazis zu verlieren. Als der zweite Weltkrieg ausbricht, muss auch ihr Mann in den Krieg ziehen.
Für die junge Frau bricht eine Welt zusammen.
Nun ist Katharina mit ihren Kindern und den Schwiegereltern alleine auf dem Hof. Eines Tages bekommt sie die Nachricht, dass ihr Mann in Russland vermisst wird. Eine schreckliche Zeit beginnt für die junge Mutter. Sie kann es nicht fassen und sich auch nicht damit abfinden, dass sie ihren geliebten Mann nie wiedersehen darf.
Nach Kriegsende lernt sie einen amerikanischen Offizier kennen. Aus Freundschaft wird Liebe.
Als der Hochzeitstermin schon feststeht, kommt ihr vermisster Mann aus der sibirischen Gefangenschaft heim.
Katharina muss sich nun entscheiden: Soll sie bei ihrem Mann bleiben, der sie wahrscheinlich gar nicht mehr liebt, oder soll sie ihren Captain endlich heiraten, mit dem sie schon einige Jahre sehr glücklich ist.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Feb. 2021
ISBN9783347201576
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    Buchvorschau

    Wie viele Sekunden hat das Glück - Marita Schöneweiß

    Kapitel 1

    Der Himmel öffnete seine Tore und die Schneeflocken tanzten zur Erde hinab. Die Gäste der einstigen Bäuerin Katharina Neubauer saßen vergnügt am Kaffeetisch, redeten über dieses und jenes und aßen und lobten die vorzüglichen Torten die Monika, Michaels Frau, gebacken hatte.

    Autsch!, rief der Urenkel Moritz und ein Stück Torte verschwand in seinem Mund.

    Könnt ihr nicht ausnahmsweise einmal, ohne euch zu streiten, am Tisch nebeneinander sitzen?, schimpfte Monika.

    Franziska, gerade sechzehn Jahre jung, wollte ihre Mutter aufklären, dass ihr jüngerer Bruder sie dauernd unter dem Tisch mit seinen Füßen trat, aber sie blieb lieber ruhig.

    Katharina Neubauer hatte fünf Urenkel und sie war sehr stolz auf sie. Das Geburtstagskind schaute zu den Kindern und meinte lächelnd: Nach dem Kaffeetrinken könnt ihr ruhig zu euren Freunden gehen oder draußen spielen. Es ist bestimmt sehr langweilig, bei so alten Leuten zu sitzen. Dabei zwinkerte sie besonders Franziska, ihrer Lieblingsurenkelin, mit einem Auge zu, denn sie wusste ganz genau, wo sie viel lieber den Nachmittag verbringen wollte. Aber das sagte sie natürlich nicht. Es war ein Geheimnis zwischen ihr und Franziska. Sie verstanden sich sehr gut und Katharina stellte fest, dass sie ihrer Tochter Sabine immer mehr ähnelte.

    Franziska fand das toll, dass sie mit jemanden über ihre oftmals so großen Probleme, wie sie immer sagte, sprechen konnte. Urma, wie Franziska ihre Urgroßmutter liebevoll nannte, stand ihr oft mit Rat und Tat zur Seite.

    Ach!, sagte das Geburtstagskind am Kaffeetisch. "Es ist

    schön, euch alle hier beisammen zusehen und es ist gut, dass die Zeit heute doch viel besser ist, als sie in meiner Kindheit war. Auch, wenn die Menschen heute stöhnen, dass es ihnen so schlecht geht, war meine Kindheit doch eine recht arme Zeit. Zwar brauchten wir nicht zu hungern, aber sie ist mit der heutigen Zeit nicht zu vergleichen. Es war wirklich alles anders."

    War es denn wirklich so schlimm?, wollte Franziska wissen. Es heißt doch immer: Die gute alte Zeit.

    Ja, ja, erwiderte die Urgroßmutter mit einem nachdenklichen Lächeln. "Man sagt: Die gute alte Zeit. Aber in Wirklichkeit war sie doch ganz schön ärmlich. Am 5. November 1905 kam ich im Nachbardorf zur Welt. Das ist schon eine ganze Weile her - das könnt ihr mir glauben. Deutschland war noch ein Kaiserreich und in Russland herrschte der Zar.

    Die einfachen Leute wohnten in den Städten sehr oft in Kellerwohnungen. Die Kindersterblichkeit war damals sehr hoch. Viele junge Männer verließen ihr Heimatdorf und wanderten ins Ruhrgebiet aus, um dort Arbeit zu finden. Hier gab es kaum Arbeit. Das bisschen Landwirtschaft, was hier war, davon konnten sie nicht alle leben.

    Zwar waren die Menschen früher sehr bescheiden, doch reichte es nicht für alle. Der älteste Sohn übernahm den Hof und die jüngeren Geschwister mussten leider zusehen, wo sie unterkamen. Da blieb ihnen nichts anderes übrig, als in die Städte zu ziehen, um dort ein Handwerk zu erlernen. Viele arbeiteten auch als Tagelöhner auf den Gutshöfen oder waren Knechte und Mägde auf einem größeren Hof. Jede Familie hier besaß ein wenig Landwirtschaft, auch wenn sie nur ein oder zwei Ziegen besaßen. Es gab auch größere Höfe, aber die waren doch selten.

    Als ich das Licht der Welt erblickte, muss es ein sehr kalter Wintertag gewesen sein, so erzählte mein Vater immer. Der Schnee lag meterhoch und der Wind pfiff eisig durch die Fenster, denn dicht waren sie damals noch nicht. Durch die Ritzen drang die Kälte und dicke Eisblumen waren an den Fensterscheiben zusehen. Nur die Küche war immer geheizt, denn da spielte sich ja alles ab.

    Ein Badezimmer gab es damals auch noch nicht. Das kam viel, viel später. Und eine Toilette im Haus, davon hatte wirklich noch niemand etwas gehört. Draußen, in einer Ecke auf dem Hof, dort stand ein kleines Häuschen, die Tür mit einem Herz versehen und da musste man hin, ob es regnete oder schneite. Es war ein Plumpsklo ohne Wasserspülung und Toilettenpapier. Zeitungspapier oder Ähnliches wurde verwendet.

    Gewaschen wurde sich in der Waschküche, aber ohne Heizung im Winter, mit kaltem Wasser. Nur samstags, wenn der Kessel angeheizt wurde, am Badetag, da war es warm. Ein kleines Waschbecken, ein alter, schon an den Ecken kaputter Spiegel und ein Stück Kernseife, das waren die Gegenstände, die uns zur Verfügung standen. Ein großer Kamm lag noch da und oft fehlten schon einige Zähne.

    In der Schlafstube glitzerte der Frost an den Wänden. Im Elternschlafzimmer stand ein kleiner Ofen, der an den Winterabenden geheizt wurde. Die Mutter öffnete dann alle Zimmertüren, damit ein wenig Wärme in die übrigen Räume zog. Doch am Morgen war die eisige Kälte wieder da. Die Bettdecken waren dick ausgefüllt mit selbst gesammelten Daunen, aber Matratzen kannte man noch nicht. Wir schliefen auf Strohsäcken, die im Herbst immer erneuert wurden. Die meisten Häuser waren wirklich alte Bruchbuden, die Zimmer sehr niedrig, der Treppenaufgang steil und schmal und oftmals musste das ganze Getreide in den Säcken durch das Haus hinauf auf den Fruchtboden getragen werden. Ihr könnt euch denken, dass das sehr viel Staub und Dreck gab und dazu war das wirkliche Schwerstarbeit. Die Straßen waren natürlich nicht gepflastert. Ein Misthaufen lag vor jedem Haus, Ratten und Mäuse gab es zur Genüge.

    Die alte Hebamme, die mich auf die Welt brachte, kam beinahe zu spät, denn sie war schon zu einer anderen Geburt gerufen worden. Und stellt euch vor, wo sie war?"

    Die Gäste sahen Katharina fragend an. Wie gebannt blickten besonders die Kinder auf Katharinas Mund. Doch ihre Lippen schwiegen. Versonnen lächelte sie vor sich hin.

    Urma!, sprach Franziska sie an. Bitte sag uns doch, bei wem die alte Hebamme denn gewesen war!

    Die alte Neubauerin schien sie nicht zu hören. Weit weg war sie mit ihren Gedanken und schreckte ein wenig zusammen, als sie die Hand ihrer Tochter auf der ihrigen fühlte.

    Na, Mutter, sagte ihre Tochter Sabine lächelnd, bist du nun wieder bei uns?

    Ja, sicher doch!, erwiderte sie. Wo war ich stehen geblieben?

    Bei der Hebamme, antwortete Moritz.

    Erzähl bitte weiter!, forderte Franziska ihre Urgroßmutter auf.

    Ach ja, bei der alten Hebamme. Ja, ja sie half einem kleinem Mädchen, auf diese Welt zu kommen. Es wurde Mariechen genannt. Es war niemand anderes als meine spätere beste Freundin Mariechen Kast. Genau 25 Minuten früher erblickte sie die Welt und wenn wir uns einmal sehr stritten, dann sagte sie immer: Ich bin doch älter als du und darum weiß ich es auch viel besser." Aber unser Streit dauerte nie lange, dafür verstanden wir uns viel zu gut.

    Meine Eltern waren fleißige und rechtschaffene Leute und besaßen einen kleinen Hof. Deshalb kamen wir ganz gut zurecht. Hungern brauchten wir nicht. Es stand immer eine warme Mahlzeit auf den Tisch. Natürlich nicht so vielseitig wie heute. Das Essen war ganz anders, viel einfacher. Es wurde alles gegessen, was auf dem Tisch kam. Herumgemault wurde nicht. Auch, wenn wir etwas nicht so mochten, wir trauten uns nicht zu sagen, dass wir das nicht wollten. Das wäre den Eltern auch egal gewesen, etwas anderes hätten wir bestimmt nicht bekommen. Und da wir hungrig waren, aßen wir unseren Teller leer.

    Auch besaßen wir nicht die Spielsachen, die ihr heute alle habt.

    Karl war mein jüngerer Bruder. Mit ihm verstand ich mich besonders gut. Zu Weihnachten erhielt ich eine Puppe, die er aus einem Holzstück geschnitzt hatte. Die Mutter nähte ein Kleid dazu und ich freute mich sehr über dieses schöne Geschenk. Ich hatte diese Puppe sehr lange. Sie war die einzige Puppe, die ich überhaupt erhalten habe. Mariechen und ich spielten so oft mit ihr, jede freie Minute, die wir zur Verfügung hatten. Es war etwas ganz Besonderes, das könnt ihr euch vorstellen - oder vielleicht auch nicht.

    Zwei Milchkühe standen in unserem Stall und zwei Sauen. Ein Ferkel davon wurde für uns gemästet. Im Herbst war dann großes Schlachtfest. Das wurde zu Hause gemacht. Das Fleisch wurde gepökelt, damit es haltbar blieb. Gefrierschränke gab es noch nicht. Auch wurde Fleisch eingekocht und am Abend gab es dann Schlachte-Essen. Selbsteingelegtes Sauerkraut, Kartoffeln, frische Leberwurst, Blutwurst und Quellspeck kamen auf den Tisch und natürlich ein Schnäpschen - für die Bekömmlichkeit. Der Hausmetzger hatte in den Wintermonaten sehr viel zutun und auch reichlich zu essen, denn er wurde selbstverständlich zu jedem Schlachte-Essen eingeladen. Die Wurst und der Schinken kamen in die Räucherkammer und wenn der Kuckuck zum ersten Mal rief, erst dann wurde der Schinken angeschnitten.

    Ein paar Hühner liefen auf unserem Hof herum und natürlich ein stolzer Hahn, der auf seine Damen achtgab. Im Frühjahr wurden kleine Küken geboren. Sie standen mit der Glucke in einem Korb in der Küche, damit sie nicht froren. Sie waren so schön, die kleinen gelben Tierchen, so weich und kuschelig. Heute schlüpfen sie in Brutkästen aus. Ihr Kinder wisst gar nicht, wie aufregend das für uns war, wenn die Kleinen die Eierschalen aufpickten und dann endlich zum Vorschein kamen.

    Der Vater ging noch sehr oft als Tagelöhner arbeiten und meine zwei älteren Brüder fanden gute Arbeit im hiesigen Forst.

    Der Heinrich, das war mein älterer Bruder, er sollte den Hof übernehmen. Der Karl, das war ja mein jüngerer Bruder, der wollte fort. Er wollte etwas von der Welt sehen, wie er sich immer auszudrücken pflegte. Doch die Mutter hielt ihn zurück, da sie der Meinung war, dass er noch viel zu jung sei, einfach in die Welt zu spazieren. Da er gute Arbeit im Forst hatte, tat es nicht not.

    Die Mutter erledigte die meiste anfallende Arbeit auf dem Hof. Sie war eine fleißige und warmherzige Frau gewesen. Meine Oma war vor kurzer Zeit gestorben und die alte Tante, die auch noch bei uns lebte, verstarb gleich danach. So musste meine Mutter auch die anfallende Küchenarbeit selber verrichten.

    Doch dann kam der schreckliche Erste Weltkrieg, von 1914 bis 1918 dauerte er und alles änderte sich mit einem Schlag. Er brachte so viel Leid über die Menschen. Bald in jeder Familie war ein Sohn oder ein Ehemann zu beklagen, der vermisst oder gefallen war. Es war eine grausame Zeit, der schreckliche Krieg.

    Seit Dezember 1916 war auch Heinrich Soldat. Die Mutter weinte schrecklich, als er fort musste. Am Anfang kam noch Post von ihm, doch dann wurden die Briefe immer seltener. Man erfuhr ja auch nicht so viel, denn Radio und Fernseher gab es noch nicht.

    Es war nun Januar 1917, ich weiß es noch wie heute, ein schlimmer Winter tobte in unserem Land. Klirrende Kälte herrschte, aus den Schornsteinen stieg der weißgraue Rauch in die klare Luft empor und die Bewohner des kleinen Dorfes hielten sich, wenn irgendwie möglich, in der warmen Stube auf.

    Der Unterricht in der kleinen Dorfschule war früher zu Ende, denn der alte Bollerofen schaffte es nicht, den Klassenraum zu heizen. Unsere Sachen behielten wir ja schon an, aber es war so kalt, dass wir sogar im Klassenraum Minusgrade hatten. Der Lehrer schickte uns Kinder alle heim. Natürlich freuten wir uns darüber. Wir waren auch nicht anders, wie ihr es heute seid. Schnell liefen wir Kinder zur Schule hinaus und eilten nach Hause. Eilig öffnete ich die Eingangstüre, die besonders bei der Kälte klemmte und lief in die warme Küche.

    Mutter, rief ich in die warme Stube hinein, wir haben heute keinen Unterricht mehr!

    Doch die Mutter bemerkte mich gar nicht. Stumm saß sie am Küchentisch und hielt eine Brief in ihren von der Arbeit rissigen Händen. Ich hatte das Gefühl, als ob sie den Inhalt des Briefes nicht begreifen konnte, so starr war ihr Blick auf das Schreiben gerichtet.

    Der alte Wasserkessel auf dem Herd dampfte und pfiff so heftig, dass es den Anschein hatte, dass er jeden Augenblick zerplatzen würde. Der Wasserdampf musste schon eine ganze Weile emporgestiegen sein. Schnell sprang ich zum Herd und schob ihn eilig zur Seite. Dann blickte ich wieder zu der Mutter hin. Doch sie schien mich immer noch nicht zu bemerken. Stumm und starr saß sie gebeugt über den erhaltenen Brief. Ich nahm mein warmes Schultertuch ab und hielt für einen Augenblick meine eiskalten kleinen Hände über die heiße Herdplatte.

    Noch immer verharrte die Mutter in derselben Stellung.

    Mutter, sagte ich leise und ganz vorsichtig, du hörst mir ja gar nicht zu! Was ist denn los mit dir? Hat Heinrich endlich geschrieben?

    Da sah sie mich mit traurigen Augen an.

    Kind, du bist ja schon da! Hab' dich gar nicht gehört! Hast du denn keinen Unterricht?

    Ich ging zu ihr hin und sagte nochmals: Nein Mutter, der Unterricht fällt heute aus! Es ist einfach zu kalt im Klassenraum! Der Lehrer hat uns heimgeschickt. Aber sag, was liest du da? Hat Heinrich endlich geschrieben?

    Stellungsbefehl!, kam es tonlos über ihre blassen Lippen.

    Stellungsbefehl?, fragte ich ungläubig nach. Für wen, Mutter?

    Ja, ja, Stellungsbefehl!, wiederholte sie ganz in Gedanken und reichte mir den Brief. Ihre Hand zitterte furchtbar.

    Meine immer noch kalten Hände zitterten ebenfalls, als ich den Brief von der Mutter entgegennahm. Ich konnte es nicht fassen. Wer musste da fort? Aber das geht doch nicht!, rief ich außer mir. Auch Karl muss nun fort?

    Plötzlich bekam ich schreckliche Angst. Einer nach dem anderen wurde aus der Familie gerissen und in den furchtbaren Krieg geschickt. Ich hasste ihn schrecklich. Natürlich konnte ich mir damals nicht vorstellen, wie schlimm und grausam der Krieg für die Männer war, aber ich wusste und sah es mit meinen eigenen Augen, was er den Menschen in unserem Dorf für Leid brachte.

    Ja, seufzte meine Mutter kaum hörbar. Dann sind wir bald ganz allein! Der schlimme, schlimme Krieg. Was soll mit uns noch geschehen?

    Müde und traurig erhob sie sich von ihrem Küchenstuhl und ich stand daneben und wusste nicht, wie ich meine unglückliche Mutter trösten sollte.

    Ich werde bestimmt wieder heimkommen, Mutter!, sagte Karl später beim Abschied. Den Vater nahm er nur schweigend in seine Arme. Was sollte er auch noch sagen.

    Achte auf die Eltern, Katharina!, wandte er sich zum Schluss an mich. Er zog noch einmal an meinen Zöpfen, lachte mich dabei an und verließ das Haus, ohne sich noch einmal umzudrehen.

    Es war Ende Februar, als die schreckliche Nachricht kam, dass Heinrich im Kampf gefallen war. Und damit nicht genug, denn Mitte März kam die zweite schlimme Nachricht, dass auch Karl nicht mehr nach Hause kommen würde. Die Mutter lag tagelang im Bett und keiner konnte sie bewegen, aufzustehen oder gar etwas zu essen. Der Vater weinte nicht. Er war nur ganz still geworden. Ich nahm meine Holzpuppe und verzog mich in die Scheune und weinte leise vor mich hin.

    Es war alles so schlimm. Der fürchterliche Krieg hatte den Eltern einfach ihre zwei Söhne fortgenommen. Sie waren so jung gewesen und voller Ideen und Hoffnung für die Zukunft.

    Im Hause Lange wurde immer sehr viel gelacht und gesungen. Alle waren fröhlich bei der Arbeit, aber nun war alles still. So unendlich still! Kein Lachen durchdrang das Haus mehr, keiner alberte mit mir herum, keiner zog liebevoll an meinen Zöpfen - keiner - einfach keiner!

    Über Nacht waren die Eltern alt und grau geworden und ich fühlte mich so unendlich einsam.

    Die anfallenden Arbeiten fielen den Eltern sehr schwer und auch als der Sommer ins Land zog, änderte sich nichts. Sie kamen einfach nicht darüber hinweg, dass ihre Söhne nicht mehr bei ihnen waren.

    Meine Mutter ging fast täglich in die Kammer der beiden Jungen. Alles lag und stand noch an seinem Platz, so als ob die Brüder jeden Augenblick den Raum betreten würden. Die rot-weiß karierte Bettwäsche auf den Betten, die Jacken, Hosen, Hemden und Pullover, die sich im Schrank befanden. Die Schuhe, die sie zu Hause ließen - alles hatte seinen gewohnten Platz, nur Heinrich und Karl gab es nicht mehr.

    Dann kam wieder so ein Tag, an dem die Mutter keinen klaren Gedanken fassen konnte. Schon am frühen Morgen donnerte und blitzte es. Der Himmel zeigte sich immer noch sehr grau. Es regnete in Strömen und dazu kam noch eine ansteigende Schwüle. Der Atem meiner Mutter ging sehr schwer. Ihre Gedanken waren ständig bei ihren Söhnen. Es quälte sie sehr, dass sie nicht wusste, ob sie sehr gelitten hatten oder ob der Tod augenblicklich eingetreten war. Aber es gab auch kein Grab, an dem sie hätte beten können. Es war so, als ob sie nie gelebt hätten.

    Aber sie hatten gelebt! Wir waren gemeinsam so glücklich gewesen. Und nun? Was war übriggeblieben?

    Ich sah, dass die Mutter wieder einmal schwer seufzend die Treppe hochstieg. Sie öffnete leise die vor sich hinquietschende Schlafstubentür der Jungen und trat ein. Langsam und bedächtig schritt sie von Bett zu Bett, streichelte über das dicke Federbett und ging zum Schrank. Sie schloss die Schranktür auf und sah die Anziehsachen ihrer Söhne dort hängen.

    Wie gut sie immer darin ausgesehen hatten, dachte sie bestimmt. Liebevoll nahm sie den Ärmel einer Jacke in ihre Hand und führte ihn zu ihrer Wange. Sie liebkoste den Ärmel, strich über die Jacke, nahm ihre andere Hand und machte das Gleiche. Eine ganze Weile verharrte sie so. Dann seufzte sie schwer und hängte alles wieder ordnungsgemäß hin und lächelte, als sie das Lieblingshemd von Karl entdeckte. Es hatte ihm schon lange nicht mehr gepasst, aber er hatte es einfach nicht aus seinem Kleiderschrank verbannen können. Warum wusste niemand - es war einfach so.

    Ganz still stand ich dann jedes Mal im Türrahmen, sah ihr schweigend zu und bewegte mich nicht.

    Ja, ihre zwei Jungs! Sie waren etwas Besonderes. Jeder mochte sie im Dorf gut leiden, immer freundlich, hilfsbereit und guter Laune waren sie.

    Tränen hatte meine Mutter nicht mehr. Sie hatte genug geweint. Die Tränen waren versiegt. Aber der Schmerz in ihrem Herzen wollte und wollte nicht vorübergehen.

    Wie viele Mütter und Ehefrauen in dieser Zeit wohl um ihre Söhne und Männer weinten? Und niemand vermochte ihren Schmerz zu lindern. Sie war da nicht alleine. Die Augen von Tausenden Müttern wurden in dieser Zeit eine Quelle der bitteren Tränen. Ich beobachtete sehr oft, wie meine Mutter tagsüber die Treppe hochstieg und in die Kammer meiner verstorbenen Brüder ging. Ich wusste aber auch, dass ich sie dann nicht stören durfte. Manchmal folgte ihr der Vater und nach einiger Zeit kamen beide die Treppe wieder herunter.

    Ich war kein kleines Kind mehr. Die schrecklichen Ereignisse hatten mich verändert. Nicht nur die Eltern vermissten Heinrich und Karl - auch ich. Vor keiner Arbeit drückte ich mich. Ich half den Eltern sehr viel, denn der Vater war nicht mehr der tatkräftige Mann, der er einst war.

    Die Feldarbeit musste erledigt werden und zum ersten Mal in meinem jungen Leben wurde sehr viel von mir verlangt.

    Bisher waren die Brüder und der Vater für die Feldarbeit verantwortlich gewesen. Meine Mutter und ich für das Haus, den Garten und zum Teil für den Stall.

    Aber nun musste ich hart mit anpacken, denn der Vater wurde immer hinfälliger. Die Arbeit machte mir eigentlich großen Spaß. Sie war zwar oft sehr hart und ich hoffte schon, dass der Vater im Laufe der Zeit wieder richtig gesund würde. Aber so war es nicht.

    Dazu kam auch noch, dass in den Kriegsjahren 1916/17 der Frost sehr früh über das Land hinweg zog und die Kartoffel- und die Gemüseernte fast völlig vernichtet wurden. Die Abgaben an den Staat, zu denen die Bauern in dieser schlechten Zeit veranlasst wurden, waren sehr hoch. Natürlich ging es den Stadtmenschen noch viel schlechter, denn auf dem Land brauchten die Menschen nicht zu hungern. Doch auch bei uns machte sich die schlechte Zeit sehr bemerkbar.

    Friedrich Lange, so hieß ja mein Vater, erholte sich nicht mehr. Sein Herz war so krank, dass er im Sommer 1921 starb. Seine letzte Ruhe fand er auf dem kleinen Friedhof neben der Kirche.

    Das war einfach alles zu viel für meine Mutter. So viele schlimme Schicksalsschläge in so kurzer Zeit konnte sie kaum ertragen. Wie glücklich waren wir einst doch gewesen. Und nun waren wir ganz alleine. Auf den Feldern stand die Frucht, die heimgebracht werden musste. Die Rüben für das Vieh mussten doch gehackt, vereinzelt und in die Keller eingelagert werden. Ein Feld war mit Leinsamen gesät, das Grummet auf der Wiese wollte nach Hause geschafft werden. Alles mussten wir nun alleine schaffen. Und das Herz meiner Mutter war so unendlich schwer.

    Ich wurde nun bald sechzehn Jahre alt, war still, viel erwachsener als meine gleichaltrigen Schulkameradinnen. Ich kann sagen, dass ich ein sehr hübsches Mädchen war. Die lockigen Haare trug ich in Zöpfen.

    Mit deinen dunkelbraunen Augen schaust du so klug und freundlich in die Welt hinein, sagte oft Deimers Tante zu mir. O ja, ich wusste schon ganz genau, was ich wollte und gab der Mutter in der schweren Zeit großen Halt.

    Katharina!, sagte die Mutter eines Abends sehr ernst zu mir. Komm, setz dich einmal her!

    Erwartungsvoll gehorchte ich und hörte die Mutter anschließend sagen: Katharina, ich habe beschlossen, den Hof zu verkaufen! Vielleicht wird es möglich sein, dich auch bei der Schneidermeisterin Trachte unterzubringen, denn alleine schaffen wir den Hof nicht!

    Ungläubig schaute ich meine Mutter an. Ich konnte es nicht glauben, was ich gerade zuhören bekam.

    Verkaufen, schoss es mir durch den Kopf. Ich war fassungslos.

    Mutter, das darfst du nicht tun! Es ist doch unser Zuhause! Wo sollen wir denn hin? Vater und die Brüder würden niemals damit einverstanden sein. Wie kommst du nur auf so einen Gedanken, Mutter? Du wirst sehen, wir schaffen das schon! Ganz bestimmt! Bitte verkaufe unser Zuhause nicht!, dicke Tränen kullerten über meine Wangen.

    Aber Kind!, erwiderte sie traurig. Wie sollen wir das alles schaffen? Es ist doch viel zu schwer, vor allem die Feldarbeit. Willst du die Kühe einspannen oder den Heuwagen nach Hause fahren, säen, mähen und was sonst noch alles anfällt? Den ganzen Hof alleine bestellen? Überlege doch einmal, Katharina! Das schaffst du nicht, Kind! Du bist noch so jung, erlerne in der Stadt einen Beruf und ich kann in Ruhe meine Augen schließen!

    Nein Mutter!, rief ich nun sehr aufgeregt. Ich will doch nicht in die Stadt! Ich will auf dem Hof bleiben! Zusammen werden wir es schaffen! Lass es uns doch wenigstens versuchen!

    Kind, mach es mir doch nicht so schwer! Auch ich würde sehr gerne hierbleiben. Schließlich waren wir alle einmal sehr glücklich hier! Aber an manchen Tagen möchte ich das alles auch nicht mehr sehen. Wo ich auch hingehe, überall sind Erinnerungen und sie tun so schrecklich weh!, sagte sie sehr traurig.

    Mutter, wir brauchen doch nicht viel zum Leben, bettelte ich verzweifelt. So viel habe ich vom Vater gelernt und mit deiner Hilfe schaffen wir es bestimmt. Du wirst sehen.

    Sie sah mich lange schweigend an. Dann sagte sie: "Gut

    Katharina, wir werden es versuchen! Aber, versprich mir Folgendes: Wenn wir es nicht schaffen, wirst du in die Stadt ziehen und dort eine Stellung annehmen, ohne Wenn und Aber!"

    Ja Mutter!, beteuerte ich überglücklich. Aber dazu wird es nicht kommen, ganz bestimmt nicht!

    Die Mutter wischte mit ihrer Schürze die Tränen aus meinem Gesicht.

    Leicht wird es nicht werden! Ganz bestimmt nicht, Kind! Mir ist gar nicht wohl bei dieser Sache!

    Aber wir schaffen es! Das weiß ich ganz genau!, beharrte ich verbissen.

    Nach langer Zeit hatte ich eine innere Ruhe gefunden und ich wusste plötzlich, dass ich niemals etwas anderes machen wollte, als in der Landwirtschaft zu arbeiten.

    Oh ja, mir war schon bewusst, dass es nicht leicht sein würde, die ganze Arbeit zu schaffen, aber mir war auch klar, für den Hof - für unser beider Zuhause - mussten wir kämpfen.

    Vater und die Brüder hatten sich immer so abgeplagt, dass der Hof sauber und ordentlich war. Sogar einen eigenen Brunnen hatten wir vor Jahren angelegt, damit die Mutter und ich es leichter hatten und nicht das Wasser für das Vieh und für die Küche aus dem Dorfbrunnen holen mussten.

    Arbeiten wollte ich und wenn es sein musste, Tag und Nacht, aber den Hof aufgeben, das würde ich bestimmt nicht!

    Müde, aber zufrieden, ging ich an diesem Abend zu Bett. Mein Leben hatte plötzlich einen anderen Sinn bekommen: Ich trug die Verantwortung für unseren Hof und das eigentlich ganz alleine. Von mir hing es ab, ob wir den Hof verkauften oder nicht. Auf meine Mutter konnte ich eigentlich nicht zählen, denn sie war kränklich. Also musste ich ganz alleine mit der Arbeit fertig werden.

    Ich freute mich auf das Wochenende, denn dann kam Mariechen, meine beste Freundin, wieder Heim. Sonntags verbrachten wir zwei die Zeit zusammen, denn in der Woche war es leider nicht möglich, da Mariechen in der Stadt arbeitete. Dort erlernte sie den Beruf der Schneiderin, wohnte auch bei der Familie Trachte, nur an den Wochenenden durfte sie Heim. Manchmal blieb sie auch einfach dort, denn zuhause wartete immer eine Menge Arbeit auf sie. Das wenige Geld, was sie verdiente, musste sie abgeben. Ihre Mutter wartete schon immer darauf, wenn endlich Zahltag war. Mariechen hatte noch sieben jüngere Geschwister und der Vater hielt nicht viel von der Arbeit. Da musste ihre Mutter oft zusehen, wie sie die vielen hungrigen Mäuler satt bekam. Es reichte der Familie schon, wenn Mariechen ihnen das Geld gab, die Arbeit erledigte und anschließend zu uns kam, so war ja ein Esser weniger am Tisch.

    Maria Kast, so hieß Mariechens Mutter, arbeitete in den Sommermonaten auf den Feldern der Bauern sehr fleißig mit. Sie war eine sehr gute Arbeitskraft. Wo Hilfe benötigt wurde, rief man sie herbei. Sehr oft packten die Bäuerinnen dann auch Essen für die Kinder ein, aber ein regelmäßiges Einkommen von ihrem Mann erhielt sie nicht. Außer einer Ziege, die in einem kleinen Ställchen direkt neben der Küche stand, war kein Vieh da. Doch so bekamen die Kinder wenigstens täglich etwas Milch zutrinken.

    Meine Mutter kannte die Verhältnisse nur zu gut. Mariechen hatte sie schon immer gemocht und so war sie im Hause Lange immer willkommen. Sie war ein aufgewecktes Mädchen, erzählte uns an den Wochenenden, wenn sie mich besuchte, wie das Leben in der Stadt war oder von der neuesten Mode, die man trug. Sie schaffte es, dass hin und wieder ein Lächeln über Mutters Lippen kam.

    Einmal hatte meine Mutter für die Schneidermeisterin Trachte eine geschlachtete Gans und einige Eier mitgegeben, wofür sie einen Kleiderstoff erhielt. Mariechen und ich nähten daraus ein Sommerkleid. Es war wunderschön geworden. Unheimlich stolz war ich auf dieses Kleid. Der Kleiderstoff war dunkelblau mit weißen kleinen Blumen. Vorne wurde das Kleid geknöpft. Die Knöpfe waren sogar mit Stoff bezogen und eine Menge Knöpfe verzierten das Oberteil. Das dunkelblaue Kleid besaß einen weißen Kragen und am Sonntag, zum Kirchgang, trug ich dieses schöne Kleid."

    Nur dann?, unterbrach Nadine, Katharinas weitere Urenkelin, die Erzählung.

    Ja!, fuhr die Altbäuerin fort. "Nur dann oder zu ganz besonderen Anlässen, aber da gab es nicht viele! In der übrigen Zeit trug jeder selbst genähte Röcke und Blusen sowie gestrickte Strümpfe. Aus Leinen, der angepflanzt wurde, nähten die Frauen ihre Sachen. Ob Kleidung, Handtücher oder Bettwäsche, egal, was eben benötigt wurde. Da war so ein Kleid natürlich etwas ganz Besonderes.

    Inzwischen war der August gekommen, ein heißer und trockener Monat. Der Wasserspiegel in dem Brunnen sank beängstigend. Ich musste schon sehr tief den Eimer hinunterlassen, um an das tägliche Wasser für das Vieh und den Haushalt zu gelangen. Meine Mutter wurde schon sehr unruhig. Sie hoffte, dass es bald regnen würde, damit die Ernte nicht verdorrte. Auch das Gemüse und die Kartoffeln brauchten unbedingt den Regen.

    Die Mutter bat Konrad Kast, bei der Kornernte zu helfen.

    Mariechens Mutter sagte sofort zu und ihrem Mann blieb nichts anderes übrig, als auch zuzustimmen, wofür seine Frau schon sorgte.

    Alle Dorfbewohner staunten, dass Kast Onkel so emsig arbeitete. Ihm schien es zugefallen. Zum ersten Mal war der Hunger kein stetiger Gast in seinem Haus.

    Doch als die Kornernte vorüber war, verlor sich auch die Arbeitslust bei Konrad Kast. Er meinte, dass er sich nun unbedingt ausruhen müsse, da er soviel geschuftet habe. Für die Rüben- und Kartoffelernte konnten wir ihn nicht mehr überreden. Maria Kast aber half fleißig mit, denn so sicherte sie sich die Kartoffeln für den Winter.

    Am Abend bemerkte ich sehr oft, dass meine Mutter mich besorgt beobachtete. Natürlich war ich sehr müde und abgeschlagen. Doch über meine Lippen kam keine Klage. Im Gegenteil, ich freute mich am Abend über die

    geschaffte Arbeit. Ich wusste ja, wenn der Winter kam, konnte ich mich mit der Mutter ausruhen.

    Der Oktober war schon fast vorüber und die Nächte oft frostig. Auch an den Tagen kam die Sonne nur selten zum Vorschein. Kalt und nass war es geworden. Es wurde Zeit, dass die restlichen Rüben aus der Erde kamen. Ich war alleine, denn schon seit Tagen war Mariechens Mutter krank. So blieb mir nichts anderes übrig, als die anfallende Arbeit alleine zu schaffen. Bis auf die letzten drei Reihen waren die Rüben schon heimgebracht worden und diese schaffte ich auch noch.

    Ich rupfte die Rüben aus der Erde heraus, holte den mitgebrachten Abstoßer von dem Holzwagen herunter und entfernte damit die Blätter. Die beiden Kühe, Lene und Lotte, die vor dem Fuhrwerk eingespannt waren, standen auf einem Fleck, schauten mir zu und warteten nur darauf, dass sie endlich in ihren warmen Stall durften.

    Meine Hände waren von der Kälte richtig steif, aber es nützte nichts, denn ich wollte heute die Rüben Heim bekommen. Die von den Blättern abgetrennten Rüben warf ich auf den Wagen und war froh, als ich endlich die Arbeit geschaffte hatte. Dann ging es nach Hause.

    Immer wieder hielt ich die eiskalten Hände vor meinem Mund, hauchte und pustete den warmen Atem hinein. Ich rieb sie fest aneinander in der Hoffnung, dass sie sich doch ein wenig erwärmen würde. Als ich auf den Hof fuhr, kam die Mutter herbei.

    Bist du fertig geworden, Katharina?, fragte sie besorgt.

    Ja, Mutter, erwiderte ich stolz, das war der Rest!

    Nachdem dann die Kühe ausgespannt und Heu aufgegeben waren, mussten die Rüben noch in den Rübenkeller geworfen werden.

    Dann endlich konnte ich an mich denken. In der Küche stand immer ganz hinten auf der Herdplatte heißer Kaffee. Bohnenkaffee war das nicht, sondern Malzkaffee, aber zum Aufwärmen schmeckte auch dieser köstlich.

    Meistens, wenn wir am Tag auf dem Feld waren, gab es am Abend eine warme Mahlzeit. Und, wenn ich ganz alleine eine schwere Arbeit verrichten musste, belohnte die Mutter mich mit meinem Lieblingsessen.

    Ich wollte der Mutter nicht die Freude nehmen, aber ich ahnte, was es an jenem Abend gab. Ich beeilte mich mit der Stallarbeit, um dann wieder ins Haus zu können.

    Bevor ich wieder in die warme Stube trat, hörte ich die Schreie der Kraniche. Ich schaute hoch, doch erkennen konnte ich nichts mehr. Die Dunkelheit verdeckte die Sicht zum Himmel. Es flogen ganz bestimmt einige Schwärme in Richtung Süden. Ihre Schreie schallten über den ganzen Ort hinweg. Ich liebte die Kraniche.

    Bei Tage, wenn sie über den Hof hinweg flogen, blieb ich stehen und beobachtete sie. Dann staunte ich immer, wie klug diese Tiere doch waren, da sie im Flug ihre Positionen wechselten. Die vorderen Tiere reihten sich wieder zum Schluss ein, immer das gleiche Bild. Eine Eins bildeten sie während des Fluges. Der Vater hatte mir, als ich noch ein ganz kleines Mädchen war, erklärt, dass die vorderen Tiere sehr viel Kraft aufbringen müssten und deshalb nach einer Weile den vorderen Platz verließen und sich wieder ganz zum Schluss einreihten. So könnte sich jedes Tier im Windschatten ausruhen. Im Spätherbst, wenn die Kraniche über das Dorf hinweg zogen, hielt der Winter bald Einzug. Und wenn ich die Schreie wieder vernahm, kamen sie aus dem Süden zurück und flogen in Richtung Norden, wo sie den Sommer über blieben.

    So kündeten sie das Frühjahr an.

    Eilig huschte ich nun in die angenehme warme Küche hinein und lächelte, als der Tisch schon gedeckt war. Die Mutter stand am Herd.

    Katharina, wir können sofort essen!, sagte sie.

    Schnell war ich mit dem Waschen fertig und überzeugte mich, ob ich richtig geraten hatte, was es zum Abendessen gab. Meine Nase hatte mich nicht getäuscht.

    Oh, Mutter!, sagte ich in bester Laune. Es gibt ja Klöße mit Porree Sauce! Hab ich vielleicht einen Hunger!

    Ach Katharina, erwiderte meine Mutter lachend, du bist doch noch immer mein kleines Mädchen!

    Ob groß oder klein. Ich esse Klöße mit Porree Sauce für mein Leben gern!

    Dann setz dich hin und lass es dir gut schmecken!

    Klöße mit Porree Sauce, Urma?, fragte Franziska. Das war schon damals dein Lieblingsessen?, dabei verzog sie ihr Gesicht so, dass alle lachten.

    Ja, das war eins meiner Lieblingsgerichte. Und das hat sich bis heute nicht geändert!, erwiderte sie lächelnd. Bitte, erzähl doch weiter!, forderte Nadine sie auf.

    Interessiert es euch denn wirklich, wie es damals war?

    Aber ja doch!, erwiderte Nadine.

    Na gut, dann will ich euch noch etwas aus meiner Jugendzeit erzählen!", erwiderte das Geburtstagskind.

    "Also, an diesem Abend stellten wir fest, dass wir die viele schwere Arbeit sehr gut bewältigt hatten. Wir waren sehr zufrieden.

    Katharina, ich muss dich sehr loben! Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass wir alles so gut schaffen würden. Ich bin wirklich sehr, sehr stolz auf dich! Wenn der Vater es noch hätte sehen können, wie fleißig seine kleine Tochter tagein und tagaus gewesen ist, wäre auch er sehr stolz auf sein kleines Mädchen. Das kannst du mir glauben, sagte die Mutter sehr ernst.

    Ich freute mich unendlich über dieses Lob der Mutter.

    Ja, ich bin auch sehr glücklich darüber und nun kann der Winter kommen! Alles ist Heim gebracht und die Ernte war doch recht gut!

    Ja Kind, die Ernte war wirklich in diesem Jahr reichlich! Nun kann der Winter getrost kommen. Und ein wenig Ruhe tut uns beiden auch gut!

    An manchen Winterabenden besuchte Deimers Tante meine Mutter, um ein wenig zu plaudern. Die beiden waren schon lange befreundet. Nach Vaters Tod kümmerte sie sich noch mehr um meine Mutter. Die Familie Deimer hatte auch zwei Söhne. Sie brauchten nicht in den Krieg, da sie jünger waren als Heinrich und Karl. Dafür war Mathilde Deimer sehr dankbar und sie versuchte mit sehr viel Liebe, meine Mutter über den Verlust der Söhne hinwegzuhelfen. Doch Mutters Schmerz war groß und sie musste sich immer wieder aufraffen und sagen, dass sie für mich noch zu sorgen hatte und dass sie ihre Tochter nicht ganz alleine zurücklassen konnte.

    So klopfte es auch an jenem Abend an die Küchentür und Deimers Tante trat in die geheizte Stube ein.

    Guten Abend, Lisbeth! Guten Abend, Katharina!, grüßte sie wie immer recht herzlich. Ich wollte mal wieder nach euch sehen! Wie geht's euch? Wird ja wohl alles in Ordnung sein, oder?

    Guten Abend!, grüßten auch wir freundlich zurück. Komm, setz dich her!, forderte meine Mutter den Besuch auf. Was gibt's Neues, Mathilde?

    Ja, Neues?, begann die Gefragte zu überlegen und rückte ihren Stuhl so, dass sie bequem sitzen konnte. War der Jacob noch nicht bei euch gewesen?

    Nein!, war die ehrliche Antwort der Mutter. Warum sollte er zu uns kommen?

    Ja, dann wird er wohl noch kommen! Muss er wohl schon! Ihr werdet doch auch bestimmt mitmachen wollen? Der Jacob hat bestimmt noch nicht die Kurve gekriegt!, meinte sie nachdenklich. Na ja, ist ja auch ein weiter Weg - von Haus zu Haus und überall ein Schnäpschen - das dauert!, sagte sie kichernd. Dann lachte sie so sehr, dass sie kaum Luft bekam.

    Wobei sollen wir mitmachen, Mathilde?, wollte meine Mutter wissen.

    Ja, natürlich bei dem Kauf von der Dreschmaschine! Hast du denn noch nichts davon gehört?

    Dreschmaschine?, fragte ich nun sehr interessiert nach. Was ist das für eine Maschine? Wie funktioniert sie?

    Das weiß ich nicht! Dazu kann ich dir nichts sagen! Aber es soll eine Genossenschaft gegründet werden und diese kauft dann die Maschine. In einigen Dörfern kam so ein Ding schon in diesem Jahr zum Einsatz. Der Jacob, wisst ihr, der hat sie schon gesehen. Er war von ihr helle begeistert. Ich kann euch sagen, der hat vielleicht davon geschwärmt. Nun soll auch so eine Maschine in unser Dorf geholt werden. Och, joo - ein Maschinist wird auch benötigt - ich glaub, dass das so heißt. Nur der kann dies Ding bedienen, hat der Otto mir jedenfalls so erklärt. Wird wohl ein ganz schön Höllending sein, was da gekauft werden soll!, schloss sie ihre Erzählung.

    Eine Dreschmaschine!, rief ich begeistert. Mutter, weißt du, was das bedeutet? Eine richtige Maschine, die für uns die Arbeit erledigt. Die Arbeit wird leichter für uns alle. Ich kann es kaum abwarten, bis ich sie zusehen bekomme. Wann sie wohl geholt wird?

    Langsam, langsam, Katharina! Wir müssen erst einmal abwarten, bis der Jacob bei uns war und mit uns gesprochen hat. Wer weiß, was das für eine Maschine ist und vor allem, was sie kosten soll!, erwiderte meine Mutter.

    Aber sie wird schon gut sein!, beteuerte Mathilde Deimer eifrig. Sonst wäre der Jacob nicht davon so angetan!

    Wir werden sehen! Aber kaufen in der schlechten Zeit? Ich weiß nicht, ob das richtig ist?, äußerte sich meine Mutter zweifelnd.

    Na ja, meinte ihre Freundin, der Jacob kann es euch sicherlich genauer erklären. Ich weiß nur, dass bis jetzt jeder mitmachen will. Ach, nun ist es aber doch recht spät geworden. Ich will mich mal wieder auf den Heimweg machen.

    Sie erhob sich ein wenig schwerfällig von ihrem Sitzplatz, wünschte uns noch eine gute Nacht und verließ die Stube.

    Im Sommer 1922 stand wirklich eine Dreschmaschine in dem kleinen Dorf.

    Die Bauern waren sehr stolz auf ihre neue Errungenschaft und das ganze Dorf war versammelt, um sie zu bestaunen.

    Auch die Bäuerin Lange, meine Mutter, war in diese Genossenschaft eingetreten und hatte ihr Scherflein dazugegeben.

    Sie musste ganz einfach. Ich ließ ihr keine Ruhe. So richtig überzeugt war sie nicht gewesen, aber ich redete so lange auf sie ein, bis sie dann doch einwilligte.

    Dann kam der Sommer. Auf den Feldern war das Getreide nun reif und schon sehr früh am Morgen, wenn die angenehme Kühle noch herrschte, zogen die Männer, über ihren Schultern die Sense tragend, los, um zu mähen. Die Frauen bündelten das Getreide in Garben und stellten sie auf. Schon in der Kindheit wurde ihnen beigebracht, wie viele Garben sie zusammenstellen mussten. Eine Garbe stand in der Mitte und bei Gerste und Hafer waren es fünf Garben, bei Roggen neun Garben und bei Weizen sieben Garben, die aufgestellt wurden.

    Die Garben blieben so lange stehen, bis die Körner von der Sonne getrocknet waren. Dann wurde die Frucht heimgefahren und in der Scheune gelagert.

    Bevor die Dreschmaschine in den Ort kam, wurden mit einem Flegel die Körner aus den gereiften Ähren geschlagen. Aber nun gab es ja die neue Maschine und endlich kam sie zum Einsatz auf unserem Hof, auf dem Hof von Lisbeth Lange. Meine Mutter sah mit gemischten Gefühlen dem ersten Einsatz dieses Höllendings, wie Mathilde Deimer sie beschrieb, entgegen.

    Doch ich war begeistert von ihr und sie entsprach auch meinen Vorstellungen. Deimers Onkel machte den Maschinist, Maria und Konrad Kast und ich gingen ihm zur Hand. In die Öffnung, die sich oben auf der Dreschmaschine befand, steckten wir das Getreide. Durch das Rütteln fielen die Körner aus den Ähren durch ein Sieb hindurch in einen Korb hinein. Die Spreu wurde abgeblasen und das Stroh kam vorne wieder aus der Dreschmaschine heraus.

    Es staubte fürchterlich, die Körner schlugen und prasselten gegen die Trommel, der Motor ratterte ohrenbetäubend, wir schwitzten, der Staub klebte an unseren Körpern und dennoch fanden wir es alle herrlich.

    Gegen 12.00 Uhr rief die Mutter alle zu Mittag. Mit großem Appetit langten wir zu und löschten unseren Durst mit Tee.

    Als das Getreide gedroschen war, holte meine Mutter selbstgebackenen Streuselkuchen herbei und eine große Kanne Kaffee, den sie selbst aus Gerste gebrannt hatte.

    So endete unser erster Maschinentag - verschwitzt, verstaubt, müde, aber bester Laune.

    Die Tage und Wochen vergingen so rasch, ehe es mir bewusst wurde, stand schon wieder der Winter vor der Tür. Die Kraniche zogen zum Winterquartier hoch oben über den Hof hinweg. An manchen Tagen schaute ich sehnsüchtig hinter ihnen her. Ich beneidete sie sehr. Was sie alles auf ihrem Flug zusehen bekommen, dachte ich dann bei mir. Ob ich auch einmal aus meinem Dorf hinauskäme? Doch diese Gedanken verflogen sehr schnell wieder, denn eigentlich war ich glücklich und zufrieden mit dem, wie es war. Ich ging in die warme Stube und mir wurde bewusst, dass ich sogar sehr glücklich war.

    Meine Mutter kümmerte sich nicht um die Politik, aber auch sie merkte, dass die Lebensbedingungen immer schlechter wurden. Sehr viele Menschen wurden arbeitslos.

    Alles wurde teurer, zuerst wöchentlich, dann sogar täglich änderten sich die Preise. Alles stieg an!

    Die Menschen trugen ihren Wochen- oder Tageslohn in Wäschekörben Heim. Der Postbote berichtete uns von Zeit zu Zeit haargenau, was in der Kleinstadt so passierte. So erzählte er uns auch, dass für ein Pfund Rindfleisch beim Fleischer ca. 8.500 Mark bezahlt werden mussten und für ein Ei stolze 320 Mark, für ein Brot 399 Mark.

    Für die Landbevölkerung war die Not nicht so groß, denn das Gemüse wurde für den Winter in Mieten aufbewahrt und im Keller lagen die Kartoffeln.

    Frische Milch, Butter, Käse oder Fleisch hatten wir selber. Das Korn brachten wir zur Mühle und von dem Mehl backten wir Brot und Kuchen.

    Aber für die Leute, die keine Landwirtschaft besaßen, war die Not sehr groß. Das Geld hatte keinen Wert mehr, keiner wollte es haben und die Geschäftsleute hielten ihre Waren zurück.

    Dann war es endlich soweit. Das neue Geld kam - die Reichsmark und plötzlich boten die Geschäfte auch wieder ihre Waren an. Die Regale waren wieder gefüllt.

    Die wirkliche Not bekamen wir gar nicht so mit, denn unser Tagesablauf war mit harter Arbeit ausgefüllt. Und was in den Städten alles passierte, erfuhren wir viel später, denn wer sollte es uns auch sagen, wenn nicht der Postbote darüber berichtete. In der nahe gelegenen kleinen Stadt waren die Lebensbedingungen zwar auch schlecht, doch hatten die meisten Leute noch ein Stück Land, das sie schon immer bewirtschafteten. So hatten sie Kartoffeln und Gemüse. Was brauchten sie mehr? Der Hunger war wenigstens gestillt.

    Wir arbeiteten wirklich sehr hart. Hand in Hand arbeiteten wir tagein, tagaus und waren sehr bescheiden.

    Im Stall standen nun vier Milchkühe und drei Sauen. Die Zeiten schienen sich zu ändern.

    Die erste Milch sollte in die benachbarte Molkerei geliefert werden. Zwei Pferde standen in Deimers Stall und so wurde beschlossen, dass er täglich die frische Milch mit seinem Fuhrwerk zur Molkerei fahren sollte. Sein Hof war die Sammelstelle für die Milchkannen, da er sehr zentral lag. Meine Mutter wusste nicht genau, ob sie auch mitliefern sollte. Das Angebot war gut. Für 1 Liter Milch erhielten wir 0,17 Reichsmark. Meine Mutter überlegte und überlegte, bis sie endlich zu mir sagte: Wir werden auch unsere Milch in die Molkerei liefern! Aber nicht die gesamte Milch! Von Lotte und Lene die Milch behalten wir zurück für die Butter, etwas Käse und die Milch zum Trinken! Die andere Milch liefern wir!

    Mir war es recht, obwohl die anderen Bauern gar nicht mehr selber buttern wollten. Doch die Mutter war vorsichtig, besonders allem Neuen stand sie recht skeptisch gegenüber. Später erfuhren wir, dass zu Beginn Deimers Onkel mit leeren Milchkannen durch das Dorf fuhr. Er wollte nur die Bauern ein wenig mutiger machen, damit sie endlich ihre Milch an die Molkerei abgaben. Meine Mutter blickte sehr böse drein, als sie es Jahre später erfuhr. So brachte ich die Milch jeden Morgen zum Hof der Deimers. Die Pferde waren meist schon eingespannt und Deimers Onkel wartete schon, dass er endlich abfahren konnte. So hatte Deimers Onkel neben seinem Hof noch ein sicheres Einkommen. Die Molkerei bezahlte ihn dafür, dass er täglich die Milch anlieferte.

    An den Wochenenden im Winter wartete ich vergebens auf meine Freundin Mariechen. Sie war nicht Heim gekommen. Keiner wusste warum.

    Auch mir hatte sie vorher nichts gesagt. An den folgenden Sonntagen kam sie auch nicht. Nun wurde ich doch etwas unruhig.

    Wir hatten nie Geheimnisse voreinander gehabt, alles erzählten wir uns. Irgendetwas schien doch nicht in Ordnung zu sein. Das spürte ich ganz genau. Ich setzte mich am Abend hin und schrieb ihr einen Brief. Jeden Tag wartete ich auf den Postboten. Doch er schüttelte nur den Kopf, wenn er mich sah. Also wieder keine Post von ihr.

    Hab ein wenig Geduld, beruhigte meine Mutter mich, so schnell kann sie auch nicht antworten.

    Meine Geduld wurde wirklich auf die Probe gestellt. Doch dann kam endlich der alte Postbote in die Küche hereingeplatzt und sagte: Morgen zusammen! Ich habe einen Brief für dich, Katharina! Darauf hast du doch jeden Tag gewartet, oder?

    Ich nickte.

    Ist das vielleicht ein Sauwetter heute! Will ja gar nicht aufhören zu schneien!, sagte er und holte den ersehnten Brief aus seiner Umhängetasche heraus.

    Komm, trink erst einmal einen Schnaps!, sagte meine Mutter.

    Sie ging in die Speisekammer, holte die Flasche mit dem Kümmelschnaps und ein Glas herbei und füllte dieses bis zum Rand.

    Zum Wohle, Karl!

    Prost!, erwiderte Karl Stangel, der Postbote und leerte das Schnapsgläschen mit einem Zug aus. Der tat gut!, stellte er dann fest und verdreht dabei seine Augen.

    Ja, ja, so ein Schnäpschen ist wie Medizin! Willst du noch einen?

    Nein, nein!, wehrte er dankend ab. Ich bin im Dienst! Ein Schnäpschen ist gut gegen die Kälte, mehr aber nicht! Hab dank! So, ich muss weiter! Lasst es euch gut gehen!, verabschiedete er sich und verließ die angenehme warme Küche.

    Es war immer der gleiche Ablauf, jahrein - jahraus. Kam der alte Postbote und brachte die Post, gab es immer ein Schnäpschen. Entweder war es zu heiß, es regnete oder schneite. Einen Grund gab es immer. Aber nur einen trank er, nie einen Zweiten.

    Eilig öffnete ich den heiß ersehnten Brief. Schnell überflog ich die Zeilen, die Mariechen mir geschrieben hatte.

    Und?, wollte die Mutter wissen. Ist alles in Ordnung?

    Ja!, stellte ich beruhigend fest und lächelte. Stell dir vor Mutter, Mariechen hat einen jungen Mann kennengelernt. Er kommt aus Hamburg, wie sie schreibt. Er soll bei seinem Onkel in der Stadt noch weiter lernen. Jetzt, an diesem oder nächstem Wochenende, kommt Mariechen Heim. Ich freue mich sehr darauf. Was wir uns dann alles zu erzählen haben? Sie war auch schon lange nicht mehr hier!

    So, so!, antwortete die Mutter nur. Einen jungen Mann hat sie kennengelernt.

    Dann ging sie wieder ihrer Arbeit nach. Weiter sagte sie nichts dazu. Aber ich weiß noch sehr genau, an diesem Tag waren meine Gedanken sehr oft bei meiner Freundin. Es musste gebuttert werden und so ging ich in die Speisekammer, holte das Gefäß, in dem sich der gesammelte Rahm von zwei Tagen befand und stellte ihn auf den Tisch. Dann holte ich das Stoßbutterfass herbei, spülte dieses mit heißem Wasser aus, schüttete den Rahm hinein, bis das Fass zwei Drittel gefüllt war, setzte mich auf den Stuhl, der am Küchenfenster stand und begann zu stampfen.

    Ich schaute auf den Stößel mit der Lochscheibe, den ich auf und ab bewegte und meine Gedanken waren bei meiner Freundin. Wie er wohl ausschaut, dachte ich immerzu. Vielleicht kommt er ja mal mit hierher? Wo wird Mariechen ihn wohl kennengelernt haben? Ich hatte so viele Fragen, die ich gerne meiner Freundin stellen wollte, doch ich musste mich noch etwas gedulden.

    Verträumt schaute ich aus dem Küchenfenster, sah den Schneeflocken zu, wie sie durch die Luft hin und her tanzten und war ganz in meinen Gedanken versunken, als ich die Mutter sagen hörte: Katharina, ich glaube die Butter ist fertig!

    Was ist los?, fragte ich aus meinen Träumen gerissen.

    Die Butter, Kind!, antwortete sie lächelnd. Na, wo du heute nur mit deinen Gedanken bist?

    Ich seufzte laut vor mich hin, schaute in das Butterfass hinein und stellte fest, dass die Mutter wirklich recht hatte.

    Mir war gar nicht bewusst geworden, dass ich schon so lange gestampft hatte. Vorsichtig schüttete ich die Buttermilch in einen Krug, gab frisches Wasser hinein und goss es wieder ab. Anschließend holte ich den Butterklumpen heraus, knete ihn so lang, bis die restliche Milch entfernt war, spülte ihn in klarem Wasser nochmals ab und gab ein wenig Salz dazu, knetete nochmals und sagte dann: Geschafft, Mutter!

    Gut, dann können wir essen!

    Nachdenklich schaute meine Mutter mich an.

    Ob sie meine Gedanken erraten hatte? Ich wusste es nicht. Ich legte die fertige Butter in ein Gefäß, deckte es ab, stellte dieses in die Speisekammer und deckte den Tisch.

    Die Pellkartoffeln, die es heute Mittag gab, stellte die Mutter auf den Tisch, die etwas gesalzene Butter dazu und den Krug mit der frischen Buttermilch. Durstig nahm ich die Buttermilch gefüllte Tasse und trank einen großen Schluck davon. Ich war schon wieder in meinen Gedanken versunken. Als ich meine Mutter anblickte, sah ich sie wieder lächeln. Sie kannte mich sehr genau. In der Buttermilch befanden sich noch kleine Flöckchen Butter und deshalb schmeckte sie einfach köstlich. So wurde man für das lange, geduldige Stampfen etwas belohnt - mit einem so herrlichen Getränk. Doch heute war es anders. Es war nicht die Buttermilch - es war der Brief. Mariechen hatte einen jungen Mann kennengelernt. Wann würde mir der Richtige begegnen? Ich hing schon wieder meinen Gedanken nach.

    Ich freue mich für Mariechen!, meinte die Mutter während des Essens. Es wird wohl ein anständiger junger Mann sein, der es aufrichtig mit ihr meint!

    Ja, erwiderte ich. Ich freue mich natürlich auch oder auch nicht! Bisher haben wir wirklich alles zusammen gemacht. Wir waren doch einfach unzertrennlich, aber nun? Wird es auch noch in Zukunft so sein? Sicher nicht!

    Warten wir erst einmal ab, ob die Beziehung überhaupt standhält! Und außerdem ist Mariechen noch viel zu jung, um eine feste Bindung einzugehen! Sie ist doch fast noch ein Kind!, stellte die Mutter nun etwas skeptisch fest.

    Ach Mutter, so jung ist Mariechen auch nicht! Schließlich werden wir beide zwanzig Jahre alt!

    Plötzlich sah meine Mutter von ihrem Teller hoch und betrachtete mich sehr lange.

    Ja, gewiss, ihr werdet ja schon in den nächsten Tagen zwanzig Jahre alt! Wie die Zeit vergeht! Wo ist sie nur geblieben? Zwanzig Jahre - ach, wenn der Vater und deine Brüder das noch hätten erleben dürfen!, sagte sie nachdenklich. Sie wischte sich mit der Schürze über die feucht gewordenen Augen und ein großer Seufzer kam über ihre Lippen.

    Ich ging zu ihr hin, nahm sie in den Arm und sagte leise: Ja, du hast Recht, Mutter! Das wäre schön gewesen! Wie hätte der Vater über die Dreschmaschine gestaunt und erst der Heinrich! Ob Karl wirklich in die weite Welt gegangen wäre? Vielleicht hätte Heinrich sich schon eine Frau ausgesucht? Ach, wir wären alle zusammen so glücklich gewesen!

    Ja, Kind, das stimmt! Es wäre wirklich sehr schön gewesen, aber wir sind alleine und keiner kann es ändern! Sie streichelte mir zärtlich über die Haare und ihre feuchten Augen sahen mich liebevoll an.

    Aber ich habe ja dich noch und ich bin stolz, dass ich eine Tochter habe, die so fleißig und klug ist. Dafür danke ich dem lieben Gott! Und nun lass uns wieder an die Arbeit gehen!

    Katharina Neubauer hörte nun auf, von der damaligen Zeit zu erzählen. Ihre Wangen waren ganz rot und heiß geworden. Sie glühten richtig.

    Urma, erzähle bitte weiter!, forderte Franziska sie auf, als sie merkte, dass ihre Urgroßmutter mit dem Erzählen aufhören wollte.

    Nein Kind, lass es gut sein! Vorwärts muss man blicken! Niemals rückwärts! Auch wenn heute nicht alles gut ist, ist es doch schön!

    Da hast du Recht, Mutter!, sagte ihre Tochter Sabine und holte das Tablett von der Anrichte, das Monika schon mit den Schnapsgläsern bereitgestellt hatte.

    Sabine goss den Likör ein und bot jedem Gast ein Gläschen an.

    So, Mutter!, sagte sie dann lächelnd. Lass uns alle zusammen auf deinen Geburtstag anstoßen. Noch viele schöne Jahre wünschen wir dir von Herzen, bleib noch lange gesund und vor allen Dingen, bleib so, wie du bist!

    Prost!, riefen alle.

    Ja, prost!, erwiderte das Geburtstagskind glücklich und sah von einem zum anderen. Ich hoffe, dass ich noch etwas auf dieser Welt sein darf! Das Erzählen hat mich doch ein wenig müde gemacht. Ich werde mich bis zum Abendessen zurückziehen. Ihr seid mir doch hoffentlich nicht böse?

    Wie könnten wir dir böse sein?, meinte Monika. Etwas Ruhe wird dir bestimmt gut tun!

    Ich werde Urma zu ihrem Wohnzimmer begleiten!, bot Franziska ihre Hilfe an.

    Nein, nein!, wehrte ihre Mutter ab. Das mache ich schon selber! Sie soll ja wirklich etwas ruhen!

    Es ist schon gut Kinder, aber das schaffe ich noch ganz alleine!, sagte die Altbäuerin. Zum Abendessen kannst du mich ja dann holen, Franziska!

    Die Urenkelin nickte.

    Katharina Neubauer stand auf, ging langsam auf ihrem Gehstock gestützt, hinüber zu ihrem Wohnzimmer. Sie wollte jetzt etwas alleine sein.

    Vom Stall herüber hörte sie die Kühe rufen. Lächelnd setzte sie sich in ihren bequemen Lehnstuhl, legte die Beine auf einem Hocker ab und blickte hinaus auf den schwach beleuchteten Hof. Dann schloss sie ihre Augen.

    Wie viele Jahre schon vergangen waren. Sie lauschte mit geschlossenen Augen auf die Geräusche, die aus dem Stall drangen. Wie gut sie das kannte. Ja, viele Jahre waren einfach so dahingeflogen. Viel zu schnell, stellte sie fest. Katharina seufzte laut vor sich hin. Durch das Erzählen am Kaffeetisch, war ihr so richtig bewusst geworden, dass sie doch ein sehr bewegtes Leben hinter sich hatte. Höhen und Tiefen kamen darin vor und eigentlich hatte sie es doch ganz gut gemeistert. Wenn sie eines Tages vor ihrem Schöpfer steht, braucht sie keine Bange zu haben. Sie hat nichts Schlimmes in ihrem Leben getan.

    Mit einem Lächeln auf ihren Lippen schlummerte sie ein.

    Im Traum sah sie sich wieder mit ihrer Mutter in der warmen Küche am Tisch sitzen.

    In den Wintermonaten kam es vor, dass sie sich etwas länger Zeit zum Mittagessen ließen. Sehr oft sprachen sie über die geleistete Arbeit, den Vater oder die Brüder. Heute musste Katharina neuen Sirup kochen. Sie stand auf, holte die Zuckerrüben herbei, die sie schon am Vortag mit hineingebracht hatte. Sie schnitt die Rüben in kleine Schnitzel, gab sie in einen großen Kochtopf, schüttete ein wenig Wasser dazu und stellte ihn auf die Herdplatte. In der Zwischenzeit, in der die Rübenschnitzel weich kochten, holte sie schon einmal die Bügelwäsche herbei. Sie hatte an dem vorigen Abend einige Wäscheleinen quer durch die Küche gezogen, um die steif gefrorene saubere Wäsche über Nacht zu trocknen. Zwei schwere eiserne Bügeleisen stellte Katharina auf den Herd, um damit die schon trockene Wäsche zu bügeln.

    Die Mutter setzte sich auch an den Küchentisch und erledigte die Flickwäsche. Fein säuberlich stopfte und besserte sie die kaputten Sachen aus.

    Als die Zuckerrübenschnitzel gar waren, schüttete Katharina den gesamten Inhalt auf ein Leinentuch und presste ihn aus. Den Saft gab sie dann wieder in den Topf und kochte ihn, unter ständigem Umrühren, dickflüssig ein. Hin und wieder naschte sie natürlich davon, denn der Sirup war süß und Katharina mochte ihn sehr gerne.

    Als sie diese Arbeit erledigt hatte, rief schon die nächste. Die Tiere im Stall mussten versorgt werden.

    Heute Nacht wird es sicherlich sehr kalt!, sagte sie zu ihrer Mutter, während sie über den Hof gingen. Der Mond zeigte sich schon rund und hell am Himmel. Es hatte aufgehört zu schneien und Katharina empfand es richtig angenehm warm, als sie den Stall betrat. Jedoch den Mist, musste sie schon hinauskarren. Er dampfte in der eisigen Kälte vor sich hin.

    Zuerst fütterte sie die Schweine, denn sie gaben sowieso nicht eher Ruhe, bis sie ihre Köpfe in den vollen Trog stecken konnten. Dann schmatzten und grunzten sie zufrieden.

    Ihre Mutter versorgte in dieser Zeit die Hühner, die bei der Witterung schon sehr früh im Hühnerhaus Schutz suchten.

    Katharina freute sich auf den heutigen Abend, denn sie wollte fort. Heute Abend war Spinnstube angesagt. Darauf freute sie sich schon die ganze Woche. Ja, es war Spinnstube! Die Spinnstube, heiß begehrt, fand immer in einem anderen Haus statt. Ab und zu gab es auch ein Likörchen zu trinken, aber vor allem wurde geplaudert, gelacht, gestrickt und gestickt. In den Sommermonaten fanden sie keine Zeit dazu, doch im Winter, wenn die Arbeit erledigt war, trafen sie sich regelmäßig.

    Die jungen Leute waren an diesem Abend unter sich, die älteren Frauen trafen sich an einem anderen Ort. Die Männer waren dann meist in der Gesangstunde oder hatten etwas anderes zu erledigen. So kam niemand zu kurz, die Jungen nicht und die Alten auch nicht.

    Die Bäuerin Lange marschierte mit ihrem Spinnrad unter dem Arm in Richtung Deimers Haus und Katharina ging nur zwei Häuser weiter bis zum Hof der Kramers. Draußen klopfte sie den Schnee von ihren Schuhen, bevor sie das Wohnhaus betrat.

    Guten Abend miteinander!, begrüßte Katharina die schon in der warmen Stube anwesenden jungen Leute.

    Guten Abend, Katharina!, wurde sie freudig empfangen.

    Du bist spät!, meldete sich Erna.

    Ja, es stimmt!, bestätigte sie. Aber ich werde bestimmt noch nichts verpasst haben, oder?

    Komm, setz dich hier her!, rief Erna wieder. Und verpasst hast du wirklich noch nichts!

    Katharina nahm neben ihr Platz, holte ihr Handtuch hervor und begann mit sehr feinen, kleinen Stichen ihr Monogramm zu sticken. Eine rege Unterhaltung begann und Luise, die Tochter des Hauses erschien mit einem großen Teller frischem Zuckerkuchen und heißem Kaffee. Gut gelaunt langten alle zu und lobten Luise für den wirklich gut schmeckenden Kuchen. Ausgelassen saß die kleine Runde bei ihren Handarbeitssachen in der Stube. Sie erzählten sich dieses und jenes, lachten und alberten herum, als plötzlich die Stubentüre aufgerissen wurde und fünf junge Burschen in den Raum hereinplatzten.

    Schließlich wollten sie einmal nachsehen, was es wohl Neues bei den Mädels gab.

    Katharina, die gerade einen Schluck Kaffee zu sich nehmen wollte, blickte hoch und sah geradewegs in zwei hellblaue Augen. Wie gebannt sahen die zwei jungen Menschen sich an. Es schien, als hätten sie die Welt um sich völlig vergessen. Sie bemerkten nicht das laute Sprechen und Lachen der anderen, sekundenlang blieben ihre Blicke ineinander versunken, bevor sie sich trennten. Katharina fühlte, wie das Blut in ihren Kopf stieg und es ihr sehr heiß wurde. Ihr Herz klopfte und pochte ganz fürchterlich. Katharina hatte das Gefühl, dass es jeder hier im Raum hören konnte. Sie bemühte sich, ihre Tasse ruhig in ihrer Hand zu halten.

    Bei dem plötzlichen Durcheinander, das hier in der Stube herrschte, bemerkte es niemand. Und beinahe hätte sie den heißen Kaffee noch verschüttet, als sie Ernas vorwitzige Stimme vernahm.

    Hier bei uns ist noch Platz! Habt ihr's gehört?

    Heinrich Neubauer reagierte sehr schnell und setzte sich neben Katharina auf das Sofa. Er war groß von Gestalt, hatte breite Schultern, wirkte trotzdem schlank. Er hatte dunkelblonde gewellte Haare und strahlende, hellblaue Augen, die klug und dennoch schelmisch in die Welt blickten.

    Guten Abend, Katharina!, grüßte er mit einer sehr angenehmen tiefen Stimme. Ich hoffe, dass es dir recht ist, wenn ich mich zu euch setze?

    Ja, natürlich!, bemühte sie sich ganz ruhig zu antworten. Warum nicht?

    Ihr Herz klopfte und klopfte. Katharina ärgerte sich, dass es doch nicht so unbefangen klang. Was war eigentlich los mit ihr? Schließlich kannte sie Heinrich Neubauer schon immer. Er war ja nur zwei Jahre älter. Als Kinder sind sie im Winter zusammen mit dem Schlitten gefahren und im Sommer zusammen im Fluss geschwommen, aber heute war es anders. Sie wusste auch nicht, was mit ihr los war. Sie sah ihn plötzlich mit anderen Augen und sie merkte ein eigenartiges Kribbeln in ihrer Magengegend.

    Heinrich, willst' auch ein Stück Butterkuchen und einen Kaffee?, fragte Luise über den Tisch hinweg.

    Ja, gerne!, antwortete er.

    Heinrich biss ein großes Stück ab und stellte fest, dass er wirklich gut war.

    Hm, Luise, hast du ihn etwa selber gebacken?

    Ja sicher doch!

    Muss dich loben, schmeckt ausgezeichnet!

    Na, wenn du das sagst, wird es stimmen!, sagte sie lachend. Bist wohl immer noch für's Süße?

    Aber immer!, scherzte er.

    Du nicht auch, Katharina?, wandte er sich an seine Sitznachbarin.

    Was?, stammelte die Gefragte.

    Ich wollte nur wissen, ob du auch gerne Kuchen magst?

    Ja, stammelte sie, na klar doch!

    Heinrich merkte, dass sie sehr verlegen reagierte. Das hatte er nicht gewollt. Katharina gefiel ihm. Wo hatte er nur all die Jahre seine Augen gehabt? Es war ihm nie aufgefallen. Sie sah einfach bezaubernd aus mit den hochgesteckten Haaren. Einzelne Locken fielen ins Gesicht und in den Nacken. Und ihre Hände! Schmale schlanke Finger, die geschickt die Nadel durch den Stoff hin und her bewegten. Obwohl sie harte

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